Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 02.08.2022 – B 5 K 21.75
Titel:

Zeckenbiss als Dienstunfall, Kausalität, Zweijahresausschlussfrist für Dienstunfallmeldung

Normenketten:
BeamtVG § 31 Abs. 1
BeamtVG § 45
Schlagworte:
Zeckenbiss als Dienstunfall, Kausalität, Zweijahresausschlussfrist für Dienstunfallmeldung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 43487

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Zeckenbisses als Dienstunfall sowie die Feststellung einer Borreliose-Infektion als Dienstunfallfolge.
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Ausweislich der Angaben des Klägers in der betrieblichen Unfallanzeige vom 14.02.2020 verspürte der Kläger während seines Dienstes als Zusteller am 29.08.2015 gegen 12.30 Uhr einen starken Juckreiz im Bereich des Rückens. Im Rahmen der ärztlichen Erstuntersuchung am selben Tag wurde im Klinikum … ein Zeckenrest am Rücken festgestellt.
3
Da in der Folge beim Kläger eine Borreliose diagnostiziert wurde, meldete er das Ereignis vom 29.08.2015 mit Unfallanzeige vom 14.02.2020 als Dienstunfall.
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Mit Bescheid vom 16.04.2020 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 29.08.2015 als Dienstunfall gemäß § 31 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Ausschlussfristen zur Meldung von Dienstunfällen gemäß § 45 BeamtVG nicht eingehalten worden seien.
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Gegen den Bescheid vom 16.04.2020 erhob der Kläger mit Schreiben vom 11.05.2020 Widerspruch. Der Kläger machte geltend, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 BeamtVG erfüllt seien und die Meldung des Dienstunfalls rechtzeitig erfolgt sei. Eine den Anspruch auf Unfallfürsorge begründende Folge des Ereignisses vom 29.08.2015 sei dem Kläger zum damaligen Zeitpunkt nicht erkennbar gewesen. Er habe den Zeckenbiss für eine Bagatelle gehalten und nicht mit weiteren behandlungsbedürftigen Folgen rechnen können. Erst mit Eintritt der Borreliose-Infektion im Januar 2020 sei für den Kläger erkennbar gewesen, dass der Zeckenbiss vom 29.08.2015 nicht folgenlos ausgeheilt gewesen sei. Daher habe erst zu diesem Zeitpunkt eine Dienstunfallanzeige erfolgen können.
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Mit Bescheid vom 21.12.2020 wies die DB Verkehr den Widerspruch des Klägers zurück. Nach § 45 Abs. 1 BeamtVG seien Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche nach diesem Gesetz entstehen könnten, innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalls dem Dienstvorgesetzten zu melden. Eine Meldung des Zeckenbisses vom 29.08.2015 als Dienstunfall sei innerhalb der Ausschlussfrist von zwei Jahren nicht erfolgt. Nach § 45 Abs. 2 BeamtVG werde nach Ablauf der Ausschlussfrist Unfallfürsorge nur gewährt, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen seien und gleichzeitig glaubhaft gemacht werde, dass mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalls nicht habe gerechnet werden können oder dass der Berechtigte durch außerhalb seines Willens liegende Umstände gehindert worden sei, den Unfall zu melden. Die Meldung müsse, nachdem mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalls gerechnet werden könne oder das Hindernis für die Meldung weggefallen sei, innerhalb von drei Monaten erfolgen. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Die Ausschlussfrist von zehn Jahren beziehe sich auf Folgen bereits anerkannter Unfallverletzungen. Solche bestünden hier nicht. Unabhängig davon sei eine Anerkennung des Ereignisses vom 29.08.2015 als Dienstunfall gemäß § 31 BeamtVG nicht möglich. Demnach sei Voraussetzung für die Anerkennung des Ereignisses vom 29.08.2015 als Dienstunfall, dass ein Zusammenhang zwischen der Unfallentstehung, dem Unfallereignis und der Schädigung bestehe. Nach der Hergangsschilderung habe der Kläger am 29.08.2015 während der Zustellung einen Zeckenbiss festgestellt, der im Klinikum … ärztlich versorgt worden sei. Der Kläger gehe davon aus, dass er während des Zustellvorgangs von der Zecke gebissen worden sei. Den Zeckenbiss hätte er sich jedoch bei jeder sonstigen (privaten) Gelegenheit zuziehen können. Ein Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit sei nicht erwiesen. Die bestehende Ungewissheit über das Vorliegen eines Dienstunfalls gehe zu Lasten des Klägers.
