Titel:
Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnis wegen Unzuverlässigkeit
Normenketten:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b, lit. c, § 36 Abs. 1 S. 1, Abs. 5, § 41 Abs. 1, Abs. 2, § 45 Abs. 2 S. 1, § 46 Abs. 5
AWaffV § 13 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2
SprengG § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 8a Abs. 2 Nr. 5, § 27 Abs. 3 Nr. 1, § 34 Abs. 2
Leitsätze:
1. Wer seine Waffen nicht sorgfältig iSd § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b WaffG verwahrt und zudem eine großkalibrige Waffe einem Nichtberechtigten iSd § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. c WaffG überlässt, rechtfertigt die Annahme einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit und damit den Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis nach § 45 Abs. 2 S. 1 WaffG. (Rn. 24 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis ist nach § 34 Abs. 2 SprengG zu widerrufen, wenn sich die Unzuverlässigkeit einer Person aus dem wiederholten oder gröblichen Verstoß gegen Vorschriften des Waffengesetzes ergibt. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Befristung eines Waffenbesitzverbotes unter Bezugnahme auf die 5-Jahres-Frist des § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. b WaffG knüpft an die Rechtskraft einer strafgerichtlichen Verurteilung an. (Rn. 36 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse, Unzuverlässigkeit, Verstoß gegen Aufbewahrungsvorschriften, Gefahr der Überlassung an Nichtberechtigte, Negative Zukunftsprognose bei gravierenden Verstößen, Waffenbesitzverbot, Befristung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 43464
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines behördlichen Bescheides, in dem u.a. der kleine Waffenschein, mehrere Waffenbesitzkarten, die sprengstoffrechtliche Erlaubnis und die Waffen- und Munitionshandelserlaubnis widerrufen wurden.
2
Der Kläger, geb. am …, wohnhaft in …, war Inhaber dreier Grüner Waffenbesitzkarten (Nr. …, Nr. …, Nr. …*), zweier Gelber Waffenbesitzkarten (Nr. …, Nr. …*), einer Munitionshandelserlaubnis, einer Waffenhandelserlaubnis, eines kleinen Waffenscheins (Nr. …*), eines Europäischen Feuerwaffenpasses (Nr. …*) sowie eines Erlaubnisscheins nach § 27 SprengG.
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Am 31. August 2021 führten zwei Beamte des Landratsamts … (im Folgenden: Landratsamt) – Waffenbehörde – eine verdachtsunabhängige und unangekündigte Aufbewahrungskontrolle beim Kläger durch. Bei der verdachtsunabhängigen Aufbewahrungskontrolle habe man die Aufbewahrung der Waffen des Klägers, der im selben Haus lebenden Ehefrau sowie des Sohnes des Klägers kontrollieren wollen. Der Kläger sei gegen 16:15 Uhr an der Wohnadresse angetroffen worden. Im Keller des Wohnhauses habe man insgesamt fünf Aufbewahrungsbehältnisse für Langwaffen sowie mehrere kleine Aufbewahrungsbehältnisse feststellen können. In einem nicht klassifizierten metallischen Tresor mit elektronischem Schloss habe der Kläger zentral die gesamten Tresorschlüssel für die anderen Waffentresore aufbewahrt. Beim Kläger sei eine durchweg gemischte Aufbewahrung von privaten sowie gewerblichen Waffen aufgefunden worden. In den Tresoren hätten sich auch die erlaubnispflichtigen Schusswaffen der Ehefrau sowie die Waffen des Sohnes befunden. Der Kläger habe jedoch angegeben, dass der Sohn nur durch ihn Zugriff auf die Waffen habe. Bei der Kontrolle habe sich gezeigt, dass der Kläger keinen Überblick über seine privaten und gewerblichen Waffen sowie die Waffen der Ehefrau und des Sohnes gehabt habe. Jede Waffe habe man nach den Bestandslisten des Landratsamtes dem jeweiligen Inhaber zuordnen müssen. In diesem Zuge habe man eine halbautomatische Pistole (Modell 1911, Kaliber .45 ACP, Herstellernummer …*) nicht auffinden können. Der Kläger habe daraufhin erklärt, die Waffe befände sich im oberen Geschoss auf dem Schreibtisch, da er neue Griffschalen habe montieren wollen. Nur durch die Kontrolle des Landratsamts sei er davon abgebracht worden. Der Kläger habe seinen zwischenzeitlich hinzugekommenen Sohn gebeten, die gesuchte Schusswaffe vom Schreibtisch aus dem oberen Stockwerk in den Keller zu bringen. Nach erfolgtem Waffenabgleich habe der Kläger den Sohn angehalten, die Waffe wieder zurück auf den Schreibtisch zu legen. Dies sei durch die Waffenbehörde unterbunden worden. Bei der Sicherheitsüberprüfung einer weiteren halbautomatischen Pistole (Walther, Kaliber .22lr) im Erdgeschoss in einem Wandsafe sei festgestellt worden, dass sich in der Kurzwaffe eine Patrone im Patronenlager befunden habe. Der Kläger habe hierzu geäußert, dass es erlaubt sei, in einem Tresor der Klasse I eine Waffe fertiggeladen aufzubewahren.
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Aufgrund der festgestellten Tatsachen hätten die anwesenden Beamten die Sicherstellung der Waffen gemäß § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WaffG angeordnet. Insgesamt seien zahlreiche erlaubnispflichtige Schusswaffen, davon 29 private Waffen und 28 gewerbliche Waffen, sowie eine große Menge Munition sichergestellt worden. Hinsichtlich der aufgefundenen Verstöße und der diesbezüglichen Äußerungen des Klägers, welche zum Teil einer Bagatellisierung glichen, sei anzumerken, dass der Kläger diverse waffenrechtliche Qualifikationen aufweise (Sachkunde-Ausbilder, Standaufsichten-Ausbilder, Schießleiter, Jugendaufsicht sowie Waffenhandels-, Munitions- und Sprengstofffachkunde). Es könne folglich unterstellt werden, dass der Kläger sich über die einschlägigen rechtlichen Vorgaben hinsichtlich Aufbewahrung, Überlassung, Anmeldung und Registrierung von Waffen und Waffenteilen, Herstellung von wesentlichen Waffenteilen etc. im Klaren gewesen sei.
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Mit behördlichem Schreiben vom 6. September 2021 wurde der Kläger zum beabsichtigten Widerruf der Waffenbesitzkarten, des Europäischen Feuerwaffenpasses, des Kleinen Waffenscheins, der Waffen- und Munitionshandelserlaubnis und des sprengstoffrechtlichen Erlaubnisscheins sowie zum Erlass eines generellen Waffenbesitzverbotes angehört. Ihm wurde eine Frist zur Äußerung bis zum 13. September 2021 eingeräumt.
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Mit Bescheid vom 16. September 2021 widerrief das Landratsamt die dem Kläger erteilten Waffenbesitzkarten Nrn. …, den erteilten Europäischen Feuerwaffenpass Nr. …, den kleinen Waffenschein Nr. … und die Erlaubnis zum Handel mit Waffen und Munition (Ziffer 1). Weiterhin wurde der erteilte Erlaubnisschein nach § 27 SprengG Nr. 737/2011 widerrufen (Ziffer 2). Die sichergestellten Erlaubnisdokumente würden einbehalten (Ziffer 3). Der Kläger habe innerhalb von zwölf Wochen nach Zustellung des Bescheides einen Berechtigten zur Übernahme zu benennen oder die Waffen im Landratsamt … zur form-, frist- und entschädigungslosen Vernichtung zu belassen. Sofern binnen dieser Frist keine der Möglichkeiten wahrgenommen werde, würden die Waffen eingezogen und der Vernichtung zugeführt. Für den Fall, dass gegen diesen Bescheid Klage erhoben werde, verlängere sich die Frist auf zwölf Wochen nach Eintritt der Bestandskraft (Ziffer 4). Dem Kläger werde der Besitz und der Erwerb von Waffen und Munition, deren Erwerb und Besitz nicht der Erlaubnis bedürfe, untersagt (Ziffer 5). Dem Kläger werde der Besitz und der Erwerb von Waffen und Munition, deren Erwerb und Besitz der Erlaubnis bedürfe, mit Ausnahme des schießsportlichen Schießens unter Aufsicht (Standaufsicht) in einer Schießanlage, untersagt (Ziffer 6). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 3, 5 und 6 dieses Bescheides werde angeordnet (Ziffer 7). Falls der Kläger der Untersagungsanordnung in Ziffer 5 zuwiderhandele, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer 8). Falls der Kläger der Untersagungsanordnung in Ziffer 6 zuwiderhandele, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer 9). Es wurde angeordnet, dass der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen hat (Ziffer 10). Festgesetzt wurde eine Gebühr in Höhe von 400,00 EUR (Ziffer 11).
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Der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse in Ziffer 1 des Bescheides stütze sich auf § 45 Abs. 2 WaffG. Die Unzuverlässigkeit des Klägers ergebe sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG. Die Aufbewahrung einer geladenen Waffe begründe stets die Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG. Dabei sei unerheblich, dass sich nur eine Patrone im Lauf befunden habe. Zudem habe der Kläger eine großkalibrige Schusswaffe auf dem Schreibtisch aufbewahrt. Der Kläger sei sich im Klaren darüber gewesen, dass seine Mutter sowie sein Sohn als Unberechtigte für großkalibrige Waffen jederzeit die entsprechenden Wohnräume hätten betreten können. Gegen die Einlassung, er habe gerade andere Griffschalen montieren wollen, spreche, dass er dies nicht direkt bei Ankündigung der Kontrolle kommuniziert habe, sondern erst dann, als die Waffe bei Abgleich der Waffendaten zur Sprache gekommen sei. Während der Kontrolle habe der Kläger keinerlei Einwirkungsmöglichkeiten auf die Waffe gehabt. Zudem sei auf einer im Flur stehenden Kommode Munition aufgefunden worden. Erlaubnispflichtige Munition müsse mindestens in einem Stahlblechbehältnis ohne Klassifizierung mit Schwenkriegelschloss oder einer gleichwertigen Verschlussvorrichtung oder einem gleichwertigen Behältnis aufbewahrt werden (§ 36 Abs. 5 WaffG i.V. m. § 13 Abs. 2 Nr. 2 AWaffV). Die Gefahr eines Zugriffs Unberechtigter aufgrund mangelhafter Aufbewahrung stelle eine Straftat gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 7a WaffG dar. Die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit ergebe sich auch aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c WaffG, da die tatsachengestützte Annahme einer Überlassung an Nichtberechtigte vorliege. Per waffenrechtlicher Definition bedeute das „Überlassen“, „einem Dritten die tatsächliche Gewalt einzuräumen“. Der Kläger habe eine großkalibrige Waffe sowie Munition nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend aufbewahrt. Er habe hinsichtlich der Munition die Gefahr der Inbesitznahme Unberechtigter, vorliegend seiner Mutter und seines unter 25 Jahre alten Sohnes, verursacht. Der Kläger habe nicht nur die Möglichkeit geschaffen, sondern er habe sogar seinen Sohn aufgefordert, die großkalibrige Waffe unberechtigt in Besitz zu nehmen.
