Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 05.05.2022 – B 9 K 20.647
Titel:

Besetzung von Ausschüssen im Stadtrat 

Normenkette:
BayGO Art. 33
Leitsätze:
1. Aus Art. 33 Abs. 1 S. 2 GO können auch Gruppierungen einen Anspruch auf die Besetzung von Ausschüssen herleiten. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Zahl der Sitze in Ausschüssen muss nicht zwingend so bemessen werden, dass selbst kleinste Fraktionen oder Gruppen in den Ausschüssen vertreten sind. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Berechnung der Verteilung der Ausschusssitze auf die im Stadtratsplenum vertretenen Parteien und Gruppierungen können – ohne dass dies die Existenz dieser Fraktionen als solche betreffen würde – nicht alle im Stadtrat der Beklagten gebildeten Fraktionen für das nach Art. 33 Abs. 1 S. 2 GO maßgebliche Stärkeverhältnis berücksichtigt werden. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Besetzung von Ausschüssen eines Gemeinderats, Berücksichtigung gemeinsamer Fraktionen unterschiedlicher Parteien bzw. Wählergruppen beim Stärkeverhältnis, Gemeinderat, Besetzung, Ausschüsse, Gruppierung, gemeinsame Fraktion, Bildung, Berücksichtigung, Stärkeverhältnis, Proportionalberechnung, Kommunalverfassungsstreit
Fundstelle:
BeckRS 2022, 43483

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Gruppierung der Kläger jeweils einen Sitz in den nachfolgenden Ausschüssen zuzuerkennen:
- Bau- und Werksenat
- Finanzsenat
- Konversions- und Sicherheitssenat
- Kultursenat
- Mobilitätssenat
- Familien- und Integrationssenat
- Personalsenat
- Feriensenat
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten über die Besetzung bestimmter Ausschüsse des Stadtrats der Beklagten.
2
Aufgrund der Kommunalwahl am 15. März 2020 hat sich für den aus insgesamt 44 ehrenamtlichen Stadträten bestehenden Stadtrat der Beklagten zunächst folgende Zusammensetzung ergeben:

… (GRÜNE)

12 Sitze

Christlich-Soziale Union in Bayern (CSU)

10 Sitze

Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

7 Sitze

Alternative für Deutschland (AfD)

2 Sitze

… („A“)

2 Sitze

… („B“)

2 Sitze

… („C“)

2 Sitze

Freie Wähler (FW)

1 Sitz

… („D“)

1 Sitz

Freie Demokratische Partei (FDP)

1 Sitz

Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (Die PARTEI)

1 Sitz

Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP)

1 Sitz

Volt

1 Sitz

… („E“)