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Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 22.01.2022, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag eingegangen, hat der Kläger Klage erhoben und beantragt mit Schriftsatz vom 10.03.2021,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16.04.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.12.2020 zu verpflichten, das Ereignis vom 29.08.2015 (Zeckenbiss) als Dienstunfall sowie die Borreliose-Erkrankung infolge der mit dem Zeckenbiss einhergehenden Infektion im Jahr 2015 als Dienstunfallfolge anzuerkennen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Kläger mit dem erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit am 29.08.2015 einen Dienstunfall in Gestalt eines Zeckenbisses erlitten habe, infolgedessen es zu einer Borreliose-Erkrankung als Unfallfolge gekommen sei. Unstreitig habe der Kläger am 29.08.2015 seinen Dienst in der Postzustellung ausgeführt. Während seines Dienstes habe der Kläger gegen Mittag einen Juckreiz am Rücken verspürt. Nach Beendigung seines Dienstes habe sich der Kläger in die Ambulanz des Klinikums … begeben, wo ein Zeckenrest aus seinem Rücken entfernt worden sei. Das vom Kläger mit der Dienstunfallanzeige gemeldete Ereignis erfülle die in § 31 BeamtVG im Einzelnen aufgeführten tatbestandlichen Voraussetzungen eines Dienstunfalls. Die Anforderungen an die örtliche und zeitliche Bestimmbarkeit des als Dienstunfall geltend gemachten Ereignisses seien erfüllt. Vorliegend stehe fest, dass der Kläger sich die Zecke bzw. den Zeckenbiss während seines am 29.08.2015 verrichteten Dienstes zugezogen habe. Es sei unstreitig, dass sich der Kläger am 29.08.2015 um die Mittagszeit im Dienst befunden habe und während dieser Zeit mit der Postzustellung beschäftigt gewesen sei. Die Postzustellung des Klägers habe an diesem Tag im ländlichen Bereich bzw. in ländlichen Gebieten stattgefunden und das Durchqueren von Gärten, Rasen- und Grasflächen bzw. das Passieren von Hecken und Sträuchern erfordert, um zu den Briefkästen bzw. den vereinbarten Ablageorten für Pakete und Päckchen zu gelangen. Es könne nach der Lebenserfahrung nicht angezweifelt werden, dass ich Zecken gerade in der fraglichen Jahreszeit bevorzugt unter anderem auf Rasen- und Grasflächen bzw. in Hecken und Sträuchern aufhielten und der Aufenthalt von Menschen in diesen Bereichen unweigerlich das Risiko eines Zeckenbefalls in sich berge. Weiter könne der Kläger mit Bestimmtheit sagen, dass sich am Vorabend des 29.08.2015 sowie am Morgen des 29.08.2015, also vor Dienstantritt, keine Zecke an seinem Körper befunden habe. Dies insbesondere, da der Kläger sowohl am Vorabend des 29.08.2015, wie auch am Morgen des 29.08.2015 unmittelbar bevor er sich zu seinem Dienst begeben habe, geduscht und insoweit keine Zecke an seinem Körper festgestellt habe. Auch habe sich der Kläger unmittelbar nach dem Dienstende in die Ambulanz des Krankenhauses begeben, um die Zecke entfernen zu lassen. Es könne also mit hinreichender, an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass sich der Kläger den Zeckenbiss bei einer sonstigen (privaten) Gelegenheit zugezogen habe. Auch habe der Kläger den Juckreiz am Rücken, an der Stelle, an der der Zeckenrest schließlich im Krankenhaus entfernt worden sei, am Mittag des 29.08.2015 (gegen 12.30 Uhr) verspürt. Mithin sei hinreichend erwiesen, dass er sich den Zeckenbefall während seiner dienstlichen Verrichtungen zugezogen habe. Auch sei die Unfallanzeige fristwahrend im Sinn des § 45 BeamtVG erfolgt.
