Titel:
Klagebefugnis, Klarstellungsbescheid, Rechtschutzbedürfnis, Schutzbedürftige Räume, Vorbescheid
Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 2
DIN 4109
Schlagworte:
Klagebefugnis, Klarstellungsbescheid, Rechtschutzbedürfnis, Schutzbedürftige Räume, Vorbescheid
Fundstelle:
BeckRS 2022, 42112
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über einen gegenüber dem Kläger erteilten Bescheid.
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Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 650 Gem. …, einem ehemaligen landwirtschaftlichen Anwesen mit Betriebsleiterwohnhaus und einem westlich anschließenden, ehemals landwirtschaftlich genutzten Gebäude. Mit Klage vom … August 2017 wandte sich der Kläger gegen eine an den Eigentümer des unmittelbar angrenzenden Grundstücks FlNr. 648 Gem. … erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines landwirtschaftlichen Stalls. Dies ist Gegenstand des Verfahrens M 1 K 17.3999.
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Mit Bescheid vom 19. Dezember 2017 erteilte der Beklagte dem Kläger einen Vorbescheid für den Einbau von drei Wohneinheiten in das ehemals landwirtschaftlich genutzte Gebäude (Stall, Heulager) und stellte die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens fest. Dabei ist u.a. beauflagt, dass die Wohnungen so zu orientieren sind, dass an der Nord- und an der Westfassade keine schutzwürdigen Räume errichtet werden. Ferner sind die geplanten Wohnungen mit Zentrallüftungsanlagen auszustatten, die an Stellen geringer Geruchsbelastung (an der Süd- und Ostfassade, insbesondere im abgeschirmten Innenhof) die Zuluft ansaugen. Gegen diesen Bescheid erhob der Eigentümer des Grundstücks FlNr. 648 Klage. Dies ist Gegenstand des Verfahrens M 1 K 18.357.
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Der Kläger hat keine Klage gegen den Bescheid vom 19. Dezember 2017 erhoben.
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Mit Bescheid vom 19. Dezember 2018, dem Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 24. Dezember 2018, ergänzte der Beklagte Buchstabe B des Vorbescheids vom 19. Dezember 2017 insoweit, als an der Nord- und Westfassade keine schutzbedürftigen Räume nach DIN 4109 errichtet werden dürfen (Nr. 1). Im Übrigen gelte der Bescheid vom 19. Dezember 2017 unverändert fort (Nr. 2). Der Bescheid diene zur Klarstellung der Auflagen.
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Mit am 21. Januar 2019 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz seines Bevollmächtigten hat der Kläger Klage erhoben. Er beantragt zuletzt,
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den Bescheid vom 19. Dezember 2018 aufzuheben.
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Der Bescheid vom 19. Dezember 2018 stelle erstmals die Art der geschützten Räume hinreichend dar. Die vom Beklagten als Klarstellung verbeschiedene Ergänzung sei eine nicht rechtmäßige Verschlechterung für den Kläger. Nach der TA Lärm unterfielen dem Begriff der schutzbedürftigen Räume unter anderem Wohnräume einschließlich Wohndielen, Wohnküchen und Schlafräume. Der Schutzzweck der DIN 4109 erstrecke sich auf Lärm- und nicht Geruchsimmissionen. Unter Berücksichtigung der Auflage, die Wohnungen mit Zentrallüftungsanlagen auszustatten, sei es allenfalls rechtmäßig, Schlafräume an der West- und Nordfassade zu verbieten. Die Erstreckung auf Wohnzimmer jeglicher Art, Wohnküchen und Wohndielen sei nicht gerechtfertigt. Insoweit sei anzunehmen, dass ein Aufenthalt dort außerhalb der Nachtruhe stattfinde und Bewohner bei Wahrnehmung von Immissionen die Fenster schließen würden. Mieter im ländlichen Bereich hätten die vorherrschenden ländlichen Immissionen hinzunehmen. Den Mietern sei zudem zuzumuten, ein geöffnetes Fenster zu schließen, wenn im Übrigen die Belüftung über die Zentrallüftungsanlage gewährleistet sei.
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Am 13. Dezember 2022 wurde zu den Verfahren M 1 K 17.3999 und M 1 K 18.357 mündlich verhandelt. Im Rahmen dessen hat das Gericht das Verfahren M 1 K 22.6159 mit Beschluss abgetrennt und ebenfalls mündlich verhandelt.
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Der Beklagte beantragt,
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Der Bescheid sei ausdrücklich als Klarstellungsbescheid ergangen, der den Regelungsgehalt des Ausgangsbescheids vom 19. Dezember 2017 nicht ändere. Dem Kläger fehle es bereits am Rechtschutzbedürfnis, weil er den Ausgangsbescheid nicht angefochten habe.
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Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Niederschrift, wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten, auch in den Verfahren M 1 K 17.3999 und M 1 K 18.357, verwiesen.
Entscheidungsgründe
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I. Die Klage hat keinen Erfolg, weil sie bereits unzulässig ist.
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1. Soweit sich der Kläger gegen die Auflage an sich - mithin das grundsätzliche Verbot der Errichtung schutzbedürftiger Räume an der Nord- und Westfassade des Gebäudes - wendet, fehlt es bereits am notwendigen Rechtschutzbedürfnis. Der Kläger hat es unterlassen, den Vorbescheid vom 19. Dezember 2017 anzufechten. Die dort festgesetzte Auflage zum Verbot der Errichtung schutzwürdiger Räume an der Nord- und Westfassade des Gebäudes ist ihm gegenüber damit bestandskräftig geworden.
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2. Soweit der Kläger geltend macht, durch den Bescheid vom 19. Dezember 2018 schlechter gestellt zu sein, trifft dies ebenfalls nicht zu. Der Kläger hat insoweit die Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch den Bescheid vom 19. Dezember 2018 nicht hinreichend dargelegt, sodass er nicht klagebefugt ist. Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Regelung im streitgegenständlichen Bescheid vom 19. Dezember 2018 hat im Vergleich zu der Auflage im Ursprungsbescheid vom 19. Dezember 2017 keinen eigenständigen Regelungsgehalt. Die Auflage im Ursprungsbescheid ist der selben Auslegung zugänglich, die nunmehr durch die Ergänzung, dass schutzbedürftige Räume „nach DIN 4109“ nicht errichtet werden dürfen, konkretisiert wurde. Nach allgemeinem Verständnis sind schutzbedürftige Räume solche Räume, denen aufgrund eines besonderen Aufenthaltscharakters besondere Schutzbedürftigkeit zukommt. Dabei handelt es sich insbesondere um Räume, die nicht nur zum kurzfristigen Aufenthalt bestimmt sind, wie etwa Wohnzimmer, Schlafzimmer oder Arbeitszimmer. Nach der DIN 4109 (Abschnitt 3.16) sind schutzbedürftige Räume Wohnräume, einschließlich Wohndielen, Wohnküchen, Schlafräume einschließlich Übernachtungsräumen in Beherbergungsstätten, Bettenräume in Krankenhäusern und Sanatorien, Unterrichtsräume in Schulen, Hochschulen und ähnlichen Einrichtungen, Büroräume, Praxisräume, Sitzungsräume und ähnliche Arbeitsräume (Molodovsky/Famers/Waldmann, Bayerische Bauordnung, 146. Auflage 2022, Art. 13 Rn. 91). Dies hat der Beklagte durch den Bescheid vom 19. Dezember 2018 nicht erstmals festgesetzt, sondern lediglich die Auflage im Ursprungsbescheid klargestellt. Auch ausweislich der Bescheidsbegründung galt der Bescheid vom 19. Dezember 2018 lediglich der Klarstellung. Das Landratsamt hat damit hinsichtlich Buchstabe B des Vorbescheids vom 19. Dezember 2017 erkennbar keine erneute Sachentscheidung getroffen, mit der die Regelungswirkung des ersten Bescheids geändert worden wäre.
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Der Kläger kann demnach nicht geltend machen, insoweit durch den Bescheid vom 19. Dezember 2018 in seinen subjektiven Rechten verletzt zu sein.
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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.