Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 12.10.2022 – Au 4 K 22.11
Titel:

Erfolglose Klage gegen Heranziehung zur Vorausleistung auf den Kostenerstattungsbetrag für ökologische Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen

Normenketten:
BauGB § 1a Abs. 3, § 9 Abs. 1a, § 135a, § 135b, § 135c
BauNVO § 19 Abs. 2
Leitsätze:
1. Die Zuordnung der Ausgleichsflächen im Bebauungsplan als Sammelzuordnung ist nicht zu beanstanden, insbes. bedarf es keiner Aufzählung der einzelnen betroffenen Flurstücke (BayVGH BeckRS 2018, 6912). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Gemeinde stehen bei der Verteilung der Kosten auf die zugeordneten Grundstücke vier Verteilungsmaßstäbe zur Auswahl, die miteinander verbunden werden können, wobei der Gemeinde ein ortsgesetzgeberisches Ermessen zusteht. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Klageverfahren, Bauplanungsrecht, ökologische Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, Ausgleichsfläche, Kostenerstattung, Verteilungsmaßstab, Vorausleistung
Fundstellen:
BayVBl 2023, 134
BeckRS 2022, 42959
LSK 2022, 42959

Tenor

I. Soweit die Beteiligten das Verfahren hinsichtlich eines Betrags von 245,38 EUR übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
IV. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem sie zur Vorausleistung auf den Kostenerstattungsbetrag für ökologische Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen herangezogen wird.
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Die Klägerin ist Eigentümerin der Grundstücke Fl.Nrn. C/1, C/2 und B der Gemarkung …. Sie erwarb die Grundstücke mit notariellem Kaufvertrag vom 8. Oktober 2020 von der Beklagten. In § 7 des Kaufvertrages ist u.a. geregelt, dass die Beklagte der Klägerin das Eigentum zu verschaffen habe, frei von im Grundbuch eingetragenen Belastungen, von Besitzrechten Dritter und von Rückständen an Steuern und sonstigen öffentlichen Abgaben, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart sei.
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Die Grundstücke befinden sich im Geltungsbereich des Bebauungsplanes 1/1 „… – 1. Änderung“, Stadtteil, vom 6. März 2020. Der Bebauungsplan enthält unter Ziff. 6.7 textliche Festsetzungen zum naturschutzrechtlichen Ausgleich mit konkreten Beschreibungen zu den Maßnahmen und der Entwicklungszeit unter Bezugnahme auf die Satzung zur Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen nach §§ 135a – 135c BauGB vom 23. März 2001. Durch die Bebauung entstehe gemäß § 1a Abs. 3 BauGB ein Ausgleichsbedarf von insgesamt 23.034 m². Dem Gewerbegebiet würden 10.326 m² der im Geltungsbereich des Bebauungsplans festgesetzten und zeichnerisch ausgewiesenen „Fläche für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft“ zugeordnet. Außerhalb des Geltungsbereichs würden der Gewerbegebietsfläche zudem 10.865 m² aus der Ausgleichsfläche Fl.Nr. A der Gemarkung … zugeordnet. Die Zuordnung erfolge als Sammelzuordnung. Der festgesetzten Straßenverkehrsfläche würden 576 m² aus der Ausgleichsfläche Fl.Nr. A der Gemarkung … zugeordnet. Den Wirtschaftswegen würden 1.267 m² aus der Ausgleichsfläche Fl.Nr. A der Gemarkung … zugeordnet.
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Mit Schreiben vom 11. Februar 2021 übersandte die Beklagte der Klägerin einen Ablösevertrag, mit dem der Kostenerstattungsbetrag endgültig abgegolten sein solle. Mit Schreiben vom 18. März 2021 verweigerte die Klägerin ihre Unterschrift und sandte die Verträge wieder an die Beklagte zurück.