1 Sitz

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Die Kläger sind die beiden Stadträte, die der AfD angehören.
4
Die konstituierende Sitzung des Stadtrats der Beklagten fand am 6. Mai 2020 statt. Seine Geschäftsordnung (GeschO) beschloss der Stadtrat in der Sitzung vom 27. Mai 2020. Darin ist in § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 geregelt, dass sich Stadtratsmitglieder zur Erreichung gemeinsamer Ziele, die offenzulegen sind, zu Fraktionen zusammenschließen können, die aus mindestens drei Mitgliedern bestehen müssen. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 GeschO müssen die den Stadtrat bildenden Fraktionen und Ausschussgemeinschaften gemäß ihren Vorschlägen nach dem Verhältnis ihrer Stärke in den Ausschüssen vertreten sein. Die Ausschusssitze werden gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 GeschO nach dem sogenannten Hare-Niemeyer-Verfahren vergeben.
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Nach § 2 Abs. 3 der Satzung der Beklagten zur Regelung von Fragen des örtlichen Gemeindeverfassungsrechts (Ortssatzung) vom 1. Juni 2020 werden beschließende Ausschüsse (Senate) für
- personelle Angelegenheiten (Personalsenat),
- Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Werksenat für den Entsorgungs- und Baubetrieb der Beklagten (Bau- und Werksenat),
- Finanzen, Wirtschaft, Digitalisierung und stiftische Angelegenheiten (Finanzsenat),
- Aufgaben der Beklagten im Zusammenhang mit der Konversion des ehemaligen US-Truppenstandortes auf dem Gebiet der Beklagten und für Aufgaben der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Konversions- und Sicherheitssenat),
- Umwelt, Klimaschutz und Mobilität (Mobilitätssenat),
- Bildung, Kultur und Sport (Kultursenat),
- Soziales, Familie, Senioren und Integration (Familiensenat) und
- der Feriensenat
gebildet.
6
In einer weiteren Stadtratssitzung am 24. Juni 2020 stimmte der Stadtrat unter Tagesordnungspunkt 4 mit 37 zu fünf Stimmen der Bildung folgender (neuer) Fraktionen zu:
- CSU – „B“ (11 Mitglieder)
- „A“ (3 Mitglieder)
- FW – „D“ – FDP (3 Mitglieder)
- „C“ – Die PARTEI (3 Mitglieder)
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Daneben bildeten die schon zuvor im Stadtrat vertretenen Parteien, die GRÜNEN und die SPD jeweils weiterhin Fraktionen mit zwölf bzw. sieben Mitgliedern.
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Zudem nahm der Stadtrat die Bildung unter anderem einer Ausschussgemeinschaft i.S.d. Art. 33 Abs. 1 Satz 5 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (GO) der drei Stadträte von ÖDP, „E“ und Volt für alle Senate des Stadtrats der Beklagten zur Kenntnis.
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Unter Tagesordnungspunkt 7 beschloss der Stadtrat über die Besetzung der Ausschüsse, Zweckverbände, Aufsichtsräte und sonstiger Gremien des Stadtrats. Entsprechend der Regelung in § 11 Abs. 2 Satz 2 GeschO entfiel dabei keiner der Sitze in den Senaten auf die Gruppierung der Kläger.
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Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 24. Juli 2020, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tage, ließen die Kläger Klage gegen den „Stadtrat der Stadt …“ erheben und beantragten zuletzt.
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Die Beklagte wird verurteilt, der Gruppierung der Kläger jeweils einen Sitz in den nachfolgenden Ausschüssen zuzuerkennen:
- Bau- und Werksenat
- Finanzsenat
- Konversions- und Sicherheitssenat
- Kultursenat
- Mobilitätssenat
- Familien- und Integrationssenat
- Personalsenat
- Feriensenat
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Hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, der Gruppierung der Kläger bei der Besetzung der nachfolgenden Ausschüsse jeweils hinsichtlich eines Ausschusssitzes ein Recht auf Benennung eines Ausschussmitgliedes zuzuerkennen und bei der Besetzung zumindest im Wege des Losentscheides zu berücksichtigen:
- Bau- und Werksenat
- Finanzsenat
- Konversions- und Sicherheitssenat
- Kultursenat
- Mobilitätssenat
- Familien- und Integrationssenat
- Personalsenat
- Feriensenat
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Die von der Beklagten am 27. Mai 2020 beschlossene Geschäftsordnung entspreche nicht Art. 33 Abs. 1 GO. Im Gesetz werde hinsichtlich des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit auf die im Stadtrat vertretenen Parteien und Wählergruppen abgestellt, wogegen die Geschäftsordnung auf Fraktionen und Ausschussgemeinschaften rekurriere. Damit werde eine Partei, die keine Fraktionsstärke erreiche und/oder nicht an Ausschussgemeinschaften beteiligt sei, von vornherein bei der Bildung von Ausschüssen ausgeschlossen. Die Kläger bzw. die Partei, der sie angehören, hätten aufgrund der Regelungen der Geschäftsordnung entgegen Art. 33 Abs. 1 Satz 4 GO keinerlei Möglichkeit, entsprechend Art. 33 Abs. 1 GO Personen für die Besetzung von Ausschüssen vorzuschlagen. Zwar obliege der Beklagten bezüglich der Zusammensetzung der Ausschüsse ein Gestaltungsspielraum, der durch Regelungen der Geschäftsordnung ausgefüllt werde. Dabei seien jedoch die gesetzlichen Vorgaben zu beachten, insbesondere das Spiegelbildprinzip, nach dem die Ausschüsse ein verkleinertes Abbild des Gemeinderates darstellen müssten. Entscheidend sei insoweit das Stärkeverhältnis der politischen Parteien bzw. Gruppierungen. Dieses entspreche zwar in der Regel dem Stärkeverhältnis der Fraktionen eines Stadtrats, dies sei aber dann nicht der Fall, wenn wie hier zahlreiche Gruppierungen mit nur einem oder zwei Sitzen vertreten seien, die grundsätzlich keinen Fraktionsstatus erreichten. Dem Minderheitenschutz trage Art. 33 Abs. 1 GO insoweit Rechnung, als dort nicht Fraktionen oder Gruppierungen aufgeführt seien, wohl aber Parteien. Die entsprechende Regelung in § 11 GeschO sei geeignet, die Beschlussfassung zu beeinflussen und tatsächlich die subjektiven Rechte der Kläger zu verletzen. Sie verstoße gegen Art. 33 Abs. 1 GO, sodass insoweit gefasste Beschlüsse rechtswidrig seien. Auf die Frage des anzuwendenden Verteilungsverfahrens komme es hier nicht an, auch wenn die Kläger der Auffassung seien, dass das gewählte Verfahren nach Hare-Niemeyer zu einer Verzerrung des Verhältnisses der Parteien bzw. Gruppierungen zueinander führe. Insoweit sei aber eine Gestaltungsfreiheit des Stadtrats anzuerkennen. Diese finde aber ihre Grenze dort, wo ansehnlich große Gruppen von einer Vertretung im Ausschuss ausgeschlossen seien und dieser damit kein Spiegelbild der Zusammensetzung des Stadtrats mehr darstelle. Bei den Klägern handele es sich um eine solche „ansehnlich große Gruppe“, nämlich (unter Berücksichtigung der erzielten Stimmenanzahl) die viertstärkste Gruppierung im Stadtrat der Beklagten. Die Regelung der Geschäftsordnung schließe die Kläger bewusst und willkürlich von einer Vertretung in den Ausschüssen aus, sodass diese tatsächlich kein Spiegelbild der Zusammensetzung des Stadtrats darstellten. Es bestehe auch keine Verpflichtung der Kläger, sich zur Wahrung ihrer Mitgliedsrechte mit anderen im Stadtrat vertretenen Parteien zu einer Ausschussgemeinschaft zusammenzuschließen. Die Geschäftsordnung des Stadtrats der Beklagten beschneide somit die Rechte der Kläger und nehme ihnen die Möglichkeit, überhaupt Vorschläge für die Besetzung von Ausschüssen zu machen und in den Ausschüssen vertreten zu sein, da der Fraktionsstatus nicht erreicht werde bzw. keine Bereitschaft anderer Parteien bestehe, eine Ausschussgemeinschaft mit den Klägern einzugehen.