9
Mit Schriftsatz vom 25.03.2021 beantragt die Beklagte,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche nach dem BeamtVG entstehen können, gemäß § 45 Abs. 1 BeamtVG innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalls dem Dienstvorgesetzten bzw. der Dienstunfallfürsorgestelle zu melden seien. Dieser Verpflichtung sei der Kläger nicht nachgekommen. Die Meldung des Unfallereignisses sei erstmals am 03.12.2019, also mehr als vier Jahre nach dem Zeckenbiss und damit nicht innerhalb der Zweijahresfrist des § 45 Abs. 1 BeamtVG erfolgt. Dabei handele es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist, die in jeder Phase des Verfahrens zu beachten sei. Eine Wiedereinsetzung sei nicht möglich. Auf die Frage, ob die zwischenzeitlich festgestellte Borreliose-Infektion auf den Zeckenbiss vom 29.08.2015 zurückzuführen sei, komme es nicht an, da die Anerkennung als Dienstunfall nach § 31 BeamtVG bereits an der Ausschlussfrist des § 45 Abs. 1 BeamtVG scheitere.
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In Erwiderung hierauf führt die Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 22.04.2021 ergänzend aus, dass die Beklagte auf die Regelung des § 45 Abs. 2 BeamtVG nicht eingehe. Nach dem erklärten Willen des Versorgungsgesetzgebers komme es darauf an, ab wann Verletzungen oder Symptome feststellbar gewesen seien, die eine Entwicklung als möglich erscheinen ließen, wonach mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalls gerechnet werden könne. Der Kläger habe nach dem Dienstunfall/Zeckenbiss einen tatsächlich eingetretenen Körperschaden zunächst nicht erkannt. Er habe diesen auch nicht erkennen können. Als medizinischer Laie habe er aufgrund des ursprünglichen Befundes des behandelnden Arztes am Tag des Dienstunfalls sowie des weiteren Befundes bei der Kontrolluntersuchung davon ausgehen können, sich keinen Körperschaden zugezogen, sondern lediglich einen Bagatellunfall erlitten zu haben, der nur zu einem von ihm verspürten starken Juckreiz geführt habe. In dem ärztlichen Bericht vom 29.08.2015 sei als Befund vermerkt, dass in der Mitte des BWS-Bereichs ein Zeckenrest zu sehen gewesen sei, keine Rötung, keine Überwärmung. Auch die Nachsorge sei ohne Befund gewesen. Ohne Kenntnis der als unmittelbare Unfallfolge eingetretenen Borreliose-Infektion habe der Kläger die sich später einstellenden Symptome nicht auf den Dienstunfall zurückführen können. Die einen Anspruch auf Unfallfürsorge begründende tatsächliche unmittelbare Unfallfolge habe der Kläger erst erheblich später erfahren. Seine Unfallanzeige sei daher fristwahrend erfolgt. Die in § 45 Abs. 2 BeamtVG normierte Ausschlussfrist von zehn Jahren beziehe sich nicht lediglich auf Folgen bereits anerkannter Dienstunfälle.
12
Mit Schriftsatz vom 19.05.2021 führt die Beklagte ergänzend aus, dass die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 BeamtVG ersichtlich nicht vorliegen würden. Denn der Kläger habe sich noch am Unfalltag in der Chirurgischen Ambulanz der … Kliniken in … vorgestellt, wo ein Zeckenrest entfernt worden seien. Der Kläger könne daher nicht glaubhaft vortragen, dass er mit einer Folge des Unfalls nicht habe rechnen können, da er sich wegen einer solchen Folge in ärztliche Behandlung begeben habe. Das Durchstechen der Haut durch eine Zecke stelle zwar einen Körperschaden dar, die Frist des § 45 Abs. 1 BeamtVG sei jedoch am 29.08.2017 abgelaufen.
