Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 20.12.2022 – B 5 K 21.60
Titel:

dienstliche Beurteilung, fehlende Tatsachengrundlage, fehlende Beurteilungsbeiträge, mehrfache Abordnungen an andere Dienststellen

Normenketten:
BBG § 21
BLV §§ 48 ff.
Richtlinien für die Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei vom 10.12.2015
Schlagworte:
dienstliche Beurteilung, fehlende Tatsachengrundlage, fehlende Beurteilungsbeiträge, mehrfache Abordnungen an andere Dienststellen
Fundstelle:
BeckRS 2022, 43481

Tenor

1. Die Beurteilung des Klägers vom 10. Februar 2020 für den Beurteilungszeitraum 1. Oktober 2016 bis 30. September 2019 sowie der Widerspruchsbescheid der Bundespolizeidirektion vom 4. Dezember 2020 werden aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis 30. September 2019 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu beurteilen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. 
4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
5. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte (Vollstreckungsschuldner) darf die Vollstreckung durch den Kläger (Vollstreckungsgläubiger) durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger (Vollstreckungsgläubiger) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die periodische dienstliche Beurteilung betreffend den Beurteilungszeitraum vom 1. Oktober 2016 bis zum 30. September 2019.
2
1. Der am … geborene Kläger steht als Polizeihauptmeister im Dienste der Beklagten und ist bei der Bundespolizeiinspektion … tätig. Seine letzte Beförderung erfolgte zum 7. Juni 2019. Im Beurteilungszeitraum war der Kläger an die Bundespolizeiinspektion … (7.10.2017 – 6.1.2018) sowie an die Bundespolizeiinspektion Flughafen … (7.7. – 6.10.2018 sowie 7.4. – 6.7.2019) abgeordnet.
3
Am 9. Mai 2020 eröffnete die Beklagte dem Kläger die zum Beurteilungsstichtag 1. Oktober 2019 gefertigte Regelbeurteilung (Beurteilungszeitraum: 1.10.2016 – 30.9.2019). Die vom Erstbeurteiler EPHK … sowie vom Zweitbeurteiler PD … (Inspektionsleiter) erstellte Beurteilung weist als Gesamtnote das Prädikat B3 aus. Diese Note wird in der Beurteilung wie folgt umschrieben: „Genügt den Anforderungen des Arbeitsplatzes voll und ganz, er bringt stets anforderungsgerechte Leistungen und verhält sich in jeder Hinsicht einwandfrei und erfüllt die Anforderungen voll.“ Bei den Einzelmerkmalen erzielte er elfmal das Prädikat B3, einmal das Prädikat B1 und dreimal das Prädikat B2. Bei den vier besonders zu gewichtenden Einzelmerkmalen sind dreimal die Note B3 und einmal die Note B2 vermerkt. Im Abschnitt „Allgemeine Bemerkungen/Begründung“ heißt es: „PHM … ist ein ruhiger und besonnen arbeitender Mitarbeiter, der gelegentlich die Anforderungen übertrifft. Er kümmert sich mit einer Kollegin im Revier … eigenständig um die Erstellung der anfallenden Polizeikosten und erfüllt hierbei gute Ergebnisse. Im BEU Zeitraum wurde Herr … im Rahmen der v. U. bei den Schwerpunktdienststellen am Flughafen … und BPOLI ... verwendet. Herr … wurde im BEU Zeitraum befördert.“ Im Abschnitt „Begründung der Gesamtnote“ wird ausgeführt: „Herr … engagiert sich neben dem Streifendienst bei der Bearbeitung der Polizeikosten, die er zusammen mit einer Kollegin selbständig und zuverlässig abarbeitet und dabei gute Ergebnisse erzielt. Darüber hinaus hat er sich im Bereich EDDi und der Fotobearbeitung weitergebildet und steht nun dem Revier … in diesen Belangen aktiv zur Verfügung. Im Bereich der VG-Bearbeitung, der Arbeitsmenge und Initiative bestehen noch Reserven, deren Nutzung durchaus den Weg weiter nach oben eröffnen können. Im Beurteilungszeitraum erfolgte ein Wechsel des Erstbeurteilers, der vorliegende Beurteilungsbeitrag wurde im Rahmen der Beurteilungserstellung berücksichtigt.“