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Mit Bescheid vom 24. Juni 2022 setzte die Beklagte für das Buchgrundstück, bestehend aus den Fl.Nrn. C/1 (13.140 m²), C/2 (6.316 m²) und B (3.437 m²), in,, gemäß §§ 135a – 135c BauGB i.V.m. der Satzung zur Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen vom 23. März 2001 eine Vorausleistung auf den Kostenerstattungsbetrag für die Herstellung der im Bebauungsplan 1/1 „… – 1. Änderung“ festgesetzten Flächen zum ökologischen Ausgleich in Höhe von 56.174,10 EUR fest. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Klägerin Eigentümerin der o.g. Grundstücke sei. Nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes seien als Maßnahme für den Naturschutz Flächen zum ökologischen Ausgleich vorgesehen worden. Für die Herstellung dieser Ausgleichsflächen fielen Kostenerstattungsbeträge an. Das Angebot, den Kostenerstattungsbetrag mittels Vertrag abzulösen, sei von der Klägerin ausgeschlagen worden. Die Beklagte mache demnach von ihrem Recht zur Erhebung der Vorausleistung auf Kostenerstattungsbeträge nach § 135c Nr. 4 und Nr. 5 BauGB i.V.m. § 5 der Satzung zur Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen Gebrauch. Die Beklagte sei zur Deckung ihres Aufwandes für Maßnahmen zum Ausgleich einschließlich der Bereitstellung der hierfür erforderlichen Flächen zur Erhebung eines Kostenerstattungsbetrages berechtigt. Das Buchgrundstück der Klägerin liege im Geltungsbereich des Bebauungsplans 1/1 „… – 1. Änderung“. Die Beitragspflicht ergebe sich für Grundstücke, sobald diese baulich oder gewerblich genutzt werden dürften. Der Beitrag bemesse sich nach der tatsächlichen Höhe der Kosten, die für die Durchführung von allen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen aufzuwenden seien. Da die Kostenerstattungsplicht noch nicht in vollem Umfang entstanden sei, könne eine Vorausleistung in Höhe des voraussichtlichen tatsächlichen Kostenerstattungsbetrags erhoben werden. Die Vorausleistung sei mit der endgültigen Beitragsschuld zu verrechnen. Nachforderungen blieben vorbehalten, falls die Vorausleistung sich als zu niedrig erweisen sollte. Beitragspflichtig sei, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheids Eigentümer der Grundstücke sei. Der Umfang der erstattungsfähigen Kosten ermittle sich anhand der tatsächlichen Kosten. Der ermittelte Kostenerstattungsbetrag für die nach Bebauungsplan festgesetzten ökologischen Ausgleichsflächen sei auf die Grundstücke, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten seien, zu verteilen, die innerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplanes lägen. Die Verteilung bemesse sich anhand der zulässigen Grundflächenzahl.
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Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 5. Juli 2021 Widerspruch gegen den Vorausleistungsbescheid. § 135a Abs. 2 BauGB regle, dass, soweit Maßnahmen zum Ausgleich für den Naturschutz an anderer Stelle als auf den betroffenen Flächen des Vorhabenträgers oder Eigentümer der Grundstücke durchzuführen seien, diese wie im vorliegenden Fall von der Gemeinde auf Kosten der Vorhabenträger oder der Eigentümer der Grundstücke durchgeführt werden sollten. Da es im Jahr 2016 noch keinen Vorhabenträger gegeben habe, hätten die Maßnahmen nur zu Lasten des damaligen Eigentümers der Grundstücke, nämlich der Beklagten, durchgeführt werden können. Diese damals im Rahmen des Bebauungsplanes 1 entstandenen Kosten würden daher zu Lasten der Beklagten gehen und hätten im geänderten Bebauungsplan 1/1 aus dem Jahr 2019 nicht wieder zu Lasten der Klägerin aufleben können. Zudem ruhe der Betrag der Kosten gem. § 135a Abs. 3 Satz 4 BauGB seit Bestandskraft des Bebauungsplanes als öffentliche Last auf den streitgegenständlichen Grundstücken. Im Kaufvertrag vom 8. Oktober 2020 habe die Beklagte als Verkäuferin der Flächen in § 7 Abs. 1 in Kenntnis dieser von ihr selbst geschaffenen Rechtslage die Verpflichtung übernommen, der Käuferin „das Eigentum frei von Rückständen an Steuern und sonstigen öffentlichen Lasten“ zu verschaffen, „soweit in der Urkunde nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart sei“. Eine davon abweichende ausdrückliche Regelung finde sich in der Urkunde nicht. Damit fehle dem Vorausleistungsbescheid vom 24. Juni 2021 die rechtliche Grundlage.
