Inhalt

AG München, Endurteil v. 22.07.2022 – 337 C 13337/21
Titel:

Kein Ersatz von Corona-Desinfektionskosten

Normenkette:
BGB § 249
Leitsatz:
Stand Sommer 2022 sind Corona-Desinfektionskosten im Rahmen fiktiver Abrechnung nicht mehr ohne weiteres ersatzfähig, weil sie überwiegend nicht mehr erhoben werden. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Corona, Desinfektionskosten
Rechtsmittelinstanz:
LG München I, Hinweisbeschluss vom 08.11.2022 – 17 S 9980/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 42436

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 112,52 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.12.2021 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung der anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird für den Zeitraum bis zum 08.02.2022 auf 1.707,76 €, für den Zeitraum vom 08.02.2022 bis zum 06.07.2022 auf 1.032,26 € und für den Zeitraum ab dem 07.07.2022 auf 982,26 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 16.06.2021 auf der U.straße in M. ereignet hat.
2
Bei dem Unfall wurde das ordnungsgemäß geparkte Kraftfahrzeug Toyota des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen … vom bei der Beklagten versicherten Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … im Rahmen eines Ausparkvorgangs beschädigt.
3
Die volle Haftung der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig. Streit besteht über die Höhe des dem Kläger entstandenen Schadens.
4
Vorgerichtlich hat die Beklagte Reparaturkosten in Höhe von 50,00 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 90,96 € reguliert.
5
Der Kläger behauptet, dass sein Fahrzeug durch das Beklagtenfahrzeug auch am vorderen Stoßfänger beschädigt worden und ihm unfallbedingt ein Schaden in Höhe von 1.707,76 € entstanden sei, der sich zusammensetzt aus netto-Reparaturkosten gemäß Gutachten in Höhe von 1.007,26 €, Sachverständigenkosten in Höhe von 675,50 € und pauschalen Unkosten in Höhe von 25,00 €. Diesen Schaden sowie vorgerichtliche angefallene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 221,43 € hat der Kläger zunächst geltend gemacht.
6
Der Kläger beantragt:
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.929,10 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
7
Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
8
Sie behauptet, dass aufgrund von vor Beschädigungen am Stoßfänger des Klägerfahrzeugs unfallbedingt keine Schadenserweiterung eingetreten sei. Es sei allenfalls ein Schaden in Höhe von höchstens 50,00 € am Kennzeichen des Klägerfahrzeugs eingetreten. Sachverständigenkosten sei nicht zu erstatten, da eine Abtretung der Ansprüche an den Sachverständigen erfolgt sei, das Gutachten zur Schadensregulierung unbrauchbar sei, am Klägerfahrzeug nur ein Bagatellschaden vorliege und die Sachverständigenkosten zudem überhöht seien.
9
Mit Schriftsatz vom 08.02.2022 hat der Kläger die Klage in Höhe der Sachverständigenkosten von 675,00 € sowie der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 221,43 € teilweise zurückgenommen. Mit Schriftsatz vom 06.07.2022 hat der Kläger die Klage in Höhe von Reparaturkosten in Höhe von 50,00 € zurückgenommen.
10
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens.
11
Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteivertreter, das Sachverständigengutachten des Sachverständigen … vom 23.05.2022 sowie die übrigen Aktenbestandteile verwiesen.
12
Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

