Titel:
Umfang der erstattungsfähigen Kosten bei Terminsvertretung
Normenkette:
RVG § 5, VV Nr. 3104
Leitsätze:
Der Hauptbevollmächtigte kann im Kostenfestsetzungsverfahren auch dann eine eigene Terminsgebühr abrechnen, wenn der Verhandlungstermin von einem Unter- oder Terminsbevollmächtigten wahrgenommen wurde und diesbezüglich keine Mehrkosten geltend gemacht werden. Der Vorlage einer Kostenrechnung des Unterbevollmächtigten bedarf es nicht. (Rn. 11)
1. Erteilt der Prozessbevollmächtigte im eigenen Namen einem Terminsvertreter den Auftrag zur Terminswahrnehmung, so ist dieser im Regelfall Erfüllungsgehilfe des Prozessbevollmächtigten und verdient die Gebühr für diesen. Zwischen der Partei und dem Terminsvertreter wird kein Vertragsverhältnis begründet. Die Entschädigungspflicht richtet sich vielmehr nach der internen Vereinbarung zwischen dem Terminsvertreter und dem Prozessbevollmächtigten, der für die Ansprüche des Terminsvertreters in diesem Fall auch einzustehen hat (Anschluss an BGH BeckRS 2000, 9489; OLG Stuttgart BeckRS 2017, 122235; OLG Naumburg BeckRS 2021, 38763; OLG Köln BeckRS 2021, 34055). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Frage, wie Mehrkosten eines Unterbevollmächtigten abgerechnet werden können, bleibt offen (vgl. insoweit BGH BeckRS 2011, 19935). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kostenfestsetzungsverfahren, Terminsgebühr, Unter-/Terminsbevollmächtigter, Hauptbevollmächtigter, Unterbevollmächtigter, Terminsbevollmächtigter
Vorinstanz:
LG Würzburg, Beschluss vom 06.05.2022 – 21 O 2/20 Ver
Fundstellen:
JurBüro 2023, 190
RPfleger 2023, 313
LSK 2022, 42386
NJOZ 2023, 1017
ZfS 2024, 42
BeckRS 2022, 42386
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Würzburg vom 06.05.2022, Az. 21 O 2/20 Ver, wie folgt abgeändert:
Die von der Klagepartei an die Beklagtenpartei gem. § 104 ZPO nach dem rechtskräftigen Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 06.10.2021 zu erstattenden Kosten werden auf 4.924,08 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB hieraus seit dem 07.10.2021 festgesetzt.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 993,89 € festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
1
Im zugrunde liegenden Rechtsstreit machte der Kläger gegen die Beklagte und Beschwerdeführerin (im Folgenden: die Beklagte) Ansprüche aus einer Krankentagegeldversicherung geltend. In den Terminen vom 24.06.2020 und vom 22.09.2021 ließen sich die Beklagtenvertreter jeweils durch von ihnen bevollmächtigte Rechtsanwälte vertreten. Das Landgericht Würzburg hat die Klage mit Endurteil vom 06.10.2021 abgewiesen. Das Endurteil ist mittlerweile rechtskräftig, nachdem der Kläger seine hiergegen gerichtete Berufung nach Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Bamberg vom 24.01.2022 zurückgenommen hat.
2
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Beklagte mit Antrag vom 07.10.2021 Anwaltskosten in Höhe von 2.070,60 € brutto geltend gemacht, wobei im Antrag eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG enthalten war (vgl. Bl. 167 d.A.).
3
Mit Verfügung vom 04.04.2022 forderte der Rechtspfleger bei dem Landgericht Würzburg die Beklagte zur Vorlage der Kostenrechnung der Unterbevollmächtigten auf, da nur tatsächlich entstandene Kosten auch vom Gegner verlangt werden könnten (vgl. Bl. 228 d.A.).
4
Hierauf teilten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit Schriftsatz vom 02.05.2022 mit, dass es sich bei den geltend gemachten Kosten um die bei den Hauptbevollmächtigten entstandenen Gebühren handele und zusätzliche Kosten für den Unterbevollmächtigten gar nicht geltend gemacht würden (vgl. Bl. 230 d.A.).
5
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 06.05.2022 setzte der Rechtspfleger bei dem Landgericht Würzburg die vom Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf lediglich 3.930,19 € fest. Die beantragte Terminsgebühr könne mangels Vorlage einer Kostennote der Unterbevollmächtigten nicht verlangt werden. Eine solche sei auch deshalb vorzulegen, da nur tatsächlich entstandene Kosten erstattungsfähig seien. Die Entscheidung stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 13.07.2011, Az. IV ZB 8/11 (vgl. Bl. 232 f. d.A.).
6
Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 17.05.2022 zugestellten Beschluss legte die Beklagte mit Schriftsatz vom 31.05.2022, beim Landgericht Würzburg eingegangen am selben Tag, sofortige Beschwerde ein. Der Termin am 22.09.2021 sei lediglich durch einen Terminsvertreter wahrgenommen worden. Ausschließlich die Kanzlei … sei jedoch prozessbevollmächtigt gewesen. Eine zusätzliche Pauschale nach Nr. 3401 VV RVG sei hier nicht entstanden und werde auch nicht geltend gemacht (vgl. Bl. 238 f. d.A.).
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Der Rechtspfleger des Landgerichts Würzburg hat der sofortigen Beschwerde der Beklagten mit Beschluss vom 04.07.2022 nicht abgeholfen und die Akte dem Oberlandesgericht Bamberg zur Entscheidung vorgelegt. Die Beklagtenvertreter hätten den Termin selbst nicht wahrgenommen, weshalb auf deren Seite eine Termingebühr nicht angefallen sei. Für den Unterbevollmächtigten sei hingegen keine Terminsgebühr geltend gemacht worden. Diese Rechtsansicht sei bereits vom Oberlandesgericht Bamberg mit Beschlüssen vom 17.03.2022, Az. 8 W 1/22, und vom 19.10.2021, Az. 4 W 61/21, bestätigt worden (vgl. Bl. 242 f. d.A.).
8
Eine Stellungnahme des Klägers im Beschwerdeverfahren ist nicht erfolgt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss vom 06.05.2022 sowie den Beschluss des Landgerichts vom 04.07.2022 und die Schriftsätze der Beklagten, insbesondere vom 02.05.2022 und 31.05.2022, Bezug genommen.
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Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet und führt zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses in Höhe der bislang nicht festgesetzten 1,2-fachen Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG.
11
Die Terminsgebühr ist im vorliegenden Fall durch die Tätigkeit der Terminsvertreter als Erfüllungsgehilfen der Prozessbevollmächtigten gemäß § 5 RVG angefallen und nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO in voller Höhe erstattungsfähig. Auf die Höhe der zwischen den Rechtsanwälten vereinbarten Vergütung kommt es nicht an, weshalb auch die Vorlage einer entsprechenden Kostennote entbehrlich war.
12
1. Die Beklagtenvertreter haben unwidersprochen vorgetragen, dass die Terminsvertreter als deren Erfüllungsgehilfen gehandelt und die Terminsgebühr für diese verdient haben (vgl. Bl. 239 d.A.). Die Beklagte hat auch folgerichtig die Erstattung einer Gebühr nach Nr. 3104 VV RVG und nicht nach Nr. 3402 VV RVG verlangt (vgl. Bl. 167 d.A.). Dass der jeweilge Terminsvertreter ausschließlich für die Hauptbevollmächtigten tätig geworden ist, wurde auch vom Landgericht im Rahmen der angegriffenen Entscheidung nicht infrage gestellt.
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Erteilt der Prozessbevollmächtigte im eigenen Namen einem Terminsvertreter den Auftrag zur Terminswahrnehmung, so ist dieser im Regelfall Erfüllungsgehilfe des Prozessbevollmächtigten und verdient die Gebühr für diesen. Zwischen der Partei und dem Terminsvertreter wird kein Vertragsverhältnis begründet. Die Entschädigungspflicht richtet sich vielmehr nach der internen Vereinbarung zwischen dem Terminsvertreter und dem Prozessbevollmächtigten, der für die Ansprüche des Terminsvertreters in diesem Fall auch einzustehen hat (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.07.2017, Az. 8 W 321/15, Rn. 6, zustimmend hierzu Mayer, NJW 2017, 3426, 3428; OLG Naumburg, Beschluss vom 28.09.2021, Az. 2 W 40/21, Rn. 8 - beide juris; BGH, Urteil vom 29.06.2000, Az. I ZR 122/98, Rn. 24; OLG Köln, Beschluss vom 05.08.2021, Az. 17 W 201/19 -, Rn. 6; alle juris). Dies verstößt auch nicht gegen das Verbot der Gebührenunterschreitung (vgl. BGH a.a.O., Rn. 25; HK-RVG/Hans Klees, 8. Aufl. 2021, RVG § 5 Rn. 22).
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2. Ausgehend hiervon kommt es vorliegend auf die Höhe der zwischen den Rechtsanwälten vereinbarten Vergütung nicht an, da diese nur das Innenverhältnis der beteiligten Rechtsanwälte betrifft (vgl. auch LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 25.09.2015, Az. 11 T 5317/17, S. 4). Insoweit wäre es sogar zulässig gewesen, wenn die Terminsvertreter unentgeltlich für die Hauptbevollmächtigten tätig geworden wären (vgl. Schneider, AGS 2018, 489, 491; OLG Stuttgart a.a.O., Rn. 5). Der Vorteil dieses Vorgehens wird darin gesehen, dass der Hauptbevollmächtigte sämtliche Gebühren einschließlich der Terminsgebühr verdient, da bei Tätigwerden eines anderen Anwalts als Terminsvertreter der vertretene Anwalt nach § 5 RVG den Vergütungsanspruch erwirbt und nicht etwa der Terminsvertreter (vgl. Schneider a.a.O.; HK-RVG/Hans Klees a.a.O.; Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, Teil 1: Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) Anlage 1 (zu § 2 Abs. 2) Teil 3 Abschnitt 4 VV RVG Nr. 3402 Rn. 5). Hierdurch verzichtet der Prozessbevollmächtigte keinesfalls gegenüber der Mandantschaft auf die ihm zustehende und durch den Terminsvertreter für ihn verdiente gesetzliche Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz und begünstigt hierdurch ebenso wenig den erstattungspflichtigen Prozessgegner (vgl. OLG Stuttgart a.a.O., Rn. 5).
15
Liegen also - wie im vorliegenden Fall - die Voraussetzungen des § 5 RVG vor, dann erhält der Anwalt die volle Vergütung, die er auch erhalten würde, wenn er die entsprechende Tätigkeit selbst ausgeführt hätte (vgl. OLG Stuttgart a.a.O., Rn. 3) und behält damit seinen eigenen Vergütungsanspruch nach Nr. 3104 VV. Die im vorliegenden Fall von der Beklagten geltend gemachte Terminsgebühr ist danach durch die Tätigkeit der Terminsvertreter als Erfüllungsgehilfen der Prozessbevollmächtigten der Beklagten angefallen und auch nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO in voller Höhe erstattungsfähig (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 6).
16
Bei der beschwerdegegenständliche Konstellation geht es auch nicht um die in der Tat umstrittene Frage, wie Mehrkosten eines Unterbevollmächtigten abgerechnet werden können (vgl. insoweit zutreffend zusammengefasst: LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 30.12.2015, Az. 8 T 6086/15, S. 5 f.). Solche Mehrkosten durch Unterbevollmächtigte bzw. Terminsvertreter wurden hier ausdrücklich auf Beklagtenseite nicht geltend gemacht (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 02.05.2022, Bl. 230 d.A.). Die vom Rechtspfleger des Landgerichts zur Stützung seiner Rechtsauffassung herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.07.2011, Az. IV ZB 8/11, ist daher vorliegend nicht maßgebend (ebenso OLG Bamberg, Beschluss vom 15.06.2022, Az. 3 W 32/22; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 02.12.2013, Az. 6 W 150/13, S. 4; Landgericht Hanau, Beschluss vom 14.07.2016, Az. 3 T 136/16, S. 3 f.).
17
3. Soweit der Rechtspfleger des Landgerichts im Beschluss vom 16.05.2022 die Auffassung vertreten hat, die Kostennote des Terminsbevollmächtigten müsse auch deswegen vorgelegt werden, weil im Rahmen des § 91 ZPO nur tatsächlich entstandene Kosten angesetzt werden können, ist dem nicht zu folgen. Der offenbar dahinter stehenden Auffassung, dass die obsiegende Partei gemäß § 91 ZPO ausschließlich die Kosten des Terminsvertreters ansetzen könne, wenn diese unterhalb der gesetzlichen Terminsgebühr geblieben sind, ist nicht zu folgen.
18
Die Kostenerstattungspflicht des Gegners bestimmt sich nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, wonach die der berechtigten Partei erwachsenen Kosten im Umfang ihrer Notwendigkeit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zu erstatten sind. Hierzu gehören gemäß § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts. Bereits nach der gesetzlichen Regelung ist es danach ausgeschlossen, den Prozessgegner mit einer allein aufgrund Vereinbarung mit dem Mandanten zusätzlich entstehenden Vergütung für den Terminsvertreter zu belasten. Anderenfalls bestünde zudem das Risiko, dass auf diesem Wege die Regelung des § 49b Abs. 1 BRAO umgangen würde. Nach dieser Vorschrift darf der Rechtsanwalt grundsätzlich keine geringeren Gebühren und Auslagen als nach dem RVG vereinbaren. Diese Bestimmung gilt zwar nicht im Verhältnis zwischen Anwälten, würde aber bei einer Beauftragung des Terminsvertreters durch den Mandanten eingreifen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15.10.2019, Az. 25 W 242/19, Rn. 23 m.w.N., juris).
19
Nach alledem ist die Terminsgebühr zuzüglich Umsatzsteuer im Rahmen der Kostenfestsetzung anzusetzen, weshalb der Kostenfestsetzungsbeschluss auf die sofortige Beschwerde hin entsprechend abzuändern war.
20
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Wird einem Kostenfestsetzungsantrag nach abschlägiger Bescheidung im Rechtsmittelverfahren stattgegeben, so fallen die Beschwerdekosten dem Kostenfestsetzungsgegner zur Last, unabhängig davon, wie er sich zur Kostenfestsetzung und zum Rechtsmittel gestellt hat (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24.01.2000, Az. 5 WF 179/99, Rn. 9, juris).
21
Die Festsetzung des Beschwerdewertes orientiert sich an der mit dem Rechtsmittel erstrebten Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses.
22
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde sind vorliegend gegeben, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
23
Soweit die angegriffene Entscheidung auf die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Bezug nimmt, betraf diese zwar eine andere Sachverhaltenskonstellation. Im Hinblick auf die vom Landgericht herangezogenen weiteren obergerichtlichen Entscheidungen, welche die Auffassung des zuständigen Rechtspflegers gestützt haben (so die eine gleichgelagerte Sachverhaltskonstellation betreffende Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg vom 17.03.2022, Az. 8 W 1/22), liegen die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO vor, insbesondere als der zuständige Rechtspfleger bei dem Landgericht Würzburg bereits ergangene Beschwerdeentscheidungen, durch die die von ihm erlassenen Kostenfestsetzungsbeschlüsse abgeändert wurden (vgl. OLG Bamberg, Beschlüsse vom 03.03.2022, Az. 1 W 23/22, und 15.06.2022, Az. 3 W 32/22), unberücksichtigt lässt und weitere Beschwerdeverfahren mit gleicher Rechtsproblematik anhängig sind.