13
Mit Beschluss der Kammer vom 21.06.2022 wurde der Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
14
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der vorgelegten Behördenakte, § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Hinsichtlich des Verhandlungsverlaufs wird auf das Protokoll der Sitzung, in der die Prozessbeteiligten auf ihre bereits schriftsätzlich angekündigten Anträge Bezug genommen haben, verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.
15
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
16
Der angegriffene Bescheid vom 16.04.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO). Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Feststellung verlangen, dass der von ihm geschilderte Zeckenstich vom 29.08.2015 als Dienstunfall anerkannt wird und hieraus Unfallfürsorgeleistungen wegen einer Borreliose-Erkrankung zu gewähren sind.
17
Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Die Anerkennung eines Unfalls als Dienstunfall und von Gesundheitsstörungen als Folgen eines Dienstunfalls setzt voraus, dass das äußere Ereignis den Körperschaden herbeigeführt hat oder doch als wesentlich mitwirkende Teilursache des eingetretenen Krankheitszustandes anzusehen ist.
18
Dabei hat der Beamte nach den auch im Dienstunfallrecht geltenden allgemeinen Beweisgrundsätzen die anspruchsbegründenden Voraussetzungen, d. h. auch den Kausalzusammenhang zwischen Dienst, Unfall und Erkrankung, „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ zu beweisen (vgl. u.a. BVerwG, U.v. 30.6.1988 – 2 C 77.86 – DÖD 1988, 295; B.v. 11.3.1997 – 2 B 127.96 – juris Rn. 5 jeweils m.w.N.; BayVGH, U.v. 3.8.2005 – 3 B 00.3426 – juris Rn. 43; U.v. 12.11.2009 – 3 B 05.633 – juris Rn. 48; U.v. 21.9.2011 – 3 B 09.3140 – juris Rn. 35; B.v. 13.1.2014 – 14 CS 13.1790 – BayVBl 2015, 172 Rn. 13).
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Vorliegend bedeutet dies, dass der Kläger die volle Beweislast dafür trägt, dass er sich den Zeckenstich am 29.08.2015 während des Dienstes zugezogen hat, dass es dieser Zeckenstich war, der beim Kläger die im Jahr 2019 diagnostizierte Borreliose-Erkrankung ausgelöst hat und dass es in der Zwischenzeit zu keiner anderweitigen Infektion mit Borrelioseerregern gekommen ist, sowie die Tatsache, dass die geklagten Beschwerden auf diese Borreliose-Erkrankung zurückzuführen sind. Nur wenn der Kläger diesen Beweis zur Überzeugung des Gerichts führen kann, stünde bei Einhaltung der in § 45 BeamtVG genannten und vom Kläger einzuhaltenden Meldefristen die Anerkennung eines Dienstunfalls im Raum.
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1. Zweifelhaft erscheint hier bereits, ob ein örtlich und zeitlich bestimmbares Unfallereignis vorliegt. Nicht erwiesen ist schon, ob der Kläger von der Zecke – wie von ihm angegeben – am 29.08.2015 während des Dienstes gestochen wurde. Fest steht lediglich, dass er die Zecke an diesem Tag entdeckt hat und noch am Abend des 29.08.2015 ärztlich hat entfernen lassen. Es erscheint daher nicht ausgeschlossen, dass die Zecke bereits am Vortag an seinen Körper oder in seine Kleidung gelangt ist. Eine Beweiserleichterung in Gestalt eines Anscheinsbeweises dahingehend, dass eine Person an demselben Tag von einer Zecke befallen wurde, an dem sie gefunden wurde, besteht nicht. Vielmehr ist ein Kontakt mit der Zecke am Vortag nach der Lebenserfahrung ebenso denkbar (vgl. OVG RP, B.v. 16.12.2010 – 2 A 10933/10 – juris Rn. 7; VG Augsburg, U.v. 28.3.2013 – Au 2 K 11.1178 – juris Rn. 19). Der Vortrag des Klägers, er habe beim Duschen am Vorabend sowie am 29.08.2015 vor dem Dienst keine Zecke bemerkt, ist nicht geeignet, die Möglichkeit eines Stiches am Vortag auszuschließen. Zecken sind sehr klein und nicht ohne weiteres optisch wahrnehmbar, wenn nicht gezielt nach ihnen gesucht wird (vgl. auch VG Ansbach, U.v. 8.2.2007 – AN 11 K 06.02510 – juris Rn. 22; VG Augsburg, U.v. 28.3.2013 – Au 2 K 11.1178 – juris Rn. 20). Es ist deswegen denkbar, dass der Kläger die Zecke zunächst übersehen hat. Hinzu kommt, dass – unabhängig von dem Zeitpunkt des Stiches – auch der Ort des Ereignisses nicht bestimmt ist. Es ist durchaus denkbar, dass sich der Kläger die Zecke im Rahmen von Freizeitaktivitäten zugezogen hat, was zur Folge hätte, dass auch das Kriterium „in Ausübung oder infolge des Dienstes“ entfiele.
