Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 20.12.2022 – B 5 K 21.699
Titel:

Keine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bei Versäumung der Jahresfrist zur Einreichung von Rechnungen bei der Beihilfe

Normenketten:
BBG § 80 Abs. 4
BBhV § 54 Abs. 1 S. 1
VwVfG § 32 Abs. 1 S. 1, Abs. 3
Leitsätze:
1. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der materiellen Ausschlussfrist des § 54 BBhV, wonach Beihilfe nur gewährt wird, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Rechnungsdatum beantragt wird, bestehen keine Bedenken. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach § 32 Abs. 3 VwVfG kann die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nicht mehr beantragt bzw. die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, wenn seit Ende der versäumten Frist ein Jahr verstrichen ist. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn Antragstellung bzw. Nachholung der versäumten Handlung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Die Jahresfrist läuft ab dem Ende der versäumten Frist für die Handlung, die vorzunehmen war. Dieser in Abs. 3 bestimmte Zeitraum von einem Jahr stellt eine endgültige Ausschlussfrist dar. (Rn. 28 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Ablauf der Frist des § 32 Abs. 3 VwVfG, Nachweis der erstmaligen Rechnungsstellung, Ablehnung, Antrag auf Wiedereinsetzung, Beihilfe, Beihilfeantrag, Frist, Rechnung, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Ausschlussfrist, Fristversäumnis, höhere Gewalt, Jahresfrist, Rechtssicherheit
Fundstelle:
BeckRS 2022, 43486

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen die Versagung beantragter Beihilfe durch die Beklagte.
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Mit Schreiben vom 02.03.2021 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und teilte mit, dass sie vor einigen Tagen zu Recht eine Mahnung von der Uniklinik … erhalten habe. Sie habe versäumt, die beiden Beträge von „6.517,36 EUR (...) und 8.204,24 EUR? (Beihilfe)“ zu überweisen. Sie komme nicht auf den angemahnten Betrag von 20.044,53 EUR. Dem Schreiben lag eine Mahnung des Universitätsklinikums … vom 23.02.2021 bei. Danach bitte man die Klägerin um Überweisung von 20.044,53 EUR aus einer Rechnung vom 23.08.2018 über einen Aufenthalt vom 07.08.2018 bis 20.08.2018. Dem Schreiben lag ebenso eine Leistungsabrechnung der … Krankenversicherung vom 11.10.2018 bei. Die Krankenversicherung teilt darin mit, dass man einen Auszahlungsbetrag in Höhe von 6.517,36 EUR auf das Konto der Klägerin angewiesen habe. In den Erläuterungen findet sich der Hinweis, dass zur Prüfung des Leistungsantrages der Klägerin Rückfragen erforderlich gewesen seien. Die entsprechenden Auskünfte habe die Versicherung nun erhalten und die tariflichen Leistungen daher ausbezahlt. Man bedanke sich für die Geduld.
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Mit Beihilfebescheid vom 08.03.2021 teilte die Beklagte mit, dass auf den Antrag der Klägerin vom 02.03.2021 keine Beihilfe gewährt werde. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass Beihilfe gemäß § 54 Abs. 1 der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) nur gewährt werde, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Rechnungsdatum beantragt würde.
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Mit Schreiben vom 16.03.2021, eingegangen bei der Beklagten am 19.03.2021, erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Beihilfebescheid vom 08.03.2021. Zur Begründung führte sie aus, dass sie die Rechnung der Uniklinik … für die Herz-Operation erst vor ein paar Tagen erhalten habe. Den Betrag habe sie inzwischen überwiesen, nach Auskunft der Klinik könne sie die Mahnung vernichten. Sie bitte um Mitteilung, ob noch andere Belege benötigt würden.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2021 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass nach § 54 Abs. 1 Satz 1 BBhV Beihilfe nur gewährt werde, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Rechnungsdatum beantragt werde. Im Fall der Klägerin seien die Aufwendungen mit dem Rechnungsdatum am 23.08.2018 entstanden. Der formlose Beihilfeantrag vom 02.03.2021 sei nicht innerhalb der Jahresfrist eingegangen. Die Voraussetzungen des § 32 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen hier nicht vor. Zwar habe die Klägerin bei Widerspruchseinlegung ein Duplikat der Rechnung vom 23.08.2018 mit Datum 16.03.2021 eingereicht. Laut telefonischer Rücksprache mit der rechnungsstellenden Klinik sei der Erstversand der Rechnung jedoch bereits am Rechnungsdatum, also dem 23.08.2018 erfolgt. Ein auf klinikinternen Abläufen begründeter verzögerter Versand der streitgegenständlichen Rechnung sei nicht erfolgt. Das Fristversäumnis liege daher ausschließlich im Verantwortungsbereich der Klägerin. Die wiederholte Ausstellung der Rechnung führe nicht zu einer erneuten Ingangsetzung der Jahresfrist. Ein objektiv unverschuldetes Hindernis, die Rechnung rechtzeitig einzureichen, werde nicht vorgebracht und sei auch nicht ersichtlich.