14
Die Beklagte erwiderte hierauf mit Schriftsatz vom 19. August 2020 und beantragte,
die Klage abzuweisen.
15
Die Klage sei bereits unzulässig, da die Kläger nicht klagebefugt seien. Die mitgliedschaftlichen Rechte der Stadtratsmitglieder vermittelten über Art. 33 Abs. 1 GO keinen entsprechenden Anspruch. Die Vorschrift räume lediglich den Fraktionen und Gruppen Rechte ein, vor allem das den Stadtrat bindende Vorschlagsrecht bei der Ausschussbesetzung, nicht aber den einzelnen Stadtratsmitgliedern. Stadtratsmitglieder würden durch die Nichtbeteiligung an Ausschüssen nach überwiegender Meinung nicht an der Wahrnehmung der ihnen obliegenden elementaren Rechte und Aufgaben in einer mit ihrer Stellung nicht zu vereinbarenden Weise beeinträchtigt. Das einzelne Stadtratsmitglied habe kein Recht zur Anfechtung eines Beschlusses über die zahlenmäßige Besetzung von Ausschüssen. Es bestehe auch kein Anspruch, in einem bestimmten oder mindestens einem Ausschuss entweder selbst oder durch ein Mitglied seiner Gruppierung vertreten zu sein. Ebenso wenig bestehe ein Anspruch des einzelnen Stadtratsmitglieds auf Ausschussbesetzung entsprechend dem Stärkeverhältnis der Parteien. Eine Verletzung des Demokratieprinzips könne daher nicht angenommen werden. Aus diesem ergebe sich ohnehin kein Anspruch der Kläger, da nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine analoge Anwendung des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) im Bereich des Kommunalrechts ausgeschlossen sei.
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Die Kläger stellten auch keine „ansehnlich große Gruppe“ dar. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe einen Rechtsanspruch auf einen Ausschusssitz selbst in einem Fall abgelehnt, in dem eine Partei zehn Prozent der Stadtratsmandate erreicht habe; dies sei bei den Klägern schon nicht der Fall. Im Übrigen sei für die Ausschussbesetzung nicht entscheidend, wie viele Stimmen eine Partei bei der Wahl erhalten habe. Für das Spiegelbildlichkeitsgebot sei nach der Rechtsprechung allein auf die Zahl der Sitze im Stadtrat abzustellen.
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Den Klägern fehle außerdem das Rechtsschutzbedürfnis, da sie sich vor Klageerhebung nicht an die Regierung von Oberfranken als Rechtsaufsichtsbehörde gewandt hätten. Aufgrund der zwischen den Klägern und der Beklagten bestehenden Sonderrechtsbeziehung sei es angezeigt, zunächst ein außergerichtliches Vorgehen zu wählen. Soweit dabei nicht die Rechtsaufsichtsbehörde eingeschaltet werde, sei zumindest eine Äußerung gegenüber der Beklagten zu erwarten gewesen. Es sei auch nicht erkennbar, dass ein solches Vorgehen keinen Erfolg versprochen hätte. Zudem habe hier auch nicht die Gefahr einer Klageverfristung bestanden.
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Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Sie richte sich schon gegen den falschen Beklagten. Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der am 24. Juni 2020 gefassten streitgegenständlichen Beschlüsse seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Es bestehe darüber hinaus kein Anspruch der Kläger auf Zuteilung eines oder mehrerer Sitze in den Senaten des Stadtrats. Die Kläger hätten schon nicht nachvollziehbar dargelegt, wie viele Sitze ihnen in welchem Ausschuss hätten zugeteilt werden sollen. Die vom Stadtrat vorgenommene Sitzverteilung sei mathematisch korrekt und werde unter Beachtung der bestehenden Fraktionen und Ausschussgemeinschaften dem Spiegelbildlichkeitsgebot nach Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO und den Vorgaben der Geschäftsordnung gerecht. Das gewählte Verteilungsverfahren nach Hare-Niemeyer führe zudem zu einer gerechteren Gewichtung der für die kleineren Parteien abgegebenen Stimmen; hiervon profitierten unter anderem auch die Kläger.
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Die Geschäftsordnung des Stadtrats begegne keinen rechtlichen Bedenken. Sie entspreche im Übrigen weitestgehend dem ebenso wenig zu beanstandenden Geschäftsordnungsmuster des Bayerischen Gemeindetags. Der Wortlaut des Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO habe bis zum 1. Mai 1978 ausdrücklich auf „Fraktionen und Gruppen“ abgestellt. Zwar nenne die Gemeindeordnung in der aktuellen Fassung den Begriff der Fraktion nun nicht mehr, dennoch sei der in Literatur und Rechtsprechung entwickelte Fraktionsbegriff maßgeblich. Eine inhaltliche Änderung sei mit der jetzigen Formulierung „Parteien und Wählergruppen“ in Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO nicht verbunden. Für das Spiegelbildlichkeitsgebot komme es nicht auf die formale Mitgliedschaft in einer Partei an, entscheidend sei vielmehr die Zugehörigkeit der Stadtratsmitglieder zu einer Fraktion oder zu einer Gruppe. Das im Ergebnis auf die Kläger kein Ausschusssitz entfallen sei, liege nicht an einer rechtswidrigen Geschäftsordnung, sondern ergebe sich aus einem korrekten, mit höherrangigem Recht und insbesondere dem Spiegelbildlichkeitsgebot vereinbaren Vollzug der einschlägigen Normen. Selbst wenn § 11 Abs. 3 GeschO ebenfalls auf „Parteien und Wählergruppen“ abstellen würde, ergebe sich für die Kläger immer noch kein Vorschlagsrecht für die Ausschussbesetzung, da ihnen nach der zutreffenden Berechnung keine Ausschusssitze zustünden. Dass die Kläger keine Partner für eine Ausschussgemeinschaft gefunden hätten, liege allein am freien Willen und dem freien Mandat der Stadtratsmitglieder.
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Der Klägerbevollmächtigte führte hierzu mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2020 aus, die Klage richte sich richtigerweise gegen die Stadt …, das Rubrum sei insoweit zu berichtigen.
21
Die Klage sei zulässig, die Kläger seien klagebefugt. Hierfür sei eine mögliche Rechtsverletzung der Kläger ausreichend. Diese ergebe sich daraus, dass die Kläger durch den am 24. Juni 2020 gefassten Beschluss in ihrem sich aus ihrer Mitgliedschaft im Stadtrat der Beklagten ergebenden organschaftlichen Teilnahmerecht aus Art. 48 GO betroffen seien. Die Mitwirkungsmöglichkeiten in den Senaten des Stadtrats seien zentrale Bestandteile des Teilnahmerechts eines demokratisch legitimierten Stadtratsmitglieds. Ein Beschluss, der einem Mitglied des Stadtrats von vornherein den Zugang zu sämtlichen Gremien verwehre, betreffe das Mitglied unmittelbar in seinen organschaftlichen Mitgliedschaftsrechten. Eine Pflicht der Kläger, sich zunächst formlos an die Beklagte zu wenden oder die Rechtsaufsichtsbehörde einzuschalten, bestehe nicht.
22
