Titel:
Keine Haftung von VW für den von Audi entwickelten, hergestellten und gelieferten 3,0-Liter-Motor (hier: VW Touareg 3.0 V6 TDI)
Normenketten:
BGB § 31, § 826
VO (EG) Nr. 715/2007 Art. 5
EG-FGV § 27 Abs. 1
Leitsätze:
1. Vgl. zu 3,0 Liter-Motoren von Audi mit unterschiedlichen Ergebnissen auch: BGH BeckRS 2021, 37683; BeckRS 2021, 41003; BeckRS 2022, 21374; BeckRS 2022, 19714; OLG Bamberg BeckRS 2022, 33515; OLG Karlsruhe BeckRS 2021, 43408; OLG München BeckRS 2022, 18804; BeckRS 2022, 18875; BeckRS 2022, 28198; BeckRS 2022, 34469; BeckRS 2021, 52024; BeckRS 2022, 21228; OLG Nürnberg BeckRS 2022, 21211; LG Bamberg BeckRS 2022, 29502; LG Kempten BeckRS 2022, 28679; LG Nürnberg-Fürth BeckRS 2022, 30355; OLG Bamberg BeckRS 2022, 28703 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1) sowie OLG Brandenburg BeckRS 2021, 52227 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1). (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Umstand, dass für ein Fahrzeug ein Rückrufbescheid des KBA vorliegt, ist für sich allein genommen nicht ausreichend, eine nur aufgestellte Behauptung des Verbaus unzulässiger Abschalteinrichtungen als hinreichend substantiiert anzusehen, wenn nicht einmal substantiiert behauptet wird, dass der konkrete Rückrufbescheid wegen einer Abschalteinrichtung ergangen sei. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das OBD-System greift nicht aktiv in die Abgasreinigung ein und soll dies auch nicht tun, sodass schon begrifflich keine Abschalteinrichtung vorliegt. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, 3,0-Liter-Motor, Audi, Schadensersatz, sittenwidrig, unzulässige Abschalteinrichtung, Thermofenster, OBD, Rückrufbescheid, Warmlauf-Schaltprogrammierung
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 27.10.2022 – 14 U 2577/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 42400
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 30.898,35 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche im Rahmen des sogenannten DieselAbgasskandals.
2
Die Klägerin erwarb am 09.10.2017 einen gebrauchten VW Touareg 3.0 V6 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer: …71, mit einem Kilometerstand von 68.622 km zu diesem Zeitpunkt, mit Erstzulassung vom 25.02.2016 zu einem Kaufpreis in Höhe von 33.880,00 € € bei Volkswagen Zentrum . Die Beklagte ist die Herstellerin des vorgenannten Fahrzeugs. In dem Fahrzeug ist der unter die Abgasnorm EURO 6 fallende Dieselmotor des Typs EA 897, ein 3,0 l V-TDI Motor, verbaut. Der Kilometerstand des Fahrzeugs betrug zuletzt am 02.11.2021 138.465 km. Für dieses Fahrzeug war eine Typgenehmigung nach EU-Recht erteilt worden.
3
Zur Finanzierung des Erwerbs schloss die Klägerin einen Darlehnsvertrag ab, wofür Kreditkosten in Höhe von 3.669,10 € anfielen. Die Kaufpreiszahlung erfolgte mittels einer Anzahlung in Höhe von 1.000,00 € in bar an den Verkäufer, im Übrigen durch die finanzierende Bank - die Volkswagen Bank GmbH.
4
Das streitgegenständliche Fahrzeug ist von einem Rückruf des Kraftfahrtbundesamts betroffen.
5
Die Klägerin behauptet, von der Beklagten sittenwidrig und betrügerisch geschädigt worden zu sein. Das gekaufte Fahrzeug würde unter den sog. Abgasskandal fallen. Dieses sei mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen und würde die Anforderungen an Schadstoffklasse EURO 6 nicht erfüllen. Vielmehr seien in dem Motor des Fahrzeugs mehrere Abschalteinrichtungen in Form von gesetzeswidriger Software zur Verfälschung der Abgaswerte installiert. Zum einen sei eine so bezeichnete Lenkwinkelerkennung vorhanden, die erkenne, ob sich das Fahrzeug auf dem Rollenprüfstand befinde oder im normalen Straßenverkehr. Sobald eine Drehung des Lenkrads um mehr als 15 Grad erfolge, schalte die Software um, sodass es zu einem höheren Stickoxidausstoß komme. Zum anderen komme eine „WarmlaufSchaltprogrammierung“ zum Einsatz, das Programm ermittle anhand einer Kombination einer Reihe von Bedingungen und Parametern, ob sich das Fahrzeug auf dem Rollenprüfstand befinde und starte für diesen Fall die Programmierung, die dann den Schadstoffausstoß reduziere. Weiter sei auch der AdBlue-Verbrauch manipuliert, sodass eine ausreichende Dosierung von AdBlue lediglich auf dem Rollenprüfstand erfolge.
