Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 16.11.2022 – Au 4 K 22.324
Titel:

Erfolglose Klage auf Erteilung eines Vorbescheids zum Neubau eines Zweifamilienhauses – Abgrenzung Innen-/Außenbereich

Normenketten:
VwGO § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 5 S. 1
BayBO Art. 71 S. 1
BauGB § 34 Abs. 1, § 35 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Nr. 5 und Nr. 7
Leitsätze:
1. Ein Grundstück ist regelmäßig nur dann dem Innenbereich zuzuordnen, wenn es an mindestens drei Seiten von Bebauung umgeben ist. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Belang der natürlichen Eigenart der Landschaft nach § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB beinhaltet nicht nur eine optisch-ästhetische Komponente, sondern dient insbes. auch der Bewahrung der funktionellen Bestimmung der Landschaft. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Entstehung einer Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 BauGB) kann auch durch die Ausuferung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils anzunehmen sein. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erteilung eines Vorbescheids für ein Zweifamilienhaus, Ortsrandlage, Abgrenzung Innenbereich, Außenbereich, Beeinträchtigung öffentlicher Belange, Vorbescheid, Zweifamilienhaus, Innenbereich, Bebauungszusammenhang, Baulücke, trennende Wirkung, sonstiges Vorhaben, Flächennutzungsplan, Splittersiedlung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 43006

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Erteilung eines Vorbescheids zum Neubau eines Zweifamilienhauses mit Doppelgarage.
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Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ... der Gemarkung .... Das Grundstück liegt am westlichen Ortsrand des Ortsteils .... Der Flächennutzungsplan des Beigeladenen sieht für den dortigen Bereich Grünflächen vor. Nördlich des streitgegenständlichen Grundstücks befindet sich auf dem Grundstück Fl.Nr.,, ein Wohngebäude. Östlich angrenzend verläuft eine Straße, die auf deren östlichen Seite Wohnbebauung aufweist. Südlich des Vorhabengrundstücks befindet sich in einer Entfernung von ca. 80 m (Grundstück Fl.Nr., ...) und südwestlich in einer Entfernung von ca. 90 m (Grundstück Fl.Nr., ...) ebenfalls Wohnbebauung. Westlich des Vorhabengrundstücks liegen in einer Entfernung von ca. 85 m innerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans Nr. ... „Gewerbegebiet ... – Erweiterung Fa. ...“ vom 20. Juli 2012 Gewerbegebäude.
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Mit Schreiben vom 2. August 2021 beantragte der Kläger die Erteilung eines Vorbescheids zum Neubau eines Zweifamilienhauses auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung .... Der Beigeladene verweigerte mit Beschluss vom 10. August 2021 das gemeindliche Einvernehmen.
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Mit Bescheid vom 11. Januar 2022 lehnte der Beklagte den Antrag auf Vorbescheid zum Neubau eines Zweifamilienhauses mit Doppelgarage ab. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass sich das Grundstück im Außenbereich befinde. Es liege insbesondere auch keine Baulücke vor. Bereits das zum Vorhabenstandort angrenzende bestehende Gebäude auf dem Grundstück Fl.Nr. ... befinde sich nicht mehr innerhalb des Bebauungszusammenhangs. Dessen Genehmigung sei eine städtebauliche Fehlentscheidung gewesen. Das streitgegenständliche Vorhaben beeinträchtige als sonstiges Vorhaben gemäß § 35 Abs. 2 BauGB mehrere öffentliche Belange. So sei bereits ein Widerspruch zum Flächennutzungsplan gegeben, da dieser am Vorhabenstandort Grünflächen ausweise, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Zudem werde durch das Vorhaben die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB. Schließlich werde durch die Genehmigung eines weiteren Hauses westlich von ... die bestehende Splittersiedlung verfestigt, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB. Durch das Zulassen des Bauvorhabens werde ein Bezugsfall für die Errichtung weiterer, nichtprivilegierter Vorhaben im Außenbereich geschaffen. Die Erweiterung von Ortsteilen in den Außenbereich hinein unterliege allerdings der Bauleitplanung.
