Titel:
Baueinstellung – Gesamtvorhaben der Errichtung einer mobilen Wohnbox bzw. eines Tiny-Houses
Normenketten:
BayBO Art. 75
LStVG Art. 9 Abs. 1
Leitsätze:
1. Als Voraussetzung für eine Baueinstellungsverfügung genügen objektive konkrete Anhaltspunkte, die es wahrscheinlich machen, dass ein dem öffentlichen Baurecht widersprechender Zustand geschaffen wird, nicht dagegen auch die tatsächliche Bestätigung dieser Vermutung. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Baueinstellungsverfügung beinhaltet noch keine Entscheidung über die Genehmigungsfähigkeit der vorgenommenen Arbeiten, sondern soll nur sicherstellen, dass die Prüfung und Entscheidung aufgrund ordnungsgemäßer (tektierter) Bauvorlagen in dem dafür vorgesehenen Verfahren erfolgt und bis dahin keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden. Die Baueinstellung scheidet erst aus, wenn auf Grund der Umstände des Einzelfalles eindeutig feststeht, dass das Vorhaben fertig gestellt ist. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Bauherr muss nicht Eigentümer oder Verfügungsberechtigter sein. Bauherr kann auch sein, wer gegenüber der Bauaufsichtsbehörde als solcher aufgetreten ist, zB durch Bauantragstellung, Entgegennahme der Baugenehmigung oder behördlicher Mitteilungen, Verhandlungen mit der Behörde oder wer sonst ein Verhalten gegenüber der Behörde gezeigt hat, aus dem sie entnehmen muss, dass er der richtige Adressat einer bauaufsichtlichen Maßnahme ist. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anfechtungsklage, Baueinstellung, Vorhaben teilweise fertiggestellt, Zufahrt und Untergrundbefestigung, Tiny-House, Handlungsstörer, intendiertes Ermessen, Störerauswahl
Fundstelle:
BeckRS 2022, 42608
Tenor
I. Die Ziffern I a) und III des Bescheids der Stadt W. vom 16. März 2022 werden aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen eine zwangsgeldbewehrte Baueinstellungsverfügung.
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1. Mit Antrag vom 16. September 2021, bei der Beklagten eingegangen am 4. Oktober 2021, beantragte der Kläger die Erteilung eines Bauvorbescheids für die Errichtung einer mobilen Wohnbox für Freizeit und Urlaub auf den Grundstücken Fl.Nrn. … und … der Gemarkung … (Baugrundstücke), welche im Eigentum des Sohnes des Klägers stehen und im Außenbereich gelegen sind. Mit Schreiben vom 14. Oktober 2021, 25. Januar 2022 und 7. März 2022 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein Vorhaben nicht genehmigungsfähig sei.
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2. Bei einer am 14. März 2022 durchgeführten Baukontrolle stellte die Beklagte ausweislich des Kontrollberichts fest, dass damit begonnen worden sei, einen alten Feldweg, der vom … in … … zu den Gartengrundstücken …“ führt, mit Schotter zu ertüchtigen. Im weiteren Verlauf sei eine geschotterte B. straße angelegt worden, die über die im Eigentum einer Privatperson bzw. der Beklagten stehenden Grundstücke Fl.Nrn. … und … der Gemarkung … verlaufe und auf dem Baugrundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … ende. Es liege der Verdacht nahe, dass hier eine bauliche Anlage errichtet werden solle. Nachdem der Sohn des Klägers telefonisch nicht erreicht werden konnte, wandte sich der Baukontrolleur an den Kläger, gegenüber dem er telefonisch eine Baueinstellung verfügte.