6
Daneben sei das - unstreitig installierte - sog. „Thermofenster“, ein Konstruktionsteil verwendet, das bei kühleren Temperaturen die Abgasrückführung teilweise oder ganz zurückfahre, wodurch die Stickoxidemission erheblich ansteige.
7
Das OBD-System zur Überwachung der Emissionen melde bei all dem keine Störung, obwohl dies gesetzlich vorgeschrieben sei und sei daher manipuliert.
8
Die Vorstandschaft der straff und streng hierarchisch geführten Beklagten sei von Anfang an informiert gewesen und habe den Einsatz der Software angeordnet. Darüber hinaus behauptet die Klägerin, sie sei hinsichtlich der Abgaswerte getäuscht worden. Die Nachrüstung würde zu zahlreichen Folgeproblemen führen. Das Fahrzeug habe aufgrund der Manipulation darüber hinaus auch einen erheblichen Wertverlust erlitten.
9
Zur Rechtfertigung seines Anspruchs beruft sich die Klägerin auf Schadensersatzansprüche, die sich aus §§ 826 BGB i.V.m. 31 BGB analog, § 831 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263, StGB sowie § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 27 EG-FGV ergäben. Darüber hinaus ist die Klägerin der Ansicht, der Schaden bestehen bereits in der Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit.
10
Ursprünglich hat die Klagepartei mit Schriftsatz vom 18.02.2021 die folgenden Anträge angekündigt:
„1. Die Beklagte wird verurteilt, Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer …71 an die Klagepartei 37.469,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit abzüglich
Hilfsweise wird beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 14.300,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit abzüglich 6.570,75 € zu zahlen und die Klagepartei von den aktuell noch bestehenden Verbindlichkeiten gegenüber der Volkswagen Bank GmbH aus dem Darlehnsvertrag vom 10.10.2017 mit der Nr. 1056269515 i.H.v. 23.169,10 € freizustellen, Zug-um-Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer …71 und Übertragung des der Klagepartei gegenüber der Volkswagen Bank GmbH zustehenden Anwartschaftsrechts auf Übereignung des vorstehend bezeichneten Fahrzeugs.2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer …71 in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.809,75 € € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.“.
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In der mündlichen Verhandlung vom 02.11.2021 hat die Klagepartei die teilweise Erledigung der Hauptsache in Höhe von 1.815,75 € gemäß Schriftsatz vom 29.10.2021 erklärt. Die Beklagte hat der Teilerledigterklärung widersprochen.
12
Die Klägerin beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer …71 an die Klagepartei 37.469,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit abzüglich 8.386,50 € zu zahlen.
Hilfsweise wird beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 14.300,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit abzüglich 8.386,50 € zu zahlen und die Klagepartei von den aktuell noch bestehenden Verbindlichkeiten gegenüber der Volkswagen Bank GmbH aus dem Darlehnsvertrag vom 10.10.2017 mit der Nr. 1056269515 i.H.v. 23.169,10 € freizustellen, Zug-um-Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer …71 und Übertragung des der Klagepartei gegenüber der Volkswagen Bank GmbH zustehenden Anwartschaftsrechts auf Übereignung des vorstehend bezeichneten Fahrzeugs.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer …71 in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.809,75 € € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
13
Die Beklagte beantragt,
14
Die Beklagte meint, die Klage gegen sie sei bereits unbegründet und daher abzuweisen, da die Beklagte den Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs weder hergestellt noch entwickelt habe.
15
Die Beklagte behaupten, dass die Motorsteuerungssoftware nicht über die klägerseits behauptete Umschaltlogik verfügen würde. Das Fahrzeug erfülle auch die Voraussetzungen der Emmissionsklasse 6.
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Die Klägerin habe auch nicht substantiiert dargelegt, dass im gegenständlichen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz komme. Es handle sich vielmehr lediglich um Behauptungen ins Blaue hinein. Bei dem klägerseits angesprochene Thermofenster handele es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung.
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Die Beklagte hätte dementsprechend auch weder vorsätzlich noch sittenwidrig gehandelt. Der Vortrag der Klagepartei hierzu sei unsubstantiiert und unschlüssig. Der Beklagten könne auch kein arglistiges Verhalten vorgeworfen werden.
