Inhalt

LG München I, Endurteil v. 04.03.2022 – 12 O 3608/21
Titel:

Leistungen aus Betriebsschließungsversicherung nach behördlicher Maßnahme wegen der Corona-Pandemie - "2. Welle"

Normenketten:
BGB § 305c Abs. 2, § 307 Abs. 1 S. 2
IfSG § 6, § 7
AVB Betriebsschließungsversicherung
Leitsätze:
1. Verspricht der Versicherer einer Betriebsschließungsversicherung Entschädigung für den Fall, dass die zuständige Behörde aufgrund des IfSG beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger den versicherten Betrieb schließt und definieren die AVB in einer weiteren Klausel, auf die mittels Klammerzusatzes verwiesen wird, meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger "im Sinne dieser Bedingungen" als "die folgenden, im IfSG in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger", decken sich aber die nachfolgenden Kataloge in den AVB nicht mit denen im IfSG in der maßgeblichen Fassung, ist diese Regelung nicht klar und verständlich iSv § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und benachteiligt den Versicherungsnehmer unangemessen (entgegen BGH BeckRS 2022, 533). (Rn. 32 – 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Haben die Parteien des Versicherungsvertrages bei dieser Bedingungslage für den Zeitraum einer ersten Betriebsschließung aufgrund Allgemeinverfügung und/oder Rechtsverordnung im Frühjahr 2020 ("1. Welle") einen Vergleich geschlossen, steht einem Anspruch des Versicherungsnehmers aufgrund einer erneuten Schließung im Zeitraum November 2020 bis Februar 2021 ("2. Welle") die Klausel in den AVB entgegen, nach der die zu leistende Entschädigung nur einmal zur Verfügung gestellt wird, wenn eine der durch die Versicherung gedeckten Maßnahmen mehrmals angeordnet wird und die mehrfachen Anordnungen auf den gleichen Umständen beruhen. Eine derartige Klausel hält der Inhaltskontrolle stand. (Rn. 37 – 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Betriebsschließungsversicherung, SARS-CoV-2, Coronavirus, COVID-19, Transparenzkontrolle, mehrfache Anordnung, Zweite Welle
Fundstelle:
BeckRS 2022, 4232

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 79.995,50 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Versicherungsleistungen für eine „erneute Schließung“ ihres Betriebs im Zuge der Coronapandemie im Zeitraum November 2020 bis Februar 2021.
2
Die Klägerin unterhält bei der Beklagten seit dem 19.02.2001 eine Betriebsschließungsversicherung (Anlage BLD 1). Diese betraf über die Zeit hinweg wechselnde Restaurants.
3
Auf Anfrage des Versicherungsmaklers wurde am 18.03.2020 eine Umschreibung der Versicherung auf die R. GmbH beantragt (Anlage BLD 6). Versicherungsnehmer ist laut Versicherungsschein die R. GmbH, deren Inhaber Fam. M F ist (Anlage BLD 7).
4
Der sich aus dem Nachtragsversicherungsschein vom 04.05.2020 ergebende Versicherungsschutz zu der Versicherungsnummer 13325205/FK gilt für das in der W. straße 4 in S betriebene Restaurant. Dort betreibt die Klägerin das Restaurant „G R“.
5
In dem Versicherungsschein heißt es unter anderem wie folgt:
„Betriebsschließungsversicherung wegen Infektionsgefahr Restaurant
1.022 EUR Tagesentschädigung
5.112 EUR Warenwert“
6
Der Versicherungsschein verweist hinsichtlich der gegenseitigen Rechte und Pflichten auf die Allgemeinen Bedingungen für die Betriebsschließungsversicherung (AVB-BS, Stand 01.01.2019; Anlage BLD 10).
7
Unter § 1 der AVB-BS ist der Versicherungsumfang in Nr. 1 wie folgt geregelt:
„Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Geset - zes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektions - schutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)
a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Ver - breitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; […]“
Unter Nr. 2 heißt es dann wie folgt:
„Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Zusatzbedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:
a) Krankheiten:
b) Krankheitserreger:
…“
8
Unter a) und b) folgt die Aufzählung von 18 Krankheiten sowie 49 Krankheitserregern. Nicht genannt sind die „Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19)“, das Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus (SARS-CoV) und das Severe-Acute-Respiratory-Syndrome Coronavirus-2 (SARS-CoV-2).