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3. Mit Bescheid vom 16. März 2022, zugestellt am 19. März 2022, verpflichtete die Beklagte den Kläger unter Ziffer I dazu, die Bauarbeiten zur Herstellung (a) einer B. straße vom … in … … zu den Flurstücken … und … der Gemarkung … sowie (b) einer Untergrundbefestigung auf den Flurstücken … und … der Gemarkung … unverzüglich einzustellen. Unter Ziffer II wurde die sofortige Vollziehung angeordnet und unter den Ziffern III und IV für den Fall der Nichteinhaltung der Ziffern I a) und b) jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von je 2.000,00 EUR angedroht. Zur Begründung des Bescheids führte die Beklagte im Wesentlichen aus: Rechtsgrundlage für die Baueinstellung sei Art. 75 Abs. 1 BayBO. Die baulichen Maßnahmen seien genehmigungspflichtig. Die Voraussetzungen für eine Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 15b BayBO lägen nicht vor. Eine Baugenehmigung für das Gesamtvorhaben sei nicht erteilt worden, ebenso wenig ein Bauvorbescheid. Die Baueinstellungsverfügung sei an den Kläger zu richten. Aufgrund des eingereichten Antrags auf Vorbescheid und des im Rahmen des bauaufsichtlichen Verfahrens ergangenen Schriftverkehrs sei davon auszugehen, dass die Bauarbeiten zur Realisierung des Vorhabens vom Kläger veranlasst worden seien. Ferner sei vom Kläger gegenüber dem Baukontrolleur nichts Gegenteiliges dargelegt worden. Als Bauherr sei er daher Handlungsstörer i.S.v. Art. 9 Abs. 1 LStVG. Die Androhung des Zwangsmittels stütze sich auf Art. 19, 29, 30 und 36 VwZVG.
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4. Am 22. März 2022 erhob der Kläger, vertreten durch seine eigene Person als Bevollmächtigter, beim Verwaltungsgericht Würzburg Klage, zuletzt mit dem Antrag, die Ziffern I, III, IV und V des Bescheids der Stadt W. vom 16. März 2022 aufzuheben.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen: Der Kläger sei kein Handlungsstörer. Er habe weder eine B. straße noch eine Untergrundbefestigung errichtet oder in Auftrag gegeben. Ein Rechtsanwalt handle grundsätzlich in fremdem Namen. Außerdem sei keine B. straße errichtet, sondern lediglich ein bestehender Weg ertüchtigt worden. Die Ertüchtigung des bestehenden Wegs sei vor Erlass des Bescheids abgeschlossen gewesen. Auch die Schotterarbeiten an der Untergrundbefestigung seien beendet worden. Der Bescheid gehe daher ins Leere. Der Berechtigte halte sich jederzeit an die gesetzlichen Vorschriften.
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5. Die Beklagte beantragte,
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Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus: Die Bauarbeiten zur Herstellung der B. straße und der Untergrundbefestigung seien zum Zeitpunkt der mündlichen Baueinstellung noch nicht fertiggestellt gewesen. Aus den vorliegenden Umständen sei nicht eindeutig erkennbar gewesen, dass die baulichen Maßnahmen abgeschlossen seien. Der Schotter auf dem Zufahrtsweg habe noch verdichtet werden müssen. Bei der Untergrundbefestigung sei davon auszugehen gewesen, dass entsprechend der Planung im Vorbescheidsverfahren noch eine vorgefertigte Stahlkonstruktion und die erforderlichen Vorrichtungen zur Erschließung der baulichen Anlagen mit Wasser, Kanal und Strom hergestellt würden. Diese Annahmen würden durch die Baukontrolle vom 20. April 2022 belegt. Die Inanspruchnahme des Klägers als Adressaten der Baueinstellung sei nach pflichtgemäßem Ermessen erfolgt. Bei der Auswahl des Heranzuziehenden seien die konkreten Umstände des Einzelfalls, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie das Gebot eines schnellen und effektiven bauaufsichtlichen Einschreitens beachtet worden. Es sei nicht erkennbar gewesen, dass der Kläger als anwaltlicher Vertreter für einen Dritten gehandelt habe. Der Kläger habe gegenüber der Beklagten nicht kundgetan, nicht selbst die Bauarbeiten in Auftrag gegeben zu haben. Anhand der Sachlage habe sich der Kläger als Verantwortlicher, der die Verfügungsgewalt für eine entschiedene und nachhaltige Unterlassung der Bauarbeiten habe, abgezeichnet.