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Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 11.06.2021, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, ließ die Klägerin Klage erheben mit den Anträgen:
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1. Der Beihilfebescheid vom 08.03.2021 und der Widerspruchsbescheid vom 18.05.2021 des Bundesverwaltungsamts werden aufgehoben.
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2. Der Klägerin wird Beihilfe nach den Maßgaben der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) gewährt.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 06.08.2021 begründeten die Bevollmächtigten die Klage im Wesentlichen damit, dass die Klägerin versichere, erstmalig eine Rechnung im März 2021 von der Uniklinik … für ihre Herz-Operation mitsamt einer Mahnung erhalten zu haben. Die Beklagte habe damit das Vorliegen der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 VwVfG zu Unrecht verneint. Es sei unzutreffend, dass der Erstversand der Rechnung bereits am Rechnungsdatum erfolgt sei. Als Rechnungsdatum werde einmal der 23.08.2018 genannt, auf der Rechnung selbst werde der 26.08.2018 als Rechnungsdatum angegeben. Bereits diese Ungereimtheit lasse darauf schließen, dass tatsächlich beim Erstversand der Rechnung bei der Rechnungsstellerin etwas falsch gelaufen sei. Nach Rücksprache mit der rechnungsstellenden Klinik sei dies auch nicht ausgeschlossen, da es bei solchen Abrechnungen immer wieder intern zu schwierigen Fragen der richtigen Rechnungsstellung kommen könne, sodass sich dadurch auch immense Zeitverzögerungen ergeben könnten, wenn zunächst die Rechnung gutachterlich geprüft werden müsse. Es liege somit ein objektiv unverschuldetes Hindernis vor, nämlich der Umstand, dass die Klägerin vor März 2021 gar keine Rechnung bekommen habe. Da die Klägerin auch nicht gewusst habe, ob die rechnungstellende Klinik direkt mit der Beihilfestelle wegen des Ausgleichs der Rechnung in Kontakt getreten sei, habe für sie auch keine Veranlassung bestanden, von sich aus nachzufragen, weshalb sie noch keine Rechnung erhalten habe.
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Mit Schriftsatz vom 13.09.2021 beantragte die Beklagte,
die Klage abzuweisen und nahm zur Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid und im Widerspruchsbescheid Bezug.
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Ergänzend dazu habe die Klägerin spätestens mit Erhalt der Mahnung vom 23.02.2021 die Kenntnis vom Hindernis der angeblich fehlenden Rechnung erlangt. Da die Klägerin in ihrem Schreiben vom 02.03.2021 selbst angegeben habe, die Mahnung vor einigen Tagen erhalten zu haben, seien bis zum Eingang ihres Widerspruchs vom 16.03.2021 bei der Beklagten am 19.03.2021 bereits mehr als 14 Tage vergangen. Auch darauf habe die Beklagte zu Recht eine Ablehnung der beantragten Wiedereinsetzung stützen können.
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In Erwiderung darauf ließ die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 09.11.2021 vortragen, dass die von der Beklagten genannte Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung des § 32 VwVfG nicht überschritten sei. Das Hindernis sei nicht bereits durch die Mahnung vom 23.02.2021 weggefallen. Die Wiedereinsetzung sei hier insbesondere deswegen zu gewähren, weil seitens des Universitätsklinikums … eine Mahnsperre eingerichtet worden sei, d. h. die Klägerin bis 2021 nicht gemahnt worden sei, um zunächst eine Klärung abzuwarten. Erst am 05.02.2021 habe sich eine Mitarbeiterin des Universitätsklinikums … bei der Klägerin telefonisch erkundigt und die Klägerin sei erstmals am 23.02.2021 wegen der Zahlung gemahnt worden. Es sei durchaus nachvollziehbar, dass die Klägerin die Angelegenheit vergessen habe, weil zu erwarten gewesen wäre, dass die Rechnung spätestens 2019 angemahnt würde. Wenn man von einer Kenntnis der Klägerin von der Rechnung erst mit Versendung der Mahnung vom 23.02.2021 ausgehe, komme es ohnehin nicht auf die 14-Tages-Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung an. Es sei nicht auszuschließen, dass die Rechnung direkt von der Klinik an die … geschickt worden sei. Die Klägerin erinnere sich jedenfalls nicht mehr, 2018 eine Rechnung erhalten zu haben. Vorstellbar sei, dass ein Antrag auf Direktabrechnung unterzeichnet oder vom Vorliegen eines solchen ausgegangen worden sei.
