Titel:
Kein Ruhegeld bei Dozententätigkeit des Rechtsanwalts trotz Berufsunfähigkeit
Normenketten:
GG Art. 12 Abs. 1
BayVersoG Art. 28 S. 1, Art. 32 Abs. 1 S. 1
BRAO § 7 S. 1 Nr. 8
Satzung der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung § 29 Abs. 1, Abs. 3 S. 1
Leitsätze:
1. Die Berufsunfähigkeit gemäß § 29 Abs. 1 S. 2 BRAStV ist nach umfassend so zu verstehen, dass die Formulierung „zur Ausübung des Berufs unfähig“ alle beruflichen Tätigkeiten erfasst, zu deren Ausübung das Mitglied von seiner Ausbildung her berechtigt und unter Berücksichtigung des bisherigen beruflichen Werdeganges und der erworbenen Qualifikationen befähigt ist. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Rechtsanwältin hat ihre berufliche Tätigkeit iSd § 29 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 1 BRAStV nicht eingestellt, wenn sie zwar ihre Kanzlei einstellt und ihre Zulassung zurückgibt, aber nunmehr Lehrtätigkeiten auf juristischem Fachgebiet bei einer Universität sowie bei privaten Ausbildungsinstituten ausübt. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit gemäß § 29 BRAStV bezweckt die Abdeckung des Risikos, aus gesundheitlichen Gründen aus der Tätigkeit als Rechtsanwalt bzw. Steuerberater kein hinreichendes Einkommen (mehr) zu haben und nimmt damit eine existenzsichernde Funktion wahr. Es handelt sich somit um eine Absicherung des Risikos der Berufsunfähigkeit, dagegen nicht der Erwerbstätigkeit. Das Ruhegeld bzw. die Berufsunfähigkeitsrente tritt an die Stelle der üblicherweise von den Mitgliedern erzielten Einkünfte aus beruflicher Tätigkeit, soll derartige Einkünfte aber nicht ergänzen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rechtsanwaltsversorgung, Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit, Einstellen der beruflichen Tätigkeit, Vereinbare Tätigkeit, Lehrauftrag
Fundstelle:
BeckRS 2022, 42058
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit ab 1. November 2019.
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1. Die Klägerin war seit 8. August 2000 bis zum Widerruf ihrer Zulassung nach Verzicht mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer B. vom 6. September 2018 als Rechtsanwältin zugelassen und (längstens) bis 1. November 2016 in diesem Beruf tätig.
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Ab dem 1. November 2018 bewilligte die Beklagte der Klägerin auf deren Antrag befristet bis 31. Oktober 2019 Ruhegeld bei vorübergehender Berufsunfähigkeit.
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Mit Schreiben vom 11. September 2019 beantragte die Klägerin die Weitergewährung des Ruhegeldes über den 31. Oktober 2019 hinaus. Im Nachgang hierzu legte sie ein ärztliches Attest der …-Klinik, PD Dr. med. W., vom 21. Oktober 2019 vor, auf dessen Inhalt verwiesen wird.
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Der von der Beklagten beauftragte Sachverständige Dr. med. K. kommt in seinem Gutachten vom 20. Februar 2020 abschließend zu der Bewertung, die Funktionsstörungen, die aus den diagnostizierten Erkrankungen resultierten, führten zu einer globalen seelischen Funktionsstörung. Zentrale Anteile der Persönlichkeit seien betroffen. Aus eigener Kraft und Willensanstrengung könne die Klägerin die Symptome nicht überwinden. Diese Funktionsstörungen bedingten eine umfassende Berufsunfähigkeit im Sinne der Satzung der Beklagten. Die Prognose sei ungünstig, die Voraussetzungen der sog. kumulierenden Funktionsstörung seien gegeben, mit einer durchgreifenden Besserung sei nicht mehr zu rechnen, sodass von einer dauernden Berufsunfähigkeit auszugehen sei. Die von der Beklagten gestellten Fragen beantwortete der Sachverständige wie folgt: Bei der Klägerin liege ein qualifiziertes Krankheitsbild vor. Hinsichtlich der Depression seien durchaus Schwankungen dokumentiert, die Funktionsstörungen hätten sich jedoch nicht wesentlich geändert. Die Kerntätigkeiten des Berufs als Anwältin und Juristin seien krankheitsbedingt nicht mehr möglich. Die Klägerin sei zur Ausübung des Berufs in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit im zuletzt ausgeübten Umfang nicht mehr in der Lage. Die Kernkompetenz als Anwältin sei krankheitsbedingt nicht mehr gegeben, sodass die Klägerin in ihrem Beruf als Rechtsanwältin nicht mehr arbeiten könne, auch nicht stundenweise. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe für körperlich leichte Tätigkeiten ohne Hektik, ohne Stress, ohne Führungsverantwortung bei klar definierten Arbeitszielen noch eine Belastbarkeit von täglich fünf bis sechs Stunden. Im Beruf als Juristin, auch in anderer Form, sei eine stundenweise Tätigkeit nicht mehr möglich. Die für den Beruf als Juristin notwendigen seelischen Fertigkeiten seien der Klägerin krankheitsbedingt abhandengekommen. Es handle sich um eine schwere seelische Funktionsstörung. Ein langjähriger Krankheitsverlauf sei gegeben. Auf die umfassende Befunddokumentation werde verwiesen. Seit der letzten stationären Therapie vom 25. November 2015 bis 28. Januar 2016 habe sich keine durchgreifende Besserung mehr eingestellt. Bei kritischer Prüfung des Sachverhaltes sei davon auszugehen, dass das beschriebene Leistungsbild seit der Entlassung aus der …klinik am 28. Januar 2016 anzunehmen sei. Die Prognose sei ungünstig. Mit einer Besserung der Leistungsfähigkeit sei nicht zu rechnen. Es bestehe auch keine Aussicht, dass die Klägerin den Beruf in anderer Form zukünftig wieder ausüben könne. Durch Behandlungen und Rehabilitationsmaßnahmen könne die eingetretene Berufsunfähigkeit nicht mehr beseitigt werden. Auf eine Nachuntersuchung könne verzichtet werden. Abschließend führt der Sachverständige aus, im Gutachten sei eine umfassende psychiatrische Differenzialdiagnose durchgeführt worden. Es hätten sich die im Gutachten dargelegten Erkrankungen ergeben. Diese Diagnosen seien als im Vollbeweis gesichert anzusehen. Auf der Basis der Leitlinien habe sich der Sachverständige eingehend mit den Funktionsstörungen der Klägerin beschäftigt. Die sozialmedizinische Bewertung sei eindeutig und klar.
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Mit Schreiben vom 22. Januar 2021 teilte die Beklagte mit, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf Weitergewährung von Ruhegeld wegen der von der Klägerin ausgeübten Dozententätigkeiten abzulehnen. Hierzu gab die Beklagte der Klägerin die Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Klägerbevollmächtigte nahm unter dem 5. März 2021 abschließend Stellung. Hierauf wird verwiesen. Vorgelegt wurde eine fachärztliche Stellungnahme des Herrn PD Dr. med. W. vom 3. März 2021, nach der eine anwaltliche Tätigkeit der Klägerin, welche ihre ursprüngliche Berufstätigkeit darstelle und ihrem Ausbildungs- und Qualifikationsstandard entspreche, krankheitsbedingt unmöglich sei. Insbesondere das Vorliegen einer ausgeprägten Zwangsstörung mit zahlreichen Kontrollhandlungen und einer starken Verunsicherung sowie Unmöglichkeit der Verantwortungsübernahme in anwaltlicher Berufstätigkeit mache dies deutlich und sei auch fachärztlich durch die vorliegende und die frühere gutachterliche Stellungnahmen bestätigt worden. Die nun ausgeübte Dozententätigkeit in der Ausbildung von Sozialpädagogen in der Tätigkeit als Sozialarbeiter scheine weit weg von einer Berufsausübung als Juristin und insbesondere keine Übernahme einer juristischen beruflichen Tätigkeit mit entsprechendem Verantwortungsbereich. Auch wenn dem Arzt eine juristische Bewertung nicht zustehe, sei doch eindeutig, dass die Dozententätigkeit keineswegs mit einer entsprechenden anwaltlichen Berufsausübung und Verantwortungsübernahme gleichzusetzen sei. Gleichwohl komme es auch bei dieser Tätigkeit zu einer ausgeprägten Zwangssymptomatik mit auf stundenlangen Kontrollhandlungen im Sinne von Kontrolltätigkeiten der vorzubereitenden Vortragsfolien, andauernden Grübeleien und kognitiven Zwangshandlungen, ob die richtigen Inhalte vermittelt worden seien oder werden. Das bedeute auch in dieser Arbeitstätigkeit, dass die Klägerin massiv durch ihre psychische Erkrankung beeinträchtigt sei. Gleichwohl wäre ein Wegfall dieser Tätigkeit ein gravierender Einschnitt der Selbstständigkeit und würde zu einer Gravitation der psychischen Erkrankung mit verstärkten Wertlosigkeitsgefühlen und depressiver Symptomatik führen. Daher sei es unbedingt erforderlich, diese berufliche Tätigkeit anders einzuschätzen oder der Klägerin dennoch bei bestehender Berufsunfähigkeit als Anwältin diese Tätigkeit zu ermöglichen.