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6. Im Rahmen einer weiteren, am 20. April 2022 durchgeführten Baukontrolle stellte die Beklagte ausweislich des Kontrollberichts fest, dass auf dem Baugrundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … Erdarbeiten mit einem Radlader und einem Minibagger durchgeführt worden seien. Der angetroffene Maschinenführer habe gegenüber dem Baukontrolleur angegeben, vom Sohn des Klägers mit den aktuellen Erdarbeiten sowie mit Ertüchtigung und Anlegung der B. straße im März 2022 beauftragt worden zu sein. Der Maschinenführer habe außerdem angegeben, dass die B. straße laut den Erklärungen des Sohnes des Klägers dazu genutzt werden solle, ein sog. Tiny-House zu befördern, das auf der geschotterten Fläche aufgestellt werden solle. Weiterhin sprach der Baukontrolleur ausweislich des Kontrollberichts eine Baueinstellungsverfügung gegenüber dem anwesenden Maschinenführer und - telefonisch - gegenüber dem Kläger aus, der zuvor angegeben hatte, im Namen und in Bevollmächtigung seines Sohnes zu sprechen; der gegenüber dem Sohn des Klägers verfügte Baueinstellungsbescheid vom 26. April 2022 ist Gegenstand des Verfahrens W 5 K …
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7. Am 29. September 2022 nahm das Gericht die örtlichen und baulichen Verhältnisse im Bereich der Baugrundstücke in Augenschein. Auf das zugehörige Protokoll wird Bezug genommen. Die mündliche Verhandlung fand am 15. Dezember 2022 statt, zu deren Ablauf ebenfalls auf das zugehörige Protokoll Bezug genommen wird.
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8. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf einschlägigen Gerichts- und Behördenvorgänge Bezug genommen. Die Akte zum Verfahren W 5 K 22. … wurde beigezogen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet.
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Die Ziffern I a) und III des angegriffenen Bescheids der Stadt W. vom 16. März 2022 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), vgl. nachstehende Ausführungen unter Ziffer 1. Demgegenüber erweist sich der angegriffene Bescheid im Übrigen als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. nachstehende Ausführungen unter Ziffer 2.
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1. Der Bescheid ist hinsichtlich der Ziffern I a) und III rechtswidrig und verletzt den Kläger damit in seinen Rechten. Insoweit wurde der Kläger dazu verpflichtet, die Bauarbeiten zur Herstellung einer B. straße vom … in … … zu den Flurstücken … und … der Gemarkung … unverzüglich einzustellen (Ziffer I a)) bzw. für den Fall, dass der Kläger dieser Verpflichtung nicht nachkommt, ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR angedroht (Ziffer III).
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Gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Baueinstellungsverfügung ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Denn bei einer Baueinstellung handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. Decker in: Busse/Kraus, BayBO, 148. EL November 2022, Art. 75 Rn. 137 m.w.N. zur Rechtsprechung).
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Die Vorschrift des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist ein Instrument präventiver Bauaufsicht. Im Interesse der Effektivität sollen Bauarbeiten, die nach den konkreten Umständen des Einzelfalls auf ein Vorhaben gerichtet sind, das wahrscheinlich mit dem formellen und/oder materiellen Baurecht nicht vereinbar ist, bereits in der Entstehung unterbunden werden. Als Voraussetzung für eine Baueinstellungsverfügung genügen deshalb objektive konkrete Anhaltspunkte, die es wahrscheinlich machen, dass ein dem öffentlichen Baurecht widersprechender Zustand geschaffen wird, nicht dagegen auch die tatsächliche Bestätigung dieser Vermutung (Decker in: Busse/Kraus, BayBO, 148. EL November 2022, Art. 75 Rn. 48; Weber in: Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 5. Aufl. 2022, Art. 75 Rn. 5; BayVGH, U.v. 27.8.2002 - 26 B 00.2110 - juris). Andererseits dürfen die (Bau-)Arbeiten noch nicht abgeschlossen sein. Sind die (Bau-)Arbeiten an der Anlage abgeschlossen, kann eine Baueinstellung nicht - mehr - verfügt werden, denn nach ihrem Sinn und Zweck setzt die Verfügung der Baueinstellung voraus, dass das Bauvorhaben noch nicht vollendet ist. Eine Baueinstellungsverfügung beinhaltet noch keine Entscheidung über die Genehmigungsfähigkeit der vorgenommenen Arbeiten, sondern soll nur sicherstellen, dass die Prüfung und Entscheidung aufgrund ordnungsgemäßer (tektierter) Bauvorlagen in dem dafür vorgesehenen