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Das Gericht hat am 02.11.2021 mündlich zur Sache verhandelt. Beweis wurde nicht erhoben. Auf das Protokoll vom 02.11.2021 wird Bezug genommen. Das Gericht hat mit Zustimmung beider Parteien durch Beschluss vom 20.01.2022 die Durchführung des schriftlichen Verfahrens gem. § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet, in dem die Parteien bis zum 17.02.2022 Schriftsätze einreichen konnten. Beweis wurde nicht erhoben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Vervollständigung des Tatbestands auf sämtliche zwischen den Parteien gewechselten umfangreichen Schriftsätze nebst Anlagen und sonstige Aktenbestandteile Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
20
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Kempten (Allgäu) sachlich gemäß §§ 1 ZPO, 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG und örtlich gem. § 32 ZPO zuständig.
21
Da die teilweise Erledigterklärung der Klagepartei einseitig geblieben ist, ist diese nun als Feststellungsklage zu behandeln. Das gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist zu bejahen. Im Falle eines tatsächlich eingetretenen erledigenden Ereignisses, das erst nach Rechtshängigkeit die Unzulässigkeit oder Unbegründetheit herbeigeführt hätte, bestünde für die Klagepartei keine andere Möglichkeit, ohne Mitwirkung der Beklagten und ohne Kostenpflicht den Prozess insoweit zu beenden. B.
22
Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die geltend gemachten Ansprüche zu.
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I. Die Aktivlegitimation der Klägerin besteht.
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Maßgeblich für die Aktivlegitimation im Rahmen der Geltendmachung eines deliktsrechtlichen Anspruchs nach § 826 BGB ist der durch die Tathandlung unmittelbar Geschädigte (BGH, Urteil vom 12.4.2016 - VI ZR 158/14 Rn. 17, NJW-RR 2016, 995; Grüneberg/Sprau, 81. Auflage 2022 § 826 Rn. 12). Die Haftung des § 826 BGB setzt damit nicht an dem Eigentum sondern an der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung an (OLG Stuttgart (16a. Zivilsenat), Urteil vom 16.06.2020 - 16a U 228/19, BeckRS 2020, 15982).
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Im Rahmen der sog. „Dieselskandalfällen“ liegt eine solche sittenwidrige Schädigung des Fahrzeugerwerbers durch die Herstellerin des Fahrzeugs vor, wenn der Erwerber aufgrund einer Täuschung der Herstellerin über das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug zum Abschluss des Kaufvertrags veranlasst wurde und dadurch einen Schaden erlitten hat. Der Schaden des Erwerbers liegt dabei bereits im Abschluss des ungewollten Kaufvertrages, also in der Eingehung einer ungewollten Verpflichtung.(OLG Stuttgart (16a. Zivilsenat), Urteil vom 16.06.2020 - 16a U 228/19, BeckRS 2020, 15982)
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Vorliegend ist die Klägerin ausweislich der Anlage K1a Vertragspartner hinsichtlich des Erwerbs des Kraftfahrzeugs geworden. Dies ist zudem zwischen den Parteien unstreitig. Die Klägerin ist damit im Rahmen des § 826 BGB aktivlegitimiert.
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II. Der Klägerin steht kein Anspruch gemäß § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB analog zu.
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Die Klägerin trägt im Rahmen der genannten Anspruchsgrundlage die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer unzulässigen, nicht im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) Nr. 2007/715 notwendigen Abschalteinrichtung. Die Klägerin muss also darlegen und beweisen, dass im streitgegenständlichen Fahrzeug jedenfalls eine von ihr behauptete, unzulässige Abschalteinrichtung verbaut ist und die Beklagte durch die Verwendung einer solcher Abschalteinrichtung die Klägerin vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat.
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Einen solchen Nachweis hat die Klägerin nicht zur Überzeugung des Gerichts geführt.
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1. Hinsichtlich des sog. Thermofensters, welches unstreitig in dem streitgegenständlichen Fahrzeug enthalten ist, kann auf den BGH, Beschluss vom 19.01.2021 - VI ZR 433/19, BeckRS 2021, 847 verwiesen werden:
„Nach diesen Grundsätzen reicht der Umstand, dass die Abgasrückführung im Fahrzeug des Klägers nach seinem mangels abweichender Feststellungen revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachvortrag durch eine temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems bei einstelligen Positivtemperaturen reduziert und letztlich ganz abgeschaltet wird, für sich genommen nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben. Dabei kann zugunsten des Klägers in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt werden, dass eine derartige temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung 715/2007/EG zu qualifizieren ist (vgl. zu Art. 5 der Verordnung 715/2007/EG auch EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 - C-693/18, Celex-Nr. 62018CJ0693). Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, wäre der darin liegende Gesetzesverstoß auch unter Berücksichtigung einer damit einhergehenden Gewinnerzielungsabsicht der Beklagten für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Hierfür bedürfte es vielmehr weiterer Umstände.