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Der Sachverständige Dr. K. führte in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 27. März 2020 ergänzend aus, dass die Klägerin aus medizinischer Sicht seit Oktober 2018 dauerhaft berufsunfähig sei und eine Dozententätigkeit auf dem juristischen Fachgebiet sowie das Verfassen von Fachliteratur nicht möglich seien.
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Mit Bescheid vom 26. Mai 2021, dem Bevollmächtigten der Klägerin am 28. Mai 2021 zugestellt, lehnte der Beklagte den Antrag auf Weitergewährung des Ruhegeldes ab.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die satzungsrechtlichen Voraussetzungen für die Weitergewährung des Ruhegeldes bei Berufsunfähigkeit seien nicht erfüllt. Die Einstellung der beruflichen Tätigkeit gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung sei nicht erfolgt. Gemäß § 29 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 der Satzung dürfe keine Erwerbstätigkeit in einem rechtsberatenden Beruf und auch keine Tätigkeit, die mit diesem Beruf vereinbar sei, ausgeübt werden. Ausschlaggebend zur Beurteilung der Berufsspezifität dieser Tätigkeiten und somit auch der Rentenschädlichkeit sei nicht, ob anwaltliche Tätigkeiten vorliegen, sondern ob ein juristisches Tätigwerden gegeben sei. Davon erfasst würden alle beruflichen Tätigkeiten, zu deren Ausübung die Klägerin aufgrund ihrer Ausbildung als Volljuristin berechtigt und unter Berücksichtigung ihres bisherigen beruflichen Werdegangs und der erworbenen Qualifikationen befähigt sei. Es sei auch nicht entscheidend, ob die Tätigkeiten rechtsgestaltend, rechtsberatend oder rechtsentscheidend seien. Zudem seien die von dem Klägerbevollmächtigten zitierten Urteile des Verwaltungsgerichts (VG) München vom 21. April 2011 (Az.: M 12 K 09.672) und des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Lüneburg vom 26. April 2007 (Az.: 8 LB 212/05) zur Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes nicht ausschlaggebend, da es dort um das Vorliegen der medizinischen Berufsunfähigkeit gehe. Die Beurteilung derselben sei jedoch getrennt von der Einstellung der berufsspezifischen Tätigkeit zu betrachten und demnach anhand unterschiedlicher Kriterien zu prüfen. Für die Ausübung der Tätigkeiten der Klägerin als Dozentin werde juristisches Wissen, welches die Klägerin sich durch ihr Jurastudium angeeignet habe, benötigt und verwendet. Somit handele es sich um berufsspezifische Tätigkeiten, die einer Einstellung der berufsspezifischen Tätigkeit entgegenstünden. Im Rahmen ihrer Tätigkeit als Dozentin an der privaten Fachakademie für Heilpädagogik unterrichte die Klägerin die Fächer „Die rechtliche Stellung von Menschen mit und ohne Behinderungen“, „Die rechtliche Stellung von Kindern und Jugendlichen“, „Die Rechtsbeziehungen zwischen Klienten und Betreuungseinrichtungen“ und „Die rechtliche Stellung der Heilpädagogen“. Ausweislich der vorgelegten Auszüge aus dem Vorlesungsverzeichnis der Universität Würzburg handele es sich auch bei den beiden Lehraufträgen am Institut für Sozialpädagogik und am Institut für Evangelische Theologie um rentenschädliche Tätigkeiten. Am Institut für Evangelische Theologie halte die Klägerin die Vorlesung „Aspekte inklusiven Rechts“, welche die Behandlung staatlicher und EU-Rechtsvorschriften sowie anderer Deklarationen überstaatlicher Organisationen im Diversitätsbereich, die historische Entwicklung und Umsetzungsprobleme inklusiven Rechts sowie Grundrisse der theologischen und philosophischen Rechtsethik mit Bezug auf Menschenrechte beinhalte. Für diese Lehrtätigkeit würden juristische Kenntnisse benötigt, weshalb es sich um eine juristische und damit rentenschädliche Tätigkeit handele. Am Institut für Sonderpädagogik lehre die Klägerin „Rechtliche Grundlagen für Sonderpädagogen“. Dabei würden die Schwerpunkte des Sozialrechts in sonderpädagogischen Arbeits- und Handlungsfeldern behandelt. Dies umfasse unter anderem die Behandlung der verschiedenen Sozialgesetzbücher sowie arbeits- und zivilrechtliche Regelungen. Im Sommersemester liege der Schwerpunkt der Vorlesung auf der Behandlung arbeitsrechtlicher Fragen. Es handele sich nicht mehr nur um einen reinen Überblick über die relevanten Normen, sondern vielmehr um die teilweise vertiefte Behandlung von juristischen Fachgebieten. Den Studierenden solle ein Problembewusstsein vermittelt sowie die Anwendung der Rechtsnormen in der Praxis dargelegt werden (z.B. Durchsetzung von Leistungsansprüchen, Bewerbungsgespräche, Arbeitsvertrag und Pflichten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern). Zusätzlich lehre die Klägerin am Institut für Sonderpädagogik das Fach „Rechtliche Grundlagen für schulische Handlungsfelder“ und behandle damit rechtliche Fragestellungen aus dem Zivil-, Sozial- und Strafrecht, die im Rahmen der schulischen Tätigkeit auftreten könnten. Auch aus Art. 31 Abs. 4 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 des Bayer. Hochschulpersonalgesetzes (BayHSchPG) ergebe sich keine andere Beurteilung. Diese Vorschriften regelten die Einstellungsvoraussetzungen für die jeweiligen Lehrtätigkeiten. Aus den Normen ergebe sich lediglich das Mindestmaß an Voraussetzungen für die jeweiligen Lehrtätigkeiten. Dies schließe jedoch nicht aus, dass diese Tätigkeiten nicht ebenfalls mit der juristischen Ausbildung eines Volljuristen ausgeübt werden könnten. Aus den Einstellungsvoraussetzungen ergebe sich insbesondere keine andere Beurteilung der Rentenschädlichkeit. Schließlich sei es für diese Beurteilung nicht relevant, dass die Teilnehmer weder Juristen seien noch eine juristische Vorbildung hätten.
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2. Am 28. Juni 2021 ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Klage erheben.
