Titel:
Erhebung eines Erschließungsbeitrages
Normenketten:
KAG Art. 5a Abs. 2, Abs. 7
BauGB § 125 Abs. 2, § 127 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 133 Abs. 1, Abs. 2 S. 1
GO Art. 26 Abs. 2
Leitsätze:
1. Ein Amtsblatt ist ein regelmäßig erscheinendes Druckwerk, das dazu bestimmt ist, Vorschriften, Verfügungen oder Mitteilungen der Gemeinde amtlich bekannt zu machen. Maßgeblich ist darauf abzustellen, wer die Letztverantwortung für den Inhalt der veröffentlichten Mitteilungen trägt und ob das entsprechende Druckwerk seitens der Gemeinde - zumindest soweit es bestimmte Texte betrifft - als Amtsblatt gewollt ist (vgl. VGH München BeckRS 2007, 29606). (Rn. 36 – 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenn nicht von einer Innenbereichslage iSv § 34 Abs. 1 BauGB die Rede sein kann, kann eine Straße nicht als vorhandene Erschließungsanlage iSv Art. 5a Abs. 7 S. 1 KAG als vorhandene Straße gelten und damit dem Regime des Erschließungsbeitragsrechts entzogen sein. (Rn. 61) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zum Kreis der durch die Erschließungsanlage erschlossenen und damit bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes zu berücksichtigenden Grundstücke gehört ein jüdischer Friedhof nicht, wenn er für Bestattungen nicht mehr genutzt wird. (Rn. 69 – 70) (redaktioneller Leitsatz)
4. Baumaßnahmen ohne die Zielrichtung, eine Erschließungsanlage her- und fertigzustellen sowie abzurechnen, setzen den Fristlauf des Art. 5a Abs. 7 S. 2 KAG nicht in Gang. (Rn. 97) (redaktioneller Leitsatz)
5. Eine bebauungsplanersetzende Abwägungsentscheidung nach § 125 Abs. 2 BauGB ist inhaltlich an denselben Maßstäben ausgerichtet wie die entsprechende Ausweisung der Anlage in einen Bebauungsplan. (Rn. 105) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erschließungsbeitragsrecht, Am Trieb, Erschließungsbeitragssatzung, Bekanntmachung, Amtsblatt, Niederlegung, Kostenspaltungsbescheid, erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage, keine vorhandene Erschließungsanlage, Erschließungsfunktion, Israelitischer Friedhof, Jüdische Gemeinde, Buchgrundstück, Erschließung einer Teilfläche des Buchgrundstücks, Artzuschlag, Mehrfacherschließung, Kostenspaltungsbeschluss, Beginn der erstmaligen technischen Herstellung, 25-Jahresfrist, Bebauungsplanersetzende Abwägungsentscheidung, Erlassbescheid, Erschließungsbeitrag, Rückwirkung, Anbaustraße, natürliche Betrachtungsweise, Ersterschließung, Kostenspaltung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Urteil vom 14.12.2023 – 6 B 23.1555
Fundstelle:
BeckRS 2022, 42615
Tenor
I. Der Bescheid des Beklagten vom 25. März 2021 wird insoweit aufgehoben, als für das Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … ein höherer Erschließungsbeitrag als 27.154,15 EUR festgesetzt und ein Zahlungsbefehl in selber Höhe ausgesprochen wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1
I. Der Kläger ist Eigentümer des an der Straße … gelegenen Buchgrundstücks mit der Fl.Nr. … der Gemarkung … Der Beklagte hat Baumaßnahmen an der Straße … vorgenommen. Die Parteien streiten um einen diesbezüglichen Erschließungsbeitragsbescheid in Form eines Kostenspaltungsbescheids.
2
Die Straße … verläuft von ihrer Abzweigung von der … ab mit ansteigendem Gelände nach Südosten, wo sie nach etwa 260 m in den … übergeht. Etwa 77 m nach ihrem Ursprung an der … mündet in die Straße … von Nordosten kommend eine Stichstraße, ebenfalls unter dem Namen …, ein, etwa 105 m nach ihrem Ursprung ebenfalls von Nordosten kommend die … Etwa 165 m nach ihrem Ursprung wird die Straße … von der von Nordosten nach Südwesten verlaufenden Straße … gekreuzt. Nach insgesamt 260 m vom Ursprung von der … aus gesehen befindet sich die Kreuzung der Straße … mit der von Nordosten kommenden Straße …, mit der von Südwesten kommenden Straße … und der als Verlängerung der Straße … sich nach Südosten fortsetzenden Straße … Zwischen den Straßenzügen … und … liegt die Teilstrecke der Straße … mit der Fl.Nr. …, an welcher der Beklagte die nunmehrigen Baumaßnahmen vorgenommen hat.
3
Das klägerische Grundstück mit der Fl.Nr. … hat die postalische Anschrift … und liegt am Kreuzungsbereich der Straßenzüge … südwestlich der Teilstrecke der Straße mit der Fl.Nr. … Angrenzend in südöstlicher Richtung befindet sich das bebaute Grundstück mit den Fl.Nr. … Die beiden Grundstücke mit den Fl.Nrn. … und … wurden im Jahr 2020 aus einem zuvor einheitlichen Grundstück herausgemessen. An das Grundstück mit der Fl.Nr. … in südöstliche Richtung angrenzend befindet sich auf dem Grundstück mit der Fl.Nr. … der … Friedhof und weiter in gleicher Richtung auf dem Grundstück mit der Fl.Nr. … eine gemeindliche im Bebauungsplan als solche ausgewiesene öffentliche Grünfläche, welche neben der Straße … an die Straße … grenzt. Auf der nordöstlichen Seite der Straße … zwischen den Straßenzügen … und … befindet sich das zugleich an der Straße … gelegene bebaute Grundstück mit der Fl.Nr. … Auf dieses folgen in südöstlicher Richtung zwei unbebaute Flächen mit den Fl.Nrn. … und … wobei die letztgenannte Fläche an die Straße … grenzt.
4
Für den Bereich der Straße „…“ existiert kein Bebauungsplan.
5
In der Vergangenheit war die Straße …, Teilfläche Fl.Nr. … bituminös befestigt mit späteren punktuellen Ausbesserungen. Außerdem befand sich bereits eine Entwässerungsrinne am nordwestlich gelegenen Ende dieser Teilstrecke. Im Jahr 2020 nahm die Gemeinde Baumaßnahmen vor; sie legte die Grundfläche frei und erstellte die Fahrbahn, Mischflächen, Beleuchtung sowie Entwässerungseinrichtungen.
6
Mit Beschluss vom 10. März 2020 stellte der Bau- und Umweltausschuss des Beklagten im Hinblick auf § 125 Abs. 2 BauGB fest, dass der Ausbau des Teilabschnitts der Straße … Fl.Nr. … den in § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB bezeichneten Anforderungen entspricht.
7
Der Marktgemeinderat legte mit Beschluss vom 2. März 2021 fest, die Abrechnung der erschließungsbeitragspflichtigen Kosten der Erschließungsanlage … entsprechend der Regelungen des § 8 EBS durch Teilbeitragserhebung im Wege der Kostenspaltung für die Freilegung der Grundfläche, die Herstellung der Fahrbahn, Mischflächen, Beleuchtungseinrichtungen und Entwässerungseinrichtungen durchzuführen.
8
Mit Bescheid vom 25. März 2021 erhob der Beklagte vom Kläger als Eigentümerin des Grundstücks mit der Fl.Nr. … einen Erschließungsbeitrag im Wege der Kostenspaltung für die Teileinrichtungen Freilegung der Grundfläche, die Herstellung der Fahrbahn, Mischflächen, Beleuchtung und Entwässerungseinrichtungen in Höhe von 28.247,88 EUR (Grundstücksgröße: 419 qm; Nutzungsfaktor: 1,3; Reduzierung auf 2/3 wegen Mehrfacherschließung; Beitragssatz: 77,79 EUR pro qm).
9
Diesen begründete der Beklagte damit, dass eine ordnungsgemäße Ersterschließung und die entsprechende Beitragserhebung bisher nicht habe stattfinden können, da die bloße Aufteerung nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine Erschließung entspreche. Weder eine Straßenentwässerung noch eine Kanalisation seien vor den Baumaßnahmen ab 2020 vorhanden gewesen. Da noch kein Grunderwerb für die Erschließungsanlage erfolgt sei und damit die Merkmale der endgültigen Herstellung noch nicht vollständig seien, habe sich der Marktgemeinderat für eine Teilbeitragserhebung im Wege der Kostenspaltung entschieden. Mangels Vorabinformation hat der Beklagte eine Zahlung in zwei Raten (zu je 50%) angesetzt.
10
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 21. April 2021 einen Erlass wegen unbilliger sachlicher Härte, da das Grundstück des … Friedhofes Fl.Nr. … nach Angaben des Beklagten nicht in den Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke aufgenommen habe werden können.
11
II. Am 22. April 2021 ließ der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben und beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 25. März 2021 aufzuheben.
12
Dies wurde damit begründet, dass die Erschließungsbeitragssatzung (EBS) vom 19. März 2021 nicht ordnungsgemäß ausgefertigt und bekanntgemacht worden sei. Der Beklagte verfüge über ein Amtsblatt, in dem die Bekanntmachung hätte erfolgen müssen. Eine Niederlegung genüge nicht. Weiter sei die Satzung wegen der rückwirkenden Inkraftsetzung nichtig. Die Regelung des § 7 EBS sei zudem unbestimmt und widerspreche dem Gleichheitssatz. Es sei unklar, ob darunter zum einen Anlagen fielen, für die nach früherem Recht ein Beitrag hätte erhoben werden können, aber man davon abgesehen habe; zum anderen, ob (Zweit) Anlagen, für die nach jetziger Rechtslage ein Erschließungsbeitrag erhoben werden dürfe, dies aber in Zukunft unterbleibe, darunter subsumiert werden könnten. Unberücksichtigt bleibe, dass auch eine Fiktion die Herstellung bewirke.
13
Durch die erstmalige Asphaltierung sei eine Herstellung im Sinne des Art. 5a Abs. 7 KAG erfolgt und damit die in dieser Vorschrift festgesetzte Höchstfrist vor dem 31. März 2021 abgelaufen. Ferner sei die Abwägungsentscheidung des Marktes fehlerhaft, da nicht erörtert worden sei, weshalb sich das Ausbauende der Erschließungsanlage am Grundstück Fl.Nr. … befinde. Die Anlage vermittele weiteren Grundstücken die Bebaubarkeit. In der Abwägung sei eine Abschnittsbildung erfolgt, die bei der Abrechnung nicht durch einen Beschluss bestätigt worden sei, sodass diese rechtswidrig wäre.
