Inhalt

AG Nürnberg, Endurteil v. 18.11.2022 – 21 C 3448/22
Titel:

Materieller Kostenerstattungsanspruch nach anwaltlichem Mahnschreiben

Normenketten:
BGB § 280, § 286
RVG § 15
Leitsätze:
1. Die Einforderung einer in einem Vergleich geregelten Forderung ist vergütungsrechtlich eine neue Angelegenheit. (Rn. 12 – 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bestimmt sich die Forderung ohne weiteres nach dem geschlossenen Vergleich, handelt es sich bei der schriftlichen Einforderung durch den Rechtsanwalt um ein Schreiben einfacher Art. (Rn. 18 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
materieller Kostenerstattungsanspruch, Vergleich, Forderung, Angelegenheit, Schreiben einfacher Art
Fundstelle:
BeckRS 2022, 42800

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei wegen Verzugs der Erstattung der sich aus dem Vergleich vom 03.04.2018 ergebenden Kostenerstattungspflicht entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 239,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 05.06.2018 freizustellen. 
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 
3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 75 % und die Beklagte 25 %. 
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet. 
Beschluss 
Der Streitwert wird auf 958,19 € festgesetzt. 

Tatbestand

1
Die Klägerin trägt vor, dass sie im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens in der 2. Instanz mit der Beklagten einen Vergleich abgeschlossen hat dergestalt, dass unter Ziffer 4.4. Des Vergleichs folgendes vereinbart wurde:
„Der sich aus den vorstehenden Ziffern 4.1-4.3 ergebende (Gesamt-) Betrag ist aus der von den Prozessbevollmächtigten der Klagepartei an diese zu erstellenden Rechnung ersichtlich. Die Beklagte zu 1 überweist den sich hieraus ergebenden (Gesamt-) Betrag direkt an die Kanzlei Dr. S. und sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH auf das in der Abrechnung bezeichnete Konto. Die Zahlung ist innerhalb von 2 Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Beklagten zu 1 fällig.“
2
Die Abrechnung des Kostenerstattungsanspruchs wurde am 10.04.2018 gemäß den Regelungen aus dem Vergleich erstellt und am 11.04.2018 an die Beklagte über ihren Rechtsanwalt per Fax übermittelt. Die Klägerin legt dar dass die Zahlung gemäß Ziffer 4.4 binnen 2 Wochen ab Zugang der Abrechnung fällig war, also spätestens am 25.04.2018. Nachdem die Zahlung nicht zu verzeichnen war, mahnte aufgrund des eingetretenen Verzugs der Klägervertreter die Zahlung an. Die Beklagte beglich am 24. 5. 2018 die Hauptforderung. Der Klägervertreter erstellte eine Kostenrechnung mit Zahlungsaufforderung für die streitgegenständliche Forderung aus Verzug am 28.05.2018. Der Abrechnung lag eine 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Streitwert in Höhe des offenen Erstattungsanspruchs von 10.539,09 € zugrunde.
3
Es läge gerade kein Schreiben einfacher Art vor, da dies nach dem Auftrag zu beurteilen ist. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin wurden mit der Durchsetzung der entstandenen außergerichtlichen Anwaltskosten beauftragt und sollten die Zahlung entgegennehmen und mit der Rechtsschutzversicherung abwickeln. Insoweit sei eine Gebühr von 1,3 gerechtfertigt.
4
Die Klägerin beantragte daher:
Die Beklagte wird verurteilt die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei wegen Verzugs der Erstattung der sich aus dem Vergleich vom 03.04.2018 ergebenden Kostenerstattungspflicht entstandenen vorgeschichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 158,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 05.06.2018 freizustellen.
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Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
6
Sie legt dar, dass in der Zahlungserinnerung vom 26.04.2018 kein gesondert abrechenbare Gebührentatbestand vorläge. Eine Geschäftsgebühr in Höhe von 1,3 nach Nummer 2 300 RVG sei nicht angefallen. Eine neue Angelegenheit im Sinne des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes liegt nicht vor, die Zahlungserinnerung sei nicht selbstständig abbrechenbar.
7
Wird ein Rechtsanwalt mit der Durchsetzung einer Forderung beauftragt, so sei diese Angelegenheit in gebührenrechtlicher Hinsicht nicht bereits durch Urteil oder einen Vergleichsabschluss im gesamten erledigt, sondern erst wenn die Verpflichtung aus dem Mandatsvertrag vollständig erfüllt worden sei. Eine vollständige Erfüllung liegt erst dann vor, wenn auf die niedergelegte Zahlungsverpflichtung die Zahlung geleistet wurde. Die Zahlungsaufforderung durch die Klägervertreter sei daher dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG. Die Zahlungserinnerung sei daher vom Kostenerstattungsanspruch mitumfasst gewesen, sodass die Klägervertreter keine weiteren gebührenrechtlichen Ansprüche geltend machen können.
8
Im Übrigen läge nur ein Zahlungserinnerungsschreiben vor, sodass eine Regelgebühr nicht verlangt werden könne.
9
Auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen wird vollumfänglich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