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Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung vom 26. Mai 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin ab dem 1. November 2019 Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin übe keine rentenschädlichen Tätigkeiten aus. Allgemein werde die anwaltliche Tätigkeit von der Übernahme von Verantwortung für die juristische Leistung gegenüber einer weiteren Person geprägt, sei es der Mandant oder der Kollege, dem zugearbeitet werde. Genau diese das Berufsbild prägende Verantwortungsübernahme fehle jedoch bei der ausgeübten Lehrtätigkeit. Nach der Rechtsprechung sei Voraussetzung für das Vorliegen von Berufsunfähigkeit, dass das Mitglied nicht mehr in der Lage sei, seiner beruflichen Tätigkeit in nennenswertem Umfang nachzugehen. Nachdem zu den wesentlichen Merkmalen einer beruflichen Tätigkeit gehöre, dass sie dem Grunde nach geeignet sei, eine entsprechende materielle Lebensgrundlage zu schaffen oder zu erhalten, liege Berufsunfähigkeit bereits dann vor, wenn die Möglichkeiten einer Berufsausübung krankheitsbedingt so stark eingeschränkt seien, dass ihr eine existenzsichernde Funktion - womit nicht die Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards gemeint sei - nicht mehr zukommen könne, auch wenn die Verrichtung einzelner anwaltlicher Tätigkeiten noch möglich sei. Es sei dargelegt worden, dass ein auskömmliches Einkommen durch die Referententätigkeiten nicht zu erzielen sei. Weitere Lehraufträge könnten von der Klägerin aufgrund der durch die Selbstzweifel bedingten immensen Vorbereitungszeit nicht angenommen werden. So habe die Klägerin aus den Lehraufträgen der Universität Würzburg in den Jahren 2018 bis 2020 einen durchschnittlichen Gesamtumsatz von lediglich 2.957,66 EUR generiert. Aus der Tätigkeit für die Fachakademie erhalte sie für ein Schuljahr 2.400,00 EUR. Die Lehrveranstaltung finde alle zwei Jahre statt. Ausgaben für die Tätigkeiten seien dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Zutreffend habe der Sachverständige daher festgestellt, dass der Klägerin eine Tätigkeit als Referentin auf juristischem Fachgebiet nicht zugemutet werden könne. Unabhängig davon handle es sich nicht um rentenschädliche Tätigkeiten. § 29 Abs. 1 Satz 2 der Satzung verweise als rentenschädlich auch auf solche Tätigkeiten, die mit dem Beruf eines Rechtsanwalts vereinbar seien. Offensichtlich sei diese Formulierung stark einschränkend auszulegen, da beispielsweise auch der Beruf des Taxifahrers bzw. -unternehmers mit dem des Rechtsanwalts vereinbar sei, welches mit der Ermächtigungsgrundlage schlicht nicht zu vereinbaren wäre. Die Liste der mit der Tätigkeit eines Anwalts vereinbaren Tätigkeiten sei keinesfalls auf Berufe beschränkt, für die eine juristische Ausbildung notwendig sei. Der Begriff der Vereinbarkeit sei daher ungeeignet, um als Kriterium für die Beschränkung der Berufe zu dienen, die als anwaltliche Tätigkeiten im weiteren Sinne bezüglich einer Berufsunfähigkeitsversorgung gelten sollten. Eventuell handele es sich bei der Formulierung sogar um ein redaktionelles Versehen, da die möglicherweise tatsächlich gemeinte Formulierung „vergleichbar ist“ wesentlich mehr Sinn ergeben würde. Auf die Entscheidung des OVG Lüneburg vom 26. April 2007 werde verwiesen. Nur weil die Ausbildung zum Juristen für eine Tätigkeit förderlich sei, werde diese noch nicht zu einer anwaltlichen Tätigkeit. Die von der Beklagten vertretene Auffassung sei nicht mit der gesetzlichen Grundlage der Satzung, Art. 28 und 32 Abs. 1 des Bayer. Versorgungsgesetzes (VersoG) vereinbar.
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3. Die Beklagte beantragt,
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, maßgeblich für die Beurteilung der umfassenden und vollständigen Berufsunfähigkeit sei nach § 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Satzung nicht, ob die Klägerin der konkret von ihr in den letzten Jahren ausgeübten Tätigkeit weiterhin nachgehen könne, sondern ob es ihr möglich sei, eine existenzsichernde Tätigkeit auszuüben, die sich im Rahmen des durch die Ausbildung vorgezeichneten Berufsfeldes halte (mit Verweis auf VG München, U.v. 8.12.2016 - M 12 K 16.3109; U.v. 29.10.2009 - M 12 K 08.6082; VG Würzburg, U.v. 8.5.2006 - W 7 K 05.559). Es seien alle beruflichen Tätigkeiten erfasst, zu deren Ausübung die Klägerin von ihrer Ausbildung her berechtigt und unter Berücksichtigung des bisherigen beruflichen Werdegangs und der erworbenen Qualifikationen befähigt sei (mit Verweis auf BayVGH, B.v. 6.5.1999 - 9 ZB 98.1402; VG München, U.v. 15.11.2017 - M 12 K 15.5695; VG Würzburg, U.v. 8.5.2006 - W 7 K 05.559). Nach dem Gutachten des Herrn Dr. K. sei bei der Klägerin eine umfassende Berufsunfähigkeit im Sinne der Satzung gegeben. Neben dem Nachweis der Berufsunfähigkeit erfordere der Anspruch auf Ruhegeld zudem die Einstellung der beruflichen Tätigkeit. Demnach stehe es der Einstellung der beruflichen Tätigkeit entgegen, wenn das Mitglied eine Erwerbstätigkeit in einem rechtsberatenden Beruf oder eine Tätigkeit, die mit diesem Beruf vereinbar sei, ausübe, selbst wenn es sich um die Ausübung einer solchen Tätigkeit im kleinsten Umfang handele. Die Einstellung der beruflichen Tätigkeit sei im Fall der Klägerin nicht erfolgt. Erst aufgrund des Sachverständigengutachtens habe sich die Frage nach der Gestaltung der Unterrichtstätigkeiten der Klägerin mit diesen Einschränkungen und in diesem Ausmaß aufgedrängt. Durch die Vorlage der Stellenbeschreibungen sei es sodann zur Prüfung der Rentenschädlichkeit gekommen. Ausschlaggebend für die Rentenschädlichkeit einer Tätigkeit sei nicht, ob anwaltliche Tätigkeiten vorliegen, sondern ob ein juristisches Tätigwerden gegeben sei. Davon würden alle beruflichen Tätigkeiten erfasst, zu deren Ausübung das Mitglied aufgrund seiner Ausbildung als Volljurist berechtigt und unter Berücksichtigung des bisherigen beruflichen Werdegangs und der erworbenen Qualifikation befähigt sei. Es sei auch nicht entscheidend, ob die Tätigkeiten rechtsgestaltend, rechtsberatend oder rechtsentscheidend seien. Somit sei auch nicht von einem redaktionellen Versehen auszugehen. Die Beurteilung der Berufsunfähigkeit sei getrennt von der Einstellung der berufsspezifischen Tätigkeit zu betrachten und demnach anhand unterschiedlicher Kriterien zu prüfen. Im Rahmen der Beurteilung der Berufsunfähigkeit sei unter anderem zu überprüfen, ob das Mitglied noch eine existenzsichernde Tätigkeit, die sich im Rahmen des durch die Ausbildung vorgezeichneten Berufsfeldes hält, ausüben könne. Eine umfassende Berufsunfähigkeit liege nach ständiger Rechtsprechung bereits vor, wenn die Möglichkeiten einer Berufsausübung krankheitsbedingt so stark eingeschränkt seien, dass ihr eine existenzsichernde Funktion - womit nicht die Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards gemeint sei - nicht mehr zukommen könne, auch wenn die Verrichtung einzelner anwaltlicher Tätigkeiten noch möglich sei. Im Rahmen der Einstellung der Tätigkeit komme es auf das Kriterium der existenzsichernden Funktion nicht an. Das von der Klägerin zitierte Urteil des VG München vom 21. April 2011 (Az.: M 12 K 09.672) sei daher vorliegend zur Beurteilung der Einstellung der beruflichen Tätigkeit ungeeignet, da die darin aufgestellten Grundsätze nicht die Einstellung der beruflichen Tätigkeit betreffen würden, sondern das Vorliegen der medizinischen Berufsunfähigkeit. Die Berufsunfähigkeitsrente trete an die Stelle der üblicherweise von den Mitgliedern erzielten Einkünfte aus beruflicher Tätigkeit, solle derartige Einkünfte aber nicht ergänzen. Ein abweichendes Verständnis würde die aus allen Mitgliedern des Versorgungswerkes bestehende Solidargemeinschaft übermäßig in Anspruch nehmen, da das Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit nicht ausschließlich aus den Beiträgen des einzelnen Mitgliedes, sondern zumindest anteilig aus den Mitteln aller Mitglieder des Versorgungswerkes finanziert werde. Die Gewährung eines Ruhegeldes wegen Berufsunfähigkeit sei deshalb abhängig davon, dass diese Tätigkeit unterbleibe (m.V.a. OVG Lüneburg, U.v. 12.11.2020 - 8 LB 97/19). Das Mitglied dürfe daher weder einer anwaltlichen noch einer juristischen Tätigkeit nachgehen. Insofern komme es auch nicht darauf an, dass die anwaltliche Tätigkeit durch eine Verantwortung für die juristische Leistung gegenüber weiteren Personen geprägt sei. Unter Zugrundelegung der ausgeführten Kriterien sei daher davon auszugehen, dass die Ausübung der Tätigkeiten der Klägerin als Dozentin im Fachbereich Recht beim heilpädagogischen Seminar im SKF Würzburg sowie als Dozentin am Institut für Sozialpädagogik und Institut für Evangelische Theologie der Universität Würzburg einer Einstellung der berufsspezifischen Tätigkeit entgegenstehen. Es handele sich jeweils um rentenschädliche Tätigkeiten, da die Klägerin für die unterrichteten Fächer juristisches Wissen benötige und verwende, welches sie sich durch ihr Jurastudium angeeignet habe. Das Urteil des OVG Lüneburg vom 26. April 2007 (Az.: 8 LB 212/05) beziehe sich auf § 16 Abs. 1 der Alterssicherungsordnung der Ärzteversorgung Niedersachsen, der nur von einem Vorliegen der Berufsunfähigkeit ausgehe, wenn das Mitglied zur Ausübung des ärztlichen Berufs unfähig sei. Der Wortlaut unterscheide sich eindeutig von dem des § 29 Abs. 1 Satz 2 der Satzung der Beklagten, welche ausdrücklich auch eine Tätigkeit nenne, die mit diesen Berufen vereinbar sei. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Sachverständige Dr. K. dargelegt habe, dass eine Dozententätigkeit auf dem juristischen Fachgebiet nicht möglich sei. Der Gutachter habe die Aufgabe der Beurteilung der Berufsunfähigkeit aus medizinischer Sicht. Daher führe er auch aus, dass die Dozententätigkeit aus medizinischer Sicht nicht mehr möglich sei. Dies habe jedoch keinen Einfluss auf die davon zu trennende Beurteilung der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit.