14
Der Beklagte ließ beantragen,
15
Zur Begründung wurde vorgetragen, die Erschließungsbeitragssatzung sei ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Der Beklagte unterhalte kein Amtsblatt. Herausgeber des Mitteilungsblattes sei der …Verlag und nicht der Beklagte. Die Geschäftsordnung regele die amtliche Bekanntgabe durch Niederlegung, welche im konkreten Fall am 9. März 2021 durch Niederlegung und Bekanntmachung an allen Anschlagtafeln des Beklagten mit dem Verweis auf die Möglichkeit der Einsichtnahme in der Verwaltung erfolgt sei.
16
Hinsichtlich der Satzung sei lediglich von einer zulässigen unechten Rückwirkung auszugehen. Selbst bei Annahme unzulässiger Rückwirkung sei lediglich diese Teil-Regelung und nicht die gesamte Satzung nichtig. Da der Bescheid nach Inkrafttreten der Satzung - bei nichtiger Rückwirkungsregelung eine Woche nach Bekanntmachung am 16. März 2021 - erlassen worden sei, sei er nicht betroffen. Ferner seien keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz erkennbar.
17
Die Regelung des § 5a Abs. 7 S. 2 KAG sei aufgrund des Inkrafttretens am 1. April 2021 - nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheids - nicht anwendbar. Selbst bei einschlägiger Anwendung entspreche die Asphaltierung ohne frostsicheren Unterbau und Entwässerungsanlage bzw. Beleuchtungseinrichtung den Anforderungen an die Herstellung nach Art. 5a Abs. 7 S. 2 KAG nicht. Die Anforderungen an die Herstellung definiere die Gemeinde seit jeher in der Erschließungsbeitragssatzung und mit Blick auf diese aus den Jahren 1961, 1970 und 1974 sei die Asphaltierung als bloßes Provisorium anzusehen. Ferner sei ein kunstgerechter, frostsicherer Unterbau nach der Richtlinie des Staatsministeriums des Innern für Wohnstraßen (06.08.1936) als weitere Vorgabe zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung verlange zudem eine Abgrenzung von Fahrbahn und Gehsteigen durch Randsteine und Straßenentwässerung. Auch im Vergleich und Zusammenspiel mit Art. 13a Abs. 1 Nr. 4 b) bb) KAG [sic, gemeint wohl Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) KAG] zeige sich, dass auf die endgültige Herstellung und nicht auf bloße Provisorien abzustellen sei.
18
Der Beklagte stellte die Notwendigkeit einer Abwägung nach § 125 Abs. 2 BauGB in Frage mangels entsprechenden Verweises in der Vorschrift des Art. 5a KAG. Die Abwägung sei aber ohnehin ordnungsgemäß durchgeführt worden. Auch sei in deren Rahmen das Ausbauende der Anlage korrekt berücksichtigt worden, zumal die nord-westlich liegende Anlage der Straße … Fl.Nr. … im Jahr 1969 und die süd-östlich liegende Anlage Verlängerung … Fl.Nr. … - vormaliger Außenbereich - im Jahr 2016 nach dem Erschließungsbeitragsrecht bereits vollständig abgerechnet worden seien. Die neu abgerechnete Anlage unterscheide sich von diesen durch Straßenbreite, Gehweg, Straßenentwässerung, Straßenbeleuchtung sowie Bebauung und beginne am Flurstück …; diese Abgrenzung erzeugten auch die Kreuzungen mit den Straßenzügen … und … Es handele sich bei der ab 2020 errichteten Anlage um eine neue Erschließungseinrichtung und nicht um einen Abschnitt der vorhandenen Anlage. Diese habe insbesondere bei der Errichtung der Erschließungsanlage von 1969 noch im Außenbereich gelegen. Die Notwendigkeit der Errichtung der Erschließungsanlage habe sich erst in jüngerer Zeit durch die Herausmessung der Grundstücke mit der Fl.Nrn. … und … ergeben, die - ungeachtet des keinen Ziel- oder Quellverkehr auslösenden … Friedhofes - als einzige Grundstücke ausschließlich durch die neue Anlage erschlossen würden.
19
Auf entsprechende Nachfrage des Gerichts hinsichtlich des Verteilungsmaßstabes teilte der Beklagte mit, dass dem Grundstück Fl.Nr. … ein Abschlag von 2/3 gewährt worden sei, da dieses Grundstück vor der Teilung bereits bei der Abrechnung der Erschließungsanlage „…“ ohne Abschlag herangezogen worden sei. Selbst bei einer Heranziehung des Grundstücks Fl.Nr. … bei der streitgegenständlichen Abrechnung der Erschließung ohne Abschlag ergäbe sich keine Veränderung für den Kläger, da dieser bereits einen geringeren Betrag wegen eines Erlassbescheides vom 26. Juli 2021 zahlen müsse. Hinsichtlich dieses Grundstücks sei, trotz der Gewerbeanmeldung eines Kosmetikstudios, auch nicht von einer überwiegenden gewerblichen Nutzung auszugehen.
20
Mit Bescheid vom 26. Juli 2021 erließ der Beklagte dem Kläger eine Forderung in Höhe von 9.637,47 EUR. Der Erlass erfolgte in Bezug auf die erste Rate in Höhe von 4.181,73 EUR und auf die zweite Rate in Höhe von 4.181,74 EUR.
21
Auf der Grundlage eines Beweisbeschlusses vom 24. November 2021 nahm das Gericht am 11. Januar 2022 die örtlichen Verhältnisse im Bereich der Straße … in … in Augenschein. Hierbei wurden Lichtbilder gefertigt.
22
Im Übrigen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 22. September 2022, auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien sowie auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakten des Beklagten, welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
23
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 25. März 2021, mit welchem der Beklagte gegenüber dem Kläger als Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. … der Gemarkung … im Wege der Kostenspaltung einen Beitrag für die Freilegung der Grundflächen, die Herstellung der Fahrbahn, der Mischflächen, der Beleuchtung sowie der Entwässerungseinrichtung im Rahmen der erstmaligen Herstellung der Erschließungsanlage … von der Kreuzung mit der Straße … bis zur Kreuzung mit den Straßen … und … in Höhe von 28.247,88 EUR festgesetzt und einen Zahlungsbefehl in Höhe von jeweils 14.123,94 EUR zum 1. Juni 2021 und zum 1. September 2021 ausgesprochen hat.
24
Auch wenn der auf der Grundlage von Art. 5a Abs. 2 KAG i.V.m. § 135 Abs. 5 BauGB ergangene Erlassbescheid vom 26. Juli 2021 die Forderung in Höhe von 9.637,47 EUR zum Erlöschen gebracht hat, so dass sie mit dem Zugang dieses Bescheides beim Kläger in dieser Höhe nicht mehr existent ist (Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 19 Rn. 14), hat dies keine Auswirkung auf den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Denn das Gericht stellt bei - einer hier vorliegenden - Anfechtungsklage auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ab (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 55 und Rn. 56), hier also auf den 25. März 2021. Je nachdem, in welcher Höhe sich der angegriffene Bescheid vom 25. März 2021 im vorliegenden Verfahren als rechtmäßig erweist, errechnet sich hernach unter Berücksichtigung des Erlassbescheides vom 26. Juli 2021 die dann noch bestehende Erschließungsbeitragsforderung des Beklagten gegenüber dem Kläger.
25
Die zulässige Klage ist zum Teil begründet. Der streitgegenständliche Bescheid erweist sich insoweit als rechtmäßig, als er einen Erschließungsbeitrag in Höhe von 27.154,15 EUR festsetzt und einen Zahlungsbefehl in derselben Höhe ausspricht. Insoweit verletzt er den Kläger nicht in seinen Rechten. Soweit der Bescheid jedoch einen höheren Erschließungsbeitrag als 27.154,15 EUR festsetzt und einen entsprechenden Zahlungsbefehl ausspricht, ist er rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insoweit ist der Bescheid aufzuheben. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
26
Dies ergibt sich aus Folgendem:
27
Nach Art. 5a des Kommunalabgabengesetzes (KAG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 4. April 1993 (GVBl. S. 264), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Februar 2021 (GVBl. S.40), § 127 Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) in der am 8. September 2015 geltenden Fassung (BGBl. I S. 2414), zuletzt geändert durch Art. 118 10. ZustAnpVO (BGBl. I S. 1474), (vgl. Art. 5a Abs. 2 KAG), erheben die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag. Erschließungsanlagen in diesem Sinne sind u.a. die öffentlichen zum Anbau bestimmten Straßen (Art. 5a KAG i.V.m. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB). Beitragspflichtiger ist nach Art. 5a Abs. 1 KAG i.V.m. § 134 Abs. 1 BauGB derjenige, der im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstückes ist.
28
Gemäß Art. 5a KAG i.V.m. § 132 BauGB regeln die Gemeinden durch Satzung die Art und den Umfang der Erschließungsanlagen im Sinne des § 129 BauGB, die Art der Ermittlung und der Verteilung des Aufwandes sowie die Höhe des Einheitssatzes, die Kostenspaltung und die Merkmale der endgültigen Herstellung einer Erschließungsanlage.
29
Mit seiner Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen des Marktes … (Erschließungsbeitragssatzung - EBS) vom 2. März 2021 hat der Beklagte eine Beitragssatzung in diesem Sinne geschaffen. Diese Satzung ist nicht zu beanstanden.
30
Zu Unrecht hat der Bevollmächtigte des Klägers geltend gemacht, die Satzung sei nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden; der Beklagte hätte sie in seinem Amtsblatt bekannt machen müssen. Stattdessen sei sie lediglich fehlerhaft durch Aushang an den Gemeindetafeln bekannt gemacht worden. Dem kann das Gericht nicht folgen.