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Hiergegen ließ der Kläger mit Schriftsatz vom 9. Februar 2022 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage erheben. Für ihn ist beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamts ... vom 11. Januar 2022, Az., zu verpflichten, den Antrag des Klägers auf Vorbescheid zum Neubau eines Zweifamilienhauses mit Doppelgarage auf dem Grundstück mit der Fl.Nr. ... der Gemarkung ... positiv zu verbescheiden;
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hilfsweise: unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Vorbescheidsantrag des Klägers zu entscheiden.
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Zur Begründung trägt sein Bevollmächtigter mit Schriftsatz vom 14. März 2022 im Wesentlichen vor, das Vorhaben liege innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils. Es sei daher nach § 34 BauGB, höchst hilfsweise auch nach § 35 Abs. 2 BauGB genehmigungsfähig. Das Bauvorhaben grenze im Norden an die bestehende Wohnbebauung, Fl.Nr. .... Im Osten, Südosten und Süden (..., Fl.Nr. ...; ... 36, Fl.Nr. ...; ..., Fl.Nr. ...) gelte dies ebenso. Die dazwischen verlaufende Straße verbinde die beidseits von ihr vorhandene Bebauung, weil sie sehr schmal, ohne Fahrbahnmarkierungen und Gehsteig ausgebaut sei und keine Durchgangs- sondern Erschließungsfunktion aufweise. Dies unterstreiche auch der fehlende Straßenname. Ein gefahrloses Queren sei ohne weiteres möglich. Die sich südwestlich, Fl.Nrn.,, und westlich, Fl.Nr., des Bauvorhabens anschließende Bebauung präge des Weiteren den Eindruck der Zusammengehörigkeit von Bauvorhaben und bestehender Umgebungsbebauung. Das Bauvorhaben solle auf einer „kesselförmigen“ Fläche errichtet werden, die durch die bestehende Bebauung gebildet werde und sich im Nordwesten, deutlich hinter dem Bauvorhaben, zum Außenbereich hin öffne. Die Bebauung dieses „Kessels“ als Auffüllung der Baulücke zum Außenbereich hin dränge sich als zwanglose Fortsetzung der Umgebungsbebauung auf. Aus Sicht eines objektiven Betrachters sei davon auszugehen, dass der unbebaute „Kessel“ bebaut werde und zum Außenbereich hin aufgefüllt werde. Der Bauplatz öffne sich gerade nicht zur freien Landschaft hin. Das Vorhaben füge sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung in die Umgebung ein.
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Selbst wenn man von einer Außenbereichslage ausginge, wäre das Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB zulässig. Es würden keine öffentlichen Belange nach § 35 Abs. 2 BauGB beeinträchtigt werden. Darstellungen im Flächennutzungsplan stünden nur entgegen, wenn der Planungswille der Gemeinde hinreichend konkretisiert sei, wenn also der Plan eine mit dem Vorhaben nicht zu vereinbarende Bestimmung treffe bzw. ein „negativer Planungswille“ mit der erforderlichen Deutlichkeit entnommen werden könne. Sie müssten stets durch die gegebene Situation bestätigt und erhärtet werden. Gemessen an diesen Grundsätzen widerspreche das Bauvorhaben nicht der Darstellung von Grünflächen im Flächennutzungsplan. Auf dem Ausschnitt des Flächennutzungsplans zeige sich, dass bereits die im Westen bestehende Bebauung in die Ortsrandeingrünung hineinrage. Aufgrund der Grobmaschigkeit der Darstellungen lasse sich dem Bauvorhaben nicht entgegenhalten, es widerspreche der Darstellung der Ortsrandeingrünung.
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Das Vorhaben beeinträchtige auch nicht die natürliche Eigenart der Landschaft, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB. Die natürliche Eigenart der Landschaft werde durch ein Bauvorhaben beeinträchtigt, wenn die zur Bebauung vorgesehene Fläche entsprechend der im Außenbereich zu schützenden naturgegebenen Bodennutzung genutzt werde und nichts darauf hindeute, dass sie die Eignung für diese Nutzung demnächst einbüßen werde. Dies gelte nicht in Ortsrandlagen, in der die landwirtschaftliche Bodennutzung bereits weitgehend durch andere Nutzungen verdrängt sei. Eine Beeinträchtigung komme dann nicht in Betracht, wenn sich das Baugrundstück wegen seiner natürlichen Beschaffenheit weder für die Bodennutzung noch für Erholungszwecke eigne oder es seine Schutzwürdigkeit durch bereits erfolgte anderweitige Eingriffe eingebüßt habe. Habe das Vorhaben nur unerhebliche Auswirkungen auf die Landschaft, sei noch keine Beeinträchtigung dieses öffentlichen Belangs anzunehmen, was vorliegend der Fall sei. Dies folge daraus, dass es sich um ein im Vergleich zu den im Umkreis bestehenden Vorhaben kleines Vorhaben handle. Zudem sei die Vorhabenfläche durch die Umgebung bereits vorbelastet und habe daher ihre Schutzwürdigkeit eingebüßt. Die Umgebungsbebauung bilde einen nach oben hin schmaler werdenden „Kessel“. Die Auffüllung dieses Kessels könne daher die natürliche Eigenart der Landschaft, die erst weiter nördlich/nordwestlich beginne, nicht beeinträchtigen. Die Erholung der Allgemeinheit finde nicht auf der Fläche des Bauvorhabens statt.
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Schließlich lasse das Vorhaben auch nicht die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB befürchten. Das Vorhaben werde mit seiner Errichtung Teil des im Zusammenhang bebauten Ortsteils, so dass eine Splittersiedlung nicht entstehen könne. Selbst wenn man aufgrund der Ausuferung des bestehenden Ortsteils die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten würde, so greife diese Überlegung nicht. Mit dem Vorhaben werde eine Baulücke zum Außenbereich hin geschlossen. Eine Zersiedlung des Außenbereichs sei nicht zu befürchten. Eine Vorbildwirkung entfalte das Vorhaben nicht, denn mit dem Bauvorhaben werde die Baulücke zum Außenbereich aufgefüllt und abgeschlossen, der Ortsteil werde abgerundet.
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Der Beklagte trat der Klage mit Schriftsatz vom 30. März 2022 entgegen. Für ihn ist beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Bei dem streitgegenständlichen Grundstück liege keine Baulücke vor. Bei einer Baulücke handle es sich um eine freie Fläche innerhalb der bebauten Ortsteile, die in etwa der Größe von (höchstens) zwei Bauplätzen entspreche. Hier liege bereits kein bebauter Ortsteil vor. Östlich des Weges befinde sich eine Wohnbebauung, südlich befänden sich ehemalige landwirtschaftliche Hofstellen, ... und .... Diese seien seit Jahrzehnten vorhanden und seien wohl ursprünglich im Außenbereich gelegen. Südwestlich befinde sich ein Firmengebäude, das sich jedoch so weit entfernt befinde, dass hier keine Baulücke angenommen werden könne. Zudem handle es sich um ein gewerbliches Gebäude, nicht um Wohnbebauung. Das Gebäude ... alleine reiche nicht für die Annahme einer Baulücke, insbesondere da sich dieses selbst im Außenbereich befinde. Auch die ansteigende Topographie in Richtung Norden schließe eine Bebauung des Grundstücks aus, es handle sich hier nicht um einen „Kessel“, der gefüllt werden müsse. Das Baugrundstück liege bereits höher als die südöstliche Bebauung. Der Bogen könne hierbei nicht bis zu der Firma gezogen werden, da es sich hier um ein Gewerbe handle. Dieses liege innerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans und sei unabhängig vom restlichen Ortsteil ... zu betrachten. Das Erheben von Beiträgen durch den Beigeladenen habe im Übrigen auf die baurechtliche Zulässigkeit keine Auswirkungen. Das Vorhaben sei nach § 35 Abs. 2 BauGB nicht genehmigungsfähig. Der Flächennutzungsplan des Beigeladenen stelle in diesem Bereich Flächen für die Ortsrandeingrünung dar. Auch wenn der Flächennutzungsplan nicht parzellenscharf sei, ergebe sich hieraus die Intention, eine Bebauung auszuschließen. Auch die Verfestigung einer Splittersiedlung sei zu befürchten. Eine Fehlentscheidung hinsichtlich des Gebäudes ... könne nicht dazu führen, die Zersiedlung westlich des Ortsteils ... weiter voranzutreiben.
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Die Standortgemeinde wurde mit Beschluss vom 5. September 2022 zum Verfahren beigeladen. Sie hat keinen Antrag gestellt.
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Am 11. Oktober 2022 fand ein Augenscheinstermin mit den Beteiligten statt. Hierbei verzichteten die Beteiligten übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Auf die Niederschrift des Ortstermins und die dabei gefertigten Lichtbilder wird Bezug genommen.
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Im Nachgang des Ortstermins ließ der Kläger mit Schreiben vom 17. Oktober 2022 vortragen, der Augenscheinstermin habe bestätigt, dass sich das Baugrundstück im Innenbereich befinde. Die zur Bebauung vorgesehene Fläche sei von Bebauung von Nord über Ost nach Süd und Südwest eingerahmt. Die östlich und südöstlich gelegene Bebauung werde durch die schmale, kaum ausgebaute Straße, von der zu bebauenden Fläche nicht im Sinne einer Zäsur getrennt. In der Baulücke zwischen den Gebäuden ... und ... fänden zwei bis drei Bauplätze Raum, was nach einer gebräuchlichen Faustformel zur Abgrenzung des Innen- vom Außenbereich die Innenbereichslage weiter unterstreiche. Topographisch werde zudem deutlich, dass die zu bebauende Fläche ungefähr auf einer Höhe mit der Bebauung von Nord nach Südost liege. Erst hinter der zur Bebauung vorgesehenen Fläche im Nordwesten und Westen falle das Gelände steil ab. In diesem Bereich öffne sich das Gelände zum Außenbereich hin. Eine Fortsetzung der Bebauung von Nord nach Süd dränge sich angesichts der dort dicht vorhandenen Gebäude auf.
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Der Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 19. Oktober 2022, dass es sich bei der Genehmigung des Gebäudes ... um eine Gefälligkeitsgenehmigung bzw. um eine Fehlentscheidung handle. Es sei deutlich erkennbar, dass das Gebäude ... bereits im Außenbereich liege. Es könne daher nicht für die Annahme einer Baulücke herangezogen werden. Selbst wenn man davon ausgehe, dass das Gebäude ... die „nördliche Seite“ einer Baulücke darstelle, seien die nächsten Wohngebäude im Süden ... oder ... bereits ca. 95 m bzw. 80 m entfernt, was deutlich weiter sei als laut Rechtsprechung noch für eine Baulücke angenommen werden könne. Höchstens zwei normal große Bauplätze, also etwa 60 m könnten eine Baulücke darstellen. Im ehemaligen landwirtschaftlichen Teil des Anwesens ... finde nur noch Lagernutzung statt, als nächstes Gebäude könne jedoch nur der Wohnteil herangezogen werden, der bereits 80 m entfernt sei. Das nächste Gebäude im Südwesten sei ein gewerbliches Gebäude einer Firma. Dieses sei allerdings ebenfalls ca. 85 m entfernt und liege zudem im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Es sei zwar zutreffend, dass die schmale Straße ... keine trennende Wirkung aufweise. Jedoch mangle es an einer prägenden Bebauung auf der westlichen Straßenseite. Der Innenbereich liege östlich/südöstlich dieser Straße. Lediglich eine Bauleitplanung schaffe an der verfahrensgegenständlichen Stelle Baurecht. Diese sei allerdings von dem Beigeladenen nicht beabsichtigt, was sich auch in der Darstellung im Flächennutzungsplan widerspiegle.
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Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtssowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage konnte aufgrund des Einverständnisses der Parteien ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden, § 101 Abs. 2 VwGO.
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten Bauvorbescheids gemäß Art. 71 Satz 1 BayBO. Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 11. Januar 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Das Vorhaben ist bauplanungsrechtlich unzulässig, da das streitgegenständliche Grundstück im Außenbereich liegt (1.) und das geplante Zweifamilienhaus als sonstiges Vorhaben öffentliche Belange beeinträchtigt (2.).
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1. Das streitgegenständliche Grundstück liegt entgegen der Auffassung des Klägers nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils gem. § 34 BauGB und damit im Außenbereich gem. § 35 BauGB.
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Ein Bebauungszusammenhang im Sinne der Vorschrift des § 34 BauGB reicht so weit, wie die aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Darüber, wo die Grenze des Bebauungszusammenhangs verläuft, ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden, die gesamten örtlichen Gegebenheiten erschöpfend würdigenden Bewertung des konkreten Sachverhalts zu befinden. Eine unbebaute Fläche ist – als „Baulücke“ – Teil des Bebauungszusammenhangs, wenn sie von der angrenzenden zusammenhängenden Bebauung so stark geprägt wird, dass die Errichtung eines Gebäudes auf dieser Fläche als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen Bebauung erscheint. Am Ortsrand endet der Bebauungszusammenhang – unabhängig vom Verlauf der Grundstücksgrenzen – grundsätzlich hinter dem letzten Gebäude (BayVGH, B.v. 14.5.2020 – 15 ZB 19.1452 – juris Rn. 11 m.w.N.). Daraus folgt insbesondere, dass die Grenze zwischen Innen- und Außenbereich nicht schematisch gezogen werden kann, etwa als eine den Durchschnitt der nach außen ragenden Gebäude bildenden Mittellinie oder als eine dem am weitesten in den Außenbereich ragenden Gebäude vorgelagerte Linie. Vielmehr kann die Grenze unregelmäßig verlaufen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der Ortsrand oftmals durch uneinheitliche Bebauung gekennzeichnet ist (BayVGH, U.v. 12.5.2005 – 23 B 04.1761 – juris Rn. 34). Ein Grundstück ist außerdem regelmäßig nur dann dem Innenbereich zuzuordnen, wenn es an mindestens drei Seiten von Bebauung umgeben ist (BayVGH, B.v. 3.2.2014 – 1 ZB 12.468 – juris Rn. 3).
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Grundlage und Ausgangspunkt dieser bewertenden Beurteilung sind die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten, also insbesondere die vorhandenen baulichen Anlagen, sowie darüber hinaus auch andere topographische Verhältnisse wie z.B. Geländehindernisse, Erhebungen oder Einschnitte (Dämme, Böschungen, Gräben, Flüsse und dergleichen) und Straßen. Zu berücksichtigen sind nur äußerlich erkennbare Umstände, d.h. optisch wahrnehmbare Gegebenheiten der vorhandenen Bebauung und der übrigen Geländeverhältnisse (BayVGH, B.v. 12.2.2019 – 15 ZB 18.255 – juris Rn. 7 m.w.N.). Die Berücksichtigung solcher äußerlich erkennbaren Umstände kann dazu führen, dass der Bebauungszusammenhang im Einzelfall nicht – wie dies allerdings der Regel entspricht – am letzten Baukörper endet, sondern dass ihm noch ein oder auch mehrere unbebaute Grundstücke bis zu einer sich aus der örtlichen Situation ergebenden natürlichen Grenze zuzuordnen sind. Auch Straßen oder Wege können in dieser Hinsicht von Bedeutung sein. Ob sie geeignet sind, einen Bebauungszusammenhang herzustellen, eine trennende Funktion erfüllen oder für die Abgrenzung von Innen- und Außenbereich ohne jegliche Aussagekraft sind, kann stets nur das Ergebnis einer Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts sein (BVerwG, B.v. 4.1.1995 – 4 B 273.94 – juris Rn. 3 m.w.N.; BayVGH, B.v. 12.2.2019 – 15 ZB 18.255 – juris Rn. 7 m.w.N.). Dabei kommt einseitig bebauten Straßen im Regelfall eine trennende Wirkung zwischen Innen- und Außenbereich zu (BVerwG, B.v. 16.2.1988 – 4 B 19.88 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 3.2.2014 – 1 ZB 12.468 – juris Rn. 5).
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Nach diesen Maßstäben kann unter Würdigung sämtlicher im vorliegenden Verfahren gewonnenen Erkenntnisse, insbesondere den in den Behördenakten und den Bauvorlagen enthaltenen Plänen und Lichtbildern, der Erkenntnisse des Augenscheinstermins sowie nach Auswertung allgemein zugänglicher Quellen (BayernAtlas, Google Maps) nicht angenommen werden, dass das zur Bebauung vorgesehene Grundstück an einem Bebauungszusammenhang teilnimmt.
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Das streitgegenständliche Grundstück befindet sich in Ortsrandlage im Westen des Ortes .... Das Baugrundstück grenzt nur auf zwei Seiten, nämlich im Norden und im Osten, an bebaute Grundstücke an. In südlicher und südwestlicher Richtung findet sich zwar auch eine Bebauung, allerdings liegt diese ca. 80 m – 90 m von dem streitgegenständlichen Grundstück entfernt. Das Vorhabengrundstück stellt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht als Baulücke dar. Dies ergibt sich zum einen bereits daraus, dass das Grundstück Fl.Nr. ... nicht für die Annahme einer Baulücke herangezogen werden kann, da sich dieses selbst im Außenbereich befindet. Der Bebauungszusammenhang liegt östlich bzw. südöstlich der im dortigen Bereich verlaufenden Straße. Einer ausschließlich oder nahezu einseitig bebauten, in den Außenbereich führenden Straße wird regelmäßig eine trennende Wirkung zwischen Innen- und Außenbereich beigemessen. Unter Berücksichtigung der konkreten örtlichen Verhältnisse stellt sich dies vorliegend nicht anders dar. Zwar ist die östlich an das Vorhabengrundstück angrenzende Straße eine relativ schmale Straße ohne Fahrbahnmarkierungen und Gehsteig. Allerdings weist die Straße ab der Einmündung zum Grundstück Fl.Nr. ... eine nahezu einseitige Bebauung auf. Eine Bebauung liegt ab dem dortigen Bereich auf der westlichen Seite der Straße lediglich mit dem Gebäude auf dem Grundstück Fl.Nr. ... vor. Demgegenüber befinden sich auf der östlichen Seite der Straße mehrere Wohngebäude. Insofern vermittelt die Straße einen Abschluss zu der vorhandenen Bebauung auf der östlichen Seite. Das einzelne auf der westlichen Seite der Straße liegende Wohngebäude nimmt am Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit und damit am Bebauungszusammenhang nicht mehr teil. Zum anderen führt selbst die Annahme, das Grundstück Fl.Nr. ... sei noch dem Innenbereich zuzuordnen, nicht auch zu einer Zuordnung des streitgegenständlichen Standorts zum Innenbereich. Denn die auf Fl.Nrn., ... und ... vorhandenen Baukörper sind nicht geeignet, das streitgegenständliche Grundstück in einer Weise zu „umklammern“ und zu prägen, dass sich die Bebauung auf dem Vorhabengrundstück aufdrängen würde. Die Gebäude sind vorliegend zu weit entfernt, als dass sie das Vorhabengrundstück noch prägen könnten. Zu dem Gebäude auf der Fl.Nr. ... liegt ausgehend vom dem Gebäude auf der Fl.Nr. ... ein Abstand von ca. 90 m vor, zu den Gebäuden auf der Fl.Nr. ... ein Abstand von ca. 60 m – 80 m und zu dem Gewerbegebäude auf der Fl.Nr. ... ein Abstand von ca. 85 m. Nach dem richterlichen Eindruck aus dem Augenscheinstermin geht aufgrund der großen Distanz keine Einwirkung von der Bebauung aus, die geeignet wäre, in der Weise prägend auf das Baugrundstück einzuwirken, dass sie dem Bauvorhaben noch den Bebauungszusammenhang vermitteln könnte. Ein irgendwie gearteter funktioneller oder sonstiger Zusammenhang zu den jeweils ca. 80 m – 90 m entfernten Gebäuden fehlt. Der Abstand und die dadurch vorhandene Freifläche sind hier zu groß, um eine bauplanungsrechtlich relevante Baulücke anzunehmen (vgl. BayVGH, U.v. 20.10.2015 – 1 B 15.1675 – juris Rn. 17; U.v. 16.6.2015 – 1 B 14.2772 – juris Rn. 21). Eine Bebauung des Vorhabengrundstücks drängt sich vorliegend nicht als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen Bebauung auf. Vielmehr stellt sich das streitgegenständliche Grundstück als Teil der sich in den Außenbereich öffnenden Grünfläche dar. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt vorliegend auch keine topographische Besonderheit vor, die ausnahmsweise eine andere Betrachtung zulässt. Viel eher stellt sich die örtliche Situation, wie sich beim Augenscheinstermin gezeigt hat, dergestalt dar, dass das Gelände in Richtung des Vorhabengrundstücks bereits ansteigt und dieses demnach höher liegt als die Gebäude südlich, südwestlich und westlich, sodass es sich von diesen Gebäuden bereits topographisch absetzt. Eine Einrahmung des Vorhabengrundstücks durch eine Art „Kessel“ liegt insofern nicht vor.
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2. Als sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB ist das von dem Kläger geplante Wohnhaus planungsrechtlich unzulässig, weil es öffentliche Belange beeinträchtigt. Es widerspricht den Darstellungen des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB), beeinträchtigt die natürliche Eigenart der Landschaft (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) und lässt die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB).
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a) Das Vorhaben widerspricht den Darstellungen des Flächennutzungsplans. Wie dem vom Kläger vorgelegten Auszug aus dem Flächennutzungsplan zu entnehmen ist, sieht dieser im streitgegenständlichen Bereich eine Grünfläche vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bedeutet die Darstellung im Flächennutzungsplan bei der Beurteilung eines Vorhabens im Außenbereich einen wesentlichen Anhaltspunkt für die Feststellung im Baugenehmigungsverfahren, ob das konkrete Vorhaben öffentliche Belange beeinträchtigt oder nicht (BVerwG, U.v. 15.3.1967 – IV C 205.65 – juris Rn. 12). Eine konkrete standortbezogene Aussage des Planes wird hingegen bei einem sonstigen Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB nicht vorausgesetzt (BVerwG, B.v. 31.10.1997 – 4 B 185.97 – Rn. 7). Der Flächennutzungsplan kann andererseits einem Vorhaben dann nicht (mehr) entgegengehalten werden, wenn er zwar – formal betrachtet – noch hinreichend konkret-positive Aussagen enthält, die zwar „an sich“ dem Vorhaben widersprechen, aber die natürliche Eignung des im Flächennutzungsplan verplanten Gebiets und seine eindeutige soziale Struktur diesen Aussagen nicht entspricht, weil etwa für eine im Flächennutzungsplan vorgesehene besondere Nutzung und landwirtschaftliche Gestaltung des Gebiets die natürlichen Voraussetzungen fehlen. Gleiches gilt, wenn die tatsächliche bauliche Entwicklung in einem so erheblichen Umfang und einer derart erheblichen Stärke entgegen der vom Flächennutzungsplan vorgesehenen städtebaulichen Planung verlaufen ist, dass – wofür nicht jeder „Ausreißer“, jeder vereinzelte Einbruch genügt – seine Aussagekraft für den fraglichen Bereich gemindert oder gänzlich aufgehoben worden ist (BayVGH, U.v. 9.6.1999 – 1 B 96.4197 – juris Rn. 60). Dies trifft hier jedoch nicht zu, da in der näheren Umgebung des Vorhabens weiterhin Grünflächen vorhanden sind und somit die Grundzüge der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung bezüglich einer Freihaltung der dortigen Flächen von Bebauung nach wie vor deutlich erkennbar sind.
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b) Darüber hinaus beeinträchtigt die beabsichtigte Bebauung die natürliche Eigenart der Landschaft, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB.
31
Der Belang des Schutzes der natürlichen Eigenart der Landschaft verfolgt den Zweck, den Außenbereich mit seiner naturgegebenen Bodennutzung für die Allgemeinheit zu erhalten. Die Landschaft soll in ihrer natürlichen Funktion und Eigenart bewahrt bleiben. Deshalb sollen bauliche Anlagen abgewehrt werden, die der Landschaft wesensfremd sind oder die der Allgemeinheit Möglichkeiten der Erholung entziehen. Vorhaben mit anderer als land- oder forstwirtschaftlicher Bestimmung sind deshalb zumeist unzulässig. Die natürliche Eigenart der Landschaft kann auch dann beeinträchtigt sein, wenn ein Vorhaben im Anschluss an eine bebaute Ortsrandlage an einem Standort im Außenbereich errichtet werden soll. Es kommt dabei nicht maßgeblich darauf an, ob das Vorhaben mehr oder weniger auffällig in Erscheinung tritt oder ob es etwa durch Bäume oder Hecken der Sicht entzogen ist. Der Belang der natürlichen Eigenart der Landschaft beinhaltet nämlich nicht nur eine optisch-ästhetische Komponente, sondern dient insbesondere auch der Bewahrung der funktionellen Bestimmung der Landschaft (BayVGH, U.v. 17.1.2011 – 15 B 10.1446 – juris Rn. 20 m.w.N.). Mit dem Bauvorhaben würde die bisher auf dem Baugrundstück vorhandene, naturgegebene Bodennutzung als Grünfläche durch eine dem Außenbereich wesensfremde Bebauung mit einem Wohngebäude verdrängt. Anhaltspunkte dafür, dass das Baugrundstück wegen seiner natürlichen Beschaffenheit seine Schutzwürdigkeit eingebüßt hat, liegen nicht vor.
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c) Zuletzt lässt das Vorhaben die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB.
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Zweck dieses öffentlichen Belangs ist es, eine Entwicklung unorganischer Siedlungsstruktur und damit jede Zersiedlung des Außenbereichs zu verhindern. Unter Entstehung ist ein Vorgang zu verstehen, der in Richtung auf eine Zersiedlung des Außenbereichs durch die Schaffung einer Splittersiedlung begründet ist. Die Entstehung einer Splittersiedlung kann bereits durch die erstmalige Zulassung eines Bauvorhabens zu befürchten sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein solches Vorhaben eine Vorbildwirkung besitzen und zur Folge haben kann, dass noch weitere Bauten hinzutreten. Die Entstehung einer Splittersiedlung kann auch durch die Ausuferung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils anzunehmen sein. Durch diese Vorgänge kann eine städtebaulich unerwünschte Zersiedlung des Außenbereichs eintreten. Daher fällt das „Ausufern“ eines Ortsteils auch unter den Begriff einer unerwünschten Entstehung einer Splittersiedlung oder einer sonst siedlungsstrukturell zu missbilligenden Entwicklung. Voraussetzung für die Annahme einer Beeinträchtigung öffentlicher Belange ist aber, dass die Gefahr einer Zersiedlung konkret zu befürchten ist (BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 2 B 14.2817 – juris Rn. 37 m.w.N.).
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Dies ist hier der Fall. Zur Überzeugung der erkennenden Kammer würde die Zulassung des klägerischen Vorhabens Bezugsfälle für die Ausweitung der Bebauung schaffen. So wäre etwa eine Bebauung südwestlich und westlich des geplanten Vorhabens denkbar. Dies würde eine Ausweitung der Bebauung außerhalb des jeweiligen im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Außenbereich bedeuten, die zur Entwicklung einer unorganischen Siedlungsstruktur führt. Eine solche Ausweitung kann daher grundsätzlich nur auf der Grundlage eines Bebauungsplans planungsrechtlich erfolgen (vgl. BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 2 B 14.2817 – juris Rn. 37).
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3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Da der Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit nicht dem Kostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.