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4. Mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2021 vertiefte der Klägerbevollmächtigte sein bisheriges Vorbringen. Durch die Definition der beruflichen Tätigkeit in der Satzung würden auch Tätigkeiten erfasst, für die es keiner juristischen Ausbildung bedürfe, beispielsweise der Beruf des Tennistrainers oder der Tanzlehrerin. Nicht erfasst würden dagegen Berufe wie Staatsanwalt oder Richter oder solche, welche eine Beamtenstellung mit sich brächten, da diese Berufe nicht mit dem Beruf des Anwalts vereinbar seien (m.V.a. § 7 Nr. 8, 10 der Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO), was merkwürdig erscheine. Grundsätzlich lasse sich der Wortlaut der Vorschrift sicherlich durch Auslegung reduzieren, jedoch erscheine es nicht möglich, den erforderlichen Prozentsatz des juristischen Anteils an der beruflichen Tätigkeit zu ermitteln, der erforderlich sein solle, um einen Beruf, bei dem juristisches Wissen erforderlich sei, als rentenschädlich zu erfassen. Theoretisch wäre es auch denkbar, eine Bestimmbarkeit dadurch zu erreichen, dass die Befähigung zum Richteramt Voraussetzung für die Aufnahme der beruflichen Tätigkeit sein müsse, um einerseits eine annähernde Vergleichbarkeit der rentenschädlichen beruflichen Tätigkeit mit der des Anwalts herzustellen, andererseits ein ausreichend bestimmtes Abgrenzungskriterium zu erhalten. Allerdings fänden sich für dieses, wie auch für alle anderen denkbaren Abgrenzungskriterien keine Anhaltspunkte im Satzungswortlaut. Die Rechtsauffassung der Beklagten, dass die Tätigkeiten der Klägerin entsprechend der Definition der Satzung anwaltliche Tätigkeiten seien, sei mit der Ermächtigungsgrundlage nicht vereinbar. Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung sei in Bezug auf die berufliche Tätigkeit von Ärzten ergangen. Die Auffassung der Beklagten, dass die ebenfalls einschränkende Auslegung des OVG Lüneburg vom 26. April 2007 auf ihre Satzung auch sinngemäß keine Anwendung finden dürfe, sei inkonsequent und vor allem vor dem Hintergrund der Ermächtigungsgrundlage, die eine Regelung der Berufsunfähigkeit und nicht eine Erwerbsunfähigkeit vorgebe, nicht vertretbar. In Art. 28, 32 VersoG gehe es um eine Absicherung der Berufsunfähigkeit und nicht etwa nur um eine Absicherung für den Fall einer Unfähigkeit, das im Rahmen der Ausbildung erlernte im Beruf anwenden zu können. Folglich werde eine Kompetenz zur Schaffung einer Regelung, die auch nur in die Richtung einer Erwerbsunfähigkeitsrente gehe, durch das Gesetz nicht eingeräumt. Auch die in der genannten Entscheidung des OVG Lüneburg maßgebliche Satzungsbestimmung verpflichte die Versorgungseinrichtung lediglich, eine Berufsunfähigkeitsrente zu gewähren. Im Urteil vom 12. November 2020 führe das OVG Lüneburg aus, dass die einzustellende Berufstätigkeit diejenige im Rechtsanwaltsberuf sei. Dies ergebe der Zusammenhang mit den übrigen Voraussetzungen der Satzungsbestimmung und der Zweck der Rente, die Berufs- und nicht die Erwerbsunfähigkeit abzusichern. Dementsprechend sei eine anderweitige selbstständige oder nicht selbständige Betätigung, ob damit Einkünfte erzielt werden oder nicht, unschädlich. Zum Rechtsanwaltsberuf gehörten diejenigen Tätigkeiten, welche die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft bzw. den Fortbestand der Zulassung rechtfertigten. Dass eine juristische Ausbildung für die Tätigkeit förderlich oder notwendig sei, reiche nicht aus. Die Merkmale des Rechtsanwaltsberufs seien insbesondere den §§ 1 bis 3, 43a, 46 BRAO zu entnehmen. § 29 Abs. 3 Satz 2 der Satzung verlange als Nachweis der Einstellung der beruflichen Tätigkeit die Rückgabe der anwaltlichen Zulassung. Dementsprechend gehe der Satzungsgeber davon aus, dass die Anwaltszulassung Voraussetzung für eine berufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt sei. Indem die Beklagte alle Tätigkeiten als rentenschädlich erfasst wissen wolle, die sich die juristische Ausbildung zu Nutze machten, werde das Feld der verbotenen Tätigkeiten gegenüber der Rentenschädlichkeit nur von anwaltlichen Tätigkeiten um ein Vielfaches erweitert. Dies sei unverhältnismäßig. Die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung bezüglich der Definition der Berufsunfähigkeit und der Ausübung einer rentenschädlichen Tätigkeit ergebe sich in dieser Form auch nicht aus der Satzung. § 29 Abs. 3 Satz 1 verweise ausdrücklich auf die Definition der beruflichen Tätigkeit gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2. Damit werde gerade nicht die Einstellung jeder Tätigkeit mit Bezug zur ausgeübten beruflichen Tätigkeit gefordert, sondern das Einstellen der beruflichen Tätigkeit. Diese sei nur eine Erwerbstätigkeit zur Sicherung des Existenzminimums. Folglich sei es auch nicht möglich, zwischen der Definition Erwerbstätigkeit und der rentenschädlichen beruflichen Tätigkeit zu differenzieren. Es widerspreche auch dem Gesetzeszweck, die Einstellung einer Tätigkeit zu verlangen, mit der ein ausreichendes Einkommen zum Lebensunterhalt nicht mehr erzielt werden könne. Durch die Satzung solle die Berufsunfähigkeit des Rechtsanwaltes abgesichert werden. Nach der Rechtsprechung liege eine Berufsunfähigkeit auch dann vor, wenn der Rechtsanwalt zur anwaltlichen Tätigkeit zwar grundsätzlich noch in der Lage sei, krankheitsbedingt jedoch nicht mehr in der Lage sei, den Beruf so auszuüben, dass er damit ein Einkommen erzielen könne. Grund und Zweck jeder beruflichen Tätigkeit sei es, ein jedenfalls existenzsicherndes Einkommen zu erzielen. Dementsprechend sei es sinnwidrig, die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit als rentenschädlich anzusehen, die keine das Existenzminimum sichernde Funktion habe. Dies gelte erst recht vor dem Hintergrund, dass sich die zu gewährende Rente an den seitens des Anwalts geleisteten Beiträgen an die Versorgungskammer orientiere und nicht das Existenzminimum sichern müsse, sodass eine irgendwie geartete Tätigkeit zur Sicherung des Lebensunterhaltes erforderlich bleibe. Rentenschädlich sei daher nur die Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit in einem Umfang, der geeignet sei, die Existenzsicherung zu gewährleisten. Es stelle schließlich auch einen unverhältnismäßigen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit dar, die Zahlung einer Rente an berufsunfähige Personen davon abhängig zu machen, dass diese ihre erlernten Fähigkeiten nicht mehr im Rahmen des ihnen noch Möglichen beruflich einsetzen. Aus der Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit in einem geringen Umfang ergäben sich keine nachteiligen Konsequenzen für die Gemeinschaft der Versicherten, sodass es für diese keine Rolle spiele, aus welchen Quellen der Berufsunfähige seine Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes neben der Rente beziehe. Bei der Klägerin komme noch hinzu, dass die Referententätigkeit nach der ärztlichen Stellungnahme des Dr. W. einen durch die Förderung des Selbstwertgefühls bedingten gesundheitlichen Zweck erfülle und weniger der Einkommenserzielung diene. Tatsächlich sei die Tätigkeit aufgrund des immens hohen Vorbereitungsaufwandes unwirtschaftlich. Es liege auf der Hand, dass es für die Klägerin wirtschaftlich sinnvoller wäre, die von der Beklagten als rentenschädlich gerügten Arbeiten einzustellen, eine andere außerjuristische Tätigkeit aufzunehmen und die Rente zu erhalten.