31
Nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung - GO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 1998 (GVBl. S. 796), zuletzt geändert durch § 1 Gesetz vom 9. März 2021 (GVBl. S. 74) (zur Übereinstimmung der Vorschrift mit der Bayerischen Verfassung: BayVerfGH, E.v. 13.11.1989 - Vf. 14 - VII 87 - juris LS 1) sind Satzungen auszufertigen und im Amtsblatt der Gemeinde amtlich bekannt zu machen. Hat die Gemeinde kein Amtsblatt in diesem Sinne, so sind gemäß Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GO die Satzungen im Amtsblatt des Landkreises oder des Landratsamtes, sonst in regelmäßig erscheinenden Druckwerken amtlich bekannt zu machen; die amtliche Bekanntmachung kann auch dadurch bewirkt werden, dass die Satzung in der Verwaltung der Gemeinde niedergelegt und die Niederlegung digital über das Internet, durch Anschlag an den für öffentliche Bekanntmachungen allgemein bestimmten Stellen (Gemeindetafeln) oder durch Mitteilung in einer Tageszeitung bekannt gegeben wird.
32
Gemeinden, die kein Amtsblatt im Sinne des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO haben, müssen nach § 1 der Verordnung über die amtliche Bekanntmachung gemeindlicher Satzungen und von Rechtsvorschriften der Verwaltungsgemeinschaften (Bekanntmachungsverordnung - BekV) vom 19. Januar 1983 (GVBl. S. 14) zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 16. September 1991 (AllMBl. S. 771) in der Geschäftsordnung oder durch Beschluss des Gemeinderates die Art der Bekanntmachung und das Amtsblatt oder regelmäßig erscheinende Druckwerk oder den Ort, an dem die Amtstafel (Gemeindetafel) aufgestellt ist, oder die Tageszeitung im Sinne des Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GO bestimmen. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BekV müssen Gemeinden, die ihre Satzungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 GO durch Niederlegung und Bekanntgabe der Niederlegung durch Anschlag amtlich bekannt machen, in der Gemeinde eine Amtstafel (Gemeindetafel) unterhalten und dort die Anschläge anheften, mit denen die Niederlegung bekannt gegeben wird (BayVGH, B.v. 15.5.2014 - 8 ZB 12.2077 - juris Rn. 8; B.v. 29.4.2021 - 1 ZB 19.224 - juris Rn. 5).
33
Unter Zugrundelegung dieser Vorschriften ist zunächst festzuhalten, dass der Beklagte kein Amtsblatt im Sinne des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO unterhält.
34
Bei dem monatlich erscheinenden mit „Markt … Mitteilungsblatt“ überschriebenen Druckwerk handelt es sich nicht um ein Amtsblatt im Sinne des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO.
35
Weder die Gemeindeordnung noch die Bekanntmachungsverordnung enthalten eine Definition des Amtsblattes und so liegen auch keine speziellen Formanforderungen für Amtsblätter fest.
36
Ein Amtsblatt ist ein regelmäßig erscheinendes Druckwerk, das dazu bestimmt ist, Vorschriften, Verfügungen oder Mitteilungen der Gemeinde amtlich bekannt zu machen. Dabei braucht es sich nicht zwingend um ein von der Gemeinde selbst herausgegebenes und ausschließlich ihren Zwecken dienendes Amtsblatt zu handeln. Vielmehr kann auch ein bestimmter Teil der Tageszeitung für diesen Zweck genutzt werden. Diese muss dann jedenfalls in dem für amtliche Bekanntmachungen bestimmten Teil die Bezeichnung „Amtsblatt der Gemeinde“ tragen (BayVGH, U.v. 13.6.2013 - 20 N 12.844 - juris Rn. 38; Bauer/Möhle/Ecker/Kuhn, Bayer. Kommunalgesetze, Stand: Juli 2022, Art. 26 GO Rn. 11).
37
Hieraus ergibt sich, dass ein von der Gemeinde selbst herausgegebenes und als „Amtsblatt“ bezeichnetes Druckwerk eindeutig als Amtsblatt im Sinne des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO gilt. Dem gegenüber ist es im Interesse der Rechtssicherheit geboten, kein Druckwerk zu unterhalten, das zwar nicht als Amtsblatt gewollt ist, aber beim Bürger die Sicht naheliegt, es handle sich um ein Organ, das maßgeblich zur verbindlichen Veröffentlichung auch von Rechtsnormen dient (BayVGH, U.v. 13.6.2013 - 20 N 12.844 - juris Rn. 38).
38
Maßgeblich ist demnach darauf abzustellen, wer die Letztverantwortung für den Inhalt der veröffentlichten Mitteilungen trägt und ob das entsprechende Druckwerk seitens der Gemeinde - zumindest soweit es bestimmte Texte betrifft - als Amtsblatt gewollt ist (BayVGH, U.v.3.4.2007 - 25 N 03.1282 - juris Rn. 15).
39
Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das mit „Markt … Mitteilungsblatt“ bezeichnete Druckwerk nicht formell als Amtsblatt bezeichnet ist. Weiterhin ist festzustellen, dass dieses Druckwerk - wie sich aus dem Impressum ergibt - vom …-Verlag/…) herausgegeben wird. Schon deshalb kann der Beklagte Markt … nicht die Letztverantwortung für die in diesem Druckwerk erscheinenden Texte übernehmen; vielmehr hat er keinen zwingenden Einfluss auf die Endredaktion, die vom …Verlag übernommen wird. Dies gilt auch für einzelne Teile dieses Druckwerks. Damit kann das Druckwerk schon deshalb nicht das Amtsblatt des Beklagten darstellen (vgl. zur Frage der Verantwortlichkeit des Ersten Bürgermeisters für den amtlichen Teil einer Veröffentlichung in einem Amtsblatt: BayVGH, U.v. 3.4.2007 - 25 N 03.1282 - juris Rn. 15 m.w.N.).
40
Demgegenüber hat der Beklagte auf der Grundlage von § 1 Abs. 1, Abs. 2 BekV in § 37 Abs. 1 seiner Geschäftsordnung vom 30. Juni 2020 - GeschO - festgelegt, dass Satzungen und Verordnungen dadurch amtlich bekannt gemacht werden, dass sie in der Verwaltung der Gemeinde zur Einsichtnahme niedergelegt werden und die Niederlegung durch Anschlag an den Gemeindetafeln bekannt gegeben wird. Nach § 37 Abs. 3 GeschO unterhält der Beklagte insgesamt 12 Gemeindetafeln mit im Einzelnen genau bestimmten Standorten.
41
An diesen Gemeindetafeln hat der Beklagte die Niederlegung der Erschließungsbeitragssatzung am 9. März 2021 bekannt gemacht und die Bekanntmachung am 13. April 2021 wieder entfernt. Damit ist auch die Vorgabe in § 37 Abs. 1 Satz 3 GeschO eingehalten, wonach der Anschlag an allen Gemeindetafeln angebracht und frühestens nach 14 Tagen wieder abgenommen wird.
42
Damit ist die Erschließungsbeitragssatzung ordnungsgemäß bekannt gemacht worden.
43
Auch in materieller Hinsicht ist die Erschließungsbeitragssatzung nicht zu beanstanden. Fehler, die zur Gesamtnichtigkeit der Satzung oder zur Unwirksamkeit streitrelevanter Satzungsbestimmungen führen würden, liegen weder auf der Hand noch wurden solche von der Klägerseite nachvollziehbar vorgetragen. Insbesondere kann das Gericht dem Klägerbevollmächtigten nicht folgen, § 7 Satz 2 Nr. 1 EBS sei zu unbestimmt. Nach § 7 Satz 1 EBS ist für Grundstücke, die von mehr als einer Erschließungsanlage erschlossen werden, die Grundstücksfläche bei der Abrechnung jeder Erschließungsanlage nur mit zwei Dritteln anzusetzen. Dies gilt unter anderem nach § 7 Satz 2 Nr. 1 EBS nicht, wenn ein Erschließungsbeitrag nur für eine Erschließungsanlage erhoben wird und Beiträge für weitere Anlagen zu deren erstmaliger Herstellung weder nach dem geltenden Recht noch nach vergleichbaren früheren Rechtsvorschriften erhoben worden sind oder erhoben werden. Nicht nachvollziehbar ist das Argument der Klägerseite, es sei unklar, ob unter diese Regelung Anlagen fielen, für die nach früherem Recht ein Beitrag hätte erhoben werden können, man davon aber abgesehen habe. Denn die Vorschrift stellt allein darauf ab, ob tatsächlich in der Vergangenheit Erschließungsbeiträge für eine andere Erschließungsanlage erhoben worden sind. Zudem ist die Klägerseite der Meinung, es sei unklar, ob (Zweit-) Anlagen für die nach jetziger Rechtslage ein Erschließungsbeitrag erhoben werden dürfe, dies aber in Zukunft unterbleibe, unter diese Vorschrift subsumiert werden könnten. Auch dem kann das Gericht nicht folgen, dies aufgrund des eindeutigen Wortlautes der Vorschrift. Darüber hinaus wiederspricht § 7 EBS nicht dem Gleichbehandlungsgebot (Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 14 Rn. 37 m.w.N.).
44
Soweit sich die Klägerseite darauf beruft, die in § 16 EBS vorgesehene Rückwirkung sei fehlerhaft und führe zur Gesamtnichtigkeit der Erschließungsbeitragssatzung, kann die Kammer dem nicht folgen.
45
War eine Satzung fehlerhaft und hat deshalb keine Beitragspflicht entstehen können, bestehen gegen ein rückwirkendes Inkraftsetzen einer Satzung, mit welcher dieser Mangel geheilt wird, keine Bedenken. Ein etwaiges Vertrauen, wegen der Unwirksamkeit der Ausgangssatzung von einer Beitragspflicht verschont zu bleiben, ist nicht geschützt (BVerwG, B.v. 26.1.1995 - 8 B 193.94 - NVwZ - RR 1996, 54 f; BayVGH, B.v. 18.7.2007 - 6 CS 07.1298 - juris Rn. 10; Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 5 Rn. 31 m.w.N.).
46
So liegt der Fall hier. Wie sich aus dem Auszug aus der Sitzungsniederschrift des Marktgemeinderats des Beklagten vom 2. März 2021 ergibt, hat der Marktgemeinderat die vorliegende Erschließungsbeitragssatzung erlassen, um das bis dahin geltende Ortsrecht, nämlich der Erschließungsbeitragssatzung vom 23. Dezember 1987 in der Fassung der ersten Änderungssatzung vom 25. März 1996, in Einklang mit höherrangigem Recht zu bringen. War aber die Erschließungsbeitragssatzung vom 23. Dezember 1987 vorhanden, durfte der Kläger nicht darauf vertrauen, dass er aufgrund möglicher in der Satzung vorhandener rechtlicher Probleme mit Folgen für deren Nichtigkeit nicht zur Erschließungsbeiträgen herangezogen werden kann.