Verfahren erfolgt und bis dahin keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden. Der Inhalt einer Baueinstellung erschöpft sich somit in dem behördlichen Befehl, die begonnenen Bauarbeiten nicht fortzusetzen; für das weitere behördliche Vorgehen bedeutet dies, entweder mit einer (Tektur) Genehmigung oder mit einer Beseitigungsanordnung den baurechtlichen Vorschriften genüge zu tun (BayVGH, B.v. 14.11.2001 - 20 ZB 01.2648 - juris m.w.N.). Eine Baueinstellungsverfügung hat lediglich zeitbezogene Funktion in der Verhinderung des Weiterbaus. Der Abschluss der (Bau-)Arbeiten bestimmt sich grundsätzlich nach dem objektivierbaren Willen des Bauherrn. Um den Gesetzeszweck, d. h. das formelle Baurecht durchzusetzen, muss auch in der „Grauzone“ möglicher weiterer Arbeiten die Baueinstellung für zulässig erachtet werden. Zu diesen (Bau-)Arbeiten gehören über die geplante Fertigstellung und die in den Bauvorlagen dargestellten Maßnahmen hinaus auch Ausbau-, Verbesserungs-, Korrekturarbeiten, Nachbesserungen und Garantieleistungen. Es genügt der Verdacht eines Rechtsverstoßes, damit keine vollendeten Tatsachen drohen, die nur unter Schwierigkeiten rückgängig gemacht werden können (Manssen in: BeckOK, Bauordnungsrecht, Bayern, 22. Ed., Stand: 1.5.2022, Art. 75 Rn. 5). Die Baueinstellung scheidet erst aus, wenn auf Grund der Umstände des Einzelfalles eindeutig feststeht, dass das Vorhaben fertig gestellt ist (Decker in: Busse/Kraus, BayBO, 148. EL November 2022, Art. 75 Rn. 43 f. m.w.N.).
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Gemessen an diesen Grundsätzen ist in Bezug auf die unter Ziffer I a) des Bescheids der Stadt W. vom 16. März 2022 verfügte Baueinstellung, die sich nicht gegen ein übergeordnetes Gesamtbauvorhaben richtet, sondern ausdrücklich allein die „B. straße“ betrifft - d.h. den mit Schotter ertüchtigten Feldweg zwischen … in … und der auf dem Baugrundstück Fl.Nr. … angelegten Untergrundbefestigung - zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung von einem endgültigen Abschluss der Bauarbeiten auszugehen. Hierfür spricht maßgeblich der im Rahmen des gerichtlichen Augenscheins am 29. September 2022 gewonnene Eindruck des Gerichts, wonach der gesamte Feldweg bis zur Untergrundbefestigung abschließend mit Schotter ertüchtigt worden ist. Der Weg ist - wie im Rahmen der Ortsbesichtigung deutlich wurde - teils durch punktuelle Ausbesserungsmaßnahmen, teils in kompletter Breite durch Schotter weitestgehend eben ausgestaltet worden; er ist - jedenfalls mittlerweile - verdichtet und weist insbesondere keine bedeutsamen Vertiefungen (z.B. Schlaglöcher o.ä.) auf. Der mit den Aufschotterungsmaßnahmen beabsichtigte Zweck, das Baugrundstück Fl.Nr. … befahrbar zu machen, ist demnach zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt vollständig verwirklicht worden. Der Weg wurde auch schon durch eine vom Sohn des Klägers beauftragte Person mit einer Baumaschine befahren. Es bestehen nach objektivem Anschein und auch nach den insoweit glaubhaften Angaben der Klägerseite keine Anhaltspunkte dafür, dass auf dem Weg noch zusätzliche, weiterreichende Baumaßnahmen, auch nicht in Form von schlichten Verbesserungs- oder Korrekturarbeiten stattfinden könnten. Dementsprechend ist die Baueinstellungsverfügung unter Ziffer I a) des Bescheids vom 16. März 2022 mit Blick auf die insoweit bereits abgeschlossene Bauausführung rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
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Infolge der aufzuhebenden Baueinstellungsverfügung betreffend die Herstellung der „B. straße“ erweist sich auch die diesbezügliche Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 2.000,00 EUR (Ziffer III des Bescheids vom 16.3.2022) als rechtswidrig, da es an der Grundvoraussetzung eines vollstreckbaren Verwaltungsakts i.S.v. Art. 19 Abs. 1 VwZVG fehlt.
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2. Die Ziffern I b), IV und V des Bescheids der Stadt W. vom 16. März 2022 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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2.1. Rechtsgrundlage für die unter Ziffer I b) des Bescheids der Stadt W. vom 16. März 2022 ist ebenfalls Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO, wonach die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen kann, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden. Dies gilt nach Art. 75 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayBO insbesondere, wenn die Ausführung eines Bauvorhabens entgegen den Vorschriften des Art. 68 Abs. 5 BayBO - also ohne Baugenehmigung - begonnen wurde.