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Der Widerruf der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis in Ziffer 2 des Bescheides stütze sich auf § 34 Abs. 2 SprengG. Aufgrund der fehlenden Zuverlässigkeit des Klägers sei auch die sprengstoffrechtliche Erlaubnis zu widerrufen. Regelmäßig unzuverlässig gemäß § 8a Abs. 2 Nr. 5 SprengG sei, wer wiederholt oder gröblich gegen waffenrechtliche Vorschriften verstoße. Verstöße, die vorsätzliche Straftaten darstellten, seien in aller Regel als gröblich einzustufen. Ein Überlassen an Nichtberechtigte stelle eine Straftat gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 7 WaffG dar. Eine unsichere Aufbewahrung, die die Gefahr einer Inbesitznahme Unberechtigter nach sich ziehe, sei ebenfalls gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 7a WaffG unter Strafe gestellt. Das Lagern einer geladenen Schusswaffe sei ordnungsrechtlich so gravierend, dass bereits ein einmaliger Verstoß ohne Weiteres zur Unzuverlässigkeit führe. Aufgrund der waffenrechtlichen Kenntnisse des Klägers, welche offenkundig aufgrund seiner Funktion als Waffensachkunde- und Standaufsichtenausbilder sowie Waffenhändler vorliegen müssten, seien die Verstöße auch vorwerfbar. Die Verstöße schlössen kategorisch eine Durchbrechung der Regelunzuverlässigkeit aus, da die Verstöße unter keinen Gesichtspunkten in so ein mildes Licht gerückt werden könnten, dass ein Abweichen denkbar wäre.
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Die Anordnung der Einbehaltung der Erlaubnisdokumente in Ziffer 3 des Bescheides beruhe auf § 46 Abs. 1 WaffG, wonach zurückgenommene oder widerrufene Erlaubnisse unverzüglich bei der Behörde zurückzugeben seien. Diese würden nach der Sicherstellung weiterhin einbehalten.
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Die Anordnung der Veräußerung oder Zuführung zur Vernichtung der Waffen und der Munition in Ziffer 4 des Bescheides stützte sich auf § 46 Abs. 5 WaffG. Danach könnten Waffen eingezogen und vernichtet werden, sofern der bisherige Inhaber nicht innerhalb von einem Monat nach erfolgter Sicherstellung einen empfangsbereiten Empfänger benennt. Die Frist von zwölf Wochen sei angemessen, einen geeigneten Käufer zu finden und stelle ein milderes Mittel im Vergleich zu einer möglichen sofortigen Vernichtung nach Ablauf eines Monats dar. Dem Umstand, dass es sich aufgrund der Handelserlaubnis um eine Vielzahl von Waffen und Munition handele, sei bei der Bemessung der Frist Rechnung getragen worden. Sofern dieser Frist ohne triftigen Grund nicht nachgekommen werde, werde eine Verwertung aufgrund der Kosten als nicht angemessen betrachtet. Insofern seien die angedrohten Maßnahmen auch geeignet und erforderlich.
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Die Anordnungen des Waffenbesitzverbotes für erlaubnisfreie Waffen in Ziffer 5 und für erlaubnispflichtige Waffen in Ziffer 6 des Bescheides fänden ihre Grundlage in § 41 Abs. 1 und 2 WaffG. Gemäß § 41 Abs. 1 WaffG könne der Erwerb und Besitz von erlaubnisfreien Waffen und Munition untersagt werden, sofern dies zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit oder zur Kontrolle des Umgangs mit diesen Gegenständen geboten sei. Des Weiteren könne eine solche Anordnung erlassen werden, wenn Tatsachen bekannt würden, die die Annahme rechtfertigten, dass dem regelmäßigen Besitzer die für den Besitz solcher Waffen und Munition erforderliche Zuverlässigkeit fehle. Die Tatsache, dass trotz der im Haushalt lebenden weiteren (unberechtigten) Personen, Waffen derart fahrlässig aufbewahrt worden seien, stelle eine konkrete und erhebliche Gefahr für die Sicherheit, vor allem für das Leben der Familienangehörigen und Dritter dar. Der Kläger habe durch seinen sorglosen Umgang mit den genannten waffenrechtlichen Gegenständen unter Beweis gestellt, dass hier eine Kontrolle des Umgangs unumgänglich sei, da er sogar bei weitaus gefährlicheren erlaubnispflichtigen Waffen nicht die notwendige Sorgfalt habe walten lassen. Aus den gleichen Gründen sei das Waffenbesitzverbot für erlaubnispflichtige Waffen gemäß § 41 Abs. 2 WaffG anzuordnen. Die Waffenbehörde würdige jedoch den Umstand, dass der Kläger als langjähriger aktiver und engagierter Sportschütze tätig sei. Dieser Tatsache werde aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten dadurch Rechnung getragen, dass die Untersagung den beaufsichtigten, schießsportlichen Umgang an Schießanlagen ausnehme (§ 12 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 WaffG). Der Erlass der Untersagungsverfügung entspreche pflichtgemäß ausgeübtem Ermessen. Diese sei zum Schutz der Allgemeinheit vor Gefahren für Leben und Gesundheit erforderlich. Angesichts der gravierenden Verstöße gegen grundlegende Vorsichts- und Umgangsmaßnahmen und der Wertigkeit der bedrohten Schutzgüter sei die Untersagung auch angemessen.
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Die Zwangsgeldandrohungen unter Ziffer 8 und 9 des Bescheides beruhten auf Art. 19 Abs. 1 Nr. 1, Art. 20 Nr. 1, Art. 30 Abs. 1 Satz 1, Art. 29, 31 und 36 VwZVG. Das Zwangsgeld sei als mildestes Zwangsmittel geeignet und erforderlich, den Kläger zur Einhaltung der Besitz- und Erwerbsverbote anzuhalten. Die Höhe des Zwangsgeldes berücksichtige das wirtschaftliche Interesse des Klägers an einem weiteren Besitz und künftigem Erwerb und Besitz von Waffen und Munition und sei im Hinblick auf die Gefahren für die Allgemeinheit angemessen.