47
Auf der Grundlage dieser Satzung hat der Beklagte vom Kläger als Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. … mit dem angefochtenen Bescheid zurecht einen Erschließungsbeitrag in Höhe von 27.154,15 EUR für die erstmalige Herstellung von Teileinrichtungen der Erschließungsanlage … erhoben. Lediglich soweit der angefochtene Bescheid diesen Betrag übersteigt, erfolgte die Beitragserhebung zu Unrecht.
48
1. Erschließungsanlage im Sinne des Art. 5a KAG i.V.m. § 127 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BauGB, für welche der Beklagte zur Deckung seines anderweitig nicht gedeckten Aufwandes im Wege der Kostenspaltung einen Erschließungsbeitrag erhebt, ist im vorliegenden Fall die Straße … von der Kreuzung mit der Straße … bis zur Kreuzung mit den Straßen … und … Wie weit eine einzelne Anbaustraße reicht und wo eine andere Verkehrsanlage beginnt, bestimmt sich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln. Zu fragen ist dabei, inwieweit sich die zu beurteilende Straße als augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes darstellt. Deshalb hat sich der ausschlaggebende Gesamteindruck nicht an Straßennamen, Grundstücksgrenzen oder dem zeitlichen Ablauf von Planung und Bauausführung auszurichten, sondern, ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise, an der Straßenführung, der Straßenlänge, der Straßenbreite und der Straßenausstattung (st. Rspr.; vgl. etwa BayVGH, U.v. 30.6.2011 - 6 B 08.369 - juris Rn. 18; B.v. 23.2.2015 - 6 ZB 13.978 - juris Rn. 7 m.w.N.; B.v. 25.8.2016 - 6 ZB 16.410 - juris Rn. 5; Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 6 Rn. 4).
49
In Anwendung dieses Grundsatzes beginnt die abzurechnende Erschließungsanlagen … an der Kreuzung mit der Straße … Die Ortseinsicht der Kammer hat ergeben, dass die Straße … aufgrund ihrer Breite ein augenfällig trennendes Element darstellt, welches die Straße … nordwestlich der Straße … von der hier abzurechnenden Erschließungsanlage … südöstlich der Straße … deutlich trennt. Hinzu kommt, dass die Straße … nordwestlich der Straße … eine Fahrbahnbreite von etwa 5 m und eine Gehwegbreite von etwa 1,05 m aufweist, während die abzurechnende Erschließungsanlage … südöstlich der Straße … im Kreuzungsbereich eine Fahrbahnbreite von 4,35 m, sich anschließend verengend auf 3,45 m sowie einen farbig deutlich abgesetzten Gehweg mit 0,9 m Breite aufweist. Auch aufgrund dieser deutlichen Veränderung stellt die Straße … südöstlich der Straße … im Vergleich zur Straße … nordwestlich der Straße … ein augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes dar.
50
Die abzurechnende Erschließungsanlage endet in Anwendung der oben genannten Grundsätze an der Kreuzung … Dies ergibt sich schon daraus, dass - wie die Augenscheineinnahme ergeben hat - der Kreuzungsbereich in einer Art und Weise platzartig aufgeweitet ist, dass allein hierdurch ein trennendes Element gegeben ist. Hinzu kommt die im Vergleich zur abzurechnenden Erschließungsanlage deutlich breitere Ausführung des … mit 5,4 m Fahrbahnbreite und 1,45 m Gehwegbreite.
51
Allein schon aus dieser natürlichen Betrachtungsweise ergibt sich, dass die abzurechnende Erschließungsanlage … von der Kreuzung mit der Straße … bis zur Kreuzung … verläuft.
52
Unabhängig vom Grundsatz der natürlichen Betrachtungsweise ergibt sich dasselbe Ergebnis aus rechtlichen Gründen, dies deshalb, weil die Straße … von der … bis zur Straße … und der … von der Kreuzung … bis zum Ende der Bebauung bereits in der Vergangenheit im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts erstmals endgültig hergestellt worden sind. Damit ist die Verlängerungsstrecke unabhängig von ihrer optischen Zugehörigkeit zum weiteren Straßenzug erschließungsbeitragsrechtlich als eigene selbstständige Anbaustraße zu qualifizieren (Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 6 Rn. 18 m.w.N.).
53
2. Zurecht hat der Beklagte für die erstmalige Herstellung dieser Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag erhoben. Denn bei den abgerechneten Bauarbeiten handelt es sich um eine Ersterschließung im Sinn des Art. 5a KAG i.V.m. §§ 127 ff. BauGB und nicht um Verbesserungs- und Erneuerungsmaßnahmen. Dies ergibt sich darauf, dass die streitgegenständliche Erschließungsanlage nicht zuvor erstmals im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts hergestellt worden ist.
54
a) Zunächst ist festzustellen, dass seit dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes/Baugesetzbuches zum 30. Juni 1961 bis zu den nunmehr mit dem streitgegenständlichen Bescheid abgerechneten Baumaßnahmen an der Erschließungsanlage keinerlei Maßnahmen vorgenommen worden sind, die eine Ersterschließung darstellen könnten. Zwar wurde die Fahrbahn im Jahr 1996 bituminös befestigt; jedoch ist weder seitens des Klägers nachvollziehbar vorgetragen worden noch sonst erkennbar, dass es sich hierbei um eine planmäßige erstmalige Herstellung unter Verwirklichung der Herstellungsmerkmale der Erschließungsbeitragssatzung handeln könnte. Wie sich aus den von der Beklagtenseite vorgelegten vor Beginn der Baumaßnahmen gefertigten Lichtbildern (vgl. Blatt 134 bis 136 der Gerichtsakte) ergibt, handelt es sich lediglich um eine oberflächlich aufgebrachte Teerschicht ohne jegliche Randsteine mit sog. „Flatterrand“, ohne Gehwege, ohne Entwässerungseinrichtung und ohne Straßenbeleuchtung. Die im Bereich der Einmündung in die Straße … befindliche quer über die Straße verlaufende Entwässerungsrinne stellt keine Entwässerungseinrichtung im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts dar, da allein diese Rinne nicht dazu geeignet ist, das auf der Straße anfallende Abwasser so ordnungsgemäß aufzunehmen und abzuführen, dass die Straße auch bei größeren Regenereignissen problemlos benutzt werden könnte.
55
b) Auch in der Zeit vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes/Baugesetzbuches sind keine Ersterschließungsmaßnahmen vorgenommen worden. Damit kann die streitgegenständliche Erschließungsanlage nicht als vorhandene Erschließungsanlage im Sinne des § 5a Abs. 7 Satz 1 KAG als erstmals erschlossen gelten und damit dem Regime des Erschließungsbeitragsrechts entzogen sein. Voraussetzung hierfür wäre nämlich, dass sie am 30. Juni 1961 bereits als Anbaustraße fertiggestellt gewesen wäre und deshalb nicht noch einmal „erstmals“ hergestellt werden könnte. Dies ist indes nicht der Fall.
56
Grundlage für die Entscheidung der Frage, ob eine Straße als „vorhandene Erschließungsanlage“ (vom Bayer. Verwaltungsgerichtshof regelmäßig auch „historische Straße“ genannt [Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 1 Rn. 39]) als erstmals endgültig hergestellt gilt und damit aus dem Regime des Erschließungsbeitragsrechts entlassen ist, ist Art. 5a Abs. 7 Satz 1 KAG. Hiernach kann für vorhandene Erschließungsanlagen, für die eine Beitragspflicht aufgrund der bis zum 29. Juni 1961 geltenden Vorschriften nicht entstehen konnte, auch nach diesem Gesetz kein Erschließungsbeitrag erhoben werden.
57
Demgemäß liegt eine solche vorhandene Erschließungsanlage vor, wenn die zu beurteilende Straße bereits vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes/Baugesetzbuches am 30. Juni 1961 als öffentliche Einrichtung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Satz 1 des Gemeindeabgabengesetzes vom 20. Juli 1938 (GVBl. S. 225) - GAG - zu qualifizieren war, wenn sie vor diesem Zeitpunkt Erschließungsfunktion gehabt hat und wenn sie seinerzeit für diesen Zweck endgültig hergestellt gewesen ist (BayVGH, B.v. 9.8.2016 - 6 CS 16.1032 - juris; B.v. 18.8.2017 - 6 ZB 17.840 - juris Rn. 13 m.w.N.).
58
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
59
Hinsichtlich dieser Voraussetzungen mangelt es schon an der Erschließungsfunktion der streitgegenständlichen Erschließungsanlage vor dem 30. Juni 1961.
60
Soweit - wie im vorliegenden Fall - die Straße nicht in einem Baulinienplan zur Erschließung vorgesehen war, erhielt eine Straße im unbeplanten Gebiet eine Erschließungsfunktion erst dann, wenn an ihr eine gehäufte Bebauung einsetzte, wenn also nach heutigen Maßstäben zumindest für eine Straßenseite eine Innenbereichslage im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB anzunehmen war (BayVGH, B.v. 18.12.2006 - 6 ZB 05.672 - BayVBl. 2007, 310). Voraussetzung hierfür ist, dass die jeweiligen Grundstücke in einem Bebauungszusammenhang standen, der einem Ortsteil angehörte, dass also eine tatsächlich vorhandene aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelte (Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 1 Rn. 40 m.w.N.).
61
Dies war vor dem 30. Juni 1961 im Bereich der Straße … zwischen der Kreuzung mit der Straße … und der Kreuzung mit den Straßen … und … nicht der Fall. Unklar ist, ob das auf dem klägerischen Grundstück Fl.Nr. … gelegene Gebäude bereits vor dem 30. Juni 1961 errichtet worden ist. Dieses wird allerdings durch die Straße … erschlossen. Unklar ist weiterhin die bauliche Situation hinsichtlich Grundstück Fl.Nr. … Dieses wurde im Jahr 1994 neu bebaut. Hinsichtlich der Ursprungsbebauung konnte der Beklagte keine Unterlagen vorlegen. Allerdings ist auch dieses Grundstück bereits durch die Straße … erschlossen. Das auf Grundstück Fl.Nr. … gelegene Gebäude wurde erst am 12. August 1997 genehmigt. Die weiteren an der streitgegenständlichen Straße gelegenen Grundstücke sind nicht bebaut, das Grundstück Fl.Nr. … (… Friedhof) ist zudem nicht bebaubar. Die weiteren, im Bereich der heutigen Straße … gelegenen Grundstücke waren allesamt nicht bebaut. Dies ergibt sich aus dem Bebauungsplan „…“ vom 20. März 1980 (Blatt 229 der Gerichtsakte). Damit kann vor dem 30. Juni 1961 nicht von einer Innenbereichslage im Sinn von § 34 Abs. 1 BauGB die Rede sein. Schon deshalb kann die streitgegenständliche Straße nicht als vorhandene Erschließungsanlage im Sinn von Art. 5a Abs. 7 Satz 1 KAG als vorhandene Straße gelten und damit dem Regime des Erschließungsbeitragsrechts entzogen sein. Auf die weiteren oben dargestellten Voraussetzungen kommt es deshalb nicht an.