4
Mit Schreiben vom 5. Juli 2019 beantragte der Kläger die Anhebung seiner Beurteilung um mindestens eine Note und führte u.a. aus, man habe ihm im Personalführungsgespräch mitgeteilt, dass die kürzlich beförderten Beamten, die vor ihrer Beförderung mit der Note B1 und schlechter beurteilt gewesen seien, nun alle mit der Note B3 beurteilt werden würden. Diese Vorgehensweise sei nicht zulässig. In der Dienststelle … verrichteten vorwiegend dienstältere Kollegen Dienst. An vielen anderen Dienststellen sei das Dienstalter deutlich niedriger; die Beamten, die dort Dienst verrichteten, müssten sich mit jüngeren und somit auch oft unerfahrenen Kollegen vergleichen. Er sei deshalb benachteiligt, weil er in einer „überalterten Dienststelle“ seinen Dienst verrichte. Mit der Note B3 habe er so gut wie keine Aussicht auf eine Beförderung und wenig Chancen, sich auf eine Planstellenausschreibung zu bewerben.
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Mit Schreiben vom 12. Juli 2020 nahm der Erstbeurteiler zu diesem Antrag wie folgt Stellung: Er könne nicht bestätigen, dem Kläger im Rahmen eines Personalführungsgesprächs mitgeteilt zu haben, dass alle Beamte mit einer Beurteilungsnote B1 und schlechter im Nachgang einer Beförderung mit der Note B3 beurteilt würden. Es sei der Hinweis erfolgt, dass der Kläger sich nach der Beförderung in einer neuen Vergleichsgruppe befinde. Auf dieser Grundlage könne ein durchgeführter Vergleich der Leistungsbilder auch zu einer Herabstufung der Beurteilungsnote führen. Der hiergegen erhobene Widerspruch (Schriftsatz vom 10.8.2020) blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 4.12.2020).
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2. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 18. Januar 2021, eingegangen beim Bayer. Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, erhob der Kläger Klage und beantragte:
1.
Die Beurteilung des Klägers vom 10. Februar 2020 für den Beurteilungszeitraum 1. Oktober 2016 bis 30. September 2019 sowie der Widerspruchsbescheid der Bundespolizeidirektion vom 4. Dezember 2020 wird aufgehoben.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis 30. September 2019 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu beurteilen.
7
Zur Begründung trägt der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor, dass die Beklagte die Beurteilung nicht hinreichend plausibilisiert habe. Vorliegend handelt es sich um eine Punktwertbeurteilung, die per se schon nicht geeignet sei, diesen Plausibilisierungsanspruch zu erfüllen. Das gelinge auch den Ausführungen im Widerspruchsbescheid nicht. Darin werde nur darauf hingewiesen, dass der Kläger im Beurteilungszeitraum befördert worden sei und grundsätzlich davon auszugehen sei, dass ein Beamter nach einer Beförderung bei einer Beurteilung gemessen am anspruchsvolleren Maßstab des höheren Statusamtes in der Note abzusenken sei, sofern er die Leistungen nicht gesteigert habe. Eine derartige Leistungssteigerung, die eine bessere Beurteilung rechtfertigen würde, habe man beim Kläger nicht erkennen können. Der Hinweis auf die im Beurteilungszeitraum erfolgte Beförderung reiche nicht aus, um die Beurteilung zu plausibilisieren. Es bleibe unklar, weshalb der Kläger mit der Gesamtnote B3 beurteilt worden sei und welchen Maßstab der Beurteiler angelegt habe. Im Übrigen werde die Einhaltung eines ordnungsgemäßen Beurteilungsverfahrens bestritten.
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Mit Schriftsatz vom 8. März 2021 beantragte die Beklagte,
die Klage abzuweisen.