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Darüber hinaus ist nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwiesen, dass der am 29.08.2015 vermeintlich erlittene Zeckenstich die Ende des Jahres 2019 diagnostizierte Borreliose-Erkrankung bedingte. Vielmehr ist ebenso denkbar, dass der Kläger im Rahmen des mehr als vierjährigen Zeitraums zwischen dem vermeintlichen Zeckenstich und der Diagnose der Borreliose-Erkrankung weitere Zeckenstiche erlitten hat. Dies kann der Kläger auch nicht mit seinem Vortrag entkräften, dass Zeckenstiche bei ihm ein starkes Brennen sowie einen erheblichen Juckreiz auslösten, so dass er entsprechende Vorfälle immer bemerken würde. Einen objektiven Beweis für diese Behauptung, die dem anzulegenden Beweismaßstab der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit gerecht wird, konnte der Kläger insoweit nicht erbringen.
22
2. Darüber hinaus scheitert ein Anspruch des Klägers auf Unfallfürsorgeleistungen auch daran, dass er den Dienstunfall vom 29.08.2015 verspätet gemeldet hat.
23
Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG sind Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche nach diesem Gesetz entstehen können, innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalls bei dem Dienstvorgesetzten des Verletzten zu melden. Eine bestimmte Form für die Dienstunfallmeldung ist nicht vorgeschrieben, es muss jedoch erkennbar sein, dass ein Unfall gemeldet wird, der ein Dienstunfall sein kann und Unfallfürsorgeansprüche auslösen kann. Eine reine Krankmeldung ohne nähere Hinweise auf einen Dienstunfall ist nicht ausreichend. Adressat der Meldung ist der Dienstvorgesetzte. Es ist daher für eine ordnungsgemäße Anzeige ausreichend, wenn diese bei der zuständigen Stelle mündlich erfolgt oder wenn der unmittelbare Vorgesetzte über das Vorliegen eines Dienstunfalls informiert wird und er diese Meldung weiterleitet (vgl. VG Bayreuth, U.v. 25.1.2009 – B 5 K 06.958 – juris Rn. 34 m.w.N.).
24
Der Kläger hat bis Ende des Jahres 2019 weder eine förmliche Dienstunfallmeldung abgegeben, noch hat er geltend gemacht, dass er seine Vorgesetzten am 29.08.2015 mündlich über das mögliche Vorliegen eines Dienstunfalls informiert hat.