Die Klage sei auch begründet. Die Kriterien für die Vergabe der Ausschusssitze seien rechtswidrig. Das Abstellen der Geschäftsordnung auf „Fraktionen und Ausschussgemeinschaften“ stehe im Widerspruch zum Wortlaut der Gemeindeordnung und verletze daher das Spiegelbildlichkeitsgebot. Mit der Möglichkeit für kleine Parteien, Ausschussgemeinschaften nach Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO zu bilden, habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass auch für diese kleineren Parteien effektive Mitwirkungsrechte im Stadtrat über den Zugang zu Ausschüssen gewährleistet werden müssten. Vertreter einer Partei unterhalb der Fraktionsstärke, die sich nicht mit anderen Mitgliedern des Stadtrats zu Ausschussgemeinschaften zusammenschließen könnten oder wollten, würden durch die Vergabepraxis der Beklagten faktisch in ihren Mitwirkungsrechten beschränkt. Die Ablehnung einer Ausschussgemeinschaft könne durchaus aus legitimen Gründen erfolgen. Das alleinige Abstellen auf die Zugehörigkeit zu einer Fraktion oder Ausschussgemeinschaft als Vergabekriterium führe bei einer Partei unterhalb der Fraktionsstärke faktisch zu einem Zwang, sich diesen Gruppierungen anzuschließen, sofern sie ihre Mitwirkungsrechte im Stadtrat effektiv wahrnehmen wollten. Dadurch werde es erschwert, streitbare Positionen beizubehalten und hinreichend zu vertreten. Ebenso könne eine Ausschussgemeinschaft durch eine Blockadehaltung anderer Parteien verhindert werden, was dem Minderheitenschutz widerspreche.
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Die Beklagte erwiderte hierzu mit Schriftsatz vom 16. November 2020 insbesondere, dass für die Verwirklichung des in Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO normierten Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit verschiedene Aspekte in Ausgleich zu bringen seien, nämlich das Mehrheitsprinzip, der Minderheitenschutz und die Effektivität der Ausschussarbeit. Insbesondere bei der Wahl der Ausschussgröße und des Berechnungsverfahrens stehe dem Stadtrat ein politischer Freiraum zu, der hier durch sachgerechte Erwägungen willkürfrei ausgefüllt worden sei. Die entsprechenden Regelungen in der Geschäftsordnung des Stadtrats seien rechtmäßig und eine Aufhebung oder Abänderung der Besetzungsbeschlüsse daher nicht veranlasst.
24
Mit weiterem Schriftsatz vom 1. Februar 2021 teilte die Beklagte mit, dass die Stadtratsmitglieder von ÖDP, „E“ und Volt, die sich ursprünglich als Ausschussgemeinschaft i.S.d. Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO zusammengeschlossen hatten, am 27. Januar 2021 eine gemeinsame Fraktion gebildet hätten. Auf die entsprechende Beschlussfassung des Stadtrats von diesem Tage werde verwiesen. Im Ergebnis wirke sich dies jedoch auf die Besetzung der Senate nicht aus.
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Unter dem 17. März 2021 führte der Klägerbevollmächtigte aus, die bei der Ausschussbesetzung berücksichtigten Ausschussgemeinschaften i.S.d. Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO seien unzulässig, da sie dazu führten, dass die Gruppe der Kläger ihren hier rechnerisch zustehenden einzigen Sitz in den Senaten verliere. Eine Berücksichtigung der Partei der Kläger bei der Ausschussbesetzung setze voraus, dass die Bildung von Ausschussgemeinschaften nur insoweit zugelassen werde, als dadurch größere Gruppierungen noch hinreichend berücksichtigt werden könnten. Konkret bedeute dies, dass der Partei der Kläger wenigstens ein einzelner Ausschusssitz gewährt werden müsse. Auch die Bildung der gemeinsamen Fraktionen aus CSU und „B“, „E“, ÖDP und Volt, „C“ und Die PARTEI sowie FW, „D“ und FDP seien rechtswidrig. Nach Kenntnis der Kläger bestehe insoweit jeweils kein gemeinsames Programm und es liege keine Abkehr von den jeweiligen Listen bzw. Wählerschaften der Stadträte vor. Die Beklagte selbst habe rechtliche Bedenken gehabt, ob eine solche Bildung von Fraktionen bzw. Ausschussgemeinschaften zulässig sei und deshalb bei der Rechtsaufsichtsbehörde angefragt. Nach Kenntnis der Kläger habe die Regierung von Oberfranken die Bedenken der Beklagten geteilt und ausgeführt, dass hier keine wirksamen Zusammenschlüsse möglich seien bzw. diese keine Folgen für die Sitzverteilung in den Ausschüssen hätten. Gleichwohl seien die entsprechenden Zusammenschlüsse gebildet worden, was allein aus technischen Gründen und wegen der Vorteile bei der Ausschussbesetzung erfolgt sei. Nach der Rechtsprechung setze ein Zusammenschluss verschiedener Listenvertreter zu einer gemeinsamen Fraktion die Abkehr von bisherigen Positionen und Wählerschaften voraus. Werde jedoch insbesondere die bisherige Parteimitgliedschaft beim Übertritt eines Stadtrats beibehalten bzw. bei einem solchen Zusammenschluss nicht aufgegeben, sei dies ein Indiz dafür, dass der Zusammenschluss bzw. Wechsel nur zum Schein erfolge.
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Wenn die Bildung gemeinsamer Fraktionen als rechtswidrig zu beanstanden sei, ergebe sich unter Berücksichtigung des Berechnungsverfahrens nach Hare-Niemeyer, dass die Kläger mit einer Quote von 0,5455 bei der Verteilung der Ausschusssitze zu berücksichtigen seien. Zumindest eine Entscheidung durch Los habe bei der Verteilung der letzten beiden Sitze der jeweiligen Ausschüsse zu erfolgen. Schon deshalb, weil ein solcher Losentscheid nicht durchgeführt worden sei, seien die Kläger in ihren Rechten verletzt.
27
Hierzu erwiderte die Beklagte mit Schriftsatz vom 12. März 2021, die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. August 2020 (4 CE 20.1442) zur Zulässigkeit der Bildung von Ausschussgemeinschaft führe nicht dazu, dass den Klägern jeweils ein Sitz in den Senaten zustehe. Inzwischen bestünden Ausschussgemeinschaften nur noch für den Rechnungsprüfungsausschuss und den Jugendhilfeausschuss. Insoweit entfalle aber selbst ohne Berücksichtigung dieser Ausschussgemeinschaften aufgrund der Bildung gemeinsamer Fraktionen von FW, „D“ und FDP sowie „E“, ÖDP und Volt im Ergebnis kein Sitz auf die Gruppierung der Kläger.