9
Unter § 2 Nr. 4 AVB-BS findet sich unter anderem folgende Regelung zum Umfang der Entschädigung:
„Mehrfache Anordnung Wird eine der durch die Versicherung gedeckten Maßnahmen mehrmals angeordnet und beruhen die mehrfachen Anordnungen auf den gleichen Umständen, so wird die nach Nr. 3 zu leistende Entschädigung nur einmal zur Verfügung gestellt“.
10
Unter § 4 AVB-BS sind Ausschlüsse geregelt. Hier heißt es wie folgt:
„4. Der Versicherer haftet nicht bei Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf. “
11
Das von der Klägerin betriebene Restaurant war ab dem 16.03.2020 infolge der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege geschlossen. Die Parteien führten über diesen Schließungszeitraum unter dem Aktenzeichen 12 O 9168/20 einen Rechtsstreit, zu dessen Beendigung sie einen Vergleich schlossen. Die Beklagte ist ihrer hierin vereinbarten Leistung nachgekommen.
12
Am 02.11.2020 trat die Achte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege in Kraft, welche unter § 13 regelte:
„(1) Gastronomiebetriebe jeder Art sind vorbehaltlich der Abs. 2 und 3 untersagt.
(2) Zulässig sind die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen und Getränken.
(3) Zulässig ist der Betrieb von nicht öffentlich zugänglichen Betriebskantinen, wenn ge - währleistet ist, dass zwischen allen Gästen, die nicht zu dem in § 3 Abs. 1 bezeichneten Personenkreis gehören, ein Mindestabstand von 1,5 m eingehalten wird. 2Der Betreiber hat ein Schutz- und Hygienekonzept auszuarbeiten und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorzulegen“. Diese Regelung wurde durch weitere Verordnungen aufrechterhalten.
13
Mit Schreiben vom 21.01.2021 wurde die Beklagte von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur Leistungserbringung aufgefordert. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 01.02.2021 ab (Anlage K3). Zum 19.02.2021 wurde das Versicherungsvertragsverhältnis der Parteien beendet. Die Klageerhebung erfolgte am 29.03.2021.
14
Die Klägerin behauptet, eine R. GmbH sei ihr nicht bekannt. Das von ihr betriebene Restaurant sei aufgrund der Achten Infektionsschutzmaßnahmenverordnung erneut zwischen November 2020 und Februar 2021 an insgesamt 94 Öffnungstagen geschlossen gewesen. Sie meint, es habe insoweit eine bedingungsgemäße Betriebsschließung vorgelegen. Eine Begrenzung des versicherungsrechtlich relevanten Schließungszeitraums auf 30 Tage sei nicht mehr vereinbart gewesen.
15
Der Betrieb eines Mitnahmegeschäfts scheide aufgrund der Art und des Konzepts des Betriebes als hochwertiges Steakhouse aus.
16
Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ergebe sich, dass Betriebsschließungen beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten nach dem IfSG versichert seien. Der Versicherungsschutz umfasse daher auch den Krankheitserreger COVID-19. Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte hätte andernfalls das Auftreten von Epidemien und Pandemien explizit in den AVB regeln müssen.
17
Die Klausel § 2 Nr. 4 der AVB-BS sei überraschend und demnach unwirksam.
18
Die Klägerin beantragt,
1.
die Beklagte wird verurteilt, an sie 79.995,50 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen
2.
die Beklagte wird verurteilt, an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.927,10 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
19
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
20
Die Beklagte meint, die Klägerin sei schon nicht aktivlegitimiert, da Versicherungsnehmer die R. GmbH sei.
21
Die Beklagte behauptet, zwischen den Parteien sei eine Haftzeitbegrenzung von 30 Tagen vereinbart gewesen.
22
Die Beklagte meint, der Katalog an Krankheiten und Krankheitserregern in den AVB sei abschließend. Diese Risikobegrenzung werde durch die Verwendung der in Fettdruck gehaltenen Formulierung „folgenden“ deutlich. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer habe davon ausgehen müssen, dass nur namentlich aufgezählte, nicht jedoch gänzlich unbekannte Krankheiten versichert sind.
23
Vorliegend stehe dem Versicherungsfall zudem entgegen, dass das Coronavirus nicht vom Versicherungsort stamme. Für die Annahme des Versicherungsfalls sei aber gerade erforderlich, dass in dem konkreten Betrieb eine Infektion auftritt. Abstraktgenerell präventive Gesundheitsmaßnahmen seien aber nicht Gegenstand der Betriebsschließungsversicherung.