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Aus dem dem Schriftsatz beiliegenden Schreiben des Universitätsklinikums … an die Bevollmächtigten der Klägerin vom 05.08.2021 geht hervor, dass der Klägerin zum stationären Aufenthalt vom 07.08.2018 bis 20.08.2018 am 26.08.2018 eine Rechnung vom 23.08.2018 zugesandt worden sei. Dies habe man im elektronischen System so festgehalten. Daraufhin müsse die Klägerin diese Rechnung bei ihrer privaten Krankenkasse eingereicht haben. Die … habe sich nämlich mit Schreiben vom 13.09.2018 unter Bezugnahme auf diese Rechnung an das Klinikum gewandt und um Übermittlung der Behandlungsunterlagen gebeten. Daraufhin habe man eine Mahnsperre eingerichtet, um zunächst eine Klärung abzuwarten. Nach weiteren Ausführungen stellte die Sachbearbeiterin des Klinikums zusammenfassend fest, dass der Klägerin nicht erst im März 2021 erstmalig eine Rechnung von 23.08.2018 zugesandt worden sei.
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In ihrer abschließenden Äußerung vom 22.11.2021 hielt die Beklagte am Klageabweisungsantrag fest. Dabei bezog sie sich zur Erläuterung auf das von Klägerseite vorgelegte Schreiben des Universitätsklinikums … vom 05.08.2021.
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Auf gerichtliche Anfrage erklärte die Beklagtenseite mit Schreiben vom 07.02.2022 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Für die Klägerin erklärten die Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 07.03.2022 ebenfalls, dass auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet werde.
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Für das übrige Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I. Die zulässige Klage, über die nach beiderseitigem Einverständnis im schriftlichen Verfahren (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) entschieden werden konnte, hat in der Sache keinen Erfolg.
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Der Bescheid der Beklagten vom 08.03.2021 und der Widerspruchsbescheid vom 18.05.2021 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 80 Abs. 4 des Bundesbeamtengesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) i.V.m. mit der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) in der seit 14. Februar 2009 geltenden Fassung (BGBl I S. 326) auf Gewährung von Beihilfe im beantragten Umfang (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Anspruch auf Gewährung von Beihilfeleistungen der streitgegenständlichen Aufwendungen ist wegen Versäumung der Jahresfrist nach § 54 Abs. 1 Satz 1 BBhV erloschen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 32 VwVfG scheidet aus.
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1. Gemäß § 54 BBhV wird Beihilfe nur gewährt, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Rechnungsdatum beantragt wird.
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Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit einer solchen materiellen Ausschlussfrist bestehen keine Bedenken (BVerwG, U.v. 28.6.1965 – VIII C 334.63 – juris). Wird sie versäumt, ist der möglicherweise dem Grunde nach gegebene Anspruch auf Beihilfe erloschen. Die Ausschlussfrist dient aus haushaltstechnischen Gründen dazu, eine baldige Klärung etwa noch bestehender Beihilfeansprüche herbeizuführen und ist mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar. Im Hinblick auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn ist sie jedenfalls dann unbedenklich, wenn die Möglichkeit besteht, im besonderen Einzelfall Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen (vgl. BayVGH, U.v. 5.4.1990 – 3 B 89.2831 – juris Rn. 14; VG München, U.v. 4.3.2010 – M 17 K 08.5515 – juris). Dies ist hier der Fall. Obgleich es sich bei der Jahresfrist nach § 54 BBhV um eine materielle Ausschlussfrist handelt, ist nach Ziffer 54.1.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur BBhV bei Versäumnis der Antragsfrist eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren, sofern die Voraussetzungen des § 32 VwVfG vorliegen.