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Ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften liegt unter Berücksichtigung der vorstehend dargestellten Grundsätze (vgl. Ausführungen unter Ziffer 1. der Entscheidungsgründe) bereits im Verstoß gegen formell-rechtliche Vorschriften. Das Bauvorhaben ist formell illegal, denn es erweist sich nach der Bayerischen Bauordnung als genehmigungspflichtig; eine Baugenehmigung liegt hierfür nicht vor. Im Einzelnen:
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Es liegen hier eindeutige Anhaltspunkte dafür vor, dass die nach dem Eindruck des gerichtlichen Augenscheins vom 29. September 2022 mit Blick auf ihren unplanierten, d.h. nicht eingeebneten, leicht welligen bzw. sogar leicht hügeligen Zustand, noch nicht endgültig fertiggestellte Untergrundbefestigung als Teil eines nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungsbedürftigen Bauvorhabens errichtet werden sollte. Die Untergrundbefestigung aus Schotter stellt als solche schon eine bauliche Anlage i.S.v. Art. 2 Abs. 1 BayBO dar (Dirnberger in: Busse/Kraus, BayBO, 148. EL November 2022, Art. 2 Rn. 51), da sie aus Bauprodukten hergestellt und mit dem Erdboden verbunden ist. Nach den objektiven Gegebenheiten besteht aber der Verdacht eines weiterreichenden Gesamtvorhabens in Form der Errichtung einer mobilen Wohnbox bzw. eines Tiny-Houses. Dafür spricht, dass vom Kläger in zeitlichem Zusammenhang ein (letztlich erfolgloses) Bauvorbescheidsverfahren für die Errichtung einer mobilen Wohnbox durchgeführt wurde; darin war auch angegeben, dass die Wohnbox auf einer Schotterfläche errichtet werden soll. Im Rahmen des gerichtlichen Augenscheins am 29. September 2022 konnte auch festgestellt werden, dass die Schotterfläche am Ende des Weges in etwa der Lage des im Bauvorbescheidsverfahren geplanten Tiny-Houses entspricht. Als weiterer Anhaltspunkt ist auf die behördliche Baukontrolle vom 20. April 2022 mit der Befragung des Maschinenführers zu verweisen, der gegenüber der Bauaufsichtsbehörde - von Klägerseite unwidersprochen - angegeben hat, die B. straße ertüchtigt zu haben, um ein Tiny-House auf die geschotterte Fläche zu befördern. Unabhängig davon sprechen die Eindrücke des gerichtlichen Augenscheins vom 29. September 2022 für den Verdacht eines entsprechenden Gesamtbauvorhabens. Es drängt sich für die Kammer nach den festgestellten Gegebenheiten geradezu auf, dass auf der vorhandenen Schotterfläche eine mobile Wohnbox bzw. ein Tiny-House errichtet werden sollte. Die Zufahrt und die Schotterfläche, auch deren Standort und Größe, erscheinen objektiv typischerweise geeignet für ein solches Vorhaben; auch hat die Klägerseite in der mündlichen Verhandlung zugestanden, dass „von wem auch immer“ die Absicht bestanden hatte, auf dem Grundstück ein Tiny-House zu errichten, um dieses dann zu vermieten. Die Klägerseite hat diesbezüglich zwar geltend gemacht, dass der Plan der Errichtung eines Tiny-Houses nach ablehnender Entscheidung der Beklagten über die Bauvoranfrage verworfen worden war und dass der Sohn des Klägers mit verschiedenen Landschaftsgärtnern Kontakt zu der Frage aufgenommen habe, was mit dem Grundstück gemacht werden könne. Bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung hat die Klägerseite jedoch keine andere plausible - insbesondere eine etwa mit der unteren Naturschutzbehörde abgestimmte - Nutzungsabsicht hinsichtlich der Baugrundstücke erkennen lassen, so dass über deren künftige Nutzung keine Klarheit besteht. Dementsprechend sind die vorstehenden Anhaltspunkte nicht in hinreichender Weise „entkräftet“ und es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Bauaufsichtsbehörde auch noch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die unter Ziffer I b) des Bescheids vom 16. März 2022 verfügte Baueinstellung weiterhin aufrechterhalten hat, um sie als Dauerverwaltungsakt „unter Kontrolle zu halten“ (BayVGH, B.v. 30.12.1993 - 20 B 93.1758 - juris).