Entgegen der Auffassung der Revision ist der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems nicht mit der Fallkonstellation zu vergleichen, die dem Senatsurteil vom 25. Mai 2020 (VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179) zugrunde liegt und in der der Senat das Verhalten des beklagten Automobilherstellers gegenüber dem klagenden Fahrzeugkäufer als sittenwidrig qualifiziert hat.
Bei dem Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems wie im vorliegenden Fall fehlt es an einem derartigen arglistigen Vorgehen des beklagten Automobilherstellers, das die Qualifikation seines Verhaltens als objektiv sittenwidrig rechtfertigen würde. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts unterscheidet die im streitgegenständlichen Fahrzeug eingesetzte temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung nicht danach, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet. Sie weist keine Funktion auf, die bei erkanntem Prüfstandsbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und den Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert, sondern arbeitet in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise. Unter den für den Prüfzyklus maßgebenden Bedingungen (Umgebungstemperatur, Luftfeuchtigkeit, Geschwindigkeit, Widerstand, etc., vgl. Art. 5 Abs. 3 a) der Verordnung 715/2007/EG i.V.m. Art. 3 Nr. 1 und 6, Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung 715/2007/EG (ABl. L 199 vom 28. Juli 2008, S. 1 ff.) in Verbindung mit Abs. 5.3.1 und Anhang 4 Abs. 5.3.1, Abs. 6.1.1 der UN/ECE-Regelung Nr. 83 (ABl. L 375 vom 27. Dezember 2006, S. 246 ff.)) entspricht die Rate der Abgasrückführung im normalen Fahrbetrieb derjenigen auf dem Prüfstand.
Bei dieser Sachlage wäre der Vorwurf der Sittenwidrigkeit gegenüber der Beklagten nur gerechtfertigt, wenn zu dem - hier unterstellten - Verstoß gegen die Verordnung 715/2007/EG weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, setzt die Annahme von Sittenwidrigkeit jedenfalls voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt. Dabei trägt die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzung nach allgemeinen Grundsätzen der Kläger als Anspruchsteller (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 35).“ Derartige greifbare Anhaltspunkte sind hier durch die Klagepartei nicht vorgetragen.
2. Soweit die Klagepartei behauptet, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug weitere unzulässige Abschalteinrichtungen vorliegen, fehlt es bereits an einem hinreichend substantiiertem Vortrag. Die Beklagte verweist zu Recht darauf, dass auf der Grundlage des klägerischen Vortrags keine greifbaren Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung beim hier streitgegenständlichen, also konkret durch den Kläger erworbenen Fahrzeug bestehen.
Das OLG München (OLG München, Beschluss vom 29.08.2019 - 8 U 1449/19, NJW-RR 2019, 1497 (1500)) führt zum erforderlichen Sachvortrag für eine unzulässige Abschalteinrichtung aus: „Zwar steht ein Autokäufer wie der Kl. hier fraglos außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs, während dem beklagten Fahrzeughersteller, dem gem. Art. 3 Nr. 9 der Durchführungs-VO (EG) Nr. 692/2008 eine entsprechende Dokumentationspflicht obliegt (vgl. Führ, NVwZ 2017, 265 [268]), die tatsächliche Aufklärung somit ohne Weiteres möglich sein muss. Nach Auffassung des Senats ist es einem Autohersteller jedoch nicht zumutbar, auf die bloße pauschale Behauptung einer „unzulässigen Abschalteinrichtung“ hin im Einzelnen darlegen zu müssen, welche konkreten Abschalteinrichtungen ein bestimmter Motor enthält, und warum diese gegebenenfalls für notwendig gehalten werden, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten (so iErg. auch OLG Stuttgart, NJW-RR 2019, 1489 Rn. 55 [in diesem Heft] = ZVertriebsR 2019, 301). Eine solche Sichtweise würde den Beibringungsgrundsatz aushöhlen und dem beklagten Autohersteller eine der deutschen ZPO fremde allgemeine Aufklärungspflicht auferlegen. Es ist auch nicht so, dass ein Kläger den maßgeblichen Sachverhalt nicht von sich aus ermitteln könnte. Soweit es bisher keine öffentlich zugänglichen Erkenntnisse zum konkreten Motor gibt, müsste er gegebenenfalls zu seinem bloßen Verdacht zunächst ein Privatgutachten erholen. Erforderlich ist nach Auffassung des Senats deshalb auch in diesen Fällen zumindest im Rahmen einer behaupteten unerlaubten Handlung, dass klägerseits konkret dargelegt und gegebenenfalls unter Beweis gestellt wird, dass
(1) im Motor des streitgegenständlichen Fahrzeug ein „Konstruktionsteil“ vorhanden ist (dabei kann es sich selbstverständlich auch um eine Software handeln),
(2) das in bestimmten, konkret darzulegenden Umwelt- oder Fahrsituationen etc. iSv Art. 3 Nr. 10 EG-VO die Abgasreinigung abschaltet, und dass
(3) dies nicht notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten.
Die Umstände gemäß (1) und (2) muss der Anspruchsteller nach Auffassung des Senats aus den genannten Gründen in jedem Falle voll darlegen und gegebenenfalls auch nachweisen. Zur Abgrenzung von grundsätzlich unbeachtlichem Vortrag ins Blaue wird er insoweit auch entsprechende greifbare Anhaltspunkte aufzuzeigen haben.
Auch zum Bereich (3) wird man zunächst zumindest eine allgemeine Darlegung des Anspruchstellers erwarten müssen, dass und warum die entsprechende Abschalteinrichtung nicht technisch notwendig sein soll. Auch insoweit werden zur Abgrenzung von einem unbeachtlichen Vortrag ins Blaue entsprechende greifbare Anhaltspunkte aufzuzeigen sein. Erst dann kann den beklagten Autohersteller eine sekundäre Darlegungslast treffen, nämlich insbesondere soweit es um die Frage geht, aus welchen technischen Gründen eine konkret dargelegte und gegebenenfalls nachgewiesene Abschalteinrichtung herstellerseits für notwendig gehalten wird. Die Beweislast für die fehlende Notwendigkeit trifft dann gegebenenfalls aber wieder voll den Anspruchsteller.“
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a) Gemessen an diesen Anforderungen stellen die Behauptungen der Klägerin hinsichtlich weiterer unzulässiger Abschalteinrichtungen als Behauptungen „ins Blaue hinein“ dar.
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Soweit die Klägerin behauptet, dass weitere unzulässige Abschalteinrichtungen in Form einer Lenkwinkelerkennung, eines sog. Warmlauf-Schaltprogrammierung und eines manipulierten OBD-Systems in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbaut sind, handelt es sich um reine Behauptungen ins Blaue hinein, welche insbesondere auch keine Beweiserhebung rechtfertigt. Die Beklagte hat substantiiert bestritten, dass diese behaupteten Abschalteinrichtungen im streitgegenständlichen Fahrzeug zur Anwendung kommen. Demgegenüber hat die Klägerin keinerlei objektiven, greifbaren Anhaltspunkte oder Tatsachenbehauptungen vorgebracht dafür, dass die Abschalteinrichtungen entgegen der Behauptung der Beklagten doch zum Einsatz kommen.
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aa) Dass es sich hierbei um eine reine Behauptung ins Blaue hinein ohne Tatsachengrundlage handelt, ergibt sich aus dem klägerischen Vorbringen in seiner Gesamtheit, welches insbesondere zeigt, dass der klägerische Vortrag nicht auf das streitgegenständliche Fahrzeug zugeschnitten ist. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Gerichts, sich aus dem gesamten klägerischen Vortrag dasjenige herauszusuchen, das möglicherweise auf das streitgegenständliche Fahrzeug zutrifft. Vielmehr ergibt sich, dass es sich bei den klägerischen Ausführungen insgesamt um Behauptungen ins Blaue hinein handelt. So wird beispielsweise im Rahmen der Replik vom 27.05.2021 auf Seite 15 und 16 hinsichtlich der behaupteten Abschalteinrichtung des Lenkwinkeleinschlags ausgeführt „Diese Form der Abschalteinrichtung ist - wie auch in dem streitgegnständichen Pkwin den Euro 5 Fahrzeugen der Beklagten mit einem 3.0 TDI Motor mit der Bezeichnung EA 896 und EA 897 quasi serienmäßig eingebaut worden. So hat das KBA in der Vergangenheit für die Modelle der Beklagten Audi A6, Audi A7, Audi A8 mit 3.0 TDI EA896 Euro 5 und EA897 Euro 5 Motoren Zwangsrückrufe angeordnet.“
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Zu einen wird in keiner Weise dargelegt, aus welchen tatsächlichen Gründen die Abschalteinrichtung auch in dem streitgegenständlichen Fahrzeug vorhanden sein soll. Zum anderen spricht die Klagepartei von „Modellen der Beklagten“, um dann in der Folge sämtlich Modelle des Herstellers Audi zu nennen. Beklagte im hiesigen Verfahren ist allerdings die Volkswagen AG.
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bb) Soweit die Klagepartei behauptet, dass im Fahrzeug eine Rollenprüfstandserkennung eingebaut worden sei, bei der die Motorsteuerungssoftware so programmiert sei, dass sie die Prüfstandsituation des NEFZ erkenne und in dieser eine schadstoffmindernde Aufwärmstrategie mit dem Ergebnis betreibe, dass auf dem Prüfstand geringere NOx-Werte erzielt würden als im normalen Straßenbetrieb, ist es der Klagepartei bereits nicht gelungen, diese Behauptung substantiiert und in einer einer Beweisaufnahme zugänglichen Art und Weise darzutun.
36
Zwar lässt sich aus dem Gesamtzusammenhang des klägerischen Vortrags entnehmen, dass die Klägerin hinsichtlich der von ihr behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtung von einer Manipulation der Motorsteuerungssoftware ausgeht, welche konkreten Parameter zur Abschaltung der Abgasreinigung führen, wird jedoch nicht substantiiert mitgeteilt. Die Klagepartei behauptet lediglich pauschal und damit letztlich „ins Blaue hinein“, dass in seinem Fahrzeug eine Abschalteinrichtung verbaut sei, bei der auf dem Prüfstand eine schadstoffmindernde Aufwärmstrategie mit dem Ergebnis betrieben werde, dass auf dem Prüfstand geringere NOx-Werte erzielt würden als im normalen Straßenbetrieb. Welche Parameter dies sein sollen, führt die Klagepartei nicht näher aus. Eine Beweiserhebung über die Behauptung der Klägerin liefe hier daher letztlich auf einen in der ZPO nicht vorgesehenen Ausforschungsbeweis hinaus.
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Für die Klagepartei kamen zu ihren Gunsten nicht die Grundsätze der sogenannten sekundären Darlegungs-/Behauptungslast zum Tragen. Zwar trifft den Bestreitenden nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine sekundäre Darlegungslast dann, wenn die beweisbelastete Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen hat, während der Gegner alle wesentlichen Tatsachen kennt und ihm detaillierte Angaben zuzumuten sind. Für die Frage der Zumutbarkeit ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Beibringungsgrundsatz nicht ausgehöhlt werden darf, nachdem es zunächst dem Beweisbelasteten obliegt, die ihm günstigen Umstände in der erforderlichen Tiefe darzulegen. Die Grundsätze der sekundären Darlegungslast reduzieren nicht bereits die allgemeinen Anforderungen an die Substantiierung der primären Darlegung des Anspruchstellers auf die allgemeine Behauptung der maßgebenden Tatbestandsmerkmale. Dem Autohersteller ist es grundsätzlich nicht zuzumuten, auf die bloße pauschale Behauptung einer unzulässigen Abschalteinrichtung hin im Einzelnen darlegen zum müssen, welche konkreten Abschalteinrichtungen ein bestimmter Motor enthält und warum diese gegebenenfalls für notwendig gehalten werden, um den Motor vor Beschädigungen oder Unfällen zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten. Eine solche Sichtweise würde den Beibringungsgrundsatz aushöhlen und dem beklagten Autohersteller eine der Zivilprozessordnung fremde allgemeine Aufklärungspflicht auferlegen. Vorliegend fehlt es somit bereits an der Grundlage für die Anwendung des Rechtsinstituts der sekundären Behauptungslast, der klägerischen Darlegung der konkreten Betroffenheit des im Streit stehenden Fahrzeugs (OLG Koblenz 12. Zivilsenat, Urteil vom 18.05.2020 - 12 U 2149/19).
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Auch der weitere Vortrag zu unzulässigen Abschalteinrichtungen lässt nach den dargestellten Grundsätzen des OLG München ausreichend substantiierten Vortrag vermissen.
„Eine Behauptung ist erst dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden ist“ (BGH, Beschluss vom 28.01.2020, Az, VIII ZR 57/19). Genau dies ist angesichts obiger Ausführungen der Fall.
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Der klägerische Vortrag hinsichtlich des Vorliegens unzulässiger Abschalteinrichtungen ist demnach ins Blaue hinein aufgestellt, unbeachtlich und rechtfertigt keine Beweiserhebung, sodass der Kläger den Nachweis einer sittenwidrigen Handlung nicht erbracht hat.
40
b) Der Umstand, dass für das streitgegenständliche Fahrzeug ein Rückrufbescheid des KBA vorliegt, ist für sich allein genommen ebenfalls nicht ausreichend, die von der Klägerin aufgestellte Behauptung als hinreichend substantiiert anzusehen, zumal die Klagepartei nicht einmal substantiiert behauptet, dass der konkrete Rückrufbescheid wegen einer in seinem Fahrzeug vorhandenen und nach Klägervortrag behaupteten Abschalteinrichtung ergangen sei. Dass der Rückruf des KBA wegen einer an eine Prüfstanderkennung geknüpfte Abschalteinrichtung erfolgt wäre, stellt sich als bloße Spekulation dar.
41
c) Soweit die Klägerin ausführt, die Manipulation des OBD-Systems stelle eine unzulässige Abschalteinrichtung dar, ist zum einen bereits nicht ersichtlich, worin hier eine Sittenwidrigkeit zu sehen ist. Zum anderen greift das OBD-System auch nach den klägerischen Ausführungen nicht aktiv in die Abgasreinigung ein und soll dies auch nicht tun, sodass schon begrifflich keine Abschalteinrichtung vorliegt.
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3. Darüber hinaus hat die Klägerin auch nicht hinreichend substantiiert dargestellt, dass eine Zurechnung nach § 31 BGB gegeben wäre. Damit ein sittenwidriges Verhalten einer juristischen Person wie der Beklagten zugerechnet werden kann, bedarf es hierfür gemäß § 31 BGB der Kenntnis und der bewussten Täuschungshandlung eines ihrer Organe bzw. verfassungsmäßig berufenen Vertreters (siehe zu diesem Begriff BGHZ 49, 19 (21)). Darlegungs- und beweisbelastet hierfür ist dabei die Klägerin. Dieser ist seiner Darlegungslast nicht nachgekommen. Es fehlt an jeglichem konkreten Vortrag, welches Organmitglied oder welcher Repräsentant wann und auf welcher Grundlage was gewusst haben soll (so auch OLG München, Beschluss vom 25.07.2017, Az. 13 U 566/17) und welches Organmitglied oder welcher Repräsentant mit welchem deliktisches Handeln gerade die Kaufentscheidung der Klägerin beeinflusst haben soll. Die pauschale Behauptung, der Vorstand der Beklagten habe Kenntnis von der Abschalteinrichtung gehabt und die Aufzählung, wer in welchem Zeitraum für die Beklagte tätig war, ist nicht ausreichend, um die sekundäre Darlegungslast der Beklagten auszulösen. Jeglicher konkreter Tatsachenvortrag zur Kenntnis eines Organs bzw. verfassungsmäßig berufenen Vertreters fehlt.
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Zudem ist in dem vorliegenden Fall auszuführen, dass nicht die Beklagte sondern die Audi AG den Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs hergestellt hat. Im Rahmen der Anwendung des § 31 BGB analog ist daher die Kenntnis der für die Beklagte handelnden Personen hinsichtlich der Frage maßgeblich, ob diese wussten, dass die von der Audi AG gelieferten Motoren mit einer auf arglistiger Täuschung des KBA abzielenden Prüfstanderkennungssoftware ausgestattet waren, und die von der Beklagten hergestellten Fahrzeuge in Kenntnis dieses Umstandes mit diesem Motor versahen und in den Verkehr brachten. Insoweit lässt sich aber - anders als die Klägerin meint - das sittenwidrige Verhalten nicht schon (entsprechend § 166 BGB) mittels Zurechnung fremden Wissens begründen, weil - was der Bundesgerichtshof erst kürzlich in Bezug auf die hier auch in Rede stehende Konstellation klargestellt hat - über eine Wissenszusammenrechnung kein Weg zu dem für das Merkmal der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB erforderlichen moralischen Unwerturteil führt (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2021 - VI ZR 505/19, juris Rn. 21; BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 13, 22 f., 27). (vgl. BGH, Urteil vom 08.03.2021 - VI ZR 505/19 sowie des OLG Brandenburg (4. Zivilsenat), Urteil vom 28.04.2021 - 4 U 107/19) Auf die benannte Rechtsprechung des BGH, Urteil vom 08.03.2021 - VI ZR 505/19 sowie des OLG Brandenburg (4. Zivilsenat), Urteil vom 28.04.2021 - 4 U 107/19 wird verwiesen.
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Auch nach dem seitens des Gerichts hierauf mit Hinweisbeschluss vom 06.08.2021 hingewiesen wurde, fehlt jeglicher Vortrag der Klagepartei zu diesem Punkt. In dem auf den Hinweis des Gerichts eingereichten Schriftsatz vom 06.09.2021 der Klagepartei (Bl. 205/211 d.A.) führt diese in tatsächlicher Hinsicht nichts zur Kenntnis des Vorstands der Beklagten aus, dass die von der Audi AG gelieferten Motoren mit einer auf arglistiger Täuschung des KBA abzielenden Prüfstanderkennungssoftware ausgestattet waren, und die von der Beklagten hergestellten Fahrzeuge in Kenntnis dieses Umstandes mit diesem Motor versahen und in den Verkehr gebracht wurden. Die pauschale Ausführung auf Seite 2 des genannten Schriftsatzes „Es ist davon auszugehen, dass sie (Anmerkung des Gerichts: gemeint ist die Beklagte) wusste, dass der Motorhersteller ein nicht gesetzeskonformes Produkt entwickelt und in Umlauf gebracht hat (…)“ erfüllen in keinster Weise die Anforderungen an einen hinreichend substantiierten Sachvortrag.