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Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Klägerin die Jahresfrist zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Rechnung im Wege der Beihilfe unzweifelhaft versäumt. Die Klägerin begehrte mit Beihilfeantrag vom 02.03.2021 die Gewährung von Beihilfeleistungen für die eingereichte Rechnung des Uniklinikums …, deren Rechnungsdatum den 23.08.2018 ausweist. Die Jahresfrist endete für diese streitgegenständliche Rechnung des Uniklinikums … vom 23.08.2018, an die Klägerin spätestens abgesandt am 26.08.2018, gemäß § 31 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) mit Ablauf des 29.08.2019 (Donnerstag) um 24.00 Uhr. Die Klägerin stellte ihren Beihilfeantrag vom 02.03.2021 jedoch erst ca. zweieinhalb Jahre später. Demnach ist der Anspruch auf Gewährung von Beihilfeleistungen der streitgegenständlichen Aufwendungen hier unzweifelhaft wegen Versäumung der Jahresfrist gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 BBhV erloschen.
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Das Gericht hat auch keine begründeten Zweifel daran, dass das Uniklinikum … der Klägerin tatsächlich am 26.08.2018 die auf den 23.08.2018 datierte streitgegenständliche Rechnung übersandt hat. Dafür sprechen folgende Umstände:
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Zum einen spricht die Klägerin selbst in ihrem Antrag vom 02.03.2021 davon, dass sie zu Recht eine Mahnung von der Uniklinik … erhalten habe. Sie habe versäumt, die beiden Beträge von „6.517,36 EUR (...) und 8.204,24 EUR? (Beihilfe)“ zu überweisen. Die Formulierung „zu Recht“ lässt darauf schließen, dass sie sich der von ihr noch nicht beglichenen, aber längst fälligen Rechnung durchaus bewusst war. Zum anderen ergibt sich dies auch aus der Leistungsabrechnung der … Krankenversicherung vom 11.10.2018. In den Erläuterungen zur Abrechnung findet sich nämlich der Hinweis, dass zur Prüfung des Leistungsantrags der Klägerin Rückfragen erforderlich gewesen seien. Man bedanke sich für die Geduld. Auch diese Formulierungen lassen darauf schließen, dass die Klägerin zunächst die streitgegenständliche Rechnung des Klinikums erhalten und diese dann bei der Krankenversicherung eingereicht hat. Ansonsten ergäbe die Tatsache, dass man ihr mitgeteilt hat, vor der Erstattung Rücksprache mit dem Klinikum halten zu müssen, keinen Sinn. Ergänzend hat die Beihilfe- bzw. Widerspruchsstelle nach unwidersprochener Aussage der Beklagten telefonische Rücksprache mit der rechnungsstellenden Klinik gehalten und von dieser ebenfalls die Auskunft erhalten, dass der Erstversand der Rechnung bereits am Rechnungsdatum, also dem 23.08.2018 erfolgt sei. Schließlich ergibt sich dieser Ablauf im Wesentlichen auch aus dem Schreiben des Universitätsklinikums … an die Bevollmächtigten der Klägerin vom 05.08.2021. Hier hatte die Klägerseite die Auskunft erhalten, dass der Klägerin zum stationären Aufenthalt vom 07.08.2018 bis 20.08.2018 am 26.08.2018 eine Rechnung vom 23.08.2018 zugesandt worden sei, was im elektronischen System entsprechend festgehalten worden sei. Daraufhin müsse die Klägerin diese Rechnung bei ihrer privaten Krankenkasse eingereicht haben. Die … habe sich nämlich mit Schreiben vom 13.09.2018 unter Bezugnahme auf diese Rechnung an das Klinikum gewandt und um Übermittlung der Behandlungsunterlagen gebeten. Aufgrund dessen habe man eine Mahnsperre eingerichtet, um zunächst eine Klärung abzuwarten.
24
Die Klägerin hat somit die Jahresfrist zur Einreichung der streitgegenständlichen Rechnung ohne jeden Zweifel weit versäumt.
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2. Auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt vorliegend nicht in Betracht. Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist grundsätzlich jemandem, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
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Unerheblich ist im vorliegenden Fall, ob ein Verschulden der Klägerin vorliegt. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Klägerin gemäß § 32 Abs. 2 VwVfG die Wiedereinsetzungsgründe innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis über die Fristversäumung geltend gemacht hat.
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Einem erfolgreichen Antrag auf Wiedereinsetzung steht vielmehr die zwingende Ausschlussfrist des § 32 Abs. 3 VwVfG entgegen.