25
Dass dabei auf den Zeitpunkt des 29.08.2015 und nicht erst auf den Nachweis der Borreliose-Erkrankung Ende des Jahres 2019 abzustellen ist, ergibt sich für das Gericht aus der Tatsache, dass es im August 2015 einer ambulanten ärztlichen Behandlung des Zeckenstiches bedurfte. Auch kleinere Körperschäden sind im Sinne des § 31 Abs. 1 BeamtVG rechtserheblich, wenn der Schaden aus medizinischer Sicht Krankheitswert besitzt. Bei der Entfernung einer Zecke handelt es sich nicht um eine geringfügige Hautverletzung und damit nicht um einen sogenannten Bagatellschaden (vgl. VG Bayreuth, U.v. 25.1.2009 – B 5 K 06.958 – juris Rn. 36; BayVGH, B.v. 12.1.2009 – 3 ZB 08.776 – juris Rn. 3). Der Kläger musste sich die Zecke bzw. den Zeckenrest im Klinikum … von einem sachkundigen Arzt entfernen lassen. Zudem waren bereits zum damaligen Zeitpunkt generell die Risiken der Übertragung von Krankheiten durch Zeckenstiche (insbesondere FSME und Borreliose) bekannt. Der Kläger wurde im Rahmen des Attestes des Klinikums … vom 29.08.2015 auch darauf hingewiesen, dass eine klinische Kontrolle beim Hausarzt, eine Antibiose bei Entzündungsanzeichen und eine Überprüfung des Tetanusschutzes erforderlich seien. Ein Zeckenstich ist damit nicht allein durch die bloße Verletzung der Haut gekennzeichnet, sondern auch durch die darüber hinausgehende Gefahr, dass mit dem Stich Krankheitserreger in die Blutbahn gelangen können, die Borreliose oder auch FSME auslösen können (vgl. VG Bayreuth, U.v. 25.1.2009 – B 5 K 06.958 – juris Rn. 36).
26
Der Kläger war daher gehalten, zur Wahrung seiner Rechte aus dem vermeintlich stattgefundenen Dienstunfall diesen bereits am 29.08.2015 anzuzeigen. Dies hat er jedoch unterlassen, obwohl ihm mit der Behandlung im Klinikum … unfallbedingte Kosten entstanden sind, deren Erstattung er vom Dienstherrn hätte verlangen können.
27
Nach Ablauf der Ausschlussfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG kann eine Unfallfürsorgeansprüche begründende Meldung auch dann noch rechtswirksam abgegeben werden, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen sind und gleichzeitig glaubhaft gemacht wird, dass der Berechtigte mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge vorher nicht rechnen konnte. Dabei kommt es darauf an, ab wann Verletzungen oder Symptome feststellbar waren, die eine solche Entwicklung als möglich erscheinen lassen. Der Betroffene muss das schadensstiftende Ereignis kennen und für ihn muss die Möglichkeit eines Schadenseintritts absehbar, also hinreichend wahrscheinlich sein. Es ist nicht erforderlich, dass er sich die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs verschafft. Ausreichend ist vielmehr, dass ein Ereignis stattgefunden hat, das auch in der Laiensphäre als dienstlich bedingter Unfall zu qualifizieren und aus der Sicht eines objektiven Betrachters geeignet ist, Ansprüche auf Unfallfürsorge zu begründen (vgl. Reich, Beamtenversorgungsgesetz, 2. Auflage 2019, § 45, Rn. 7).
28
§ 45 Abs. 2 BeamtVG greift jedoch nur ein, wenn das Unfallereignis zunächst tatsächlich keinen erkennbaren Körperschaden ausgelöst hat oder der Körperschaden so gering war, dass er keinen Krankheitswert besaß. § 45 Abs. 2 BeamtVG ist jedoch dann nicht anwendbar, wenn ein relevanter Körperschaden vorlag und der Beamte innerhalb der Zweijahresfrist von der Meldung des Unfalls abgesehen hat, z. B. weil er dem Körperschaden keine besondere Bedeutung beimaß (vgl. VG Bayreuth, U.v. 25.1.2009 – B 5 K 06.958 – juris Rn. 40). Letzteres war hier nach den obigen Ausführungen der Fall. Der Kläger musste sich bereits am 29.08.2015 in ärztliche Behandlung begeben, um den Zeckenrest entfernen zu lassen. Auch wurde seitens der behandelnden Ärztin auf eine erforderliche Nachsorge in Form einer klinischen hausärztlichen Kontrolle hingewiesen. Dass der Kläger sowie dessen Hausarzt dem Zeckenstich in der unmittelbaren zeitlichen Folge des Ereignisses keine Bedeutung beigemessen hatten, erweist sich nach den vorgenannten rechtlichen Maßstäben als unerheblich.
II.
29
Als unterlegener Beteiligter hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 f. der Zivilprozessordnung (ZPO). Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch die Beklagte vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.