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Die Berücksichtigung der eingegangenen Fraktionen bei der Ausschussbesetzung sei mit der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 7.12.2020 – 4 CE 20.2032) vereinbar. Der Stadtrat habe als zur Entscheidung berufenes Organ eigenständig über die Berücksichtigungsfähigkeit von Fraktionen bei der Ausschussbesetzung zu befinden und insoweit ebenfalls über die Notwendigkeit und entsprechende Bewertung gewisser Indizien für oder gegen eine Abkehr von der bisherigen Wählerschaft zu bestimmen. Dabei sei dem Stadtrat ein eigener Beurteilungsspielraum zuzugestehen, da die politischen Akteure vor Ort die Situation häufig am besten beurteilen könnten. Wenn selbst politisch konkurrierende Gruppen beim politischen „Gegner“ eine Abkehr von bisherigen Positionen und Wählerschaften erkennen oder eine gemeinsame kommunalpolitische Programmatik anerkennen würden und in der Folge daher dem politischen Konkurrenten den Fraktionsstatus mit Mehrheitsentscheid zubilligen würden, könne dem nicht widersprochen werden. Eine solche, nicht zu beanstandende Beurteilung habe der Stadtrat im Hinblick auf die Bewertung der eine Abkehr bestärkenden Indizien hier vorgenommen. Dies erscheine ausnahmsweise auch zu Beginn einer Wahlperiode legitim, da insbesondere in der Findungsphase eines zunächst zersplitterten Gremiums wie des Stadtrats der Beklagten die Frage einer politischen Zusammenarbeit gerade nach Beendigung des zurückliegenden Wahlkampfs für die politischen Akteure wieder erheblich leichter einer positiven Beantwortung zugeführt werden könne. Dies gelte umso mehr, wenn, wie hier, offensichtlich auch anderweitige Gruppierungen den Willen anderer Gruppen zur inhaltlichen Zusammenarbeit zur Erreichung gemeinsamer stadtpolitischer Ziele auf der Grundlage eines gemeinsamen Sachprogramms für überzeugend und gegeben erachteten. Dem Zeitpunkt des Vorliegens eines solchen nach außen erkennbaren Willens könne dabei nur noch untergeordnete Bedeutung zukommen; er sei nicht mehr als ein in der Gesamtschau aller Umstände zu berücksichtigendes Indiz. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe darin zwar ein gewichtiges Indiz gesehen, aber gleichwohl Abweichungen im Einzelfall zugestanden. Es bleibe gleichwohl dabei, dass Voraussetzung für die Bildung einer Fraktion nach der Rechtsprechung sei, ob äußere Umstände gegeben seien, aus denen sich erkennen lasse, dass sich der Betreffende von den Personen gelöst habe, die ihm ursprünglich zu seinem Mandat im Gemeinderat verholfen hätten, also der Partei oder Wählergruppe, auf deren Wahlvorschlag er erfolgreich kandidiert habe. Es obliege dabei dem Stadtrat, diese Umstände zu erkennen und in einer Gesamtbetrachtung wertend zu beurteilen. Dazu gehöre auch, starke Indizwirkungen wie den Zeitpunkt des Zusammenschlusses ausnahmsweise anders zu gewichten, soweit er dies im Einzelfall für geboten erachte. Dies genüge dem Ziel der Rechtsprechung, der Bildung von Zusammenschlüssen nur zum Schein bzw. in der Absicht der Gesetzesumgehung vorzubeugen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Gründung der Fraktion aus „E“, ÖDP und Volt deutlich nach der Kommunalwahl erfolgt sei und damit unzweifelhaft davon auszugehen sei, dass der Wille, in einer neuen politischen Vereinigung gemeinschaftlich und unter endgültiger Überwindung früherer Differenzen zusammenzuwirken, sich gerade in der vorherigen Ausschussgemeinschaft verfestigt habe und nun nach außen erkennbar in einer Fraktionsgründung gemündet sei.
29
Mit weiterem Schriftsatz vom 19. April 2021 wies die Beklagte unter anderem darauf hin, dass hinsichtlich der gemeinsamen Fraktionen jeweils auch entsprechende Programme zugrunde lägen, welche allen Stadtratsmitgliedern im Vorfeld der Sitzung vom 24. Juni 2020 übermittelt worden seien.
30
Die gemeinsame Fraktion von „C“ und Die PARTEI habe mit Schreiben vom 16. Juni 2020 in Ergänzung einer bereits umrissenen politischen Agenda ein detailliertes, gemeinsames Sachprogramm übersandt, welches Ausdruck der gemeinsamen Positionen, Ziele und Inhalte sei.
31
Die gemeinsame Fraktion aus CSU und „B“ gründe sich nach deren Erklärung vom 4. Mai 2020 auf einer Verständigung über gemeinsame Sachziele für ein gemeinsames politisches Wirken sowie dem Willen zu einer gemeinsamen, gleichgerichteten und einheitlichen Vorgehensweise. Ein entsprechendes gemeinsames Fraktionsprogramm sei vorgelegt worden.
32
Die aus Stadträten der FW, der „D“ und der FDP bestehende Fraktion habe nach ihrer Erklärung vom 25. März 2020 ein umfangreiches gemeinsames Sachprogramm abgestimmt, wodurch die zahlreichen politischen Übereinstimmungen und der Wille zur Verfolgung gemeinsamer kommunalpolitischer Ziele vor dem Hintergrund inhaltlich übereinstimmender Überzeugungen detailliert zum Ausdruck komme.
33
An einem ursprünglich mit Erklärung vom 23. April 2020 angedachten Zusammenschluss der Stadträte von „A“, „E“ und „B“ sei nach mündlicher Mitteilung vom 28. Mai 2020 nicht mehr festgehalten worden. Vielmehr sei eine drei Mitglieder umfassende Fraktion namens „A“ gebildet worden, der der Stadtrat der „E“ nicht mehr angehöre. Ein gemeinsames Sachprogramm, das bereits mit der Erklärung vom 23. April 2020 übermittelt worden sei, sei auch diesem Zusammenschluss zugrunde gelegt worden und vermittele die inhaltlichen Übereinstimmungen des Zusammenwirkens sowie die gemeinsamen politischen Schwerpunkte. Einer der beiden Stadträte der „B“, Herr X, habe mit Schreiben vom 1. Mai 2020 seinen Beitritt zum „A“ erklärt und seine Mitgliedschaft in der „B“ mit Schreiben vom 5. Mai 2020 aufgekündigt.
34
Die gemeinsame Fraktion aus „E“, ÖDP und Volt habe sich gemäß ihrer Erklärung vom 4. Januar 2021 zur Stärkung der Zusammenarbeit und zur Verdeutlichung der übereinstimmenden politischen Positionen auf der Grundlage eines detaillierten und umfangreichen gemeinsamen Sachprogramms zusammengeschlossen. Bereits in der Vorbereitung der vergangenen Kommunalwahl, bei der die Fraktionsmitglieder für ihre Parteien gemeinsame Unterstützungsunterschriften gesammelt hätten, seien bedeutende Gemeinsamkeiten in der inhaltlichen politischen Überzeugung deutlich geworden, die zunächst in einem Zusammenwirken als Ausschussgemeinschaft ihren Ausdruck gefunden hätten.
35
Auch die Regierung von Oberfranken habe im Ergebnis keine durchgreifenden Bedenken gegen die Fraktionszusammenschlüsse zum Ausdruck gebracht. Vielmehr sei mitgeteilt worden, dass man seitens der Rechtsaufsichtsbehörde die vor Ort von den politischen Akteuren getroffenen Entscheidungen zur Fraktionsbildung respektieren werde.
36
Für die Kläger führte deren Bevollmächtigter mit Schriftsatz vom 19. April 2021 insbesondere aus, es werde bestritten und es sei auch nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die Beklagte eine Beurteilung bezüglich der Bildung von Fraktionen bzw. Ausschussgemeinschaften und von Vertretern unterschiedlicher Parteien bzw. Gruppierungen vorgenommen habe. Die Bildung von Fraktionen unterschiedlicher Gruppierungen sei nicht wirksam erfolgt und könne daher nicht anerkannt werden. Diese sei hier nur deswegen erfolgt, um die Kläger bzw. ihre Gruppierung bei der Besetzung von Ausschüssen auszuschließen. Die gemeinsamen Fraktionen seien daher bei der Ausschussbesetzung nicht zu berücksichtigen. Ohne deren Berücksichtigung ergäben sich jedoch rechnerisch Ausschusssitze für die Gruppierung der Kläger.
37
Die Beklagte erwiderte mit Schriftsatz vom 14. Mai 2021, dass die Behauptung, die Bildung von Fraktionen und Ausschussgemeinschaften sei nur erfolgt, um die Kläger von einer Zuteilung von Ausschusssitzen auszuschließen, unzutreffend sei. Die Klägerseite habe hierzu nichts Substantiiertes vorgetragen.
38
Mit Schriftsatz vom 19. April 2022 legte die Beklagte die der Bildung der gemeinsamen Fraktionen zugrundeliegenden, im Schriftsatz vom 19. April 2021 angesprochenen Erklärungen bzw. Programme vor.
39
Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll vom 5. Mai 2022 Bezug genommen. Ergänzend wird nach § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