62
3. Der Beklagte hat dem angegriffenen Bescheid beitragsfähige Kosten in Höhe von 195.159,03 EUR zugrunde gelegt. Dies ist weder von der Beklagtenseite substantiiert in Frage gestellt worden, noch ist ein diesbezüglicher Fehler erkennbar.
63
Gemäß § 3 Abs. 1 EBS wird der beitragsfähige Erschließungsaufwand nach den tatsächlichen Kosten ermittelt. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 EBS wird der beitragsfähige Erschließungsaufwand für die einzelne Erschließungsanlage ermittelt. Nach § 8 EBS kann der Erschließungsbeitrag unter anderem für die Freilegung der Grundflächen, die Herstellung der Fahrbahn, die Mischflächen, die Beleuchtungseinrichtung und die Entwässerungseinrichtungen gesondert erhoben und in beliebiger Reihenfolge umgelegt werden, sobald die Maßnahme, deren Aufwand durch Teilbeträge gedeckt werden soll, abgeschlossen worden ist.
64
So liegt der Fall hier. Der Beklagte hat auf der Grundlage des Kostenspaltungsbeschlusses vom 2. März 2021 die beitragsfähigen Kosten für die genannten Teileinrichtungen ermittelt und mit 195.159,03 EUR beziffert.
65
4. Vom beitragsfähigen Aufwand ist gemäß Art. 5a KAG i.V.m. § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB, § 5 EBS ein Eigenanteil von 10%, also von 19.515,90 EUR abzuziehen, so dass der Beklagte zurecht einen umlagefähigen Aufwand in Höhe von 175.643,13 EUR zugrunde gelegt hat.
66
5. Im Rahmen der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes hat der Beklagte zurecht die Grundstücke Fl.Nrn. … berücksichtigt. Dem gegenüber hat er zurecht die Grundstücke Fl.Nrn. … und … nicht berücksichtigt. Dies ergibt sich aus Folgendem:
67
Beim Grundstück Fl.-Nr. …, welches (auch) an der streitgegenständlichen Erschließungsanlage gelegen ist, handelt es sich um eine Grünfläche. Diese ist im Bebauungsplan „…“ vom 20. März 1980 als öffentliche Grünfläche im Sinne einer Parkanlage dargestellt. Damit ist diese Fläche der Bebaubarkeit entzogen, so dass die streitgegenständliche Erschließungsanlage keine Erschließungsfunktion im Sinne einer Bebaubarkeit für diese Fläche übernehmen kann. Sie ist daher zurecht vom Beklagten nicht bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes berücksichtigt worden (Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand: Juli 2022, Rn. 823, Stichwort Grünanlagen).
68
Gleiches gilt für das Grundstück Fl.Nr. …, auf welchem ein … Friedhof gelegen ist.
69
Zum Kreis der durch die Erschließungsanlage erschlossenen und damit bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes zu berücksichtigten Grundstücke gehören nach Art. 5a Abs. 2 KAG i.V.m. § 133 Abs. 1 BauGB Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen oder wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinde zur Bebauung anstehen (Art. 5a Abs. 2 KAG i.V.m. § 133 Abs. 1 Satz 2 BauGB). Es muss sich also um Bauland handeln. Der baulichen oder gewerblichen Nutzbarkeit ist aus Sicht des Erschließungsbeitragsrechts eine andere Nutzbarkeit gleichzustellen, wenn das Grundstück für diese Nutzung erfahrungsgemäß auf die Inanspruchnahme der jeweiligen Art von Erschließungsanlage in vergleichbarer Weise angewiesen ist wie ein bebaubares oder gewerblich nutzbares Grundstück. So ist eine Gleichstellung für Grundstücke, die als Friedhof nutzbar sind, zu bejahen, wenn es um die Erschließung durch eine Verkehrsanlage geht (Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 13 Rn. 14). Denn ein solcher Friedhof zieht in der Regel Anliegerverkehr an und ist für seine bestimmungsgemäße Nutzung auf die Zugänglichkeit von der Straße angewiesen (BVerwG, U.v. 14.2.1986 - 8 C 115.84 - KStZ 1986, 90 f; Schmitz, a.a.O., Rn. 21). Denn der erschließungsbeitragsrechtliche Begriff der Nutzbarkeit umfasst nicht nur die bauliche oder gewerbliche Nutzung im engeren Sinne, vielmehr sind auch solche Nutzungen einzubeziehen, die im Hinblick auf die Erschließung der baulichen oder gewerblichen Nutzung gleichartig sind, also Ziel- und Quellverkehr verursachen und deswegen auf die Erschließung angewiesen sind (BVerwG, U.v. 1.9.2004 - 9 C 15/03 juris Rn. 19).
70
Diese für christliche bzw. weltanschaulich neutrale Friedhöfe geltenden Grundsätze sind jedoch nicht auf ein Friedhofsgrundstück einer früheren … Gemeinde - wie das vorliegende - übertragbar. Das Grundstück Fl.Nr. … wird seit alters her ausschließlich als Friedhofsgrundstück der früheren … Gemeinde von … genutzt. Es ist unbebaut. Der Friedhof wird für Bestattungen nicht mehr genutzt. Die … Gemeinde in … ist seit deren Zerstörung und der Deportation der zu ihr gehörenden Gemeindemitglieder durch das nationalsozialistische Unrechtsregime nicht mehr existent. Durch die Vertreibung und Vernichtung der … Gemeinde und der … Einwohner sind Personen, die den Friedhof für Bestattungen nutzen könnten, nicht mehr vorhanden. Ein Ziel- und Quellverkehr, der durch den Besuch der Grabstätten und die Grabpflege durch Familienangehörige, Freunde und Gartenbaubetriebe entsteht, ist für diesen Friedhof nicht feststellbar. Regelmäßige Grabpflege ist dem j* … Ritus unbekannt. Bei Besuchen aus allgemein kulturellem und historischen Interesse und bei gelegentlich notwendig werdenden Arbeiten zur Pflege und Erhaltung handelt es sich um absolut seltene Ausnahmefälle, die es nicht als zulässig erscheinen lassen, den diesbezüglichen Ziel- und Quellverkehr einem normal genutzten und besuchten Friedhof christlicher bzw. weltanschaulich neutraler Prägung gleichzustellen. Darum verbietet es sich bereits vom Ansatz her, die für die typisierende Betrachtung christlicher und weltanschaulich neutraler Friedhöfe geltenden Grundsätze auf den konkreten Fall zu übertragen (BayVGH, U.v. 8.7.1992 - 6 B 89.3378 - n.v.; Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand: Juli 2022, Rn. 822). Damit hat der Beklagte das Grundstück Fl.Nr. … zu Recht nicht bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwands berücksichtigt.
71
6. Der Beklagte hat den umlagefähigen Aufwand unter Berücksichtigung der oben genannten Grundstücke und der in der Erschließungsbeitragssatzung vorgegebenen Verteilungsregelung auf insgesamt 2.257,86 m² verteilt. Demgegenüber gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, dass sich die Gesamtverteilungsfläche auf 2.348,86 m² beläuft.
72
a) Die Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes ist in § 6 EBS wie folgt geregelt:
73
Ist - wie im vorliegenden Fall aufgrund unterschiedlicher Bebauung in einem unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB - in einem Abrechnungsgebiet eine unterschiedliche bauliche oder sonstige Nutzung zulässig, so wird der umlagefähige Erschließungsaufwand nach § 6 Abs. 2 EBS auf die Grundstücke des Abrechnungsgebiets verteilt, indem die Grundstücksflächen mit einem Nutzungsfaktor vervielfacht werden. Dieser beträgt unter anderem bei eingeschossiger Bebaubarkeit 1,0, bei mehrgeschossiger Bebaubarkeit zuzüglich je weiteres Vollgeschoss 0,3. Nach § 6 Abs. 3 Nr. 1 EBS gilt als Grundstücksfläche bei Grundstücken, die vollständig im unbeplanten Innenbereich liegen, der Flächeninhalt des Buchgrundstücks, wie es sich aus der Eintragung im Grundbuch ergibt. In unbeplanten Gebieten ist hinsichtlich der Zahl der zu berücksichtigenden Vollgeschosse bei bebauten Grundstücken die Höchstzahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse maßgeblich, bei unbebauten, aber bebaubaren Grundstücken die Zahl der auf den Grundstücken der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse. Werden in einem Abrechnungsgebiet außer überwiegend gewerblich genutzten Grundstücken auch andere Grundstücke erschlossen, so sind für die Grundstücke, die überwiegend gewerblich genutzt werden, die Nutzungsfaktoren um je 50 vom Hundert zu erhöhen. Für Grundstücke, die von mehr als einer Erschließungsanlage im Sinne des Art. 5a Abs. 2 Nr. 1 KAG erschlossen werden, ist die Grundstücksfläche bei Abrechnung jeder Erschließungsanlage nur mit zwei Dritteln anzusetzen. Dies gilt unter anderem nach Satz 2 Nr. 1 der Vorschrift nicht, wenn ein Erschließungsbeitrag nur für eine Erschließungsanlage erhoben wird und Beiträge für weitere Anlagen zu deren erstmalige Herstellung weder nach dem geltenden Recht noch nach vergleichbaren früheren Rechtsvorschriften erhoben worden sind oder erhoben werden.
74
b) Auf dieser Grundlage hat der Beklagte das 493 m² große, mit einem Vollgeschossen bebaute und zugleich an der Straße … gelegene Grundstück Fl.Nr. … zurecht mit 328,67 m² herangezogen (493 m² x NF 1,0 x 2/3 Mehrfacherschließung).
75
c) Zurecht hat der Beklagte das 419 m² große, mit zwei Vollgeschossen bebaute und zugleich an der Straße … gelegene klägerische Grundstück Fl.Nr. … mit 363,13 m² herangezogen (419 m² x NF 1,3 x 2/3 Mehrfacherschließung).
76
d) Das 674 m² große, mit zwei Vollgeschossen bebaute Grundstück Fl.Nr. … hat der Beklagte mit 584,13 m² herangezogen, dies unter Berücksichtigung einer Mehrfacherschließung und ohne Berücksichtigung einer gewerblichen Nutzung (674 m² x NF 1,3 x 2/3 Mehrfacherschließung). Die Berücksichtigung der Mehrfacherschließung gemäß § 7 EBS des lediglich ausschließlich durch die Straße … erschlossenen Grundstücks hat der Beklagte damit begründen lassen, das vormals aus den Grundstücken Fl.Nrn. … und … bestehende gesamte Grundstück sei vor dessen Teilung für die Abrechnung der Erschließungsanlage … zur Gänze herangezogen worden. Das Grundstück sei im Jahr 2020 geteilt worden. Damit erscheine es grob unbillig, das Grundstück nach der Teilung nochmals vollständig heranzuziehen, was die Gewährung eines Abschlags für Mehrfacherschließung im vorliegenden Fall rechtfertige.
77
Aus dem Grundbuch des Amtsgerichts Würzburg für die Gemarkung …, Blatt 12394, ergibt sich, das die Teilung des Grundstücks am 22. Oktober 2020 in das Grundbuch eingetragen worden ist. Damit war das Grundstück Fl.Nr. … im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht am 2. März 2021 nicht (mehr) mehrfach erschlossen. Deshalb ist es ohne einen Abschlag für Mehrfacherschließung heranzuziehen. Hieraus ergibt sich eine beitragspflichtige Grundstücksfläche von 876,20 m² (674 m² x NF 1,3). Soweit der Beklagte die Meinung vertritt, eine Heranziehung des Grundstücks ohne Berücksichtigung eines Abschlags für Mehrfacherschließung sei grob unbillig, so wäre er gehalten, dem über Art. 5a Abs. 2 KAG i.V.m. § 135 Abs. 5 Satz 1 BauGB nachzugehen, dies allerdings zu Lasten der Allgemeinheit und nicht zu Lasten der anderen Erschließungsbeitragspflichtigen (Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 19 Rn. 14).
78
Demgegenüber hat der Beklagte zurecht zu Lasten von Grundstück Fl.Nr. … keinen Artzuschlag nach § 6 Abs. 10 Satz 1 EBS aufgrund gewerblicher Nutzung angesetzt. Zwar wird - wie der Augenscheinstermin ergeben hat - im Untergeschoss des Anwesens ein Nagelstudio betrieben, jedoch ist nicht erkennbar, dass das Grundstück damit überwiegend, also zu mehr als 50% gewerblich genutzt wird. Für das Anwesen liegt eine Gewerbeanmeldung vom 6. September 2005 mit der angemeldeten Tätigkeit Kosmetikstudio, Fußpflege vor. Im Rahmen des Augenscheinstermins war erkennbar, dass dieses Gewerbe lediglich im Untergeschoss des Anwesens betrieben wird. Die dort befindliche Einliegerwohnung weist gemäß dem Bauantrag vom 13. Mai 1997 (Formblatt Wohnflächenberechnung) 50 m² auf. Das gesamte Anwesen hat eine anrechenbare Wohnfläche von 200,06 m². Hieraus ergibt sich eine gewerbliche Nutzung von weit unter 50%, so dass kein Artzuschlag anzusetzen war.
79
e) Der Beklagte hat das 464 m² große unbebaute Grundstück Fl.Nr. … aufgrund einer zweigeschossigen Bebaubarkeit gemäß der Umgebungsbebauung (§ 34 BauGB) mit einem Nutzungsfaktor von 1,3 und einer anrechenbaren Grundstücksfläche von 603,20 m² berücksichtigt. Unabhängig hiervon hat der Beklagte das unbebaute 437 m² große Grundstück Nr. … ebenfalls mit einem Nutzungsfaktor von 1,3 und einem Abschlag für Mehrfacherschließung durch die Straße … mit 378,73 m² berücksichtigt. Dem kann das Gericht so nicht folgen. Beide Grundstücke sind als Einheit unter Gewährung eines Abschlags für Mehrfacherschließung zu berücksichtigen. Dies ergibt sich aus Folgendem:
80
Im Rahmen des Erschließungsbeitragsrechts und damit auch bei der Anwendung von Art. 5a Abs. 2 KAG i.V.m. § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist bei der Verteilung des umlagefähigen Erschließungsaufwandes auf die von der Erschließungsanlage bevorteilten Grundstücke im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich vom bürgerlich-rechtlichen Begriff des Grundstücks im Sinne des Grundbuchrechts auszugehen (BayVGH, U.v. 14.11.2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 33 m.w.N.). Dieser Grundsatz gilt auch für mehrfach erschlossene Grundstücke. Liegt ein Grundstück an mehreren Anbaustraßen, so ist es, wenn dem Grundstück die beitragsrechtlich relevante Nutzbarkeit durch jede dieser Straßen vermittelt wird, grundsätzlich durch jede dieser Straßen hinsichtlich seiner gesamten Fläche erschlossen. Lediglich im Ausnahmefall kann es Fallgestaltungen geben, bei denen erkennbar eindeutig angenommen werden muss, ein Grundstück sei durch eine bestimmte Anbaustraße ausnahmsweise nur hinsichtlich einer Teilfläche erschlossen, so dass es deshalb nur mit einer Teilfläche an der Verteilung des umlagefähigen Aufwands Teil nimmt (BVerwG, U.v. 27.6.1985 - 8 C 30.84 - BVerwGE 71, 373/365; BayVGH, U.v. 14.11.2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 33; Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 13 Rn. 7 u. Rn. 8).
81
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Grundbuch des Amtsgerichts Würzburg für …, Band 243, Blatt 9.700, die Existenz eines Buchgrundstückes, welches aus den Fl.Nrn. … und … besteht. Die aus den Fl.Nrn. … und … bestehende Grundstückseinheit ist sowohl an der streitgegenständlichen Erschließungsanlage … als auch an der Erschließungsanlage … gelegen. Die weitere zu diesem Buchgrundstück gehörende Teilfläche Fl.Nr. … mit der postalischen Anschrift … ist räumlich getrennt von den Teilflächen Fl.Nrn. … und … in etwa 350 m Luftlinie entfernt gelegen und damit nicht von der Straße … erschlossen. Damit ist eindeutig erkennbar, dass das aus den Fl.Nrn. … und … bestehende Buchgrundstück durch die streitgegenständliche Erschließungsanlage … nur hinsichtlich der Teilflächen … und … erschlossen wird und deshalb nur mit deren Teilflächen an der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes teilnimmt.
82
Allerdings sind die Fl.Nrn. … und … insoweit als einheitliches Grundstück zu berücksichtigen.
83
Zurecht hat der Beklagte für diese beiden Teilflächen, die unbebaut sind, im Rahmen des § 34 BauGB aufgrund der Umgebungsbebauung eine Bebaubarkeit mit zwei Vollgeschossen angenommen. Dies ergibt sich aus der Einnahme des Augenscheins, welcher zur Erkenntnis und zur diesbezüglichen Einigkeit der Parteien geführt hat, dass im wesentlichen sämtliche Grundstücke der näheren Umgebung mit zwei Vollgeschossen bebaut sind.
84
Allerdings ist das aus den Fl.Nrn. … und … bestehende insgesamt 901 m² große Grundstück nicht nur - wie oben ausgeführt - mit einem Nutzungsfaktor von 1,3 für eine zweigeschossige Bebaubarkeit, sondern auch mit einem Abschlag für Mehrfacherschließung zu berücksichtigen, dies deshalb, weil das aus beiden Teilflächen bestehende Grundstück nicht nur an der streitgegenständlichen Erschließungsanlage …, sondern zugleich auch an der Erschließungsanlage … gelegen ist. Hieraus ergibt sich eine zu berücksichtigende Grundstücksfläche von 780,87 m² ((464 m² + 437 m²) x NF 1,3 x 2/3 Mehrfacherschließung).
85
f) Hieraus ergibt sich, das anstelle der vom Beklagten herangezogenen 2.257,86 m² beitragspflichtige Grundstücksfläche eine solche von 2.348,86 m² zu berücksichtigen ist. Unter Berücksichtigung des oben dargestellten umlagefähigen Aufwandes in Höhe von 175.643,13 EUR errechnet sich ein Beitragssatz von 74,7780327 EUR pro m².
86
7. Die sachliche Beitragspflicht ist am 2. März 2021 entstanden.
87
Gemäß Art. 5a KAG i.V.m. § 133 Abs. 2 Satz 1, Halbs. 1 BauGB entsteht die Beitragspflicht mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage. Dies bedeutet, dass sie technisch endgültig fertiggestellt und damit erstmals hergestellt ist. Sämtliche gemäß § 8 EBS vorgegebenen Teileinrichtungen müssen vorhanden sein und auch das konkrete für die Anlage (auch formlos) vorhandene Bauprogramm muss in vollem Umfang erfüllt sein. Solange die Anlage hinter dem Bauprogramm zurückbleibt, ist sie noch nicht endgültig hergestellt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Gemeinde ein weitergehendes Bauprogramm aufgibt (vgl. zu allem Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 15 Rn. 5 und Rn. 6). Eine weitere Voraussetzung für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht ist, dass die Beitragshöhe berechnet werden kann. Damit muss die Größe der erschlossenen Grundstücksflächen quadratmetergenau und die Höhe des auf diese Flächen umzulegenden Aufwands centgenau feststehen bzw. bestimmbar sein. Letzteres ist dann möglich, wenn die letzte Unternehmerrechnung bei der Gemeinde eingegangen ist (Schmitz, a.a.O., § 15 Rn. 7 bis Rn. 9). Zudem muss eine gültige Erschließungsbeitragssatzung vorhanden sein, die Anlage muss gewidmet sein und es muss eine Rechtsgrundlage für ihre Herstellung nach Maßgabe des § 125 BauGB existieren (vgl. zu allem Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 15 Rn. 5 ff. u. Rn. 15).