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Mit Widerspruchsbescheid des Landratsamtes … vom 13. Dezember 2021 wurde dem Widerspruch „nicht abgeholfen“. Der Widerspruch sei im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Erhebung des Kostenerstattungsbetrages unbegründet. Sowohl im Bebauungsplan 1 „…“ vom 4. August 2017 als auch im Bebauungsplan 1/1 „… – 1. Änderung“ vom 6. März 2020 sei ein deckungsgleicher Ausgleichsbedarf mit einer Fläche von insgesamt 23.034 m² festgesetzt worden. Der Bedarf für eine Anwendung der §§ 135a – 135c BauGB trete immer dann ein, wenn der Ausgleich nicht durch die vom Eingriff Begünstigten selbst vorgenommen werde oder durchgeführt werden könne, sondern an deren Stelle die Kommune in Vorleistung getreten sei und stellvertretend für den Verursacher des Eingriffs gehandelt habe. Dadurch entstehe ein Anspruch auf Kostenerstattung durch den Begünstigten an die Beklagte. Der Kostenerstattungsbetrag diene in erster Linie nicht dem Ausgleich eines Vorteils, sondern der Refinanzierung einer Maßnahme, die einen Eingriff in Natur und Landschaft durch eine bauliche oder gewerbliche Grundstücksnutzung kompensieren solle. Demnach sei der Vorhabenträger, da dieser die Umweltgüter schädige, zum Ersatz sowie zur Wiedergutmachung durch Ersatzmaßnahmen verpflichtet. Mit der im Bebauungsplan vorgenommenen Zuordnungsfestsetzung von Ausgleichsmaßnahmen, mit der Herstellung der Maßnahmen zum Ausgleich und mit der Nutzbarkeit des begünstigten Grundstücks seien die Voraussetzungen für einen gemeindlichen Kostenerstattungsbetrag gegen den Vorhabenträger oder den Eigentümer geschaffen. Die Erstattungsplicht durch den Verursacher bei Sammelausgleichsmaßnahmen seitens der Gemeinde entstehe andererseits aber erst mit der Herstellung der Maßnahmen. Voraussetzung für das Entstehen der Erstattungspflicht sei, dass der entstandene Aufwand feststellbar sei. Dies setze die Beendigung der technischen Arbeiten voraus und den Eingang der letzten im Anschluss an die Durchführung der Maßnahmen erteilten Rechnungen. Diese Ersatzmaßnahmen seien hier u.a. durch die Anpflanzung eines Waldes, eines extensiven Gras-Krautsamens, eines Waldmantels sowie die Pflanzung von Einzelbäumen und Gestaltung von Gehölzflächen verwirklicht worden. Da die Beitragsforderung erst entstehe, wenn die erstattungsfähigen gemeindlichen Aufwendungen feststünden, habe der Kostenerstattungsbetrag auch nicht als öffentliche Last auf den vertragsgegenständlichen Grundstücken zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages ruhen können. Nach § 5 der Satzung zur Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen könne die Beklagte für Grundstücke, für die eine Kostenerstattungspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden sei, Vorauszahlungen bis zur Höhe des voraussichtlichen Kostenerstattungsbetrages anfordern, sobald die Grundstücke, auf denen Eingriffe zu erwarten seien, baulich oder gewerblich genutzt werden dürften. Gemäß § 134 i.V.m. § 133 BauGB sei Beitragsschuldner der Eigentümer des erschlossenen Grundstücks in dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides.
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Die Klägerin ließ am 4. Januar 2022 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage erheben. Für sie ist zuletzt beantragt,
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den Vorausleistungsbescheid der Beklagten vom 24. Juni 2021 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes … vom 13. Dezember 2021 aufzuheben, soweit das Verfahren nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist.