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Das vorbezeichnete Gesamtvorhaben ist auch baugenehmigungspflichtig. Insbesondere ist es nicht nach Art. 57 BayBO verfahrensfrei. Die Regelung des Art. 57 Abs. 1 Nr. 1a BayBO (Gebäude mit einem Brutto-Rauminhalt bis zu 75 m³) ist nicht einschlägig, weil das Vorhaben im Außenbereich liegt. Da der Kläger über keine Baugenehmigung für die errichtete Anlage verfügt, ist das Vorhaben als formell illegal einzustufen. Eine Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 9, Nr. 10a und e sowie Nr. 15b BayBO kommt schon deshalb nicht Frage, weil diese Tatbestände nur für Vorhaben gelten, die selbständig als Einzelvorhaben ausgeführt werden, nicht jedoch, wenn es sich - wie hier - um unselbständige Teile eines einheitlich auszuführenden Gesamtvorhabens handelt (Lechner/Busse in: Busse/Kraus, BayBO, 148. EL November 2022, Art. 57 Rn. 12).
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Die Regelung des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO räumt der Bauaufsichtsbehörde ein Ermessen ein. Bei dem Ermessen der Bauaufsichtsbehörde über den Erlass einer Baueinstellungsverfügung handelt es sich um ein auf die Beseitigung einer Störung gerichtetes intendiertes Ermessen, das regelmäßig auf die Unterbindung der formell rechtswidrigen Arbeiten gerichtet ist. Nur dann, wenn der Behörde außergewöhnliche Umstände bekannt geworden oder erkennbar sind, die eine andere Entscheidung als möglich erscheinen lassen, läge ein rechtsfehlerhafter Gebrauch des Ermessens vor, wenn sie diese nicht erwogen hätte. Eine hinreichende Ermessensbetätigung ist indes in der Regel bereits dann gegeben, wenn die Bauaufsichtsbehörde auf den formellen Baurechtsverstoß hinweist und das Einschreiten zur Sicherung der Ordnungsfunktion des formellen Baurechts als geboten ansieht. Beide Gesichtspunkte sind in den Gründen des Bescheids vom 16. März 2022 hinreichend zum Ausdruck gekommen.
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Die Baueinstellungsverfügung ist - nachdem an Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit keine Zweifel bestehen - auch verhältnismäßig. Eine Unverhältnismäßigkeit kann nach teilweise vertretener Ansicht im Ausnahmefall gelten, wenn das Vorhaben offensichtlich materiell legal ist. Ob dem zu folgen ist, kann vorliegend offenbleiben. Denn von einer offensichtlichen materiellen Legalität des Gesamtvorhabens kann nicht die Rede sein, weil es in bauplanungsrechtlicher Hinsicht erhebliche Probleme aufweist. Es spricht vieles dafür, dass es sich um ein nicht privilegiertes, „sonstiges“ Vorhaben i.S.v. § 35 Abs. 2 BauGB handelt; zudem ist nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass öffentliche Belange i.S.v. § 35 Abs. 3 Nrn. 1, 5 und 7 BauGB beeinträchtigt werden. Dementsprechend kann auch nicht von einer offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit ausgegangen werden.
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Die behördliche Störerauswahl ist in Bezug auf den Kläger nicht zu beanstanden. Im Bescheid wurde der Kläger als Handlungsstörer i.S.v. Art. 9 Abs. 1 LStVG und damit als für das Bauvorhaben unmittelbar Verantwortlicher herangezogen. Unmittelbar verantwortlich ist der Bauherr, d.h. wer auf seine Verantwortung eine bauliche Anlage vorbereitet oder ausführt, vorbereiten oder ausführen lässt. Der Bauherr muss nicht Eigentümer oder Verfügungsberechtigter sein. Bauherr kann auch sein, wer gegenüber der Bauaufsichtsbehörde als solcher aufgetreten ist, z. B. durch Bauantragstellung, Entgegennahme der Baugenehmigung oder behördlicher Mitteilungen, Verhandlungen mit der Behörde oder wer sonst ein Verhalten gegenüber der Behörde gezeigt hat, aus dem sie entnehmen muss, dass er der richtige Adressat ist, selbst wenn in Wahrheit das Vorhaben nicht in seinem Auftrag und auf seine Rechnung ausgeführt wurde oder werden soll (Würfel in: Busse/Kraus, BayBO, 148. EL November 2022, Art. 50 Rn. 7 ff.; BayVGH, B.v. 28.9.2006 - 25 ZB 02.2107 - juris). Er muss sich deshalb an dem hierdurch hervorgerufenen Anschein seiner (Mit-)Verantwortung solange festhalten lassen, als dieser Anschein gegenüber der Bauaufsichtsbehörde aufrecht erhalten bleibt. Auch mehrere Personen können gemeinsam Bauherren sein. Das gilt auch, wenn nur der eine Teil Eigentümer des Grundstücks ist. Es ist dann jeder dieser Bauherren öffentlich-rechtlich verantwortlich (Würfel in: Busse/Kraus, BayBO, 148. EL November 2022, Art. 50 Rn. 12 m.w.N.).