40
Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist eröffnet, die Klage zulässig und in der Sache erfolgreich.
41
1. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben. Dazu zählen auch Innenrechtsstreitigkeiten zwischen Organen oder Organteilen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts um deren Befugnisse und damit insbesondere auch – wie hier – ein Kommunalverfassungsstreit um die Organbefugnisse eines Stadtrats (vgl. Rennert in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 40 Rn. 15 m.w.N.).
42
2. Die Klage ist im Hauptantrag zulässig.
43
a) Die Kläger sind Mitglieder des Stadtrats der Beklagten, sie bilden dort eine Gruppierung, da sie die Mindeststärke für eine Fraktion nicht erreichen. Sie sind daher entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Auch als Gruppierung können die Kläger sich auf das Recht aus Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO auf Zuteilung von Ausschusssitzen entsprechend ihrer Stärke im gesamten Stadtrat berufen (vgl. BayVGH, U.v. 26.11.1954 – 91 IV 54 – VGH n.F. 8, 5 ff.).
44
b) Die Kläger waren nicht verpflichtet, sich mit ihrem Begehren vor Klageerhebung an die Beklagte selbst oder die Rechtsaufsichtsbehörde zu wenden. Denn zum einen besteht auf rechtsaufsichtliches Tätigwerden kein Anspruch, zum anderen besteht gemäß Art. 19 Abs. 4 GG ein Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz, der nicht durch eine behördliche Streitentscheidung ersetzt werden kann (vgl. Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung mit Verwaltungsgemeinschaftsordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung, Stand September 2019, Art. 29 GO Erl. 5.6). Bei der Einschaltung der Rechtsaufsichtbehörde vor Klageerhebung handelt es sich lediglich um eine Obliegenheit, die im Hinblick auf die Frage der Erstattung der Prozesskosten von Bedeutung sein kann (vgl. BayVGH, U.v. 14.8.2006 – 4 B 05.939 – juris Rn. 28).
45
3. Die Kläger haben aus Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO als Gruppierung im Stadtrat der Beklagten Anspruch auf je einen Sitz in den streitgegenständlichen beschließenden Ausschüssen.
46
a) Der Wortlaut von § 11 Abs. 2 Satz 1 GeschO, der von „Fraktionen und Ausschussgemeinschaften“ spricht, steht dem nicht entgegen. Zwar können die Kläger nach § 9 Abs. 1 Satz 3 GeschO keine Fraktion bilden und gehören keiner Ausschussgemeinschaft i.S.d. Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO an. Sie können sich jedoch unmittelbar auf Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO berufen, wonach bei der Ausschussbesetzung dem Stärkeverhältnis der im Stadtrat vertretenen Parteien und Wählergruppen Rechnung zu tragen ist. Die ursprüngliche Fassung des Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO nahm auf „Fraktionen und Gruppen“ Bezug. Die 1978 erfolgte Ersetzung dieser Wörter durch die Wörter „Parteien und Wählergruppen“ sollte an dem Bedeutungsgehalt nichts ändern; maßgeblich ist weiterhin das Stärkeverhältnis der Fraktionen und Gruppen, denen die Gemeinderatsmitglieder angehören (vgl. BayVGH, U.v. 8.1.1986 – 4 B 85 A.2700 – BayVBl 1986, 466).
47
b) Die Größe der streitgegenständlichen Ausschüsse mit jeweils zwölf Mitgliedern wurde weder von Klägerseite beanstandet noch sind insoweit sonst rechtliche Bedenken ersichtlich. Die Bestimmung der Ausschussgröße hat die notwendige Effektivität der Ausschussarbeit zu berücksichtigen. Ausschüsse als spezialisierte Unterorgane des Gemeinderats dienen der Beschleunigung der im Plenum vergleichsweise umständlichen Willensbildung, der darin liegende Entlastungseffekt nimmt jedoch mit zunehmender Ausschussgröße ab. Daher muss die Zahl der Sitze nicht zwingend so bemessen werden, dass selbst kleinste Fraktionen oder Gruppen in den Ausschüssen vertreten sind (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.2009 – 8 C 17.08 – juris Rn. 29). Es obliegt vielmehr der kommunalpolitischen Einschätzung des Gemeinderats, bis zu welcher Größe eine zügige und sachgerechte Ausschussarbeit noch möglich erscheint (vgl. BVerfG, U.v. 13.2.2008 – 2 BvK 1/07 – BVerfGE 120, 82/121). Das Spiegelbildlichkeitsgebot wirkt dabei nur insoweit limitierend, als die Mitgliederzahl eines Ausschusses nicht so gering bemessen werden darf, dass ansehnlich große Fraktionen und Gruppen von vornherein von der Vertretung im Ausschuss ausgeschlossen werden; aus Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO folgt insoweit nur ein Verbot grober Verzerrungen (BayVGH, U.v. 17.3.2004 – 4 BV 03.1159 – juris Rn. 15 m.w.N.). Vor diesem Hintergrund kann die Größe der beschließenden Ausschüsse des Stadtrats der Beklagten mit je zwölf Mitgliedern nicht beanstandet werden.
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c) Ebenso ergibt sich aus der Wahl des Hare-Niemeyer-Verfahrens für die Bestimmung der Ausschussbesetzung kein Anhaltspunkt für eine rechtswidrige Ausschussbesetzung. Eine gesetzliche Vorgabe eines bestimmten Verfahrens enthält die Gemeindeordnung (anders als etwa Art. 35 Abs. 2 des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes – GLKrWG) nicht. Daher hat der Gemeinderat insoweit grundsätzlich die Wahlmöglichkeit unter verschiedenen, den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Prinzips der repräsentativen Demokratie und des Gebots der Wahlgleichheit gerecht werdenden Berechnungsverfahren. Es entspricht dabei ständiger Rechtsprechung, dass die drei gebräuchlichen Verfahren nach d'Hondt, Sainte-Laguë/Schepers und Hare-Niemeyer dem Gebot der Wahlgleichheit nach Maßgabe des verbesserten Verhältniswahlrechts entsprechen und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind (vgl. BayVerfGH, E.v. 10.6.1994 – Vf. 11-VII-94 – VerfGH 47, 154/156; BayVGH, U.v. 17.3.2004 – 4 BV 03.1159 – juris Rn. 16; Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Stand: November 2021, Art. 33 GO Rn. 17; Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, 31. EL Februar 2021, Art. 33 Rn. 10 ff.; jeweils m.w.N.). Grundsätzlich ist damit auch eine Entscheidung eines Gemeinderates für das Hare-Niemeyer-Verfahren nicht zu beanstanden (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2021 – 4 ZB 21.1776 – juris Rn. 18 ff. m.w.N.). Dafür, dass die Wahl dieses Verfahrens hier willkürlich und daher unzulässig wäre, weil sie sich gegen eine bestimmte politische Gruppierung richtet und das alleinige oder vorrangige Ziel verfolgt, deren Tätigkeit zu beeinträchtigen oder sie als unerwünschte politische Kraft auszuschalten (vgl. BayVGH, U.v. 16.2.2000 – 4 N 98.1341 – juris Rn. 32 m.w.N.; B.v. 12.10.2010 – 4 ZB 10.1246 – juris Rn. 6; HessVGH, B.v. 4.8.1983 – 2 TG 40/83 – NVwZ 1984, 54; OVG SH, U.v. 15.3.2006 – 2 LB 48/05 – juris Rn. 55 ff.), liegen keine Anhaltspunkte vor. Tendenziell ist festzustellen, dass das d’Hondt’sche Verfahren eher größere Fraktionen bevorzugt, während das Restverteilungsverfahren nach Hare-Niemeyer eher die Minderheiten begünstigt und deren Beteiligung am demokratischen Prozess fördert (BayVGH, U.v. 17.3.2004 – 4 BV 03.1159 – juris Rn. 17 m.w.N.). Insoweit ist erst recht nicht ersichtlich, wie sich aus der Wahl des Hare-Niemeyer-Verfahrens eine Rechtsverletzung der Kläger ergeben sollte.
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d) Bei der Berechnung der Verteilung der Ausschusssitze auf die im Stadtratsplenum vertretenen Parteien und Gruppierungen können aber – ohne dass dies die Existenz dieser Fraktionen als solche betreffen würde – nicht alle im Stadtrat der Beklagten gebildeten Fraktionen für das nach Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO maßgebliche Stärkeverhältnis berücksichtigt werden.
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aa) Nach der Rechtsprechung sind insbesondere an die Berücksichtigung gemeinsamer Fraktionen aus Stadtratsmitgliedern, die über unterschiedliche Wahlvorschläge gewählt wurden, besondere Anforderungen zu stellen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (B.v. 7.12.2020 – 4 CE 20.2032 – juris Rn. 36 f.) hat hierzu ausgeführt:
„Nach Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GO sind während der Wahlzeit im Gemeinderat eintretende Änderungen des Stärkeverhältnisses der Parteien und Wählergruppen – im Hinblick auf die Ausschussbesetzung – auszugleichen. Das bedeutet jedoch nicht, dass Parteien und Wählergruppen oder einzelne Gemeinderatsmitglieder sich beliebig zusammenfinden können, um als Fraktion für die Ausschussbesetzung nach ihrem Stärkeverhältnis im Gemeinderat berücksichtigt zu werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats liegt eine für die Ausschussbesetzung beachtliche Änderung des Stärkeverhältnisses der Parteien und Wählergruppen, wie sie aus der Wahl hervorgegangen sind, nur vor, wenn der Eintritt oder Übertritt eines Ratsmitglieds in eine aus den Mitgliedern einer anderen Partei oder Wählergruppe gebildete Fraktion eine Abkehr von bisherigen Positionen und Wählerschaften darstellt. Mit einer Abkehr von den bisherigen Positionen und Wählerschaften muss zugleich eine Hinwendung zu der neuen Gruppierung verbunden sein. Denn nur dann wird deren Mitgliederzahl vergrößert und das Stärkeverhältnis verändert (vgl. BayVGH, B.v. 28.9.2009 – 4 ZB 09.858 – BayVBl 2010, 248; U.v. 1.3.2000 – 4 B 99.1172 – juris Rn. 14; U.v. 15.7.1992 – 4 B 91.3106 – BayVBl 1993, 81; grundlegend bereits BayVGH, U.v. 2.8.1962 – Nr. 105 IV 61 – VGH n.F. 15, 82/93 f.; vgl. auch OVG RhPf, B.v. 14.7.1982 – 7 B 29/82 – NVwZ 1983, 488; BVerwG, U.v. 27.3.1992 – 7 C 20.91 – BVerwGE 90, 104 Rn. 10; vgl. auch Bick, Die Ratsfraktion, 1989, S. 83 ff., 96). Diese für den Fraktionswechsel einzelner Ratsmitglieder entwickelten Grundsätze gelten – mit Ausnahme von zulässigen Ausschussgemeinschaften – in gleicher Weise auch für den Zusammenschluss von Parteien oder Wählergruppen während oder zu Beginn einer neuen Wahlperiode (vgl. BayVGH, U.v. 8.1.1986 – 4 B 85 A.2700 – BayVBl 1986, 466; ebenso Raithel, BayGT 2020, 325). Die Möglichkeit, dass sich abweichend von dem Stärkeverhältnis der Parteien und Wählergruppen, die zur Wahl standen, aufgrund von Vereinbarungen Fraktionen partei- und wählergruppenübergreifend bereits zu Beginn der Wahlperiode neu bilden könnten, wird von der Vorschrift des Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GO ebenfalls erfasst, die auf sämtliche Änderungen ‚während der Wahlzeit‘ abstellt.
Erfolgt der Zusammenschluss mehrerer Gruppierungen, die auf unterschiedlichen Listen gewählt worden sind, sogleich bei Beginn einer neuen Wahlperiode, so ist das Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen, die eine Anerkennung als einheitliche Fraktion bei der Ausschussbesetzung ermöglichen würde, höchst fraglich. Dass Parteien und Wählergruppen, die soeben noch im Wahlkampf miteinander konkurriert haben, sich kurz nach der Wahl von ihren bisherigen Positionen und Wählerschaften abwenden und ein solches Maß an Übereinstimmung entdecken, dass sie im Gemeinderat in einer gemeinsamen Fraktion dauerhaft zusammenarbeiten wollen, dürfte praktisch ausgeschlossen sein.“
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Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an. Neben dem Wortlaut des Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GO spricht hierfür auch der Umstand, dass es eine Berücksichtigung gemeinsamer Fraktionen für das Stärkeverhältnis i.S.d. Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO ohne diese Anforderungen an den Fraktionszusammenschluss ermöglichen würde, die Voraussetzungen, die die Rechtsprechung für die Bildung von Ausschussgemeinschaften i.S.d. Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO aufgestellt hat, zu umgehen. Zwar setzen solche Ausschussgemeinschaften keine inhaltlichen Gemeinsamkeiten voraus, sondern stellen ein reines Zweckbündnis zur Erlangung von Ausschusssitzen dar (Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Stand: November 2021, Art. 33 GO Rn. 24). Allerdings dürfen sich insoweit nur Gruppen zusammenschließen, die für sich noch keine Vertretung in einem Ausschuss erreichen würden (nur „klein mit klein“, nicht „groß mit groß“ oder „groß mit klein“, vgl. BayVGH, U.v. 26.11.1954 – 91 IV 54 – VGH n.F. 8, 5 ff.; BVerwG, U.v. 10.12.2003 – 8 C 18.03 – BVerwGE 119, 305). Zudem darf die Bildung von Ausschussgemeinschaften kleinerer, ansonsten nicht in den Ausschüssen vertretener Gruppen nur insoweit zur Vergabe von Ausschusssitzen führen, als damit nicht eine größere Gruppe den einzigen ihr zustehenden Sitz verliert (BayVGH, B.v. 7.8.2020 – 4 CE 20.1442 – juris Rn. 30 ff.).
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bb) Vor diesem Hintergrund scheidet insbesondere die Berücksichtigung der im Stadtrat der Beklagten zu Beginn der Wahlperiode gebildeten Fraktion der Stadträte von FW, „D“ und FDP bei der Ausschussbesetzung aus:
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(1) Die Fraktion aus „E“, „D“ und FDP hat ihre Bildung dem Oberbürgermeister der Beklagten mit Schreiben vom 25. März 2020 angezeigt. Darin wird auf das beigefügte, stichpunktartige gemeinsame Programm der Stadträte verwiesen und ausgeführt, dass betont werde, „dass unabhängig von den gemeinsamen kommunalpolitischen Zielen Frau Stadträtin […] sich weiterhin klar zu den Grundsätzen der Freien Wähler (FW), Frau Stadträtin […] sich weiterhin klar zu den Grundsätzen von … („D“) und Herr Stadtrat […] sich weiterhin klar zu den Grundsätzen der Freien Demokratischen Partei (FDP) bekennt“.
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Unabhängig von der Frage, ob eine stichpunktartige Aufzählung von teilweise eher vage gehaltenen politischen Zielen ausreicht, um eine gemeinsame politische Position zu begründen, kommt in dem Schreiben vom 25. März 2020 allerdings eindeutig zum Ausdruck, dass in der Bildung einer gemeinsamen Fraktion der drei Stadtratsmitglieder gerade keine Abwendung von bisherigen Positionen und Wählerschaften und eine Hinwendung zu einer neuen Gruppierung gesehen werden kann. Vielmehr wird die politische Eigenständigkeit und Beibehaltung der „politischen Heimat“ der drei Fraktionsmitglieder ausdrücklich betont. In dem Zusammenschluss der drei Stadträte zumal unmittelbar zu Beginn der Wahlperiode kann somit keine berücksichtigungsfähige Änderung des Stärkeverhältnisses i.S.d. Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GO gesehen werden.
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Daran ändert auch der von Beklagtenseite in Anspruch genommene Beurteilungsspielraum des Stadtrats hinsichtlich der Anerkennung gemeinsamer Fraktionen nichts. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 33 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 GO unterliegen in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung. Ebenso führt die im Stadtrat der Beklagten vorhandene Sitzverteilung nicht dazu, dass in verstärktem Maße gemeinsame Fraktionen bei der Ausschussbesetzung zu berücksichtigen wären. Insgesamt ergeben sich weder aus dem Vortrag der Beklagtenseite noch aus den sonst für das Gericht ersichtlichen Umständen Anhaltspunkte dafür, dass die kommunalpolitische Ausgangssituation im Stadtrat der Beklagten derart besonders wäre, dass die Bildung gemeinsamer Fraktionen zu Beginn der Wahlperiode hier angesichts der geschilderten Maßstäbe aus der Rechtsprechung ausnahmsweise zulässig erscheinen könnte. Auch dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichthofs vom 7. Dezember 2020 (4 CE 20.2032) lag ein Stadtrat zugrunde, in dem zehn verschiedene Parteien bzw. Gruppierungen vertreten waren, von denen die Mehrzahl nur jeweils drei oder weniger Sitze beanspruchen konnte. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass in der Findungsphase eines zunächst zersplitterten Gremiums die Frage einer politischen Zusammenarbeit gerade nach Beendigung des zurückliegenden Wahlkampfs für die politischen Akteure wieder erheblich leichter einer positiven Beantwortung zugeführt werden könne, ist darauf hinzuweisen, dass die „Zersplitterung“ des Stadtrats letztlich Ausdruck des Wählerwillens ist und eine inhaltliche Zusammenarbeit nicht zwingend in der formalen Gestalt einer gemeinsamen Fraktion erfolgen muss. Im Übrigen steht zur Erlangung von Ausschusssitzen insoweit die Möglichkeit von Ausschussgemeinschaften nach Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO – unter Beachtung der oben geschilderten Vorgaben – zur Verfügung. Soweit danach die Bildung einer Ausschussgemeinschaft unzulässig wäre, etwa, weil sie dazu führen würde, dass die Gruppierung der Kläger den einzigen ihr zustehenden Ausschusssitz wieder verlieren würde, ist dies dadurch gerechtfertigt, dass sich bereits aus Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG ergibt, dass Gemeinderatsausschüsse die Zusammensetzung des Plenums und das darin wirksame politische Meinungs- und Kräftespektrum widerspiegeln müssen (BVerwG, U.v. 10.12.2003 – 8 C 18.03 – BVerwGE 119, 305). Politische Mehrheiten, die sich erst nach der Wahl in der Gemeindevertretung durch fraktionsübergreifende Absprachen gebildet haben, können der Ausschussbesetzung nicht zugrunde gelegt werden, dies widerspräche dem Demokratieprinzip (BVerwG, U.v. 9.12.2009 – 8 C 17.08 – juris Rn. 17 ff. m.w.N.). Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO ist daher entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2020 – 4 CE 20.1442 – juris Rn. 30 ff.). Ebenso ist der Umstand, dass die gebildeten gemeinsamen Fraktionen seit Beginn der Wahlperiode bis heute zusammenarbeiten, kein Indiz dafür, dass die beteiligten Stadtratsmitglieder insoweit eine neue politische Heimat gefunden hätten. Das Schreiben vom 25. März 2020 ist nach wie vor Grundlage der Arbeit der Fraktion aus FW, „D“ und FDP. Soweit dieser Fraktionszusammenschluss auf einem politischen Programm beruht, das gewissermaßen den kleinsten gemeinsamen Nenner der Beteiligten darstellt, die Fraktionsmitglieder aber grundsätzlich ihre eigenen politischen Überzeugungen beibehalten, folgt aus der tatsächlichen Zusammenarbeit nichts für eine gewandelte politische Einstellung, wie sie Voraussetzung für einen Fraktionswechsel bzw. den Zusammenschluss zu einer gemeinsamen Fraktion wäre.
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(2) Hat die gemeinsame Fraktion der Stadträte von FW, „D“ und FDP danach bei der Berechnung der Verteilung der Ausschusssitze außer Betracht zu bleiben, ergibt sich unter Anwendung des Hare-Niemeyer-Verfahrens für die Gruppierung der Kläger jeweils ein Sitz in den beschließenden Ausschüssen des Stadtrats, die je zwölf Mitglieder haben:
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Für das maßgebliche Stärkeverhältnis wären somit zugrunde zu legen
- die Fraktion der Grünen mit zwölf Mitgliedern (27,27% der Sitze, d.h. rechnerisch 3,27 Ausschusssitze),
- die Fraktion CSU-„B“ mit elf Mitgliedern (25,00% der Sitze, d.h. rechnerisch 3,00 Ausschusssitze),
- die SPD-Fraktion mit sieben Mitgliedern (15,91% der Sitze, d.h. rechnerisch 1,91 Ausschusssitze),
- die „A“-Fraktion, die Fraktion aus „C“ und Die PARTEI und die Fraktion aus „E“, ÖDP und Volt mit jeweils drei Mitgliedern (jeweils 6,82% der Sitze, d.h. rechnerisch 0,82 Ausschusssitze),
- die Gruppierung der Kläger mit zwei Mitgliedern (4,55% der Sitze, d.h. rechnerisch 0,55 Ausschusssitze) und
- jeweils ein Stadtratsmitglied von FW, „D“ und FDP (jeweils 2,27% der Sitze, d.h. rechnerisch 0,27 Ausschusssitze).
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Bei dem Berechnungsverfahren nach Hare-Niemeyer werden auf der Grundlage der strengen Proportionalberechnung im Anschluss an die Sitzvergabe nach ganzen Zahlen die restlichen Ausschusssitze im zweiten Schritt nach der Größe der Dezimalreste verteilt. Im ersten Schritt des Berechnungsverfahrens (Verteilung der Sitze nach dem abgerundeten rechnerischen Idealanspruch, d.h. der Vorkommastelle) entfallen danach von den zwölf Ausschusssitzen auf die Fraktion der GRÜNEN drei, auf die Fraktion CSU-„B“ drei und auf die SPD-Fraktion ein Ausschusssitz. Im zweiten Berechnungsschritt (Vergabe der weiteren Sitze nach Höhe der Nachkommastellen) würden sodann ein weiterer Sitz auf die SPD-Fraktion sowie jeweils ein Sitz auf die Fraktionen „A“, „C“-Die PARTEI, „E“-ÖDP-Volt und ein Sitz auf die Gruppierung der Kläger entfallen, womit alle zwölf Ausschusssitze vergeben wären.
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bb) Unabhängig davon, wie viele weitere Fraktionen im Stadtrat der Beklagten für das Stärkeverhältnis i.S.d. § 33 Abs. 2 Satz 2 GO nicht zu berücksichtigen wären, ergibt sich rechnerisch ein Sitz für die Gruppierung der Kläger. Dies gilt selbst für den Fall, dass alle anderen Fraktionen unberücksichtigt blieben. Ohne dass es demnach entscheidungserheblich darauf ankäme, sei darauf hingewiesen, dass auch die anderen, zu Beginn der Wahlperiode gebildeten gemeinsamen Fraktionen unterschiedlicher Parteien bzw. Gruppierungen teilweise rechtlichen Bedenken begegnen:
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(1) In der Fraktionsvereinbarung von „C“ und Die PARTEI vom 30. April 2020 ist ausgeführt, dass die gemeinsame Agenda der Fraktion „von einer Liste konkreter gemeinsamer Positionen/Ziele/Inhalte, die zu Beginn der Zusammenarbeit erarbeitet wird und von einer ebenfalls zu erstellenden Liste von gemeinsamen Leitlinien“ geleitet werde. Zudem seien die beteiligten Stadträte frei, eigene politische Ziele zu verfolgen, die außerhalb der gemeinsamen Agenda lägen oder über sie hinausgingen. Die der Beklagten im Nachgang übermittelte Liste gemeinsamer Inhalte der Fraktion „C“-Die PARTEI trägt das Datum 26. Mai 2020. Im Zeitpunkt der Bildung der gemeinsamen Fraktion lag danach noch gar keine Verständigung auf eine gemeinsame politische Agenda vor, so dass insoweit wohl nicht von einer Hinwendung zu einer neuen politischen Positionierung ausgegangen werden kann. Zudem geht aus der Fraktionsvereinbarung ebenfalls hervor, dass sich die Fraktionsmitglieder nur an die – im Nachgang – aufgestellten gemeinsamen politischen Ziele gebunden sehen, im Übrigen aber nach wie vor eigenständige politische Positionen vertreten wollen. Dies dürfte ebenso gegen eine Abwendung von ihren bisherigen Positionen und Wählerschaften und eine Hinwendung zu neuen politischen Überzeugungen sprechen.
61
(2) In dem Schreiben vom 4. Mai 2020, in dem dem Oberbürgermeister die Bildung einer Fraktion der Stadtratsmitglieder von CSU und „B“ angezeigt wurde, wird ausgeführt, dass diese sich zusammengeschlossen hätten, um „in der besonderen Verantwortung aufgrund der Corona-Pandemie einerseits sowie der Konversion und dem Bahnausbau andererseits“ „einen Beitrag zu stabilen Mehrheiten im … Stadtrat zu leisten“. Vor dem Hintergrund einer schon länger zurückreichenden Übereinstimmung in Sachzielen auf allen Ebenen habe es auf der Hand gelegen, eine gemeinsame Fraktion zu bilden, deren Geschäftsordnung zudem Fraktionszwang vorsehe. Eine Relevanz für die Besetzung der Senate „besteht […] nicht und war auch nicht angestrebt“. Gleichwohl erweckt die Betonung des Beitrags zu stabilen Mehrheiten den Eindruck, dass insoweit weniger eine gemeinsame politische Überzeugung der Fraktionsmitglieder als die Erzielung bzw. Sicherung von Mehrheiten im Vordergrund steht.
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(3) Inwieweit die „A“-Fraktion mit drei Mitgliedern bei der Ausschussbesetzung berücksichtigt werden kann, hängt maßgeblich davon ab, ob die Gründe des Stadtratsmitglieds X für den Wechsel von der „B“ zum „A“ unmittelbar zu Beginn der Wahlperiode vor dem Hintergrund der Rechtsprechung zur Berücksichtigungsfähigkeit von Fraktionswechseln tragfähig erscheinen. Mangels Entscheidungserheblichkeit war dem aber nicht weiter nachzugehen. Allerdings erscheint zumindest fraglich, inwieweit die dem Oberbürgermeister am 23. April 2020 vorgelegte Erklärung zur Fraktionsbildung zugrunde gelegt werden kann, da sie sich noch auf eine andere Fraktionszusammensetzung bezog.
63
4. Da bereits dem Hauptantrag in vollem Umfang stattzugeben war, kommt es auf den Hilfsantrag nicht mehr an.
64
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). § 167 Abs. 2 VwGO ist auf allgemeine Leistungsklagen entsprechend anwendbar (vgl. VGH BW, B.v. 24.3.1999 – 9 S 3012/98 – juris).