13
Die Klage ist zulässig, aber überwiegend unbegründet.
I.
14
Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß §§ 7 StVG, 115 VVG, 1 PflVG Anspruch auf Zahlung von 62,52 €.
15
Die volle Haftung der Beklagten für die Folgen aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall war unstreitig.
16
Nachdem die Klage teilweise zurückgenommen worden ist, war nur noch über restliche Reparaturkosten und die Unkostenpauschale zu entscheiden.
17
Nach der Beweisaufnahme geht das Gericht von einem erstattungsfähigen Schaden des Klägers in Höhe von 112,52 € aus.
1. Reparaturkosten
18
Die Beklagte hat Netto-Reparaturkosten in Höhe von 87,52 € zu erstatten.
19
Der vom Gericht bestellte Sachverständige … hat mit Gutachten vom 23.05.2022 für das Gericht nachvollziehbar und plausibel ausgeführt, dass von einer Berührung des linken Heckbereichs des Beklagtenfahrzeugs mit der Frontmitte – insbesondere dem Kennzeichen – des Klägerfahrzeugs auszugehen sei. Am Klägerfahrzeug hätten sich verschiedene Vor- und Altschäden befunden, die sich zum Teil auch aus dem vom Kläger privat eingeholten Sachverständigengutachten ergäben. Über die dokumentierten Altschäden hinaus ergäben sich jedoch auch Vorbeschädigungen an der Fahrzeugfront bzw. der Fahrzeugseite vorne links. Aufgrund der bereits im vom Kläger eingeholten Gutachten ausgewiesenen Altschäden wäre die Stoßstange des Klägerfahrzeugs bereits vor dem streitgegenständlichen Unfall möglicherweise für eine Erneuerung, jedenfalls jedoch für eine Instandsetzung, vorzugeben gewesen. Dementsprechend sei durch das streitgegenständliche Verkehrsunfallereignis dort kein deutlich abgrenzbare Schaden bzw. keine nachweisbare Schadenserweiterung eingetreten. Für die Beseitigung der Schäden am Kennzeichnen würden sich Netto-Reparaturkosten in Höhe von 37,52 € ergeben. Die im vom Kläger eingeholten Gutachten angesetzten Kosten der Kennzeichenbeschaffung und der Stempelgebühren in Höhe von pauschal 50,00 € seien plausibel. Bei ihrer Berücksichtigung gelange man zu einem Gesamt-Netto-Reparaturschaden in Höhe von 87,52 €.
20
Das Gericht folgt den Feststellungen des Sachverständigen vollumfänglich. Es hat weder Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens noch an der Sachkunde des Sachverständigen. Auch die Parteien haben keine Einwendungen gegen das Gutachten vorgebracht.
21
Dementsprechend geht das Gericht – unter Berücksichtigung der von Beklagtenseite nicht angegriffenen Kosten für die Kennzeichenbeschaffung sowie der Stempelgebühren in Höhe von 50,00 € – von unfallbedingt eingetretenen Reparaturkosten in Höhe von 87,52 € aus.
22
Covid19-Desinfektionskosten hat das Gericht nicht berücksichtigt. Im Rahmen fiktiver Abrechnung sind in der Region des Geschädigten typischerweise anfallende Kosten zwar erstattungsfähig (OLG München, Schlussurteil vom 28.02.2014, Az. 10 U 3878/13). Maßgeblich ist dabei der Sehluss der mündlichen Verhandlung. Dem Gericht ist aus einer Vielzahl von in anderen Verkehrsunfallsachen eingeholter Sachverständigengutachten jedoch bekannt, dass Corona-Desinfektionskosten inzwischen nicht mehr regelmäßig in Rechnung gestellten werden.
23
Ein darüber hinausgehender Schaden am Klägerfahrzeug ist nicht nachgewiesen.
2. Unkostenpauschale
24
Hinsichtlich der Unkostenpauschale gilt: Nach ständiger Rechtsprechung des OLG München (vgl. z.B. Urteil vom 27.1.2006, 10 U 4904/05), der sich das Gericht anschließt, ist als Auslagenpauschale ein Betrag von 25,00 € angemessen.
3. Ergebnis
25
Es ergibt sich ein erstattungsfähiger Gesamtschaden in Höhe von 112,52 €. Da die Beklagte vorgerichtlich 50,00 € reguliert hat, verbleibt ein Restanspruch in Höhe von 62,52 €. Ein darüber hinausgehender Anspruch des Klägers gegen die Beklagte besteht nicht.
II.
26
Verzugszinsen waren antragsgemäß ab Rechtshängigkeit zuzusprechen, § 286 Abs. 1 BGB. Die Höhe des Zinsanspruchs folgt aus § 288 BGB.
III.
27
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, trägt die Kosten der Kläger, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
28
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
29
Der Streitwert entspricht der Klageforderung unter Berücksichtigung der Teil-Klagerücknahme vom 08.02.2022, wobei die geltend gemachten vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten als von der Haupt-(Schadensersatz)forderung abhängige Forderung als Nebenforderung zu qualifizieren und daher nicht zu berücksichtigen waren.