10
Der Klägerin steht ein solcher Anspruch aus §§ 280,286 BGB in zugesprochener Höhe zu.
11
Die Beklagte befand sich mit der Erfüllung aus dem Vergleich in Verzug gemäß § 286 Abs. 2 Nummer 2 BGB. Damit sind die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus Schadensersatzgesichtspunkten aufgrund des Verzuges zu bezahlen. Das die Zahlungsfrist bereits im Vergleich von beiden Seiten festgelegt wurde, war keine weitere Mahnung erforderlich, um den Verzug der Klägerin zu begründen.
12
In soweit hat es sich nicht um dieselbe Angelegenheit im Sinne von § 15 RVG gehandelt. Ein Auftrag eines Rechtsanwalts ist dann erledigt, wenn der Anwalt seine Verpflichtungen aus dem Anwaltsdienstvertrag vollständig erfüllt hat. Davon ist bei einem alle streitgegenständlichen Position umfassenden Prozessvergleich auszugehen. (So BGH NJW OZ 2011,108). In soweit war mit Abschluss des außergerichtlichen Vergleichs der Auftrag des Klägervertreters vollumfänglich erfüllt.
13
Insoweit war Voraussetzung für die Vergütung der erneuten Rechtsanwaltskosten, dass sich die Beklagte mit der Zahlung in Verzug befunden hat. Dies war der Fall, da das Zahlungsziel übereinstimmend in dem Vergleich festgelegt wurde und nach einem bestimmten Zeitraum berechenbar war, somit war keine Mahnung im Sinne von § 286 Abs. 1 erforderlich war. Diese war entbehrlich. Mit Übermittlung der Kostenrechnung durch das Telefax befand sich die Beklagte mit der Bezahlung spätestens am 26.04.2018 in Verzug. Das Mahnschreiben der Klägervertreter erfolgte damit nach Verzugseintritt und war damit kostenerstattungspflichtig.
14
Gem. § 14 I RVG hat der Rechtsanwalt die konkrete Gebühr im Einzelfall zu bestimmen. Der Prozessbevollmächtigte bestimmte die Gebühr auf 1,3. Dieses Bestimmungsrecht des Rechtsanwalts wird von den Gerichten nur darauf kontrolliert, ob es innerhalb des dem Rechtsanwalt eingeräumten Ermessensspielraumes ausgeübt worden ist (vgl. Hartung/Römermann, RVG 2004, § 14 RVG Rn. 14)
15
Eine 1,3 fache Gebühr ist insoweit allerdings nicht gerechtfertigt, da sich lediglich um ein einfaches Erinnerungsschreiben handelt.
16
Der Begriff „Schreiben einfacher Art“ ist danach zu bestimmen, ob das Schreiben (dem Auftrag nach) weder schwierige rechtliche Ausführungen noch größere sachliche Auseinandersetzungen enthält.(Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht 3. Auflage 2021)
17
Unabhängig davon, ob die von dem Verfahrensbevollmächtigten an das an die Beklagte gesandte Schreiben als einfaches zu qualifizieren wäre, ist dies nach dem Auftrag an den Anwalt zu beurteilen. Abzustellen ist allein auf den erteilten Auftrag und nicht auf die tatsächlich ausgeführte Tätigkeit (vgl. Hartung/Römermann, RVG 2004, VV Teil 2 Rn. 68). Nur wenn der Auftrag des Rechtsanwalts auf ein Schreiben einfacher Art beschränkt ist, kann dieser nur eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2402 VV RVG abrechnen (vgl. Horst-Reiner/Enders, 12. Auflage 2004, Rn. 643). Nach der Gesetzesbegründung zu Nr. 2402 VV RVG ist diese Vorschrift nicht anzuwenden, „wenn auftragsgemäß einem einfachen Schreiben umfangreiche Prüfungen oder Überlegungen vorausgegangen sind“ (vgl. BT-Drucks.15/1971 zu Nr. 2402 VV RVG, S. 207). Dementsprechend stellt auch die Rechtsprechung des BGH (vgl. nur BGH NJW 1983, 2451) zur Abgrenzung des Gebührentatbestandes von der Gebühr Nr. 2400 VV RVG allein auf den Inhalt des erteilten Auftrages und nicht auf die tatsächlich ausgeführte Tätigkeit ab.
18
Der Auftrag, den der Rechtsanwalt daher bekommen hat, muss demnach auf Tätigkeiten nach Nr. 2402 VV RVG beschränkt gewesen sein (vgl. BGH NJW 1983, 2451, 2452). Hat er dagegen einen über diesen Rahmen hinausgehenden Auftrag, wird seine Tätigkeit nach Nr. 2400 VV RVG vergütet (vgl. Gerold/Schmidt(v.Eichen/Madert/Müller-Rabe, RVG 16. Auflage 2004, VV 24002403 Rn. 103).
19
Die Klägerin beauftragte ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten, die offene Forderung geltend zu machen Nachdem der Vergleich bereits abgeschlossen war, war die Geltendmachung der Forderung einfach gelagert. Die Forderung bestimmt sich aus dem geschlossenen Vergleich. Der Rechtsanwalt hat insoweit keine weitere Ermittlungstätigkeit mehr vorzunehmen. Bei dem Schreiben handelt es sich um ein Schreiben einfacher Art, das die Beklagte zur Zahlung bewegen soll. In soweit handelt es sich um ein Mahnschreiben ohne größere rechtliche Ausführungen. Eine Prüfung des Sachverhaltes war ebenfalls nicht erforderlich.
20
Es kann ebenfalls nicht berücksichtigt werden, dass der Klägervertreter die eingezahlte Gebühr mit der Rechtsschutzversicherung hätte abrechnen müssen. Dies hätte er auch bei fristgerechter Zahlung der Beklagten erledigen müssen, ohne dass weitere Gebühren angefallen sind.
21
Hätte es sich insoweit um einen gerichtlichen Vergleich gehandelt, wäre hinsichtlich der Vollstreckung aus dem Vergleich ebenfalls nur eine weitere Vollstreckungsgebühr in Höhe einer 0,3 fachen Gebühr angefallen. In soweit kann auch diese Abwägung bei dem Ermessensspielraum zugrunde gelegt werden.Die Klägerin nur eine Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 0,3 fachen Gebühr aus einem Geschäftswert von 10.539,09 € verlangen. Dies beträgt 181,20 € zuzüglich Auslagenpauschale von 20 € zzgl. 19% Mehrwertsteuer und damit den zugesprochenen Betrag in Höhe von 239,43 €.
22
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.
23
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § § 708 Nummer 11, 711 ZPO.