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5. Hierauf erwiderte die Beklagte mit Schriftsatz vom 2. November 2021 im Wesentlichen, bei den Lehrtätigkeiten handele es sich um juristische und somit rentenschädliche Tätigkeiten. Berufsständische Versorgungswerke seien als mit Satzungsautonomie ausgestattete Versorgungswerke befugt, eigenständige Regelungen zu treffen. Der Satzungsgeber habe bei der Ausgestaltung des Regelwerkes einen weiten Spielraum insbesondere hinsichtlich des Maßes, der Richtung und Ausgestaltung des zu konkretisierenden sozialen Zieles. Schon deshalb ergebe sich keine Verpflichtung für den Satzungsgeber, den Begriff an die Befähigung zum Richteramt oder andere Abgrenzungskriterien zu knüpfen. Der Begriff der Berufsunfähigkeit in der Satzung der Beklagten sei zum anderen auch nicht unbestimmt und als Abgrenzungskriterium ungeeignet. Schon aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die einen Anspruch bei Berufsunfähigkeit für Mitglieder der Beklagten regeln wolle, ergebe sich, dass die beispielhaft von der Klägerin aufgeführten Berufe von der Definition des § 29 Abs. 1 Satz 2 der Satzung nicht erfasst sein könnten. Die von der Klägerin vorgenommene Abgrenzung, nach der durch den Wortlaut der Norm Berufe wie der des Staatsanwalts, Richters oder Beamten ausgeschlossen sein sollten, sei daher unzutreffend. Für die Beurteilung der Einstellung der beruflichen Tätigkeit sei maßgeblich, ob ein juristisches Tätigwerden gegeben ist. Davon würden alle beruflichen Tätigkeiten erfasst, zu deren Ausübung das Mitglied aufgrund seiner Ausbildung als Volljurist berechtigt und unter Berücksichtigung seines bisherigen beruflichen Werdegangs und erworbenen Qualifikationen befähigt sei. Die zitierten Entscheidungen seien beispielsweise auch zum Begriff der Berufsunfähigkeit nach der Satzung der Bayerischen Architektenversorgung ergangen (mit Verweis auf VG Würzburg, U.v. 8.5.2006 - W 7 K 05.559). Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG sei die Berufsunfähigkeit allein nach dem jeweils geltenden Landesrecht zu beurteilen. Ein bindender berufsrechtlicher Begriff der Berufsunfähigkeit ergebe sich auch nicht daraus, dass die berufsständischen Versorgungswerke in allen Bundesländern in weitgehend übereinstimmender Weise Vorsorge für den Fall der Berufsunfähigkeit treffen würden (mit Verweis auf BVerwG, U.v. 7.6.1996 - 1 B 127.95). Die Auslegung des Begriffs der Berufsunfähigkeit nach der Satzung der Beklagten entspreche somit der ständigen Rechtsprechung der bayerischen Verwaltungsgerichte. Bei den in der Satzung angesprochenen Tätigkeiten handle es sich um juristische und daher um rentenschädliche Tätigkeiten. Der Umstand, dass § 29 Abs. 3 Satz 2 der Satzung die Rückgabe der Zulassung verlange, erkläre sich damit, dass bei einem Anspruch auf Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit das Mitglied die Darlegung und Beweislast trage. Darüber hinaus diene die Norm der Verfahrensökonomie. Keinesfalls ergebe sich daraus, dass mit einer beruflichen Tätigkeit im Sinne der Satzung nur solche gemeint seien, die eine Zulassung als Rechtsanwalt voraussetzten. Die Ausführungen zur existenzsichernden Funktion seien im Rahmen der Voraussetzung der Berufsunfähigkeit und nicht im Rahmen der Einstellung der Tätigkeit zu berücksichtigen. Die Ausführungen zur existenzsichernden Funktion beträfen die Beurteilung der medizinischen Berufsunfähigkeit, welche getrennt von der Einstellung der berufsspezifischen Tätigkeit zu betrachten und demnach anhand unterschiedlicher Kriterien zu prüfen sei. Damit gehe einher, dass das Kriterium der existenzsichernden Funktion im Rahmen der Einstellung der Tätigkeit schon keine Berücksichtigung finden könne, weil es zur Beurteilung der Berufsunfähigkeit herangezogen werde. Diese Differenzierung ergebe sich aus den in § 29 Abs. 1 Satz 1 der Satzung genannten Voraussetzungen für den Anspruch auf Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit. Dies entspreche der gängigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, welche die existenzsichernde Funktion stets im Rahmen der Beurteilung der Berufsunfähigkeit prüfen würden. Das OVG Lüneburg führe im Urteil vom 12. November 2020 im Einklang mit diesem Grundsatz aus, dass eine anderweitige selbstständige oder nicht selbstständige Betätigung, ob mit ihr Einkünfte erzielt würden oder nicht, unschädlich sei. Es komme somit gerade nicht darauf an, ob eine existenzsichernde Tätigkeit vorliege und darüber hinaus auch nicht darauf, welchen sonstigen Zweck die Ausübung der Tätigkeit erfülle.
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6. Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 21. Oktober 2022, die Beklagte mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2022 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere der weiteren zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten entscheidet das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung.
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Die zulässige Klage ist nicht begründet.
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1. Die Klage ist zulässig. Die Klägerin kann ihr Begehren, die Beklagte zur Bewilligung von Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit zu verpflichten, im Wege der Verpflichtungsklage in der Form der Versagungsgegenklage verfolgen. Gemäß § 113 Abs. 4 VwGO kann die auf die Bewilligung der begehrten Versorgungsleistungen durch begünstigenden Verwaltungsakt gerichtete Verpflichtungsklage in statthafter Weise mit der auf die Gewährung der zu bewilligenden Leistungen gerichteten Leistungsklage im gleichen Verfahren verbunden werden (Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 113 Rn. 177; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 20 f., m.w.N. zur Gegenmeinung). Für diese Kombination von Verpflichtungs- und Leistungsbegehren in der Form der Stufenklage (vgl. Schübel-Pfister a.a.O., Rn. 19) spricht insbesondere der Gedanke der Rechtsschutzeffektivität sowie der Prozessökonomie, da die Klägerin anderenfalls im Falle des Erfolgs ihrer Verpflichtungsklage unter Umständen eine weitere auf die Leistungsgewährung gerichtete Klage erheben müsste. Dieses wird durch die Kombination von Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 113 Abs. 4 VwGO vermieden, womit der Klägerin ein weiterer Prozess aufgrund desselben Lebenssachverhaltes erspart wird.
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2. Die Klage ist jedoch unbegründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf Weitergewährung von Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit ab dem 1. November 2019 hat. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 26. Mai 2021 ist (schon) deshalb rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), weshalb der Klägerin auch kein darauf aufbauender Leistungsanspruch zusteht. Maßgeblich für das Bestehen eines Anspruchs auf Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. der gerichtlichen Entscheidung, hier allerdings wegen des auf den Zeitraum ab 1. November 2019 bezogenen Begehrens der Klägerin auch die jeweilige Sach- und Rechtslage in den entsprechenden vergangenen Zeiträumen (vgl. Nds.OVG, U.v. 12.11.2020 - 8 LB 97/19 - juris Rn. 44).
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a) Die Anspruchsgrundlage für die Bewilligung des Ruhegeldes bei Berufsunfähigkeit folgt aus § 29 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung (BRAStV) in der Fassung vom 1. Januar 2022, soweit der Zeitraum ab deren Inkrafttreten betroffen ist, bzw. in der Fassung der Vorgängersatzungen vom 1. Januar 2019, 1. Januar 2020 und vom 1. Januar 2021 für den jeweils davon erfassten Zeitraum. Nach dem durch die Neufassungen unveränderten Wortlaut hat ein Mitglied Anspruch auf Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit, das vor dem Zeitpunkt, zu dem es erstmals vorgezogenes Altersruhegeld beziehen kann, berufsunfähig geworden ist, Antrag auf Ruhegeld stellt und die berufliche Tätigkeit einstellt (sog. Eintritt des Versorgungsfalls), wobei der Anspruch ab dem Ersten des Monats besteht, der auf den Eintritt des Versorgungsfalls folgt.