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Sodann wurde noch die Kostenentscheidung begründet.
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Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 27. September 2021, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tage, ließ der Kläger Klage erheben mit dem Antrag,
den Bescheid des Landratsamtes … vom 16.09.2021 aufzuheben.
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Mit Schriftsatz vom 2. November 2021 wurde die Klage wie folgt begründet: Die Voraussetzungen einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und Buchst. c WaffG lägen nicht vor. Bei der Überprüfung der Aufbewahrung sei der Kläger anwesend gewesen. Folglich hätte er jederzeit jedem Nichtberechtigten den Zugriff auf die Waffen verwehren können. Vor sich selbst müsse er die Waffen nicht verschlossen aufbewahren. Dies wäre nur dann der Fall, wenn er etwa das Haus verlassen würde und damit die Gelegenheit für Dritte gegeben wäre, Zugriff auf die Waffen zu nehmen. Zum gleichzeitig verhängten Waffenbesitzverbot für erlaubnisfreie und erlaubnispflichtige Waffen sei einzuwenden, dass bei Unzuverlässigkeit eines Waffenbesitzers nicht automatisch auch immer ein Waffenbesitzverbot zu verhängen sei. Dies sei nur dann angebracht, wenn dies zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit oder zur Kontrolle des Umgangs mit diesen Gegenständen geboten sei. Dies würde voraussetzen, dass eine Wiederholungsgefahr der unsachgemäßen Lagerung zu befürchten sei. Diese Voraussetzung liege nicht vor, weil aufgrund dieses Vorgangs der Kläger sämtliche Waffen abgegeben habe. Somit seien ihm entsprechende Konsequenzen bei eventuellen weiteren waffenrechtlichen Verstößen mehr als deutlich gemacht worden. Die diesbezüglich getroffene Ermessensentscheidung des Beklagten sei unrechtmäßig erfolgt. Ein Waffenverbot sei nur dann geboten, wenn der Waffenbesitzer in der Vergangenheit ein Verhalten oder eine Eigenschaft seiner Person gezeigt habe, die den auf Tatsachen beruhenden Verdacht begründe, dass durch den Umgang mit der Waffe eine nicht hinnehmbare Gefahrensituation für die öffentliche Sicherheit entstünde. Da sich solche Gefahrenmomente auch in der Vergangenheit nicht gezeigt hätten und der Kläger langjähriger Waffenbesitzer sei, sei die Verhängung des Waffenbesitzverbotes nicht ordnungsgemäß.
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Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 10. Januar 2022,
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Entgegen der Ausführungen des Klägerbevollmächtigten könnten Anordnungen nach § 41 Abs. 1 und 2 WaffG erlassen werden, sofern dies zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit oder zur Kontrolle des Umgangs mit diesen Gegenständen geboten sei. Im vorliegenden Fall sei aufgrund der im Bescheid ausgeführten umfangreichen waffenrechtlichen Verstöße wie auch der Schwere der Verstöße und der Wertigkeit der bedrohten Rechtsgüter Leben und Gesundheit eine Untersagungsanordnung auch für erlaubnispflichtige Waffen und Munition dringend geboten.
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Mit Schriftsatz vom 8. März 2022 erwiderte der Klägerbevollmächtigte, die Gegenseite irre, wenn sie davon ausgehe, dass die erwähnte Waffe überlassen worden sei. Ein Waffenbesitzverbot sei nur bei Widerholungsgefahr angebracht. Hinzu komme, dass ein solches Waffenbesitzverbot unbefristet ergehe. Der Kläger hätte niemals mehr die Möglichkeit, dieses etwa nach Ablauf einer Frist aufheben zu lassen. Auch aus diesem Grund sei ein Waffenbesitzverbot nicht rechtmäßig.
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Das Landratsamt wies mit Schreiben vom 25. März 2022 darauf hin, dass entgegen der Äußerungen des Klägerbevollmächtigten ein Waffenbesitzverbot auf Antrag bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen wieder aufgehoben werden könne. Weiterhin werde angemerkt, dass die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten – vor allem bezüglich der Überlassungshandlungen des Klägers – rechtsirrig einer Bagatellisierung gleichkomme, die sich der Adressat zurechnen lassen müsse.
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Hinsichtlich der mündlichen Verhandlung vom 27. September 2022 wird auf das Protokoll der Sitzung verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat keinen Erfolg.
22
1. Die Klage ist im wohlverstandenen Sinne des anwaltlich vertretenen Klägers so auszulegen, dass dieser die Aufhebung des Bescheides des Landratsamts vom 16. September 2021 mit Ausnahme der Ziffer 7 (Sofortvollzugsanordnung) begehrt. Ziffer 7 des Bescheids stellt keinen Verwaltungsakt nach Art. 35 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) dar, sondern ist eine verfahrensrechtliche Nebenentscheidung zum Hauptverwaltungsakt, die rechtliche Aussagen zum Zeitpunkt der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes trifft. Rechtsschutz gegen die erfolgte Anordnung der sofortigen Vollziehung richtet sich daher ausschließlich nach § 80 Abs. 5 VwGO und ist nicht im Rahmen eines Klageverfahrens zu gewähren (vgl. hierzu Schmidt in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 42 m.w.N).
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2. Die zulässige Klage ist unbegründet, da der streitgegenständliche behördliche Bescheid vom 16. September 2021 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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a. Ziffer 1 des Bescheides begegnet keinen Rechtmäßigkeitsbedenken.