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Ausgehend davon konnte die Bauaufsichtsbehörde den Kläger zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses als Handlungsstörer einstufen, da dieser zuvor einen Bauvorbescheid für die Errichtung einer mobilen Wohnbox im eigenen Namen beantragt hatte und keine Hinweise auf einen anderen Handlungsstörer vorlagen. Der Kläger hat sich im Rahmen der Antragstellung im Bauvorbescheidsverfahren selbst als Bauherr bezeichnet. Er hat das Bauvorbescheidsverfahren, welches durch ablehnenden Bescheid vom 29. April 2022 zum Abschluss gebracht wurde, vollständig durchgeführt und aus Sicht der Bauaufsichtsbehörde zumindest eine Mitverantwortlichkeit für eine baurechtmäßige Vorhabensausführung übernommen. Das Abstellen auf den Kläger im Rahmen der Störerauswahl stellt sich auch nicht als ermessensfehlerhaft dar, weil ein Vorgehen gegen seine Person am ehesten dem Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr entsprach und die Behörde auch nicht zeitnah auf einen anderen Störer zugreifen konnte. Es ist auch ohne Bedeutung, dass ex post betrachtet - zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung - zwischenzeitlich die Erkenntnis gewonnen wurde, dass der Sohn des Klägers der direkte Auftraggeber für die durchgeführten Baumaßnahmen gewesen ist. Der Kläger muss sich - wie vorerwähnt - unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Effektivität der Gefahrenabwehr solange als Bauherr behandeln lassen, wie er den von ihm gesetzten Anschein, selbst Bauherr bzw. Teil einer Bauherrengemeinschaft (zusammen mit dem Kläger im Verfahren W 5 K 22. … zu sein, nicht vollständig beseitigt hat. Hierfür reichen die Angaben des Klägers, weder in eigener Person der Auftraggeber der Maßnahmen noch der Eigentümer der Baugrundstücke zu sein und für seinen Sohn nur in der Funktion als dessen Bevollmächtigter gehandelt zu haben, nicht aus, da sich hierdurch nichts an dem Fortbestand der durch die Durchführung des Vorbescheidsverfahrens in eigenem Namen übernommenen Verantwortlichkeit des Klägers ändert. Der Kläger konnte im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr auch neben dem Kläger im Verfahren W 5 K 22. … in Anspruch genommen werden.
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Somit ist die Baueinstellungsverfügung betreffend die Untergrundbefestigung nicht zu beanstanden.
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2.2. Die Zwangsgeldandrohung unter Ziffer IV des Bescheids vom 16. März 2022 begegnet keinen rechtlichen Bedenken (Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, 31 und 36 VwZVG). Insbesondere ist die Höhe des angedrohten Zwangsgelds (2.000,00 EUR) als angemessen zu betrachten.
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Ebenso wenig bestehen Bedenken daran, dass dem Kläger unter Ziffer V des Bescheids vom 16. März 2022 die Verwaltungskosten auferlegt und diese auf 200,00 EUR festgesetzt wurden, vgl. Art. 1, 2 KG i.V.m. Lfd. Nr. 2.I.1, Tarifstelle 1.45 der Anlage der Verordnung über den Erlass des Kostenverzeichnisses zum Kostengesetz vom 12. Oktober 2001 (Gebührenrahmen von 25,00 EUR bis 2.500,00 EUR).
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3. Im Ergebnis waren die Ziffern I a) und III des Bescheids der Stadt W. vom 16. März 2022 aufzuheben und die Klage im Übrigen abzuweisen.
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Die Kostenfolge für das gerichtliche Verfahren ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Ausspruch über die sofortige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.