9
Zur Begründung wird vorgetragen, der Kläger habe keinen Anspruch auf Aufhebung der Regelbeurteilung und auf Neubeurteilung. Die Beurteilung sei ausreichend plausibilisiert. Die Beförderung des Klägers zum Polizeihauptmeister sei am 7. Juni 2019 und somit im Beurteilungszeitraum erfolgt. Der Kläger müsse sich somit zum Beurteilungsstichtag (1.10.2019) für den gesamten Beurteilungszeitraum an den höheren Anforderungen des höherwertigen Dienstpostens messen lassen. Er müsse sich mit Beamten – auch bundesweit – vergleichen lassen, die bereits längere Zeit einen Dienstposten nach A9 innehätten und sich in diesem Amt bereits deutlich länger bewährt hätten. Innerhalb der Gesamtvergleichsgruppe der Polizeihauptmeister bei der Bundespolizeiinspektion … seien ca. 30 v.H. im Beurteilungszeitraum befördert worden. Von einer pauschalen Absenkung nach der Beförderung des Klägers könne keine Rede sein. Die Auswertung der Beurteilungsnoten der 21 im Beförderungszeitraum zum Polizeihauptmeister beförderten Beamten innerhalb der Vergleichsgruppe der Bundespolizeiinspektion … habe ergeben, dass bei immerhin drei Beamten eine Leistungssteigerung habe festgestellt werden können und daher deren Gesamtnote identisch geblieben sei. In zwei Fällen habe man die Gesamtnote nach Beförderung um zwei Notenstufen und in 16 Fällen um eine Notenstufe abgesenkt. Es sei also eine differenzierte Betrachtung innerhalb der Vergleichsgruppe des Klägers erfolgt. Die Gesamtnote der Regelbeurteilung sei unter Berücksichtigung einzelner Merkmale und deren Gewichtung zutreffend begründet worden.
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3. In der mündlichen Verhandlung vom 20. Dezember 2022 wurden der Erstbeurteiler EPHK … sowie der Zweitbeurteiler PD … als Zeugen vernommen. Auf die Zeugeneinvernahmen wird verwiesen. Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung, in der die Beteiligten auf ihre schriftsätzlich gestellten Anträge Bezug genommen haben, wird auf das Sitzungsprotokoll vom 20. Dezember 2022 Bezug genommen. Ergänzend wird nach § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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1. Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die dem Kläger am 9. Mai 2020 eröffnete periodische dienstliche Beurteilung für den Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis 30. September 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Aufhebung der dienstlichen Beurteilung sowie des Widerspruchsbescheids der Bundespolizeidirektion vom 4. Dezember 2020 und auf erneute Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts entsprechend § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
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Das Gericht legt bei seiner Entscheidung den anerkannten Prüfungsmaßstab zugrunde, wonach dienstliche Beurteilungen ihrem Wesen als persönlichkeitsbedingte Werturteile entsprechend von den Verwaltungsgerichten nur eingeschränkt überprüfbar sind. Allein der Dienstherr bzw. der für ihn handelnde Vorgesetzte soll nach dem erkennbaren Sinn der Regelungen (§ 21 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) i.V.m. §§ 48 ff. der Bundeslaufbahnverordnung (BLV)) über die dienstliche Beurteilung ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Beamte den ebenfalls grundsätzlich vom Dienstherrn zu bestimmenden fachlichen und persönlichen Anforderungen seines Amtes und seiner Laufbahn entspricht. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle ist aufgrund der dem Beurteilungsverfahren immanenten Beurteilungsermächtigung darauf beschränkt zu überprüfen, ob der Dienstherr den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle kann dagegen nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung des Beamten durch den Dienstherrn in vollem Umfange nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt (vgl. BVerwG, U.v. 17.9.2015 – 2 C 27/14 – BVerwGE 153, 48/51 = juris Rn. 9; U.v. 26.6.1980 – 2 C 8/78 – BVerwGE 60, 245/246; BayVGH, U.v. 7.5.2014 – 3 BV 12.2594 – juris Rn. 17; B.v. 11.3.2013 – 3 ZB 10.602 – juris Rn. 4). Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Abfassung der dienstlichen Beurteilung erlassen hat, ist vom Gericht zudem zu prüfen, ob diese Richtlinien eingehalten sind und ob die Richtlinien mit den normativen Regelungen über die dienstliche Beurteilung im Einklang stehen (BVerwG, U.v. 21.3.2007 – 2 C 2.06 – juris Rn. 7). Innerhalb des durch die gesetzlichen Vorschriften gezogenen Rahmens steht es grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, wie er verwertbare Aussagen zu den einzelnen Beurteilungsmerkmalen gestalten und begründen und worauf er im Einzelnen sein Gesamturteil stützen will (BVerwG, U.v. 17.12.1981 – 2 C 69.81 – BayVBl 1982, 348). Der Dienstherr kann einerseits einzelne Tatsachen oder Vorkommnisse im Beurteilungszeitraum aufgreifen und aus ihnen wertende Schlussfolgerungen ziehen, wenn er sie etwa zur Charakterisierung des Beamten für besonders typisch hält oder für eine überzeugende Aussage zu einzelnen Beurteilungsmerkmalen für wesentlich erachtet. Er kann sich andererseits aber auch auf die Angabe zusammenfassender Werturteile aufgrund einer unbestimmten Vielzahl nicht benannter Einzeleindrücke beschränken (BVerwG, U.v. 26.6.1980 – 2 C 8.78 – BVerwGE 60, 245/247 = juris Rn. 20).
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In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, dass die Eignung von dienstlichen Beurteilungen als Vergleichsgrundlage eine hinreichende inhaltliche Aussagekraft voraussetzt. Hierfür ist erforderlich, dass sie die dienstliche Tätigkeit im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sind, das zu erwartende Leistungsvermögen in Bezug auf das angestrebte Amt auf der Grundlage der im innegehabten Amt erbrachten Leistungen hinreichend differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen. In den Fällen, in denen der Beurteiler die Leistungsbewertung nicht für den gesamten Beurteilungszeitraum auf seine eigene Anschauung stützen kann, hat er, um eine aussagekräftige Tatsachengrundlage für seine Bewertung zu erhalten, Beurteilungsbeiträge sachkundiger Personen einzuholen, d.h. solcher Personen, die die Dienstausübung des Beamten aus eigener Anschauung kennen. Diese Beurteilungsbeiträge müssen die Informationen enthalten, die es dem Beurteiler erlauben, diejenigen in der Beurteilung zu bewertenden Elemente der Eignung, Befähigung und Leistung (Art. 33 Abs. 2 GG) zutreffend zu erfassen, über die er keine eigenen Erkenntnisse besitzt. Sie müssen bei der Ausübung des Beurteilungsspielraumes berücksichtigt, d.h. zur Kenntnis genommen und bedacht werden; sie sind ebenso wie eigene Beobachtungen des Beurteilers unverzichtbare Grundlage der Beurteilung. Dabei besteht keine Bindung des Beurteilers an die Feststellungen und Bewertungen Dritter; er übt seinen Beurteilungsspielraum jedoch nur dann rechtmäßig aus, wenn er die Beurteilungsbeiträge in seine Überlegungen einbezieht und Abweichungen nachvollziehbar begründet (so: BVerwG, U.v. 27.11.2014 – 2 A 10/13 – BVerwGE 150, 359/363 ff. = juris Rn. 20 ff.; BVerwG, U.v. 26.9.2012 – 2 A 2/10 – NVwZ-RR 2013, 54/55 = juris Rn. 10 ff. jeweils m.w.N.).