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aa. Rechtsgrundlage der Anordnung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis ist § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zwingend zu widerrufen, ohne dass der Behörde Ermessen eingeräumt wäre, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Einen solchen Versagungsgrund normiert § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, wonach die Erlaubnis voraussetzt, dass der eine waffenrechtliche Erlaubnis Beantragende die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinn von § 5 WaffG und die persönliche Eignung gemäß § 6 WaffG besitzt. Gleiches gilt für den Widerruf der Waffen- und Munitionshandelserlaubnis. Gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 1 WaffG ist diese aus den gleichen Gründen zu versagen, nämlich unter anderem dann, wenn der Inhaber die erforderliche Zuverlässigkeit gemäß § 5 WaffG nicht besitzt. Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG Personen nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c WaffG entfällt die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit auch bei Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition Personen überlassen, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind.
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§ 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG umschreibt insoweit im Hinblick auf die erforderliche Prognose Formen des Umgangs mit Waffen und Munition, die von vornherein im Hinblick auf den Gesetzeszweck spezifisch waffenrechtlich so bedenklich, nämlich im hohen Maße gefährlich für die Allgemeinheit sind, dass, anders als in den Fällen des § 5 Abs. 2 WaffG, eine Widerlegung im Einzelfall nicht zugelassen wird (sogenannte absolute Unzuverlässigkeit; vgl. auch die Begründung des Gesetzesentwurfes der Bundesregierung zur Neuregelung des Waffenrechts, BT-Drs. 14/7758 S. 54). Bei der auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellenden Prognose ist der allgemeine Zweck des Gesetzes zu berücksichtigen, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren (§ 1 Abs. 1 WaffG), nämlich zum Schutz der Allgemeinheit, diese vor den schweren Folgen eines nicht ordnungsgemäßen Umgangs mit Waffen zu bewahren (vgl. BT-Drs.14/7758 S. 51). Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (st. Rspr vgl. z.B. BVerwG, B.v. 31.1.2008 – 6 B 4.08 – juris Rn. 5; BVerwG, B.v. 2.11.1994 – 1 B 215.93 – juris Rn. 10). Dabei ist in Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, sondern es genügt, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen und Munition besteht (BayVGH, B.v. 16.9.2008 – 21 ZB 08.655 – juris Rn. 7).
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bb. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Kläger hat seine Waffen nicht sorgfältig verwahrt und eine großkalibrige Waffe einem Nichtberechtigten überlassen. Dies sind Tatsachen, die die Annahme einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und c WaffG rechtfertigen. Es handelt sich hierbei auch um gravierende Verstöße, auf die sich eine negative Prognose im Hinblick auf einen zukünftigen ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen und Munition stützen kann.
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1) Der Kläger hat seine Waffen nicht sorgfältig aufbewahrt. Vorsichtig und sachgemäß im Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG ist der Umgang mit Waffen und Munition nur dann, wenn alle zur Verfügung stehenden und zumutbaren Möglichkeiten sämtlich ausgenutzt werden, die Waffe so zu verwahren, dass ein Zugriff Unberechtigter nach Möglichkeit verhindert wird (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2021 – 24 ZB 20.3095- juris Rn. 15). Die Anforderungen, die für die sorgfältige Verwahrung von Waffen zu erfüllen sind, folgen aus § 36 WaffG. Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 WaffG hat derjenige, der Waffen oder Munition besitzt, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhandenkommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen (vgl. BayVGH, B.v. 4.12.2013 – 21 CS 13.1969 – juris Rn. 15). Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 Allgemeine Waffengesetz-Verordnung (AWaffV) sind Schusswaffen, deren Erwerb und Besitz erlaubnispflichtig sind, ungeladen und in einem Behältnis aufzubewahren, das mindestens der Norm DIN/EN 1143-1 mit dem in Absatz 2 geregelten Widerstandsgrad und Gewicht entspricht und zum Nachweis dessen über eine Zertifizierung durch eine akkreditierte Stelle gemäß Absatz 10 verfügt.
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Bei der am 31. August 2021 ab 16:15 Uhr durchgeführten verdachtsunabhängigen und unangekündigten Aufbewahrungskontrolle durch die Waffenbehörde wurde eine halbautomatische Pistole (Walther, Kaliber .22lr) in geladenem Zustand (eine Patrone im Patronenlager) im Wandsafe im Erdgeschoss aufgefunden. Dies stellt einen Verstoß gegen § 13 Abs. 1 Satz 1 AWaffV dar, wonach Schusswaffen stets ungeladen aufzubewahren sind. Weiterhin befand sich eine halbautomatische Pistole (Modell 1911, Kaliber .45 ACP, Herstellernummer …*) im oberen Geschoss auf einem Schreibtisch. Auch hierin liegt ein Verstoß gegen die Aufbewahrungsvorschriften nach § 13 Abs. 1 Satz 1 AWaffV. Der Vortrag des Klägers, die Waffe habe nur deshalb auf dem Schreibtisch gelegen, da er die Griffschalen der Waffe habe neu montieren wollen, steht einer Feststellung der Verletzung von Aufbewahrungsvorschriften nicht entgegen. Gegen die Glaubwürdigkeit der Einlassung, er habe gerade andere Griffschalen montieren wollen, spricht – wie die Behörde zutreffend ausführt –, dass er dies nicht direkt bei Ankündigung der Kontrolle kommuniziert hat, sondern erst dann, als die Waffe bei Abgleich der Waffendaten zur Sprache gekommen ist. Es wäre – auch unter Berücksichtigung der großen psychischen Belastungssituation während einer Hausdurchsuchung – zumindest zu erwarten gewesen, dass der Kläger dies in irgendeiner Weise vor der konkreten Nachfrage gegenüber den kontrollierenden Beamten geäußert hätte. Bei lebensnaher Betrachtungsweise kann davon ausgegangen werden, dass die Waffe bereits längere Zeit offen auf dem Schreibtisch lag. Aus dem Umstand, dass der Kläger seinen Sohn nach Abgleich der Waffendaten gebeten hat, die Waffe wieder auf dem Schreibtisch abzulegen, kann geschlussfolgert werden, dass die Waffe auch weiterhin auf dem Schreibtisch aufbewahrt werden sollte. Selbst wenn der klägerische Vortrag der Wahrheit entspräche, so ist diesbezüglich festzustellen, dass der Kläger jedenfalls während der Kontrolle keinerlei Einwirkungsmöglichkeiten auf die Waffe gehabt hat, da sich diese in einem anderen Stockwerk befand. Die Gefahren, die mit einer für Nichtberechtigte zugänglichen Verwahrung von Schusswaffen und Munition verbunden sind, bestehen nicht nur bei einer nicht sorgfältigen Unterbringung auf Dauer. Bereits eine nur äußerst kurzfristige Nachlässigkeit im Umgang mit Schusswaffen kann genügen, um diese Gegenstände in die Hände Nichtberechtigter gelangen zu lassen (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2016 – 21 ZB 15.1949 – juris Rn. 20). Sowohl der Sohn des Klägers als auch dessen Mutter haben sich im Zeitpunkt der Kontrolle im Haus befunden und hatten somit Zugriff auf die offen auf dem Schreibtisch liegende großkalibrige Waffe.
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2) Jedenfalls aber liegen diesbezüglich Tatsachen beim Kläger vor, die die Annahme rechtfertigen, dass er Waffen oder Munition Personen überlassen wird, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c WaffG. Dies kann aus dem Umstand geschlossen werden, dass der Kläger während der Kontrolle die Waffe seinem Sohn auch aktiv überlassen hat, indem er diesen dazu aufforderte, die Waffe herbeizubringen, um den Abgleich der Waffendaten zu ermöglichen. Nach der in Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 3 zum Waffengesetz enthaltenen Legaldefinition überlässt jemand eine Waffe oder Munition i.S.d. Waffengesetzes, wer einem anderen die tatsächliche Gewalt darüber einräumt. Hierbei erfordert das Überlassen nicht, dass der Überlassende die tatsächliche Gewalt aufgibt, vielmehr ist ein Überlassen schon dann anzunehmen, wenn der Überlassende – ohne seine eigene tatsächliche Gewalt aufzugeben – einer anderen Person die Möglichkeit einräumt, sich selbstständig und ohne Mitwirkung des anderen der Waffe bedienen zu können (vgl. BVerwG, U.v. 6.12.1978 – I C 7.77 – juris Rn. 18; VG München, U.v. 12.5.2021 – M 7 K 18.2637 – juris Rn. 36). Durch die Verwahrung der Waffe auf dem Schreibtisch und der Aufforderung zum Herbeibringen der Waffe zum Waffendatenabgleich hat der Kläger seinem Sohn, der in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt unstreitig nicht zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Schusswaffe berechtigt war, den jederzeitigen Zugriff auf die Waffe ermöglicht und diesen sogar zur Inbesitznahme der Waffe aufgefordert.
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cc. Das Landratsamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei den festgestellten Verstößen um solch gravierende Verletzungen waffenrechtlicher Sorgfaltsvorschriften handelt, die bereits an und für sich die Prognose rechtfertigen, dass der Kläger auch künftig seine Waffen nicht mit der nötigen Sorgfalt verwahren oder diese Nichtberechtigten überlassen wird. Eine dahingehende Lebenserfahrung oder ein entsprechender Rechtssatz, dass erst ab einem weiteren Verstoß eine negative Zukunftsprognose gerechtfertigt ist, besteht nicht (BayVGH, B.v. 20.5.2015 – 21 ZB 14.2236 – juris Rn. 11; B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn. 12). Somit rechtfertigt bereits ein einmaliger Verstoß gegen grundlegende Vorsichts- und Umgangsmaßregeln die negative Zukunftsprognose. Erschwerend muss zudem der Aspekt Berücksichtigung finden, dass der Kläger diverse waffenrechtliche Qualifikationen aufweist, weshalb unterstellt werden kann, dass er die einschlägigen waffenrechtlichen Sorgfaltsvorschriften im Hinblick auf die Aufbewahrung und das verbotene Überlassen der Waffen an Nichtberechtigte kannte und trotz dieser Kenntnis den Vorschriften bewusst zuwiderhandelte. In dem Verhalten des Klägers kommt eine Gleichgültigkeit gegenüber den waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften zum Ausdruck. Der Gesetzgeber hat sich aus Gründen der Gefahrenabwehr für strenge Aufbewahrungsvorschriften entschieden, da in der Regel bei einer anderweitigen Aufbewahrung die Gefahr der Nutzung durch unbefugte Dritte besteht. Wer sich über diese Vorschriften stellt, sich ihnen gegenüber gleichgültig zeigt oder diese für sich als nicht verbindlich betrachtet, der bietet nicht die Gewähr für einen jederzeitigen sorgfältigen Umgang mit Waffen und Munition, wie es der Gesetzgeber beabsichtigte. Die klägerseitig – teilweise anwaltlich – unternommenen Bagatellisierungsversuche mit den Äußerungen, es sei zulässig, eine Waffe geladen aufzubewahren bzw. es liege kein gravierender Verstoß vor, wenn die Waffe nur eine Patrone enthalte, stützen die negative Zukunftsprognose zusätzlich.