24
Die Parteien haben mit Schriftsätzen vom 19.08.2021 und 16.12.2021 ihr Einverständnis zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt. Mit Beschluss vom 17.12.2021 hat das Gericht das schriftliche Verfahren angeordnet und den Parteien Schriftsatzfrist bis zum 07.02.2022 gesetzt.
25
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

26
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Eine Entschädigung aufgrund mehrfacher Anordnung ist wirksam ausgeschlossen.
I.
27
Die Voraussetzungen für eine Entschädigungspflicht der Beklagten für die Betriebsschließung des Restaurants ab November 2020 liegen nicht vor. Es liegt eine mehrfache Anordnung vor, welche auf den gleichen Umständen beruht, wie die Schließung im Frühjahr 2020. Daher kann dahinstehen, ob ein Haftungszeitraum von 30 Tagen zwischen den Parteien vereinbart war.
28
1. Die Klage scheitert nicht an der fehlenden Aktivlegitimation der Klägerin.
29
Mit E-Mail vom 17.01.2020 wurde der Beklagten gegenüber zunächst die Klägerin als Versicherungsnehmerin benannt und entsprechend am 28.01.2020 in den Versicherungsschein übertragen (Anlage BLD 3 und 4). Durch einen Fehler des Versicherungsmaklers wurde dann schließlich eine R. GmbH als Versicherungsnehmerin aufgenommen, obgleich offensichtlich war, dass es eigentlich bei dem ursprünglichen Versicherungsnehmer - somit der  UG - bleiben sollte (Vgl. Anlage BLD 6). Eine solche GmbH existiert soweit ersichtlich auch gar nicht und betreibt zur Überzeugung des Gerichts insbesondere nicht das Restaurant am Versicherungsort. Sowohl für das Gericht als auch die Beklagte ist damit erkennbar, dass tatsächlicher Vertragspartner der Betriebsschließungsversicherung die Klägerin ist.
30
Jedenfalls ist es auch rechtsmissbräuchlich von der Beklagten, sich auf eine fehlende Aktivlegitimation zu berufen. Bereits für den ersten Schließungszeitraum im Frühjahr 2020 wurde die Klage von der hiesigen Klägerin erhoben und eine vergleichsweise Einigung zwischen den Parteien gefunden.
31
Es ist der Beklagten angesichts dieses Sachverhalts daher verwehrt sich auf den offensichtlich fehlerhaften Wortlaut des Versicherungsscheins zu berufen.
32
2. Die Klausel, welche den Versicherungsschutz auf das Auftreten bestimmter, in den AVB-BS namentlich aufgeführter Krankheiten und Krankheitserreger beschränkt, ist vorliegend unwirksam (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB).
33
a) Nach den AVB-BS leistet die Beklagte Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des IfSG beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger den Betrieb schleißt. Hinsichtlich der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger wird auf § 1 Nr. 2 AVB verwiesen. Danach sind meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger wörtlich „die folgenden, im IfSG in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“. Es folgt eine Aufzählung von zahlreichen Krankheiten und Krankheitserregern. Zwar sind hier nicht genannt die „Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19)“, das Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus (SARS-CoV) und das Severe-Acute-Respiratory-Syndrome Coronavirus-2 (SARS-CoV-2). Die Liste ist aber ohne dass die Beklagte hierauf hingewiesen hätte unvollständig und die entsprechende Klausel § 1 Nr. 2 a) und b) AVB-BS damit unwirksam.
34
b) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht (BGH, BeckRS 2021, 8284, Rn. 26, beck-online). Dabei nimmt die Auslegung ihren Ausgangspunkt bei dem Klauselwortlaut, gleichzeitig sind aber die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Versicherungsnehmers und damit auch seine Interessen zu berücksichtigen (Ebd.). Zusätzlich sind der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, NJW 2019, 1286 (1287), beck-online).
35
c) Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird bei Durchsicht des § 1 Nr. 2 AVB davon ausgehen, dass alle in dem aufgeführten Katalog genannten Krankheiten und Krankheitserreger angesichts der Nennung des §§ 6 und 7 IfSG auch im IfSG aufgeführt sind und andersherum. Die Suggestion ist aber irreführend, da mehrere Krankheiten und Krankheitserreger in der damals gültigen Fassung des IfSG (Stand der AVB-BS: 01.01.2019) nicht in dem hiesigen Katalog aufgeführt sind. Es fehlt die Aufzählung von Keuchhusten, Mumps, Röteln einschließlich Rötelnembryopathie, Bordetella pertussis, Bordetella parapertussis, Coxiella burnetii, humanpathogene Cryptosporidium sp., des Mumpsvirus sowie des Varizella-Zoster-Virus.