28
Nach § 32 Abs. 3 VwVfG kann die Wiedereinsetzung nämlich nicht mehr beantragt bzw. die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, wenn seit Ende der versäumten Frist ein Jahr verstrichen ist. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn Antragstellung bzw. Nachholung der versäumten Handlung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Die Jahresfrist läuft ab dem Ende der versäumten Frist für die Handlung, die vorzunehmen war.
29
Dieser in Abs. 3 bestimmte Zeitraum von einem Jahr stellt eine „endgültige“ Ausschlussfrist dar (BVerwG, U.v. 18.4.1997 – 8 C 38/95 – NJW 1997, 2966 ff.). Diese absolute Zeitgrenze für die Wiedereinsetzung verfolgt den Zweck, Verfahren für vergangene Zeiträume angemessen zu beschränken. Insoweit dient sie der gerade im Rahmen einer Massenverwaltung besonders wichtigen Rechtssicherheit und Vereinfachung, weil der Säumige mit der Rechtshandlung ohne weitere Prüfung ausgeschlossen wird (BVerwG, a.a.O., NJW 1997, 2966 ff.).
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Eine Wiedereinsetzung in die Jahresfrist ist also – da „Ausschlussfrist“ im Sinne der Rechtsprechung – nicht möglich (BVerwG, a.a.O., NJW 1997, 2966). Ist ein Jahr seit dem Ende der versäumten Antragsfrist verstrichen, darf Wiedereinsetzung allein nur noch gewährt werden, wenn die Jahresfrist wegen höherer Gewalt nicht gewahrt werden konnte.
31
Unter höherer Gewalt ist ein Ereignis zu verstehen, das nicht notwendig menschlicher Steuerung völlig entzogen ist, aber unter den gegebenen Umständen auch durch die größte, nach den Umständen des gegebenen Falles vernünftigerweise von dem Betroffenen unter Anlegung subjektiver Maßstäbe – namentlich unter Berücksichtigung seiner Lage, Erfahrung und Bildung – zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte. Der Begriff der höheren Gewalt ist danach enger als der Begriff „ohne Verschulden“ in § 32 Abs. 1 VwVfG. Er setzt aber kein von außen kommendes und fortwirkendes Ereignis voraus. Vielmehr entspricht er inhaltlich den „Naturereignissen oder anderen unabwendbaren Zufällen“ i.S.d. § 233 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) a.F. (stRspr., BVerwG, a.a.O., NJW 1997, 2966; BVerwG, U.v. 30.10.1997- 3 C 35/96 – NVwZ 1998, 1292 ff.; BVerwG, U.v. 29.4.2004 – 3 C 27/03 – NVwZ 2004, 995; BVerwG, U.v. 10.12.2013 – 8 C 25/12 – NVwZ 2014, 1237 ff.; BVerwG, U.v. 26.6.2020 – 5 C 1.20 – BeckRS 2020, 22249). Entscheidend ist, dass die rechtzeitige Vornahme einer fristgebundenen Handlung unzumutbar war (BeckOK VwVfG/Michler, 57. Ed. 1.10.2022, VwVfG § 32 Rn. 37-40). So ist beispielsweise objektiv unrichtiges behördliches Handeln, das eine Versäumung der Antragsfrist verursacht, als unabweisbarer Zufall und damit – auch aus verfassungsrechtlichen Gründen – als ein Ereignis aus dem Bereich der höheren Gewalt i.S.d. Wiedereinsetzungsvorschriften anzusehen (Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/Stamm, 10. Aufl. 2022, VwVfG § 32 Rn. 41, 42).
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Für das Vorliegen derartiger Umstände ist hier jedoch weder vorgetragen worden, noch sind sonst entsprechende Anhaltspunkte erkennbar.
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3. Schließlich wurde weder vorgetragen noch liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte die Wahrung der Frist durch sonstiges, nicht unter § 32 Abs. 3 VwVfG fallendes eigenes Fehlverhalten treuwidrig verhindert hat und sie sich ausnahmsweise nach dem Rechtsgedanken der §§ 242, 162 BGB nicht auf das Versäumnis einer die Rechtsverfolgung hindernden oder die Anspruchsberechtigung vernichtenden Ausschlussfrist berufen darf (BVerwG, U.v. 18.4.1997 – 8 C 38.95 – NJW 1997, 2966 m.w.N.).
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II. Als unterlegene Beteiligte hat die Klägerin gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 f. der Zivilprozessordnung (ZPO). Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch die Beklagte vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.