88
Allerdings kann die Beitragspflicht in einzelnen Teilen bereits früher zum Entstehen gebracht werden, nämlich im Falle einer Kostenspaltung. Gemäß Art. 5a Abs. 5 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 6 KAG kann der Beitrag für den Grunderwerb, die Freilegung und Verteilung der nicht leitungsgebundenen Einrichtung selbstständig erhoben werden (Kostenspaltung). Dies bedeutet, dass Teileinrichtungen wie Fahrbahn, Gehwege, Beleuchtung und Entwässerung, die sich regelmäßig durch die ganze Länge der Anlage ziehen, jeweils separat im Sinne einer Längsspaltung endgültig abgerechnet werden können (Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 18 Rn. 4). Voraussetzung hierfür ist eine entsprechende Regelung in der Erschließungsbeitragssatzung sowie - für den Fall, dass diese Möglichkeit in der Erschließungsbeitragssatzung fakultativ und nicht zwingend vorgeschrieben ist - eine Entscheidung des zuständigen Gemeindeorgans. Liegen diese Voraussetzungen vor, entstehen die sachlichen Beitragspflichten für Teilbeiträge, sobald die Maßnahmen, deren Aufwand durch Teilbeiträge gedeckt werden soll, abgeschlossen sind (vgl. hierzu § 133 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BauGB). Um die betroffene Teilbeitragspflicht zum Entstehen zu bringen, gelten grundsätzlich die weiteren oben dargestellten Voraussetzungen für das Entstehen der Vollbeitragspflicht, allerdings lediglich bezogen auf den abgespaltenen Teil. Eine Widmung der Anlage ist jedoch grundsätzlich nicht erforderlich (Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 18 Rn. 10). In welcher Reihenfolge die Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Teilbeitragspflichten eintreten, ist unerheblich. Liegen alle weiteren oben genannten Voraussetzungen vor, so entsteht die Teilbeitragspflicht mit dem Ausspruch der Kostenspaltung durch das zuständige Gemeindeorgan (Schmitz, a.a.O., § 18 Rn. 11 u. Rn. 12).
89
Im Rahmen der Kostenspaltung lagen diese Voraussetzungen für die Entstehung der Teilbeitragspflichten Freilegung der Grundflächen, Herstellung der Fahrbahn, der Mischflächen, der Beleuchtungssowie der Entwässerungseinrichtungen am 2. März 2021 vor.
90
a) Gemäß § 8 EBS kann der Erschließungsbeitrag unter anderem für die Freilegung der Grundflächen, für die Fahrbahn, für die Mischflächen, für die Beleuchtungseinrichtungen und für die Entwässerungseinrichtungen gesondert erhoben und in beliebiger Reihenfolge umgelegt werden, sobald die Maßnahme, deren Aufwand durch Teilbeiträge gedeckt werden soll, abgeschlossen ist. Aus dem vom Beklagten vorgelegten Auszug aus dem Protokollbuch der Marktgemeinderatssitzung am 2. März 2021 ergibt sich der Beschluss des Marktgemeinderats, für die Abrechnung der erschließungsbeitragspflichtigen Kosten der Erschließungsanlage „…“ entsprechend den Regelungen des § 8 der Erschließungsbeitragssatzung die Teilbeitragserhebung im Wege der Kostenspaltung für die Freilegung der Grundflächen, die Herstellung der Fahrbahn, die Mischflächen, die Beleuchtungseinrichtungen und die Entwässerungseinrichtungen durchzuführen.
91
Gemäß § 9 Abs. 3 Ziffer 2 i.V.m. § 1, § 2 GeschO ist der Marktgemeinderat für diese Entscheidung zuständig.
92
Die Entscheidung ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Sie entspricht den oben genannten rechtlichen Vorgaben und wurde als innerdienstlicher Ermessungsakt (Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 18 Rn. 7) damit begründet, aufgrund des noch nicht abgeschlossenen Grunderwerbs solle eine Teilbeitragserhebung bis zum 31. März 2021 durchgeführt werden, denn es sei möglich, das für die Erschließungsanlage noch nicht die volle Beitragspflicht bis Ende März entstehe und deshalb keine endgültigen Erschließungsbeiträge erhoben werden können.
93
Dieser Erwägung ist sachgerecht, denn allein die Möglichkeit - ohne dass dies wegen möglicher schwierig zu entscheidender Rechtsfragen sicher wäre -, dass die Erschließungsbeiträge auf der Grundlage von Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG ab dem 1. April 2021 nicht mehr erhoben werden könnten, rechtfertigt die dargestellte Ermessenserwägung.
94
Die Entscheidung des Marktgemeinderats, eine Abrechnung im Wege der Kostenspaltung durchzuführen, ist auch nicht etwa deswegen unwirksam, weil die weiteren Teilbeitragspflichten nicht mehr vor dem 1. April 2021 entstehen konnten, dies mit der Folge, dass sie möglicherweise unter die Ausschlussfrist des Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG fallen. Denn die Frage, ob ein Kostenspaltungsbeschluss ergehen kann, wenn auf der Hand liegt, dass die weiteren Teilbeitragspflichten auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 7 Satz 2 KAG nicht mehr entstehen können, stellt sich im vorliegenden Fall nicht. Dies ergibt sich aus Folgendem:
95
Nach Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG kann nach diesem Gesetz kein Erschließungsbeitrag mehr erhoben werden, sofern seit dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung einer Erschließungsanlage mindestens 25 Jahre vergangen sind. Diese Vorschrift ist erst am 1. April 2021 in Kraft getreten (§ 2 Abs. 2 Gesetz vom 8.3.2016 - GVBl. S. 36). Dieser Regelung liegt der Erwägung des Gesetzgebers (LT -DRS 17 8225, S. 16 bis 17) zugrunde, es sei deren Sinn und Zweck, Rechtssicherheit für Gemeinden wie Anlieger zu schaffen. Im Zweifel sollten deshalb möglichst viele bisher nicht von § 242 Abs. 1 BauGB, dem neuen Art. 5a Abs. 7 Satz 1 KAG, erfasste „Altanlagen“ der Anwendung des Erschließungsbeitragsrechts entzogen werden. Maßgeblich für die Bestimmung der Länge dieser gesetzlichen Frist war unter anderem die Überlegung, dass der Beitragsschuldner - auch ohne Eintritt der Vorteilslage - fortgesetzt die Möglichkeit habe, die noch unvollständige öffentliche Einrichtung zu nutzen. Zudem müsse die Frist auch so gewählt werden, dass die Kommunen nach dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung ausreichend Zeit hätten, um die Erschließungsanlagen fertigzustellen und die Festsetzung der Abgabe vorzunehmen. Die Festsetzung sei erst möglich, wenn die Abgabeschuld entstanden sei. Es sei eine Vielzahl von Fallgestaltungen denkbar, in denen die Kommune gehindert sei, die Abgabe festzusetzen. Aus der Erwägung heraus, dass die Entstehung der Abgabeschuld unter Umständen zeitlich weit nach dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung liegen könne und dass die Abrechnung wiederum eine gewisse Zeit in Anspruch nehme, müsse der Kommune ausreichend Zeit eingeräumt werden, um ihre Ansprüche geltend zu machen.
96
Hieraus ergibt sich, dass nicht jede Vornahme technischer Arbeiten den Beginn der erstmaligen technischen Herstellung bedeutet.
97
Auch wenn der Gesetzgeber eine möglichst großzügige Regelung schaffen wollte, ergibt sich aus der Gesetzesformulierung und aus den oben genannten Gesetzesmaterialien, dass diese nicht vorbehaltlos an die Vornahme jeglicher technischen Baumaßnahme an einer Straße anknüpfen. Zunächst ist festzustellen, dass Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG auf eine „Erschließungsanlage“ abstellt. Dies bedeutet, dass der Fristlauf des Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG zumindest so lange nicht beginnen kann, wie die Straße keine Erschließungsfunktion hat, dies unabhängig von allen planerischen oder technischen Fragen (VG Ansbach, B.v. 18.7.2022 - AN 3S 22.00309 - juris Rn. 88). Besitzt eine Straße diese Funktion, kommt es für den Beginn der Frist auf technische Baumaßnahmen an der Straße an, die zielgerichtet vorgenommen werden, um nach ihrem Abschluss gemäß der vorhandenen Planung (Bauprogramm) sämtliche technischen Merkmale einer Erschließungsanlage zu erfüllen. Das Erfordernis, dass die Baumaßnahmen eine derartige Zielrichtung aufweisen müssen, ergibt sich aus der Überlegung des Gesetzgebers, die Länge der Frist ab dem Beginn der technischen Herstellung so zu wählen, dass ausreichend Zeit zur Verfügung steht, um die „Erschließungsanlage“ „fertigzustellen“ und „die Festsetzung der Abgabe“ vorzunehmen. Dies bedeutet, dass Baumaßnahmen ohne die Zielrichtung, eine Erschließungsanlage her- und fertigzustellen sowie abzurechnen, den Fristlauf des Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG nicht in Gang setzen kann. Im Übrigen kommt es auf den Beginn einer in der Realität erkennbaren tatsächlichen Maßnahme („erster Spatenstich“) an (dies zu irgendeinem Zeitpunkt, auch schon vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesbaugesetzes/Baugesetzbuches zum 30.6.1961, vgl. hierzu Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 1 Rn. 38), denn nur so kann der potenziell Beitragspflichtige unter Berücksichtigung einer bei der Kommune einsehbaren Bauplanung erkennen, ob er sich in Zukunft auf die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag einstellen muss. Nur in diesem Fall entsteht eine Unsicherheit hinsichtlich der Frage, wann die finanzielle Leistung von ihm gefordert wird, die der Gesetzgeber sodann unter Berufung auf den Gesichtspunkt der Rechtssicherheit (vgl. die oben zitierten Gesetzesmaterialien) mit der von ihm gewählten Frist nach 25 Jahren beenden will. All dies macht deutlich, dass Baumaßnahmen, die auf die Herstellung eines Provisoriums gerichtet sind, die Frist des Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG nicht in Gang setzen können (vgl. zur gesamten Problematik auch Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand: Juli 2022, Rn. 1.101a m.w.N.).