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b) Die Klägerin, die einen entsprechenden Antrag auf Weitergewährung von Ruhegeld ab 1. November 2019 gestellt hat, ist nach dem Sachverständigengutachten des Dr. med. K. vom 20. Februar 2020 sowie der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters vom 27. März 2020 berufsunfähig im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 BRAStV. Berufsunfähig ist nach § 29 Abs. 1 Satz 2 BRAStV ein Mitglied, das infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte außerstande ist, eine Erwerbstätigkeit in den rechts- oder steuerberatenden Berufen, im Beruf des Patentanwalts oder eine Tätigkeit, die mit diesen Berufen vereinbar ist, auszuüben. Die Berufsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung umfassend so zu verstehen, dass die Formulierung „zur Ausübung des Berufs unfähig“ alle beruflichen Tätigkeiten erfasst, zu deren Ausübung das Mitglied von seiner Ausbildung her berechtigt und unter Berücksichtigung des bisherigen beruflichen Werdeganges und der erworbenen Qualifikationen befähigt ist (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2019 - 21 ZB 17.928 - juris Rn. 26; B.v. 6.5.1999 - 9 ZB 98.1402 - juris Rn. 3). Gemäß § 29 Abs. 4 Satz 1 BRAStV wird die Berufsunfähigkeit durch ärztliche Atteste, Befunde, Gutachten und ähnliche Unterlagen nachgewiesen. Diese Voraussetzungen liegen mit dem auf einem zutreffenden Sachverhalt beruhenden, inhaltlich schlüssigen und überzeugenden Gutachten des für die festgestellten Erkrankungen als Facharzt fachkompetenten Sachverständigen zur Überzeugung des Gerichtes vor. Auch die Beteiligten gehen übereinstimmend von der Berufsunfähigkeit der Klägerin aus. Des Weiteren ist die Berufsunfähigkeit vor dem Entstehen der Anspruchsvoraussetzungen auf vorgezogenes Altersruhegeld gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1, 2 BRAStV, insbesondere vor der Vollendung des 62. Lebensjahres eingetreten.
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c) Die Klägerin hat jedoch ihre berufliche Tätigkeit im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 BRAStV nicht eingestellt. Hinsichtlich der nach § 29 Abs. 1 Satz 1 BRAStV für das Entstehen des Anspruchs auf Ruhegeld erforderlichen Einstellung der beruflichen Tätigkeit verweist § 29 Abs. 3 Satz 1 BRAStV auf den entsprechenden Begriff in § 29 Abs. 1 Satz 2 BRAStV. Einzustellen ist danach die „Erwerbstätigkeit in den rechts- oder steuerberatenden Berufen (…) oder einer Tätigkeit, die mit diesen Berufen vereinbar ist“. Hinsichtlich der anwaltlichen Tätigkeit, welche die Klägerin nach Angaben der Kanzlei spätestens zum 1. November 2016 eingestellt hat, wurde die Einstellung der Tätigkeit entsprechend § 29 Abs. 3 Satz 2 BRAStV durch die Rückgabe der Zulassung - welche einem Verzicht gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO gleichsteht - nachgewiesen. Jedoch stellen entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin auch die von ihr noch ausgeübten Lehrtätigkeiten auf juristischem Fachgebiet bei der Universität Würzburg - Institut für Sozialpädagogik sowie Institut für evangelische Theologie - sowie bei privaten Ausbildungsinstituten Tätigkeiten dar, die mit den in § 29 Abs. 1 Satz 2 BRAStV genannten Berufen vereinbar sind. Die Klägerin hält an den genannten Institutionen mehrere Lehrveranstaltungen zu den Themen „Die rechtliche Stellung von Menschen mit und ohne Behinderungen“, „Die rechtliche Stellung von Kindern und Jugendlichen“, „Die Rechtsbeziehungen zwischen Klienten und Betreuungseinrichtungen“, „Die rechtliche Stellung der Heilpädagogen“, „Aspekte inklusiven Rechts“ oder „Rechtliche Grundlagen für Sonderpädagogen“. Ausweislich des Adressatenkreises sowie der Bezeichnungen der genannten Lehrveranstaltungen haben diese anspruchsvolle rechtliche Fragestellungen aus verschiedenen Rechtsgebieten zum Gegenstand. Vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, dass der Adressatenkreis der Lehrveranstaltungen sich aus juristischen Laien zusammensetzt. Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „vereinbaren“ Tätigkeiten im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 2 BRAStV nach dem Wortlaut, dem Regelungszusammenhang, dem Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt, dass es sich bei den fraglichen Lehrveranstaltungen mit juristischen Inhalten um solche Tätigkeiten handelt, deren Ausübung der Gewährung von Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit nach § 29 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 BRAStV entgegensteht. Da die Klägerin diese Tätigkeiten in den relevanten Zeiträumen (unstreitig) ausgeübt hat und noch ausübt, hat sie insoweit nicht die berufliche Tätigkeit im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 BRAStV eingestellt, weshalb ihr weder für die in der Vergangenheit liegenden Zeiträume ab dem 1. November 2019 noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein Anspruch auf Weitergewährung von Ruhegeld zusteht.
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(1) Der Wortlaut des § 29 Abs. 1 Satz 2 BRAStV kennzeichnet mit der Formulierung „vereinbare Tätigkeiten“ (vgl. Duden: „in Übereinstimmung, in Einklang bringen“) solche Tätigkeiten, welche mit der Tätigkeit in den rechts- und steuerberatenden Berufen etc. übereinstimmen oder damit in Einklang zu bringen sind. Es darf sich somit nicht um Tätigkeiten handeln, welche dazu in irgendeiner Weise in Widerspruch stehen. Dieses weite Begriffsverständnis bedarf indessen der Korrektur im Wege der systematischen und teleologischen Auslegung sowie zur Herstellung der notwendigen Übereinstimmung mit höherrangigem Recht.
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(2) Anhand der Binnensystematik des § 29 BRAStV wird deutlich, dass es sich bei dem Merkmal der „vereinbaren“ Tätigkeiten um eine eigenständige Anspruchsvoraussetzung der Ruhegeldgewährung bei Berufsunfähigkeit handelt. Die einzustellende berufliche Tätigkeit ist nach der Verweisung des § 29 Abs. 3 Satz 1 auf Abs. 1 Satz 2 BRAStV identisch mit derjenigen Tätigkeit, zu der das Mitglied infolge der Berufsunfähigkeit nach § 29 Abs. 1 Satz 2 BRAStV außerstande ist; dort ist ausdrücklich die rechts- oder steuerberatende Tätigkeit oder eine Tätigkeit, die mit diesen Berufen vereinbar ist, angesprochen. Im Einklang mit der Definition der Berufsunfähigkeit in § 29 Abs. 1 Satz 2 BRAStV, welche bewusst nicht an die zuletzt ausgeübte anwaltliche Tätigkeit des Mitglieds anknüpft, sondern an die gesamte anwaltliche Tätigkeit („zur Ausübung seines Berufs“), ist die Formulierung grundsätzlich so zu verstehen, dass sie umfassend alle beruflichen Tätigkeiten erfasst, zu deren Ausübung des Mitglied von seiner Ausbildung her berechtigt und unter Berücksichtigung des bisherigen beruflichen Werdeganges und der erworbenen Qualifikationen befähigt ist (BayVGH, B.v. 9.8.2019 - 21 ZB 17.928 - juris Rn. 26; B.v. 6.5.1999 - 9 ZB 98.1402 - juris Rn. 3; Nds.OVG, U.v. 26.4.2007 - 8 LB 212/05 - juris Rn. 34). Damit ist die Formulierung „Einstellung der beruflichen Tätigkeit“ bei systematischer Betrachtung umfassend zu verstehen und insbesondere nicht auf typisch anwaltliche Tätigkeiten beschränkt. Die Stellung des Merkmals als besondere Anspruchsvoraussetzung ergibt sich des Weiteren auch aus der Stellung der fraglichen Norm im gesamten Regelwerk der Satzung. Im Vergleich zu den Anspruchsvoraussetzungen der anderen Versorgungsleistungen nach der Satzung der Beklagten, nämlich dem Altersruhegeld nach § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und § 28 BRAStV sowie dem vorgezogenen Altersruhegeld nach § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und § 30 BRAStV, fällt auf, dass für die Gewährung der von der Vollendung eines bestimmten Lebensalters abhängigen Versorgungsleistungen die berufliche Tätigkeit nicht eingestellt werden muss, wohingegen dies für das Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit in § 29 Abs. 1 Satz 1 BRAStV vorausgesetzt wird. Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit wird somit im Gegensatz zu den anderen Versorgungsleistungen nur demjenigen gewährt, der keiner beruflichen Tätigkeit mehr nachgeht, wobei die Berufsunfähigkeit das kennzeichnende Unterscheidungsmerkmal darstellt, welches bei den anderen Versorgungsleistungen nicht vorausgesetzt wird. Bei Erreichen der in § 28 bzw. § 30 der Satzung der Beklagten festgelegten Altersgrenzen geht der Satzungsgeber somit davon aus, dass eine berufliche Tätigkeit typischerweise nicht mehr bzw. nicht in einem Umfang ausgeübt wird, dass die Versorgungsleistung nicht mehr existenzsichernd wirkt, sondern neben - schon für sich genommen - existenzsichernde Einkünfte aus beruflicher Tätigkeit tritt. Andererseits hat das betroffene Mitglied bei Erreichen der jeweiligen Altersgrenzen (62 bzw. 67 Jahre) bereits in ausreichendem Umfang Rentenanwartschaften erworben hat. Demgegenüber geht der Satzungsgeber im Falle der Berufsunfähigkeit nach § 29 Abs. 1 Satz 2 BRAStV davon aus, dass typischerweise Rentenanwartschaften noch nicht in ausreichendem Umfang erworben wurden und das betroffene Mitglied somit zur Existenzsicherung auf die Versorgung durch die Solidargemeinschaft der Beitragszahler angewiesen ist. Diese Unterscheidung zeigt sich auch darin, dass das Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit nach § 29 BRAStV gegenüber dem vorgezogenen Altersruhegeld nach § 29 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 30 Abs. 1 BRAStV nachrangig ist, d.h. wer bereits Anspruch auf vorgezogenes Ruhegeld hat, muss die Voraussetzungen des § 29 BRAStV nicht erfüllen, um Versorgungsleistungen erhalten zu können, was wiederum für das Verständnis der Einstellung der beruflichen Tätigkeit als eigenständige Anspruchsvoraussetzung spricht.
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(3) Dies gibt indes noch keinen Aufschluss über den Inhalt des Merkmals der vereinbaren Tätigkeiten. Dieser erschließt sich vielmehr aus dem Regelungszusammenhang der BRAStV mit höherrangigen Rechtsnormen desselben Rechtsgebietes. So findet sich der Begriff der vereinbaren Tätigkeiten auch in der bundesrechtlichen anwaltlichen Berufsordnung (BRAO). Die Unvereinbarkeit einer Tätigkeit mit dem Rechtsanwaltsberuf stellt einen Versagungsgrund für die Rechtsanwaltszulassung gemäß § 7 Satz 1 Nr. 8 BRAO dar. Der Maßstab für die Unvereinbarkeit im Sinne dieser Vorschrift ist das Berufsbild des Rechtsanwaltes (Jähne in Römermann, BRAO, 16. Ed., Stand 1.8.2022, § 7 Rn. 11), welches durch die in § 1, § 3 Abs. 1 und § 7 Satz 1 Nr. 8 BRAO hervorgehobene Unabhängigkeit und fachliche Kompetenz des Rechtsanwaltes sowie die erforderliche Integrität geprägt wird (BVerfG, B.v. 4.11.1992 - 1 BvR 79/85 - NJW 1993, 317/318, juris). Auch die Rechtsprechung zu der Voraussetzung der Einstellung der beruflichen Tätigkeit für Versorgungsleistungen bei Berufsunfähigkeit stellt auf das jeweilige Berufsbild ab (vgl. VG München, U.v. 18.11.2020 - M 12 K 09.4677 - juris Rn. 42, 49). Dem entsprechend sind zweitberuflich ausgeübte freiberufliche Tätigkeiten von Rechtsanwälten mit dem Anwaltsberuf vereinbar (Kleine-Cosack, BRAO, 9. Aufl. 2022, § 7 Rn. 51). Bei der Tätigkeit als Lehrbeauftragte für eine öffentliche Hochschule im Sinne des Art. 31 des Bayer. Hochschulpersonalgesetzes (BayHSchPG) - d.h. ohne Begründung eines Beamtenverhältnisses oder feste Anstellung als wissenschaftliche Assistentin bzw. Mitarbeiterin, Universitäts- oder außerplanmäßige Professorin bzw. Professorin auf Zeit - bzw. als Dozentin für ein privates Ausbildungsinstitut handelt es sich um eine solche freiberufliche Tätigkeit. Diese ist mit dem Berufsbild eines Rechtsanwaltes ohne Weiteres vereinbar. Das bestätigt im Übrigen der Vergleich mit den Wertungen des Steuerberatergesetzes (StBerG), welches in § 57 StBerG konkret benannte Tätigkeiten als vereinbar oder unvereinbar einordnet. So handelt es sich u.a. bei der Tätigkeit eines „Lehrers oder eines wissenschaftlichen Mitarbeiters an Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten, sofern der wissenschaftliche Mitarbeiter ihm übertragene Aufgaben in Forschung und Lehre überwiegend selbstständig erfüllt“ (§ 57 Abs. 3 Nr. 4 StBerG), ebenso einer „freien Vortrags- und Lehrtätigkeit“ (§ 57 Abs. 3 Nr. 5 StBerG) sowie der „Durchführung von Lehr- und Vortragsveranstaltungen zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung sowie die Prüfung als Wirtschaftsprüfer und vereidigter Buchprüfer und zur Fortbildung der Mitglieder der Steuerberaterkammern und der Mitarbeiter“ (§ 57 Abs. 3 Nr. 6 StBerG) um vereinbare Tätigkeiten. Im Übrigen entspricht die Wahrnehmung von Dozententätigkeiten beispielsweise an Hochschulen, im Rahmen von Fachanwaltslehrgängen oder anderen Veranstaltungen öffentlicher bzw. privater Träger der beruflichen Praxis vieler Rechtsanwälte und somit der Lebenswirklichkeit des Rechtsanwaltsberufs, was zusätzlich dafür spricht, dass derartige Tätigkeiten dem Berufsbild des Rechtsanwaltes nicht widersprechen. Diese Auslegung steht im Einklang mit der vorgefundenen Rechtsprechung zu den Anspruchsvoraussetzungen des Ruhegeldes bei Berufsunfähigkeit.
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(4) Auch die Entstehungsgeschichte des § 29 Abs. 1 BRAStV belegt, dass der Satzungsgeber ein auf das Berufsbild des Rechtsanwaltes bezogenes Begriffsverständnis der vereinbaren Tätigkeiten im Blick hatte. So setzte das Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit nach § 26 der Urfassung der Satzung der Bayerischen Rechtsanwaltsversorgung vom 12. Januar 1984 (StAnz. Nr. 4/1984) unter anderem voraus, dass das Ruhegeld beanspruchende Mitglied (dauernd oder vorübergehend) unfähig ist, „eine Erwerbstätigkeit im Anwaltsberuf oder eine Tätigkeit, die mit dem Beruf eines Rechtsanwalts vereinbar ist (§ 7 Nr. 8 BRAO)“ auszuüben. Folglich war in der Urfassung der Satzung der ausdrückliche Verweis auf § 7 BRAO enthalten. Die Nachfolgervorschrift des § 29 Abs. 1 der Satzung der Bayerischen Rechtsanwaltsversorgung vom 1. Januar 1997 sowie die folgenden Fassungen enthalten zwar diesen Verweis - der ohnehin nur für Rechtsanwälte, nicht aber für die seit 1. Januar 2000 in den Mitgliederkreis der Beklagten einbezogenen Steuerberater zutrifft - nicht mehr. Dies spricht mangels anderer Anhaltspunkte jedoch nicht dafür, dass der Satzungsgeber dem Merkmal der „vereinbaren Tätigkeiten“ künftig ein anderes Begriffsverständnis zugrunde legen wollte. Vielmehr ist die Anknüpfung an die berufsrechtlichen Regelungen in § 7 Nr. 8 BRAO und § 57 Abs. 3, 4 StBerG nach wie vor geeignet, den Begriffsinhalt der vereinbaren Tätigkeiten in § 29 Abs. 1 Satz 2 BRAStV auszufüllen, zumal es sich um einen für Rechtsanwälte wie Steuerberater gleichermaßen gültigen Maßstab handelt.