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Rechtsgrundlage für die dienstliche Beurteilung des Klägers sind die im Jahr 2015 erlassenen, zum Zeitpunkt der Erstellung der Beurteilung (vgl. BayVGH, B.v. 17.3.2011 – 3 ZB 10.1242 – juris Rn. 4; U.v. 16.5.2011 – 3 B 10.180 – BayVBl 2012, 431/432 = juris Rn. 15) gültigen Richtlinien für die Beurteilung der Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei vom 10. Dezember 2015 sowie die allgemein für die dienstliche Beurteilung der Polizeivollzugsbeamten in der Bundespolizei geltenden Bestimmungen des § 21 BBG und der §§ 48 ff. BLV.
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An diesen Grundlagen sowie an den oben dargelegten Grundsätzen für die gerichtliche Überprüfbarkeit dienstlicher Beurteilungen gemessen erweist sich die angefochtene periodische Beurteilung des Klägers als rechtswidrig, weil es an einer hinreichenden Tatsachengrundlage fehlt. Denn die Beklagte hat es versäumt, über die Zeiträume, in denen der Kläger an die Bundespolizeiinspektion … (7.10.2017 – 6.1.2018) bzw. an die Bundespolizeiinspektion Flughafen … (7.7. – 6.10.2018 sowie 7.4. – 6.7.2019) abgeordnet war, Beurteilungsbeiträge einzuholen und diese bei der Bildung des Gesamturteils zu berücksichtigen.
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Das Gericht hat zwar keine Zweifel daran, dass sich die in der mündlichen Verhandlung als Zeugen vernommenen Erst- und Zweitbeurteiler, über die Zeit, in der der Kläger in der Bundespolizeiinspektion Selb seinen Dienst verrichtet hat, ein umfassendes Bild von Eignung, Leistung und Befähigung des Klägers verschafft haben. Beide Zeugen haben plausibel und widerspruchsfrei dargelegt, auf welchen Erkenntnisgrundlagen sie sich über diese Teilzeiträume ein Bild über das Leistungsvermögen des Klägers verschafft haben. Das Gericht sieht insoweit auch keinen Anlass, die Glaubwürdigkeit der Zeugen in Zweifel zu ziehen.
17
Unberücksichtigt bleibt jedoch der Umstand, dass der Kläger – wie oben dargelegt – während des 36-monatigen Beurteilungszeitraums für insgesamt neun Monate an andere Dienststellen der Bundespolizei, d.h. an die Bundespolizeiinspektion … sowie an die Bundespolizeiinspektion Flughafen … abgeordnet war. Über diese Zeiträume liegen weder Beurteilungsbeiträge der genannten Bundespolizeiinspektionen vor, noch haben sich – wie sich aus ihren auch insoweit glaubhaften Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung ergibt – Erst- oder Zweitbeurteiler auf anderem Wege, beispielsweise durch telefonische Rückfragen bei den obengenannten Dienststellen einen Eindruck über die dort vom Kläger erbrachten Leistungen verschafft. Es mag zwar sein, dass nach Nr. 2.3.1 der BeurtRL erst bei einer mehr als drei Monate andauernden Abordnung (förmliche) Beurteilungsbeiträge im Sinne von Nr. .3.2 der BeurtRL zu erstellen sind. Angesichts der Tatsache, dass es – wie oben dargelegt – im Rahmen der Beurteilungserstellung im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben in Art. 33 Abs. 2 GG erforderlich ist, die dienstliche Tätigkeit des Beamten im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig zu erfassen, ist die Beklagte jedoch gleichwohl gehalten, auch für Abordnungszeiträume unterhalb des Drei-Monats-Zeitraums, sicherzustellen, dass die während der Abordnungen erbrachten Leistungen bei der Erstellung der Beurteilung berücksichtigt werden. Letzteres gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – mehrfach Abordnungen erfolgen und sich die Abordnungszeiträume in ihrer Gesamtdauer über ein Viertel des Beurteilungszeitraums erstrecken.
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war gem. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, weil das Verfahren schwierige Sach- und Rechtsfragen aufwarf und dem Kläger daher nicht zugemutet werden konnte, das Widerspruchsverfahren selbst zu betreiben.
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4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 der Zivilprozessordnung (ZPO).
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5. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.