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Zur Begründung werde auf das bisherige Vorbringen im Widerspruchsverfahren verwiesen. Ergänzend wurde vorgetragen, dass die Klägerin weder im Zeitpunkt der Aufstellung des Bebauungsplanes 1 „…“ noch im Zeitpunkt der Aufstellung des Bebauungsplanes 1/1 „… – 1. Änderung“ Verursacher bzw. Begünstigter der Maßnahmen gewesen sei. Daher habe die Beklagte auch nicht „stellvertretend für den Verursacher des Eingriffs“ handeln können. Die Bebauungspläne seien nicht für die Klägerin aufgestellt worden, sondern allenfalls Anlass für diese gewesen, sich zum Erwerb der Flächen zu entscheiden. Als Vorhabenträger i.S.d. § 135a Abs. 2 BauGB könne somit allenfalls die Beklagte in Frage kommen, die die Kosten im Interesse einer späteren Vermarktung der Flächen aufgewendet habe. Die Kosten für die ökologischen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen seien bereits lange vor Erwerb der Grundstücke durch die Klägerin entstanden, nicht für die Klägerin aufgewendet und längst vor deren Erwerb ausgeglichen worden. Dazu, wann die technischen Arbeiten beendet und abrechenbar gewesen seien und damit die endgültige Herstellung im Rechtssinne abgeschlossen gewesen seien, habe sich die Beklagte nicht geäußert. Der bereits im Jahr 2016, spätestens jedoch im Jahr 2019 entstandene Kostenbetrag habe als öffentliche Last auf den von der Klägerin im Oktober 2020 erworbenen Grundstücksflächen geruht. Insoweit gelte das zur Verschaffung lastenfreien Eigentums im Kaufvertrag Ausgeführte. Eine davon abweichende Vereinbarung sei nicht getroffen worden.
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Die Beklagte trat der Klage mit Schriftsatz vom 1. Februar 2022 entgegen. Für sie ist beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Ökologische Ausgleichsmaßnahmen würden auf dem in § 135a Abs. 1 BauGB normierten Verursacherprinzip beruhen. Die Gemeinde solle zunächst die Verantwortung übernehmen, und zwar „anstelle und auf Kosten“ des Verursachers. Die Kosten könnten frühestens geltend gemacht werden, wenn die Grundstücke baulich und gewerblich genutzt werden könnten. Der Zeitpunkt des Entstehens der Erstattungspflicht sei der Herstellungszeitpunkt des Ausgleichs durch die Gemeinde. Die Ersatzmaßnahmen seien durch Anpflanzung eines Waldes, eines extensiven Gras-Krautsaumes, eines Waldmantels sowie durch Pflanzung von Einzelbäumen und Gestaltung von Gehölzflächen verwirklicht worden. Eine Abrechnung sei erst nach Vorliegen von Unternehmerrechnungen für die Herstellungsarbeiten möglich gewesen. Die endgültige Herstellung sei erst nach Eingang der letzten Unternehmerrechnung abgeschlossen. Erst dann könne die Beitragsforderung entstehen. Zum Zeitpunkt des Kaufvertrags habe die Beitragsforderung noch nicht vorgelegen und somit auch nicht als öffentliche Last auf dem Grundstück liegen können. Im Übrigen sei die Klägerin mehrmals darüber informiert worden, dass Beiträge für ökologische Ausgleichsmaßnahmen noch abgerechnet würden.
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Mit Bescheid vom 5. Oktober 2022 wurde der Bescheid vom 24. Juni 2021 in Höhe von 245,38 EUR teilweise aufgehoben. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass auf den klägerischen Grundstücken eine Fläche von 100 m² im Bebauungsplan als Fläche zum Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen festgesetzt sei. Für diese Fläche habe kein ökologischer Ausgleich zu erfolgen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 12. Oktober 2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Soweit die Beteiligten das Verfahren in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der mit Bescheid vom 5. Oktober 2022 erfolgten Teilaufhebung des Vorausleistungsbescheids in Höhe von 245,38 EUR übereinstimmend erledigt erklärt haben, ist es in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
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Die im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 24. Juni 2021 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 13. Dezember 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Rechtsgrundlage für die Festsetzung des Kostenerstattungsbetrages ist § 135a Abs. 3 Satz 2 BauGB in Verbindung mit den Vorschriften der Satzung zur Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen nach §§ 135a – c BauGB vom 23. März 2001 der Beklagten (im Folgenden: Satzung). Gemäß § 135a Abs. 3 Satz 2 BauGB erhebt die Gemeinde von den Grundstückseigentümern des Plangebiets zur Deckung des Aufwands für gemäß § 1a Abs. 3 BauGB durchgeführte Maßnahmen zum Ausgleich der Eingriffe in Natur und Landschaft einschließlich der Bereitstellung hierfür erforderlicher Flächen einen Kostenerstattungsbetrag. In der Satzung kann sie u.a. Vorauszahlungen vorsehen (§ 135c Nr. 5 BauGB). Nach § 5 der Satzung kann die Beklagte für Grundstücke, für die eine Kostenerstattungspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden ist, Vorauszahlungen bis zur Höhe des voraussichtlichen Kostenerstattungsbetrages anfordern, sobald die Grundstücke, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, baulich oder gewerblich genutzt werden dürfen.