36
Da sich die Kataloge in den AVB-BS und dem IfSG in der maßgeblichen Fassung vom 25.07.2017 bis 29.02.2020 nicht decken, ist die Regelung nicht klar und verständlich im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und benachteiligt die Klägerin unangemessen. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen, ohne dass die Versicherungsbedingungen ihm dies hinreichend verdeutlichen (BGH, Urt. V. 10.04.2019, Az.: IV ZR 59/18, Rn. 21, juris). Neben dem Ausschluss der Haftung für das Auftreten von Prionenerkrankungen, wird der Versicherungsschutz für weitere Krankheiten und Krankheitserreger nicht ausgeschlossen. Die AVB-BS enthalten insoweit eine Lücke im Versicherungsschutz. Der Klägerin wird der gewährte Umfang des Versicherungsschutzes sowie ihre Rechte und Pflichten hierdurch nicht klar und durchschaubar dargestellt (Vgl. BGH, NJW 1990, 2383, beck-online).
37
3. Ob die Unwirksamkeit der § 1 Nr. 2 a) und b) AVB-BS vorliegend zur Folge hat, dass dynamisch auf das IfSG verwiesen würde, kann dahinstehen. Denn es steht jedenfalls eine mehrfache Anordnung im Streit, nachdem zwischen den Parteien über den ersten Schließungszeitraum im Frühjahr 2020 bereits ein Vergleich geschlossen wurde. Nach § 2 Nr. 4 AVB-BS wird eine Entschädigung wegen mehrfacher Anordnung einer Maßnahme aufgrund der gleichen Umstände jedoch nur einmal gewährt.
38
a) Es liegt eine mehrfache Anordnung vor. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hat sowohl im März als auch im November 2020 Gastronomiebetriebe untersagt.
39
b) Die mehrfache Anordnung beruht auch auf den gleichen Umständen. Die Behörde handelte jeweils zur Eindämmung des Coronavirus. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird die Klausel für den vorliegenden Fall daher als erfüllt ansehen. Unabhängig von etwaigen Mutationen des Virus handelt es sich hierbei nach allgemeinem Verständnis um die gleichen Umstände. Der Begriff „Umstände“ erfordert nach dem allgemeinen Sprachverständnis auch nicht, dass lediglich eine identische Ursache vorliegt. Die Umstände sind vorliegend unabhängig von etwaigen Mutationen beide Male das Coronavirus. Andere mit dem Coronoavirus einhergehende Anordnungen und Einschränkungen, wie beispielsweise die Maskenpflicht, bestanden einheitlich über den gesamten Zeitraum hinweg und verdeutlichen ebenfalls, dass die gleichen Umstände vorliegen.
40
c) Über die Entschädigungsleistung aufgrund des ersten Schließungszeitraums wurde zwischen den Parteien ein Vergleich geschlossen und die Beklagte hat die hiernach geschuldete Zahlung erbracht. Eine weitere Entschädigung scheidet daher aus.
41
d) Diese Klausel ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht überraschend. Von einem aufmerksamen Versicherungsnehmer wird nach ständiger Rechtsprechung verlangt, sich die Allgemeinen Versicherungsbedingungen anzusehen (BGH, BeckRS 2021, 8284, Rn. 26, beck-online). Da sich die Regelung über die mehrfache Anordnung eben unter jener Überschrift bereits auf der zweiten Seite der AVB-BS findet, wurde sie, anders als die Klägerin behauptet, nicht versteckt und musste von der Klägerin ihrem Verständnis vom Versicherungsumfang zu Grunde gelegt werden. Da Versicherungsschutz grundsätzlich für einen bestimmten Haftungszeitraum vereinbart wird, was zumindest ursprünglich auch im hiesigen Versicherungsverhältnis der Fall war, liegt es auch nahe, dass das Interesse der Beklagten nicht dadurch ausgehöhlt werden kann, dass eine Behörde zahlreiche identische, aber jeweils zeitlich begrenzte Maßnahmen erlässt. Dem trägt die in Rede stehende Klausel Rechnung und formuliert dies auch klar und verständlich. Die Klausel begegnet daher keinen Bedenken.
42
4. Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung. Daher hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Zinsen oder den Ersatz von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
II.
43
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
44
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO.