Titel:
Hinreichende Erfolgsaussicht eines Rechtsschutz-Deckungsbegehrens im Diesel-Skandal
Normenketten:
VVG § 125
BGB § 826, § 852
Leitsatz:
Die hinreichende Erfolgsaussicht einer Deckungsklage in der Rechtsschutzversicherung, mit der Versicherungsschutz für eine auf die §§ 826, 852 BGB gestützte Schadensersatzklage gegen den Fahrzeughersteller wegen einer Manipulation der Abgasreinigung des Dieselmotors (hier: Typ EA 189) nach Erwerb des Fahrzeugs begehrt wird, liegt vor, wenn die Möglichkeit besteht, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen bewiesen werden können und die Rechtsauffassung des Versicherungsnehmers vertretbar erscheint. Hierbei darf nicht darauf abgestellt werden, dass schwierige Tat- oder Rechtsfragen, von denen der Erfolg abhängt, ungeklärt sind oder ihre Beantwortung umstritten ist; insoweit ist derselbe Maßstab anzulegen wie bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe iRd § 114 ZPO, wonach deren Klärung ebenfalls nicht in das Prüfungsverfahren vorverlagert werden darf. (Rn. 23 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rechtsschutzversicherung, Deckungsklage, hinreichende Erfolgsaussicht, Schadensersatzklage, Diesel-Skandal, Manipulation, EA 189
Rechtsmittelinstanz:
LG Bayreuth, Urteil vom 01.02.2023 – 12 S 32/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 42242
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem mit dem Kläger geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer ... verpflichtet ist, dem Kläger für die außergerichtliche und gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die V. AG aufgrund des Fahrzeugkaufs vom 22.03.2012 (FIN: …) Deckungsschutz zu gewähren.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 4.254,84 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über den Anspruch auf die Deckungszusage aus einem Rechtsschutzversicherungsvertrag.
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Der Kläger war bei der Beklagten rechtsschutzversichert.
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Der Kläger erwarb bei der Firma A. R. GmbH am 22. März 2012 einen VW Yeti 2.0 TDI 4x4 (FIN: …) als Neuwagen zu einem Kaufpreis von 26.070,00 €. In dem Fahrzeug verbaute die Herstellerin V. AG einen Motor des Typs EA 189. Sie manipulierte den Motor dergestalt, dass sie sich den Kunden gegenüber schadenersatzpflichtig machte. Am 07. Mai 2020 stellte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten bei der Beklagten eine Deckungsanfrage unter Darlegung des oben genannten Sachverhaltes, sowie weiterer technischer Einzelheiten zur Abschalteinrichtung und bat um Erteilung des Deckungsschutzes für das außergerichtliche und gerichtliche Verfahren. Daraufhin verweigerte am 12. Mai 2020 die Beklagte den Deckungsschutz wegen nicht hinreichenden Erfolgsaussichten vor Gericht aufgrund eingetretener Verjährung hinsichtlich sämtlicher begehrter Ansprüche. Am 08. April 2021 stellte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten eine weitere Deckungsanfrage und führte aus, das begehrte Anspruchsziel ungeachtet einer möglichen Verjährung über die Anspruchsgrundlage des § 852 BGB zu verwirklichen. Diese Anfrage verweigerte die Beklagte am 13. April 2021 ebenfalls wegen nicht hinreichenden Erfolgsaussichten für die beabsichtige Interessenwahrnehmung und führte zum einen aus, § 852 BGB sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar und zum anderen fehle es an einem substantiierten Vortrag. Beide Ablehnungsschreiben enthielten einen Hinweis auf ein Schiedsgutachten, das zweite zusätzlich den Hinweis auf einen Stichentscheid. Der Kläger machte von beiden Verfahren kein Gebrauch. Der Kläger erhob in der Hauptsache am 16. Februar 2022 Klage beim Landgericht Bayreuth.
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Der Kläger vertritt die Ansicht, er habe einen Anspruch auf Deckungszusage gegenüber dem Beklagten, denn die Voraussetzung der Fiktion nach § 128 S. 3 VVG seien erfüllt. Zudem seien hinreichende Erfolgsaussichten gegen die V. AG gegeben. Er ist der Ansicht, der Hinweis der Beklagten in den beiden Ablehnungsschreiben entspreche nicht den Anforderungen des § 128 S. 2 VVG. Zudem meint der Kläger, der ausschlaggebende Zeitpunkt für die Attestierung der hinreichenden Erfolgsaussichten sei der Zeitpunkt der Bewilligungsreife, weshalb später ergangene Entscheidungen oder Sachverhaltensentwicklungen nicht berücksichtigungsfähig seien und bei den Erfolgsaussichten sei auf die Kriterien, die im Rahmen von § 114 ZPO bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe maßgeblich sind, abzustellen. Weiterhin führt er aus, es komme nicht darauf an, ob die Verjährung des Anspruches aus § 826 BGB eingetreten sei, sondern ob es naheliegend erscheine, dass die Einrede durch den Beklagten erhoben werde. Ebenfalls vertritt er die Auffassung, es seien hinreichende Erfolgsaussichten für den Anspruch aus § 852 BGB gegeben, wenn bereits erstinstanzliche und obergerichtliche Rechtsprechungen ergangen sind und eine höchstrichterliche Rechtsprechung noch ausstehe.
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Das Landgericht Bayreuth hat das Verfahren mit Beschluss vom 19. Mai 2022 wegen sachlicher Unzuständigkeit an das Amtsgericht Bayreuth verwiesen.
festzustellen, dass die Beklagte aus dem mit der Klägerpartei geschlossenen Rechtsschutzschutzversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer ... verpflichtet ist, für die außergerichtiiche und gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die V. AG aufgrund des Fahrzeugkaufs vom 22. März 2012 (FIN: …) Deckungsschutz zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte rügt zunächst die ordnungsgemäße Bevollmächtigung der klägerischen Prozessbevollmächtigten und meint, dass die Klage unzulässig sei, weil der Klageantrag nicht hinreichend bestimmt sei. Es sei weder erkennbar, welcher Schaden geltend gemacht werden solle, noch in welcher Höhe der Hersteller einen Vorteil erhalten habe und wie sich die Bereicherung errechne. Auch fehle es an der erforderlichen Substantiierung des Klagevortrags, weil nicht vorgetragen sei, dass der Rechtsfall, für welchen Deckung verlangt wird, innerhalb des versicherten Zeitraums liege und vom vereinbarten Versicherungsfall umfasst sei. Ansprüche gegen den Hersteller bestünden weder aus § 826 noch aus § 852 BGB. Zur erstgenannten Anspruchsgrundlage sei mit Ablauf des 31.12.2018 Verjährung eingetreten und es stehe zu erwarten, dass sich der Schuldner auf diese Einrede berufe, wie es in einer Vielzahl von Verfahren getan habe. § 852 BGB sei nicht einschlägig und darüber hinaus sei nicht substantiiert dargelegt, wie sich der Schadensbetrag errechne, da vom vereinnahmten Kaufpreis die Händlermarge und der Wert der gezogenen Nutzung abzuziehen seien und Restschadenersatz nur Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs geschuldet sei. Hierzu habe sich die Deckungsanfrage nicht geäußert. Außerdem sei der Ausspruch ohnehin am 22.03.2022 verjährt. Sie meint, dass unter Geltung der Versicherungsbedingungen nur ein Schiedsverfahren durchzuführen sei und die hierzu erteilten Belehrungen ausreichten, um § 128 VVG gerecht zu werden.
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Der Kläger hat hierauf vorgetragen, dass er am 11.02.2022 die V. AG vorgerichtlich zur Schadensregulierung aufgefordert und dann am 16.02.2022 Klage erhoben habe, das Verfahren werde vor dem Landgericht Bayreuth unter dem Aktenzeichen 43 O 79/22 geführt. Er sei bei der Beklagten vom 30. Oktober 2008 bis zum 29. Oktober 2019 rechtsschutzversichert gewesen und Versicherungsschutz habe gemäß § 2 a ARB auch für den Klagegegenstand bestanden.
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Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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Das Gericht hat mit Beschluss vom 02.06.2022 eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet. Die Parteien haben jeweils am 31.05.2022 die Zustimmung erteilt.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Hierüber war gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Zustimmung der Parteien eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren zu treffen, nachdem eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich erscheint. Der Sachverhalt ist umfassend vorgetragen und steht lediglich zur rechtlichen Wertung, nicht aber zur Sachaufklärung oder Beweiserhebung.
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1. Die Klage ist zulässig.
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Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 215 VVG, die sachliche aufgrund des bindenden Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Bayreuth, § 281 ZPO.
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Der Kläger ist im Verfahren ordnungsgemäß vertreten, die Vollmacht wurde gemäß § 80 ZPO auf Rüge zur Vorlage gebracht (Anlage K8 im Anlagenheft Klagepartei).
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Der Klageantrag ist auch hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nummer 2 ZPO. Dies ist regelmäßig gegeben, wenn der Kläger den erhobenen Antrag konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis absteckt, Inhalt und Umfang der begehrten Entscheidung erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeiten auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (BGH NJW 1999, 954). Über die Identität und damit über den Umfang der Rechtskraft des begehrten Feststellungsanspruchs herrschen keine Zweifel, denn der Kläger benennt die Parteien des Rechtsstreits, den Rechtsgrund der Deckungsverpflichtung unter Angabe der Versicherungsnummer, den Schadensfall und den Kostenumfang mit der Bezifferung als außergerichtliche und erstinstanzliche Kosten, sowie das Klageziel. Die Substantiierung der klagebegründeten Tatsachen ist in der Begründetheit der Klage zu prüfen und führt nicht zur Unzulässigkeit (arg ex. § 264 Nr. 1, 282 Abs. 1 ZPO). Der Kläger genügt diesen Anforderungen, indem er den konkreten Sachverhalt und Lebensvorgang (Kauf des Neuwagens mit dem manipulierten Motor) vorträgt, aus dem er die Deckungszusage aus der Rechtsschutzversicherung herleitet. Weitere Details wie die gefahrenen Kilometer und die Gesamtlaufleistung sind nicht für den Antrag notwendig, da dies Fragen der Begründetheit sind. Da ein Feststellungsurteil gestaltende Wirkung entfaltet und nicht vollstreckt wird, muss das Recht oder das Rechtsverhältnis, dessen Bestehen oder Nichtbestehen festgestellt werden soll, (nur) so genau beschrieben werden, dass über dessen Identität und damit über den Umfang der Rechtskraft des Urteils keinerlei Ungewissheit herrschen kann. Dem genügt der Antrag deshalb, weil er auf die Feststellung konkreter Ansprüche gegen die Beklagte und damit eines Rechtsverhältnisses i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet ist. Eine genaue Bezifferung der Erstattungspflicht war nicht notwendig.
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Es liegt auch ein Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO vor, weil die Beklagte ihre Einstandspflicht aus dem Versicherungsvertrag in Abrede stellt und den Beklagten bei Vorliegen einer Rechtsschutzversicherung nicht zuzumuten ist, das Verfahren zunächst auf eigene Kosten zu finanzieren, um dann bei der Beklagten Regress zu nehmen. Hierbei braucht er sich nicht auf das Schiedsverfahren verweisen zu lassen, denn ein solches lässt das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen und erlaubt dem Kläger sofortige Deckungsklage zu erheben (Harbauer/Schmitt VVG § 128 Rn. 6).
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2. Die Klage ist begründet.
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Dem Kläger steht ein Anspruch auf Deckungszusage aus dem Rechtschutzversicherungsvertrag i.V.m. § 125 VVG zu. Danach ist der Versicherer bei einer Rechtsschutzversicherung verpflichtet, die für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers erforderliche Leistungen im vereinbarten Umfang zu erbringen.
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2.1. Die Beklagte ist eintrittspflichtig, da zwischen dem Kläger und der Beklagten ein Rechtsschutzversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer RS-V-11-0003-1073-4777 vom 30. Oktober 2008 bis 29. Oktober 2019 bestand. Der Rechtschutzfall ist mit dem Abschluss des Kaufvertrages am 22. März 2012 eingetreten, der in die versicherte Zeit fällt. Der Versicherungsvertrag umfasst auch den streitgegenständlichen Anspruch auf Deckungsschutz aus dem Rechtschutzversicherungsvertrag i.V.m. § 125 VVG. Nicht bestritten wurde der klägerische Vortrag, dass zwischen den Parteien die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bezüglich des Erwerbs eines Fahrzeuges grundsätzlich versichert ist. Auf die Beendigung des Versicherungsschutzes kommt es nicht an, weil die Beklagte innerhalb eines Zeitraums von 3 Jahren nach Vertragsbeendigung eintrittspflichtig bleibt.
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2.2. Für die bereits eingeleitete Rechtsverfolgung des Klägers seiner Ansprüche gegenüber der V. AG im Verfahren vor dem Landgericht Bayreuth besteht hinreichende Erfolgsaussicht.
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Hinreichende Erfolgsaussicht liegt demnach vor, wenn die Möglichkeit besteht, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen bewiesen werden können und die Rechtsauffassung des Versicherungsnehmers vertretbar erscheint. Hierbei darf nicht darauf abgestellt werden, das schwierige Tat- oder Rechtsfragen, von denen der Erfolg abhängt, ungeklärt sind oder ist ihre Beantwortung umstritten ist; insoweit ist derselbe Maßstab anzulegen wie bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Rahmen des § 114 ZPO, wonach deren Klärung ebenfalls nicht in das Prüfungsverfahren vorverlagert werden darf (vgl. BGH, Beschl. v. 07.03.2007, IV ZB 37/06, Rn. 7; BGH VersR 1990, 414; 1987, 1186; OLG Düsseldorf VersR 2018, 27). Auch der vertraglich versprochene Rechtsschutz darf die gerichtliche Wertung nicht vorwegnehmen (Langheid/Rixecker/Rixecker, 7. Aufl. 2022, VVG § 128 Rn. 2).
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Hierbei kann dahinstehen, ob sich der Kläger zur Stützung der Erfolgsaussichten seiner Klage wegen des unzweifelhaft bestehenden Anspruch aus § 826 BGB darauf berufen kann, dass die Frage, ob die Einrede der Verjährung erhoben wird, erst im Hauptsacheprozess zu klären ist oder dies antizipiert werden darf, wie die Beklagte meint oder ob die Deckung gemäß § 128 Satz 2, 3 VVG fingiert wird, da der Anspruch aus § 826 BGB auch nach Eintritt der Verjährung gemäß § 852 Satz 1 BGB durchsetzbar ist und insoweit Verjährung noch nicht eingetreten ist.
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Zwar war die Rechtsfrage, ob § 852 BGB einen solchen Anspruch hergibt, zum Zeitpunkt der Ablehnung durch die Beklagte strittig gewesen. Allerdings dürfen hinreichende Erfolgsaussichten nicht bereits verneint werden, wenn mehrere Gerichte den Anspruch zugesprochen haben (vgl. OLG Düsseldorf, Hinweisbeschluss vom 21.9.2017 – I-4 U 87/17). Ansprüche aus § 852 BGB bei manipulierten Fahrzeugen der Marke VW wurden, wie die Klagepartei ausführt, bereits mehrfach obergerichtlich zugebilligt (vgl. bsph. OLG Celle, BeckRS 2021, 33471; OLG Düsseldorf, 23 U 143/20; OLG Dresden, BeckRS 2021, 32685; OLG Karlsruhe, 13 U 168/21; OLG Köln, BeckRS 2021, 33950; OLG München, BeckRS 2021, 35327). Spätestens seit der grundlegenden höchstrichterlichen Entscheidung vom 21.02.2022 ist die Anwendung des § 852 BGB in Betracht zu ziehen (BGH Urt. v. 21.2.2022 – VIa ZR 8/21, BeckRS 2022, 6222).
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Die Anwendbarkeit des § 852 BGB scheidet auch nicht aus, weil die Beklagte sich nicht an der Musterfeststellungsklage beteiligt hat. Die Möglichkeit der Musterfeststellungsklage soll den Rechtschutz der Verbraucher erhöhen, dies würde dem widersprechen, wenn bei Nichtinanspruchnahme dieser, die Rechte aus § 852 BGB nicht mehr individuell geltend gemacht werden können (BGH a.a.O.).
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Der Kläger hat in seiner Deckungsanfrage die notwendigen Tatsachen vorgetragen, die zur Prüfung der Erfolgsaussichten des § 852 BGB genügen, denn für die Abwicklung von sog. Dieselfällen hat der BGH zu Recht klargestellt, dass der Käufer eines Neuwagens, soweit er aufgrund des ungewollt abgeschlossenen Kaufvertrags nach § 826 BGB geschädigt ist, den daraus entstehenden Vermögensvorteil beim Beklagten auch nach der Verjährung des Schadensersatzanspruchs über § 852 S. 1 BGB herausverlangen kann (BGH BeckRS 2022, 6222 Rn. 71). Der subjektbezogene Vermögensschaden liegt unabhängig davon vor, ob der Geschädigte einen Anspruch nach § 826 durchsetzen kann oder nach Verjährung des Schadensersatzanspruchs sein Begehren auf § 852 stützt. (BeckOK BGB/Spindler, 62. Ed. 1.5.2022, BGB § 852 Rn. 5). Nicht überzeugend sind die Ausführungen der Beklagten bezüglich der notwendigen Bezifferung über die Höhe der geltend gemachten Ansprüche, denn die Beklagte kann ohne weiteres die Einstandspflicht unter den Voraussetzungen des § 128 VVG überprüfen, ohne die Anspruchshöhe zu kennen. Dies widerspricht auch nicht dem Wesen des Versicherungsvertrages, denn die Beklagte kann, wie der Kläger überzeugend vorträgt, die Versicherungspflicht (Deckungszusage) unter Verweis auf die mangelnden Erfolgsaussichten einschränken.
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Der über § 852 BGB herzuleitende Anspruch war weder in der Bewilligungsreife (13.04.2021) noch zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, der hier gemäß § 128 Abs. 2 BGB dem Ablauf der Stellungnahmefrist entspricht (17.06.2022), verjährt. Die Verjährungsfrist von 10 Jahren hat mit dem Kauf des Fahrzeugs am 22.03.2012 begonnen und wurde durch die Klageerhebung vom 16.02.2022 gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 253 Abs. 1 ZPO gehemmt.
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Somit kann der Kläger Deckung der Prozesskosten verlangen.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich gem. § 709 Satz 1 ZPO. Hierbei sind nur die Prozesskosten dieses Verfahrens maßgeblich. Sie übersteigen mit geschätzt 2.517,90 € jedoch die Grenze des § 708 Nr. 11 ZPO.
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Zur Streitwertfestsetzung wird auf den Beschluss des Landgerichts Bayreuth vom 19.05.2022 Bezug genommen.