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2. Die Zuordnung der Ausgleichsmaßnahmen im Bebauungsplan 1/1 „… – 1. Änderung“ ist wirksam erfolgt.
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Indem § 135a Abs. 2 Satz 1 BauGB den Fall regelt, dass Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle den Grundstücken nach § 9 Abs. 1a BauGB zugeordnet sind, und damit die Kostenerstattung hiervon abhängig macht, erfordert die Vorschrift als konstitutive Voraussetzung für einen Kostenerstattungsanspruch eine entsprechende Zuordnung durch eine Festsetzung im Bebauungsplan.
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Mit der Zuordnung wird den Gemeinden die Möglichkeit eröffnet, schon auf der Planungsstufe eine Strukturierung zur Umsetzung der festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen vorzunehmen. Die Zuordnung dient vor allem der Refinanzierung der Ausgleichsmaßnahmen. Mit ihr verschafft sich die Gemeinde das Recht, die Eigentümer der Grundstücke, die nicht mit den Vorhabenträgern identisch sind, an den Kosten zu beteiligen. Liegt die Zuordnung demnach im planerischen Ermessen der Gemeinde, so hat sie nicht nur eine sachgerechte Abwägung darüber vorzunehmen, ob und welche Ausgleichsmaßnahmen erforderlich sind, sondern auch eine hiervon zu unterscheidende eigenständige Ermessensentscheidung zu treffen, ob und gegebenenfalls welche Eingriffsgrundstücke diesen zum Zweck der späteren Kostenerstattung ganz oder teilweise zugeordnet werden. Die Zuordnung nach § 9 Abs. 1a Satz 2 BauGB dient auch dazu, der Gemeinde bei Aufstellung des Bebauungsplans den Umfang der Eingriffe in Natur und Landschaft und die daraus folgenden finanziellen Auswirkungen auf die Vorhabenträger bzw. Grundstückseigentümer vor Augen zu führen. Für letztere soll ebenfalls erkennbar sein, dass sie mit einem Kostenerstattungsanspruch der Gemeinde zu rechnen haben. Eine solche Erkennbarkeit setzt auch der Grundsatz der Planbestimmtheit voraus. Werden Maßnahmen zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft vorgenommen, so muss anhand der Festsetzungen im Bebauungsplan ersichtlich sein, ob und für welche Flächen im Plangebiet ein solcher Ausgleich erfolgt. Nur bei einer ausdrücklichen Zuordnung der Ausgleichsflächen zu den Grundstücken ist für die Eigentümer erkennbar, ob sie mit einem Kostenerstattungsanspruch rechnen müssen (OVG Saarl, U.v. 20.8.2008 – 1 A 453/07 – juris Rn. 49).
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Hier erfolgte die Zuordnung der Ausgleichsflächen im Bebauungsplan als Sammelzuordnung, wobei unterschieden wurde zwischen den Gewerbegebietsflächen, den Straßenverkehrsflächen und den Wirtschaftswegen. Dies ist nicht zu beanstanden, insbesondere bedarf es keiner Aufzählung der einzelnen betroffenen Flurstücke (BayVGH, U.v. 12.3.2018 – 9 B 15.1679 – juris Rn. 24; OVG Saarl, U.v. 20.8.2008 – 1 A 453/07 – juris Rn. 47 ff.; VG Minden, U.v. 15.3.2005 – 1 K 2111/04 – juris Rn. 27; VG Düsseldorf, U.v. 8.11.2012 – 11 K 650/10 – juris Rn. 26).
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3. Dem satzungsrechtlich gewählten Verteilungsmaßstab der zulässigen Grundfläche (vgl. § 4 Satz 1 der Satzung) stehen keine rechtlichen Bedenken entgegen.
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Nach § 135b Satz 1 BauGB sind die Kosten auf die zugeordneten Grundstücke zu verteilen. In § 135b Satz 2 BauGB werden der Gemeinde vier Verteilungsmaßstäbe zur Auswahl vorgegeben, die gem. § 135b Satz 3 BauGB miteinander verbunden werden können. Bei der Wahl des Verteilungsmaßstabes steht der Gemeinde ein ortsgesetzgeberisches Ermessen zu (OVG Saarl, U.v. 20.8.2008 – 1 A 453/07 – juris Rn. 64, 70). Nach § 135c Nr. 4 BauGB kann die Gemeinde die Verteilung der Kosten auch durch eine Satzung regeln. Dies hat die Beklagte hier getan. § 4 Satz 1 der Satzung regelt, dass die erstattungsfähigen Kosten auf die nach § 9 Abs. 1a BauGB zugeordneten Grundstücke nach Maßgabe der zulässigen Grundfläche (§ 19 Abs. 2 BauNVO) verteilt werden.