98
Auf dieser Grundlage ist festzustellen, dass Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG auch ab dem 1. April 2021 auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finden könnte, so dass die Frage, ob ein Kostenspaltungsbeschluss Teilbeitragspflichten hinsichtlich einer Erschließungsanlage entstehen lassen kann, deren endgültige erstmalige Herstellung auf einen Zeitpunkt nach dem 31. März 2021 fällt und für welche ab dem 1. April 2021 auf der Grundlage von Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG keine Erschließungsbeiträge mehr erhoben werden können, nicht beantwortet werden muss. Denn im vorliegenden Fall ist nicht erkennbar, dass zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem Beginn der nunmehr abgerechneten Baumaßnahmen mit der planmäßigen erstmaligen Herstellung der streitgegenständlichen Erschließungsanlage begonnen worden ist, dies unabhängig von der Frage, ab wann die Straße Erschließungsfunktion hatte. Dies gilt insbesondere für die im Jahr 1996 vorgenommenen Asphaltierungsarbeiten. Unter Berücksichtigung von § 7 Abs. 1 der damals angewendeten Erschließungsbeitragssatzung vom 16. Dezember 1987 war schon zum damaligen Zeitpunkt ein Merkmal der endgültigen Herstellung einer Erschließungsanlage unter anderem eine Asphaltdecke neuzeitlicher Bauweise mit dem technisch notwendigen Unterbau. Ein solcher Unterbau wurde gemäß den Angaben des Beklagten, denen die Klägerseite nicht substantiiert widersprochen hat, bei den Asphaltierungsarbeiten im Jahr 1996 nicht erstellt. Vielmehr wurde auf die vorhandene Schotterschicht des damaligen Feldweges lediglich eine Asphaltschicht aufgetragen. Hinzu kommt, dass in diesem Zusammenhang keinerlei Beginn von Bauarbeiten zur Errichtung einer Straßenentwässerung erkennbar sind, also insbesondere keine Maßnahmen zur Führung des anfallenden Regenwassers durch Rand- oder Rinnsteine und keine Gullys oder Straßengräben, durch welche das Regenwasser geordnet hätte abfließen können. Vielmehr weist die aufgebrachte Asphaltschicht einen „Flatterrand“ auf, so dass nichts darauf hindeutet, dass hier noch weitere Bauarbeiten zur Errichtung einer Straßenentwässerung beabsichtigt waren. Unterlagen, aus denen sich weiteres ergeben könnte, konnte der Beklagte nicht vorlegen.
99
Auch für die Zeit vor 1996, also vor der Aufbringung der Asphaltschicht, ist nicht erkennbar, dass mit der Aufbringung der bloßen Schotterschicht ohne jegliche Entwässerungsmaßnahmen mit der endgültigen erstmaligen Herstellung der Erschließungsanlage begonnen worden ist. Denn eine solche Entwässerungsanlage war zumindest in einfacher Form auch vor dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes/Baugesetzbuches zum 30. Juni 1961 bei der Herstellung einer Erschließungsanlage erforderlich. Selbst in sehr kleinen landwirtschaftlich geprägten Gemeinden war diesbezüglich zumindest ein offener Graben erforderlich (Schmitz, vorhandene Erschließungsanlagen im Sinn des § 242 Abs. 1 BauGB aus bayerischer Sicht, BayVBl. 2014, 613 ff., Ziffer III.2.c) bb) (4)). Anhaltspunkte dafür, dass mit der Schotterung des Weges auch die Herstellung einer - wenn auch einfachen - Straßenentwässerung geplant war, sind nicht einmal ansatzweise vorhanden.
100
All dies macht deutlich, dass der Beschluss des Marktgemeinderates vom 2. März 2021 zur Beitragserhebung im Rahmen der Kostenspaltung nicht auf der Grundlage von Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG unwirksam sein kann.
101
c) Die entsprechend dem Bauprogramm geplanten Baumaßnahmen für die im Rahmen des Kostenspaltungsbeschlusses abzurechnenden Teileinrichtungen sind abgeschlossen. Dies hat der Beklagte nachvollziehbar dargestellt, der Kläger hat dies nicht substantiiert bestritten. Gemäß den Angaben des Beklagten (Blatt 198 Rückseite der Gerichtsakte) ist die letzte Unternehmerrechnung für die Baumaßnahmen am 21. Dezember 2020 eingegangen. Damit konnte ab diesem Zeitpunkt die Beitragshöhe auf der Grundlage der feststehenden von der Anlage erschlossenen Grundstücksflächen bestimmt werden.
102
d) Auch eine Rechtsgrundlage gemäß § 125 BauGB für die rechtmäßige Errichtung der Erschließungsanlage ist vorhanden.
103
Nach § 125 Abs. 1 BauGB setzt die Herstellung der Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 einen Bebauungsplan voraus. Liegt ein Bebauungsplan nicht vor, so dürfen nach § 125 Abs. 2 BauGB diese Anlagen nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Abs. 4 bis 7 bezeichneten Anforderungen entsprechen. Diese Vorschrift konkretisiert das allgemeine Planerfordernis nach § 1 Abs. 3 BauGB. Hierbei handelt es sich um eine rein erschließungsrechtliche Anforderung, die deshalb in Art. 5a Abs. 2 KAG, der Verweisungsnorm des Bayerischen Erschließungsbeitragsrechts, keine Berücksichtigung finden muss. Diese Vorschrift ist jedoch für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen deshalb maßgeblich, weil Erschließungsbeitragspflichten erst dann entstehen können, wenn eine Straße erschließungsrechtlich rechtmäßig hergestellt ist. Denn ist dies nicht der Fall, ist der rechtliche Zustand der Anlage nicht gesichert und eine solche müssten möglicherweise wieder zurückgebaut werden, um rechtmäßige Verhältnisse zu schaffen (Schmitz, Erschließungsbeiträge, § 18, § 7 Rn. 2 und Rn. 28).
104
Im vorliegenden Fall hat der Beklagte zwar keinen Bebauungsplan als Rechtsgrundlage für die Herstellung der streitgegenständlichen Erschließungsanlage aufgestellt, er hat jedoch eine Abwägungsentscheidung nach § 125 Abs. 2 BauGB getroffen.
105
Diese bebauungsplanersetzende Abwägungsentscheidung ist inhaltlich an denselben Maßstäben ausgerichtet wie die entsprechende Ausweisung der Anlage in einen Bebauungsplan. Sie stellt einen internen Vorgang dar, an den das Gesetz keine besonderen formellen Anforderungen stellt. Allerdings muss ein Planungsakt durchgeführt und in geeigneter Form dokumentiert worden sein. Die gerichtliche Überprüfung der Abwägungsentscheidung hat die planerische Gestaltungsfreiheit der Gemeinde zu beachten, welcher es obliegt, die städtebaulichen Ziele zu setzen. Sie allein bestimmt, welches Gewicht einzelnen Belangen der konkreten Situation zukommt. Allerdings dürfen die Grenzen der Gestaltungsfreiheit nicht überschritten werden (Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 7 Rn. 9 bis 14 m.w.N.).
106
Auf dieser Grundlage ist die Abwägungsentscheidung des nach § 9 Abs. 3 Ziffer 2 Buchst. a GeschO zuständigen Bau- und Umweltausschusses vom 10. März 2020 nicht zu beanstanden. In die Abwägung der öffentlichen und privaten Belange ist alles eingestellt worden, was berücksichtigungsbedürftig war. Eine Verkennung von Belangen und deren Gewicht ist nicht erkennbar. Insbesondere kann das Gericht der Auffassung der Klägerseite nicht folgen, die Abwägung habe die Abgrenzung der Anlage nicht hinreichend in den Blick genommen. Denn der Beginn und das Ende der Erschließungsanlage und damit des Bereichs, auf welchen sich die Abwägung bezieht, ergibt sich schon daraus, das - wie oben ausgeführt - der sich nach Nordwesten fortsetzende Straßenzug … sowie die sich nach Südosten fortsetzende Straße … bereits in der Vergangenheit unter Zugrundelegung einer entsprechenden rechtlichen Grundlage erstmals endgültig hergestellt worden sind. Hieraus ergibt sich ohne weiteres Argumentationsbedürfnis Beginn und Ende der vorliegenden Erschließungsanlage.
107
e) Eine Widmung ist - wie oben ausgeführt - bei einer Teilbeitragserhebung im Rahmen der Kostenspaltung nicht erforderlich, da in diesem Rahmen die Straße in ihrer Gesamtheit noch nicht erstmals endgültig hergestellt sein muss und damit auch noch nicht mittels einer Widmung der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt worden sein muss.
108
8. Persönlich beitragspflichtig ist im vorliegenden Fall der Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. … im Zeitpunkt des Entstehens der Teilbeitragspflicht mit Zugang des angegriffenen Bescheides vom 25. März 2021, also der Kläger (Art. 5a Abs. 2 KAG i.V.m. § 135 Abs. 1 BauGB).
109
9. Der Kläger kann sich im vorliegenden Verfahren nicht auf den Erlassbescheid vom 26. Juli 2021 berufen, mit welchem ihm der Beklagte den Erschließungsbeitrag gemäß § 135 Abs. 5 BauGB in Höhe von 9.637,47 EUR erlassen hat.
110
Gemäß Art. 5a Abs. 2 KAG i.V.m. § 135 Abs. 5 Satz 1 BauGB kann die Gemeinde im Einzelfall von der Erhebung des Erschließungsbeitrages ganz oder teilweise absehen, wenn dies im öffentlichen Interesse oder zur Vermeidung unbilliger Härten geboten ist. Mit dem Erlass erlischt die Beitragsforderung (Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 19 Rn. 14). Dies spielt jedoch für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren, in welchem der Kostenspaltungsbescheid vom 25. März 2021 angefochten ist, keine Rolle, weil - wie oben ausgeführt - das Gericht im Rahmen der hier vorliegenden Anfechtungsklage auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier also auf den 25. März 2021, abstellt. Wird die diesbezügliche verwaltungsgerichtliche Entscheidung rechtskräftig, errechnet sich anschließend aus der Höhe des zurecht festgesetzten Erschließungsbeitrags und aus dem Erlassbescheid die Höhe des anschließend noch existenten und damit zu zahlenden Erschließungsbeitrages.
111
10. Damit hat der Beklagte gegenüber dem Kläger zurecht zu Lasten von dessen Grundstück Fl.Nr. … im Rahmen der Kostenspaltung einen Teilbeitrag für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage am Trieb in Höhe von 27.154,15 EUR festgesetzt. Deshalb erweist sich der angegriffene Bescheid vom 25. März 2021 insoweit als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Soweit der angegriffene Bescheid einen höheren Beitrag als 27.154,15 EUR festsetzt und einen Zahlungsbefehl in selber Höhe ausspricht, ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insoweit war der Klage stattzugeben, im Übrigen war sie abzuweisen.
112
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.