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dd. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Europäischen Feuerwaffenpass (§§ 36 Abs. 6, 37g Abs. 1 WaffG) nicht um eine waffenrechtliche Erlaubnis, sondern um eine Bescheinigung über eine erteilte waffenrechtliche Erlaubnis handelt, weshalb die Vorschriften des WaffG über den Widerruf (§ 45 Abs. 2 WaffG) nicht auf den Europäischen Feuerwaffenpass anwendbar sind. Wird die für seine Erteilung maßgebliche Waffenbesitzkarte gemäß § 45 Abs. 2 WaffG widerrufen, so verliert dieser als Bescheinigung mit dem Wegfall der zugrundeliegenden Waffenbesitzkarte automatisch seine Gültigkeit (vgl. Heller/Soschinka/Rabe, Waffenrecht, 4. Aufl. 2020, Rn. 1285p). Der behördlicherseits ausgesprochene Widerruf des Europäischen Feuerwaffenpasses ist rein deklaratorischer Natur und dokumentiert die aktuelle Rechtslage der Ungültigkeit des Feuerwaffenpasses.
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b. Auch die Ziffer 2 des Bescheides erweist sich als rechtmäßig. Gemäß § 34 Abs. 2 Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz – SprengG) ist die sprengstoffrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Voraussetzung für die Erteilung einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis ist nach § 27 Abs. 3 Nr. 1 SprengG i.V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SprengG die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 8a SprengG. Die sprengstoffrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers ergibt sich bereits aus § 8a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b SprengG. Demgemäß besitzen solche Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit explosionsgefährlichen Stoffen nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese nicht sorgfältig aufbewahren werden. Von der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit kann auch auf die sprengstoffrechtliche Unzuverlässigkeit geschlossen werden. Denn die festgestellten Verstöße gegen waffenrechtliche Aufbewahrungsvorschriften begründen solche Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger auch explosionsgefährliche Stoffe nicht sorgfältig aufbewahren wird (vgl. so auch BVerwG, B.v. 17.8.1994 – 1 B 134/94 – juris Rn. 5; VG Köln, U.v. 29.4.2010 – 20 K 567/09 – juris Rn. 24). Die Unzuverlässigkeit des Klägers ergibt sich vorliegend auch aus § 8a Abs. 2 Nr. 5 SprengG. Danach besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel solche Personen nicht, die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften des Waffengesetzes verstoßen haben. Ein gröblicher Verstoß liegt vor, wenn er nach seinem objektiven Gewicht und dem Grad der Vorwerfbarkeit eine schwerwiegende Zuwiderhandlung darstellt (vgl. Heller/Soschinka/Rabe, Waffenrecht, 4. Aufl. 2020, Rn. 773a). In den zahlreichen Verstößen gegen die waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften des § 36 Abs. 1 WaffG sowie in der Überlassung einer der Waffen an den nichtberechtigten Sohn spiegelt sich die fehlerhafte Einstellung des Klägers zu den waffenrechtlichen Ordnungsvorschriften in gravierender Weise wider. Das vorsätzliche Überlassen einer erlaubnispflichtigen Schusswaffe stellt sich darüber hinaus gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 7 WaffG als Straftat dar, die als solche regelmäßig als gröblicher Verstoß gegen das Waffengesetz gewertet wird (vgl. BVerwG, U.v. 26.3.1996 – 1 C 12.95 – juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 21.11.2016 – 21 ZB 15.931 – juris Rn. 10; Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 5 Rn. 31b).
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c. Die Ziffer 3 des Bescheides erweist sich ebenfalls als rechtmäßig. Die Anordnung der Einbehaltung der Erlaubnisdokumente beruht auf § 46 Abs. 1 WaffG, wonach widerrufene Erlaubnisse unverzüglich bei der Behörde zurückzugeben sind. Für bereits sichergestellte Erlaubnisdokumente stellt § 46 Abs. 1 WaffG den Rechtsgrund für das Einbehalten der Dokumente dar. Ein Rechtsgrund für die Einbehaltung der Dokumente ergibt sich vorliegend aber auch bereits aus der Sicherstellungsanordnung vom 31. August 2021 (§ 46 Abs. 4 WaffG).
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d. Die Aufforderung in Ziffer 4 des Bescheides zur Benennung eines Berechtigten bzw. die Androhung der Vernichtung der Waffen, sollte ein Berechtigter nicht innerhalb von zwölf Wochen benannt werden, erweist sich ebenfalls als rechtmäßig. Die Anordnung stützt sich auf § 46 Abs. 5 Satz 1 WaffG. Die Frist von zwölf Wochen ab Zustellung des Bescheides bzw. im Falle einer Klageerhebung ab Bestandskraft des Bescheides ist angemessen.
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e. Auch das in Ziffer 5 ausgesprochene Waffenbesitzverbot für erlaubnisfreie Waffen ist rechtmäßig. Anordnungen nach § 41 Abs. 1 Satz 1 WaffG können erlassen werden, sofern dies zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit oder zur Kontrolle des Umgangs mit diesen Gegenständen geboten ist (§ 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG) oder wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass dem rechtmäßigen Besitzer oder Erwerbswilligen die für den Besitz solcher Waffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit fehlt (§ 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG). Ein Verbot auf Grundlage von § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG ist dann geboten, wenn Tatsachen den Verdacht begründen, dass durch den Umgang mit der Waffe Gefahren für die öffentliche Sicherheit verursacht werden. Ein Verbot ist insbesondere bei einer unsachgemäßen Aufbewahrung von Waffen geboten, aber auch bei Fällen der Überlassung von Waffen an Nichtberechtigte. Das Waffenbesitzverbot lässt sich folglich bereits auf § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG stützen. Die Rechtmäßigkeit eines solchen ergibt sich aber auch aus § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG, der sich auf „die tatsachengestützte fehlende Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen im Hinblick auf die persönlichen Voraussetzungen“ (BVerwG, U.v. 22.8.2012 – 6 C 30/11 – juris Rn. 36) stützt. § 5 WaffG konkretisiert den Begriff der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit für den gesamten Geltungsbereich des WaffG und gilt deshalb auch in Bezug auf erlaubnisfreie Waffen und Munition (vgl. BayVGH, B.v. 1.2.2021 – 24 ZB 19.1086 – juris Rn. 8; B.v. 15.10.2020 – 24 ZB 18.1159 – juris Rn. 9; B.v. 24.1.2019 – 21 CS 18.1579 – juris 10). Die bereits festgestellte waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers rechtfertigt somit auch das Waffenbesitzverbot für erlaubnisfreie Waffen.