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Der Kostenerstattungsbetrag nach § 135a bis § 135c BauGB basiert entsprechend seinem naturschutzrechtlichen Ursprung und abweichend vom Erschließungsbeitragsrecht auf dem Verursacherprinzip. Der Kostenerstattungsbetrag dient daher in erster Linie nicht dem Ausgleich eines Vorteils, sondern der Refinanzierung einer Maßnahme, die einen Eingriff in Natur und Landschaft durch eine bauliche oder gewerbliche Grundstücksnutzung kompensieren soll. Dies schließt es jedoch nicht aus, den Gedanken der Solidargemeinschaft bei der Beantwortung der Frage, ob die Kostenverteilungsgerechtigkeit eine exakte Differenzierung nach der Schwere der zu erwartenden Eingriffe gebietet, zu berücksichtigen. Das Verursacherprinzip in den § 135a bis § 135c BauGB ist keineswegs strikt, sondern in abgeschwächter Form verwirklicht worden. Die Verteilung der Kosten nach der zulässigen Grundfläche, d.h. nach der baulichen Nutzbarkeit und somit entsprechend dem auf die einzelnen Grundstücke gleichermaßen entfallenden Vorteil, ist daher durchaus ein Gesichtspunkt, dem bei der rechtlichen Bewertung, ob eine gerechte Verteilung der Kosten vorliegt, eine gewichtige Rolle zukommt. Der allgemeine Gleichheitssatz zwingt die Gemeinden auch bei deutlich unterschiedlichen Eingriffslagen nicht, als Verteilungsmaßstab auf die Schwere der zu erwartenden Eingriffe (§ 135b Satz 2 Nr. 4 BauGB) abzustellen (OVG Saarl, U.v. 20.8.2008 – 1 A 453/07 – juris Rn. 80 f.). Allerdings muss die Gemeinde im Rahmen der Planaufstellung Überlegungen u.a. zur Eingriffsproportionalität oder zur unterschiedlichen ökologischen Wertigkeit der Eingriffsgrundstücke und damit ggf. eines differenzierten Ausgleichsbedarfs anstellen, um ihr Ermessen ordnungsgemäß auszuüben (BayVGH, U.v. 12.3.2018 – 9 B 15.1679 – juris Rn. 27).
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Auch diesen Anforderungen wird die Beklagte gerecht. Denn in der Begründung des Bebauungsplanes wird auf Seite 25 ausgeführt, dass die Zuordnung der Ausgleichsflächen für die gewerblichen Bauflächen auf Grund der relativ einheitlichen Bewertung des Ausgangszustandes in Verbindung mit der homogenen Ausweisung der zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten erfolge. Damit würden alle Gewerbegrundstücke gleichmäßig an der Refinanzierung der durch die Eingriffe erforderlichen naturschutzrechtlichen Maßnahmen beteiligt. Die Sammelzuordnung in Verbindung mit dem Verteilungsmaßstab der zulässigen Grundfläche erfolgte somit nach Abwägung der Bestandssituation sowie der zukünftigen Nutzung und damit ordnungsgemäß.
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4. Hinsichtlich der Höhe der Vorausleistung hat die Klägerin nichts vorgetragen. Auch für die Kammer bestehen diesbezüglich keine Bedenken, insbesondere wurden die Kosten für den Ausgleich der Erschließungsanlagen von den erstattungsfähigen Kosten abgezogen. Im Übrigen handelt es sich bei einer Vorausleistung zum Teil nur um prognostizierte Kosten, sodass die tatsächlichen Kosten erst in der endgültigen Abrechnung konkret und im Einzelnen nachgewiesen werden können (vgl. VG Köln, U.v. 3.5.2011 – 2 K 7341/09 – juris Rn. 35).
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5. Die Klägerin wurde auch als richtige Schuldnerin zur Vorausleistung herangezogen, da sie zum insofern maßgeblichen Zeitpunkt der Beitragserhebung (unstreitig) Grundstückseigentümerin war. § 135a Abs. 2 BauGB regelt insofern den Kreis der Abgabeschuldner – Vorhabenträger und Eigentümer – ausdrücklich und abschließend (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 8.11.2012 – 11 K 650/10 – juris Rn. 19). Dem Gesetz ist auch keine Rangfolge bei der Inanspruchnahme der beiden Abgabeschuldner zu entnehmen; der Wortlaut des § 135a Abs. 2 BauGB stellt den Vorhabenträger und den Eigentümer gleichrangig nebeneinander. Hiermit macht der Gesetzgeber deutlich, dass er für den Fall, dass ein Vorhabenträger nach Durchführung des Vorhabens Grundstücke an Dritte weiterveräußert, diese gleichsam in die Verpflichtung des Vorhabenträgers eintreten sollen (VG Düsseldorf, U.v. 8.11.2012 – 11 K 650/10 – juris Rn. 21). Die Vorschrift knüpft nach ihrem eindeutigen Wortlaut hinsichtlich der Pflicht zur Kostenerstattung allein an die formale (dingliche) Eigentümerstellung an (OVG Saarl, U.v. 20.8.2008 – 1 A 453/07 – juris Rn. 87).
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6. Entgegen der Auffassung der Klägerin musste der Vorausleistungsbescheid auch nicht bereits (unmittelbar) nach Inkrafttreten des Bebauungsplanes erlassen werden. Die Kosten können frühestmöglich geltend gemacht werden, wenn zum einen die Grundstücke, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, baulich oder gewerblich genutzt werden dürfen (§ 135a Abs. 3 Satz 1 BauGB) und zum anderen die Herstellung der Maßnahmen zum Ausgleich durch die Gemeinde zumindest bereits begonnen hat (§ 135a Abs. 3 Satz 3 BauGB). Weder das Gesetz noch die Satzung der Beklagten sehen hingehen einen Zeitpunkt vor, bis zu dem die Vorausleistung spätestens geltend gemacht werden muss. Dies führt zwar nicht dazu, eine völlige zeitliche Entkoppelung zwischen der Anforderung von Vorauszahlungen und der Herstellung der Ausgleichsmaßnahmen anzunehmen. Vorausleistungen dürfen jedoch nur dann erhoben werden, wenn die Entstehung der jeweiligen Kosten absehbar ist. Eine jahrelange Vorfinanzierung durch den Abgabeschuldner ohne Absehbarkeit der Aufwendung bzw. Verwendung der Geldbeträge ist vom Gesetz nicht gedeckt (VG Düsseldorf, U.v. 8.11.2012 – 11 K 650/10 – juris Rn. 23).
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Aus der vorläufigen Kostenaufstellung vom 1. Juni 2021 (Bl. 16 der Behördenakte) geht hervor, dass die Herstellung der Ausgleichsmaßnahmen in mehreren Teilakten erfolgte, wobei zuletzt im April 2021 ein Teilbereich angepflanzt wurde. Demzufolge begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass der Vorausleistungsbescheid ca. zwei Monate nach der Anpflanzung des letzten Teilbereiches und knapp einen Monat nach Übermittlung einer Kostenaufstellung erlassen wurde.
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7. Zuletzt hindert auch § 7 des Kaufvertrages vom 8. Oktober 2020 zwischen der Klägerin und der Beklagten nicht die Heranziehung der Klägerin zur Vorauszahlung auf den Kostenerstattungsbetrag. Denn diese Regelung stellt eine rein zivilrechtliche Vereinbarung dar, die der Erhebung öffentlich-rechtlicher Kostenerstattungsbeträge nicht entgegensteht. Vielmehr wäre im Zivilrechtsweg zu klären, ob aufgrund der Regelung im Kaufvertrag ein privatrechtlicher Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte besteht. Im Übrigen ist auch zweifelhaft, ob § 7 des Kaufvertrages die Vorausleistung nach § 135a BauGB betrifft, da dieser nur von „Rückständen an Steuern und sonstigen öffentlichen Abgaben“ spricht. Wie bereits ausgeführt, war die Forderung jedoch noch nicht zum Zeitpunkt des Kaufes entstanden.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Hinsichtlich des Teilaufhebungsbescheides in Höhe von 245,38 EUR ergibt sich die Kostenentscheidung aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, da die Beklagte hier nur zu einem geringen Teil unterlegen wäre.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.