45
Die Klägerin kann sich insoweit auch nicht, wie sie meint, auf Beweiserleichterungen im Sinne einer sekundären Darlegungslast durch die Beklagte stützen. Das Ausmaß der sekundären Darlegungspflicht hängt vom gegnerischen Vortrag ab (BGH NJW-RR 1998, 712). Die Beklagte soll also auf konkrete Tatsachenbehauptungen erwidern und ist nicht gezwungen, einen pauschalen Vorwurf zu entkräften, indem sie selbst konkret und detailliert innerbetriebliche Abläufe offenbart. Soweit es um die Frage geht, wer wann und auf welcher Grundlage zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses was gewusst haben soll, verkennt das Gericht nicht, dass sich die Klägerin in einer Darlegungs- und Beweisnot befindet, da ihr die innerbetrieblichen Vorgänge der Beklagten aus eigener Wahrnehmung nicht bekannt sein können. Diese Beweisnot allein kann aber nicht zu Beweiserleichterungen oder zu einer sekundären Darlegungslast der Beklagten dergestalt führen, dass diese verpflichtet ist, sämtliche betriebsinternen Vorgänge offen zu legen, um so dem klägerischen Anspruch zum Erfolg zu verhelfen. Das Ausmaß der sekundären Darlegungspflicht der Beklagten ist vom gegnerischen Vortrag abhängig (BGH NJW-RR 1998, 712 (713)). Die Beklagte ist gehalten, auf konkrete Tatsachenbehauptungen zu erwidern (BGH NJW 2005, 2710), keineswegs ist sie gezwungen, einen pauschalen Vorwurf des betrügerischen bzw. sittenwidrigen Verhaltens durch detaillierte Darlegung innerbetrieblicher Abläufe zu entkräften, denn „der Umfang der jeweils erforderlichen Substantiierung des Sachvortrags bestimmt sich aus dem Wechsel von Vortrag und Gegenvortrag, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweisbelasteten Partei ist“ (BGH NJW 1999, 1859). Die Erklärungen der Beklagten genügen - gemessen am Vortrag der Klägerin - den Anforderungen an ihre Darlegungslast.
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III. Die Klägerin kann ihre Ansprüche mangels substantiierten Sachvortrages zu den behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtungen auch nicht auf §§ 831 Abs. 1, 249 BGB stützen.
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IV. Auch auf sonstige Anspruchsgrundlagen kann die Klägerin ihre Ansprüche aus den dargelegten Gründen nicht stützen.
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Der Klägerin steht kein Anspruch gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6, 27 EGFGV zu, da es sich bei §§ 6, 27 EG-FGV bereits nicht um Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB handelt (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 11.05.2020, BeckRS 2020, 9863).
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Auch ergibt sich kein Anspruch der Klägerin aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 31 BGB analog i.V.m. §§ 263 StGB, da es hierfür bereits an einem hinreichend substantiiertem Tatsachenvortrag fehlt. Es wird insoweit auf die Ausführungen unter B. II. verwiesen.
50
V. Auch hinsichtlich des teilweise für erledigt erklärten Teils erweist sich die insoweit als Feststellungsklage zu behandelnde Klage aus den oben aufgeführten Gründen, auf die Bezug genommen wird, von Beginn an mangels hinreichend substantiierter Darlegung der behaupteten Abschalteinrichtungen und der erforderlichen Tatsachen für die Zurechnung nach § 31 BGB analog als unbegründet.
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Soweit die Klägerin den Hilfsantrag gestellt hat, für den Fall, dass das Gericht dem Klageantrag zu 1) nicht entsprechen sollte, ist bereits nicht eindeutig, wie diese Bedingung zu verstehen ist. Es lässt sich nur schwer durch Auslegung ermitteln, ob der Hilfsantrag nur für den Fall gestellt wird, dass das Gericht die Aktivlegitimation verneint - was aufgrund der Positionierung der Ausführung im Rahmen derer zur Aktivlegitimation möglich wäre - oder generell, wenn der Hauptklageantrag zu 1) abgewiesen wird. Das Gericht geht allerdings aufgrund der Formulierung von letzterem aus, da der Wortlaut insoweit noch ausreichend eindeutig ist.
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Letztendlich kommt es aber auf die Auslegung der Bedingung nicht an, da jedenfalls aufgrund der unter B.
I. aufgeführten Gründe, auf die im Einzelnen Bezug genommen wird, bereits der haftungsbegründende Sachverhalt mangels hinreichend substantiiertem Sachvortrag nicht nachgewiesen ist. Insoweit bestehen auch für den Hilfsantrag keinerlei der deliktischen Anspruchsgrundlagen.
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I. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
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II. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S.1, 2 ZPO