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Entgegen des anwaltlichen Vortrages in der mündlichen Verhandlung sowie im Schriftsatz vom 8. März 2022 ist die Anordnung eines (unbefristeten) Waffenbesitzverbotes angesichts der umfangreichen waffenrechtlichen Verstöße, der Schwere dieser Verstöße sowie der Wertigkeit der bedrohten Rechtsgüter Leben und Gesundheit auch verhältnismäßig. Insbesondere bedurfte es im vorliegenden Fall keiner Befristung des Waffenbesitzverbotes unter Bezugnahme auf die 5-Jahres-Frist des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG. Der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass am 25. August 2022 Anklage zum Amtsgericht mit dem Tatvorwurf des vorsätzlichen unerlaubten Besitzes diverser Waffen sowie wegen einen Verstoßes gegen die Aufbewahrungsvorschriften des § 36 WaffG erhoben worden, der Ausgang des Strafverfahrens aber nicht absehbar ist. Da die 5-Jahres-Frist des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG an die Rechtskraft einer strafgerichtlichen Verurteilung anknüpft, war auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine Befristung des Waffenbesitzverbotes entsprechend dieser Regelung nicht möglich. Anzumerken ist, dass die dem Kläger zur Last fallenden zahlreichen Aufbewahrungsverstöße einen eigenständigen, von der 5-Jahres-Frist nicht erfassten Anknüpfungspunkt für die Annahme der Unzuverlässigkeit darstellen, auf die der Beklagte das Waffenbesitzverbot auch gestützt hat, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und c WaffG. Das behördliche Ermessen wurde pflichtgemäß ausgeübt.
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f. Ebenso verhält es sich mit dem Waffenbesitzverbot für erlaubnispflichtige Waffen in Ziffer 6 des Bescheides, da die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers auch diese Anordnung begründet. Das Verbot stützt sich auf § 41 Abs. 2 WaffG. Danach kann die zuständige Behörde jemandem den Besitz von Waffen und Munition, deren Erwerb der Erlaubnis bedarf, untersagen, soweit es zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit oder Kontrolle des Umgangs mit diesen Gegenständen geboten ist. Im Rahmen dieser auf Tatsachen gestützten Gefahrenprognose ist derselbe Maßstab anzulegen, der auch im Zuge eines Erwerbs- und Besitzverbotes nach Abs. 1 Nr. 1 zur Anwendung kommt (Gade, Waffengesetz, 3. Aufl. 2022, § 41 Rn. 10). Ein solches Verbot ist insbesondere geboten, wenn der Adressat nicht die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG besitzt (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2019 – 21 CS 18.1579 – juris 10). Das Waffenbesitzverbot ist auch verhältnismäßig (vgl. Ausführungen unter e.). Unter Berücksichtigung der Ausnahmeregelung für den schießsportlichen Umgang mit Waffen an Schießanlagen stellt das Waffenbesitzverbot eine erforderliche Maßnahme dar, um eine mögliche Gefährdung der Schutzgüter zu verhindern. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
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g. Auch die Zwangsgeldandrohungen in den Ziffern 8 und 9 des Bescheides begegnen keinen Rechtmäßigkeitsbedenken. Die Rechtsgrundlagen für die Androhung des Zwangsgeldes ergeben sich aus Art. 19, 29, 30, 31 und 36 des Bayerischen Verwaltungszustellungsu. Vollstreckungsgesetzes (VwZVG). Das Zwangsgeld ist das mildeste Zwangsmittel und als solches geeignet und erforderlich, das mit ihm verfolgte Ziel zu erreichen. Die Höhe des angedrohten Zwangsgelds bewegt sich im unteren Bereich des Rahmens, den Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG vorgibt und berücksichtigt das wirtschaftliche Interesse, das der Antragsteller an einem weiteren Besitz und künftigem Erwerb von Waffen oder Munition hat, Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG.
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h. Die Anordnung der Kostentragung in Ziffern 10 und 11 des Bescheides erweist sich ebenfalls als rechtmäßig. Die Kostenentscheidung des Bescheides stützt sich auf Art. 1, 2 und 3 Kostengesetz (KG). Die Höhe der Gebühr bemisst sich für den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis nach Art. 1 Abs. 1 KG i.V. m. Art. 5 KG i.V. m. § 1 Kostenverzeichnis (KVz) i.V. m. der Anlage zum KVz Tarif-Nr. 2.II.7/39 des Kostenverzeichnisses, für das Waffenbesitzverbot nach Tarif-Nr. 2.II.7/37 des Kostenverzeichnisses, für den Widerruf der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis nach Tarif-Nr. 7.I.3/1.18. Die Gebühr wurde innerhalb des Kostenrahmens festgesetzt.
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3. Die gerichtliche Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt.
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4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung basiert auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V. m. § 708 Nr. 11 Zivilprozessordnung (ZPO). Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – jedenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.