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(5) Überdies spricht auch der Sinn und Zweck des § 29 BRAStV für das hier gefundene Begriffsverständnis. Das Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit bezweckt die Abdeckung des Risikos, aus gesundheitlichen Gründen aus der Tätigkeit als Rechtsanwalt bzw. Steuerberater kein hinreichendes Einkommen (mehr) zu haben und nimmt damit eine existenzsichernde Funktion wahr (vgl. VG München, U.v. 15.11.2017 - M 12 K 15.5695 - juris Rn. 37; U.v. 21.4.2011 - M 12 K 09.672 - juris Rn. 35; insoweit auch Nds.OVG, U.v. 12.11.2020 - 8 LB 97/19 - juris Rn. 48 m.w.N.). Es handelt sich somit um eine Absicherung des Risikos der Berufsunfähigkeit, dagegen nicht der Erwerbstätigkeit, wie die Klägerin zu Recht anmerkt. Das Ruhegeld bzw. die Berufsunfähigkeitsrente tritt an die Stelle der üblicherweise von den Mitgliedern erzielten Einkünfte aus beruflicher Tätigkeit, soll derartige Einkünfte aber nicht ergänzen (vgl. VG München, U.v. 15.11.2017 - M 12 K 15.5695 - juris Rn. 37; U.v. 21.4.2011 - M 12 K 09.672 - juris Rn. 35; Nds.OVG, U.v. 12.11.2020 - 8 LB 97/19 - juris Rn. 48 m.w.N.). Daraus folgt der Regelungszweck des § 29 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 BRAStV, die Versorgung auf Fälle zu begrenzen, in denen infolge der Berufsunfähigkeit kein existenzsicherndes Einkommen aus dem Rechtsanwaltsberuf mehr erzielt werden kann. Dieser Zweck rechtfertigt die Forderung, dass ein Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit begehrendes Mitglied die berufliche Tätigkeit und damit vereinbare Tätigkeiten einstellen muss (vgl. OVG NRW, U.v. 18.11.2009 - 17 A 629/05 - juris Rn. 56: Ruhegeld als Surrogat für entfallende Einnahmen aus der Berufsausübung). Es ist - entgegen der Meinung der Klägerin - nicht ersichtlich, dass durch dieses weite Verständnis der Tätigkeitseinstellung das Ruhegeld (zu sehr) in die Nähe einer Erwerbsunfähigkeitsrente gerückt würde. Ein engeres Begriffsverständnis führte zu dem Ergebnis, dass Versorgungsempfänger einerseits Ruhegeld beziehen, andererseits aber noch Einkünfte durch vereinbare Tätigkeiten generieren könnten. Die Versorgungsleistung würde auf diese Weise neben, nicht an die Stelle des Einkommens aus der beruflichen Tätigkeit treten und damit ihren Zweck der Absicherung eines existenzsichernden Einkommens verfehlen. Es mag sein, dass - wie die Klägerin argumentiert - ggf. geringfügige Einkünfte aus einer vereinbaren Tätigkeit im Einzelfall kein existenzsicherndes Einkommen darstellen und damit - wirtschaftlich betrachtet - nicht dem Normzweck zuwiderlaufen. Angesichts der vielfältigen denkbaren Gestaltungsmöglichkeiten, welche Rechtsanwälten zur Erzielung von Einkünften aus mit dem Berufsbild vereinbaren Tätigkeiten trotz Berufsunfähigkeit zur Verfügung stehen, muss es aber der Beklagten im Rahmen ihrer Satzungsautonomie zustehen, solche Tätigkeiten bei Versorgungsempfängern typisierend auszuschließen. Anderenfalls müsste das Versorgungswerk entweder mit erheblichem Verwaltungsaufwand im Einzelfall prüfen, ob die konkret ausgeübte Tätigkeit noch als untergeordnet betrachtet werden kann, oder es ohne Einzelfallprüfung hinnehmen, dass Versorgungsleistungen in einer unbestimmten Zahl von Fällen ihren Zweck verfehlen. In beiden Alternativen würde jedoch das Versorgungssystem überfordert und dem - das berufsständische Versorgungsrecht tragenden - Solidarprinzip zuwidergehandelt werden. Anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung des Niedersächsischen OVG (Nds.OVG, U.v. 12.11.2020 - 8 LB 97/19 - juris Rn. 49), nach der die einzustellende berufliche Tätigkeit die Tätigkeit im Rechtsanwaltsberuf sei, welches sich aus dem Zusammenhang mit den übrigen Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der niedersächsischen Rechtsanwaltsversorgung (Nds.RVS) und dem Zweck der Rente ergebe, die Berufs- und nicht die Erwerbsunfähigkeit abzusichern, weshalb eine anderweitige selbständige oder nichtselbständige Betätigung, ob mit ihr Einkünfte erzielt werden oder nicht, unschädlich sei, da zum Rechtsanwaltsberuf diejenigen Tätigkeiten gehörten, welche die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beziehungsweise den Fortbestand der Zulassung rechtfertigten, wohingegen es nicht ausreiche, dass eine juristische Ausbildung für die Tätigkeit förderlich oder notwendig ist. Diese Erwägungen des Niedersächsischen OVG beziehen sich auf die maßgebliche Anspruchsgrundlage in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVS Niedersachsen. Im Unterschied zur hier anzuwendenden Vorschrift des § 29 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 BRAStV umfasst die „Einstellung der beruflichen Tätigkeit“ nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVS Niedersachsen aber nicht die Einstellung „vereinbarer“ Tätigkeiten. Mit anderen Worten verlangt die Satzungsvorschrift des niedersächsischen Versorgungswerks die Einstellung der Tätigkeit als Rechtsanwalt, aber nicht die Einstellung vereinbarer Tätigkeiten. Somit kann die Auslegung der einschlägigen Satzungsnorm des niedersächsischen Versorgungswerks nicht auf § 29 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 BRAStV übertragen werden, weil dieser die Voraussetzung der Einstellung der beruflichen Tätigkeit um die Einstellung vereinbarer Tätigkeiten erweitert.
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d) § 29 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 BRAStV ist bei der hier zugrunde gelegten Auslegung von der Ermächtigungsgrundlage in Art. 28, 32 BayVersoG gedeckt. Die dagegen vorgetragenen Einwände der Klägerin greifen nicht durch. In Art. 28 Satz 1 und Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVersoG ist die Satzungsbefugnis der Beklagten als Körperschaft des öffentlichen Rechts für die Regelung der Versorgungsleistungen verankert. Zugleich enthalten diese Normen einen Regelungsauftrag für Versorgungsleistungen unter anderem im Falle der Berufsunfähigkeit. Diese Regelungsbefugnis umfasst notwendigerweise die formellen und materiellen Anspruchsvoraussetzungen, wobei der Satzungsgeber auch einschränkende Voraussetzungen wie die Einstellung der beruflichen Tätigkeit nach § 29 Abs. 3 Satz 1 BRAStV festlegen darf. Soweit für die Einstellung der beruflichen Tätigkeit neben der anwaltlichen Tätigkeit auch vereinbare Tätigkeiten eingestellt werden müssen, weist diese Voraussetzung wegen des aufgezeigten Normzusammenhangs mit § 7 Nr. 8 BRAO einen hinreichend engen sachlichen Bezug zu den persönlichen Anforderungen auf, die das Berufsrecht an Rechtsanwälte stellt, und damit auch zu der hier geregelten Versorgung bei Berufsunfähigkeit. Es handelt sich damit nicht um eine sachfremde Regelung. Auch in sonstiger Hinsicht bestehen keine Anhaltspunkte für eine willkürliche oder sachfremde Wahrnehmung der Satzungsbefugnis durch die Beklagte. Derartiges hat die Klägerin auch nicht vorgetragen.
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e) Die Satzungsregelungen zum Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit, insbesondere § 29 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 BRAStV stehen auch mit sonstigem höherrangigem Recht in Einklang.
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aa) Zum einen sind die Satzungsregelungen nicht wegen Unbestimmtheit unwirksam, obwohl der Begriff der „vereinbaren“ Tätigkeiten in den Satzungsregelungen nicht näher konkretisiert wird. Insoweit verweist die Klägerin zwar auf Rechtsprechung des Saarländischen OVG in einem Normenkontrollverfahren gegen die Satzungsvorschrift des saarländischen Versorgungswerks für Rechtsanwälte zum Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit (Saarl.OVG, B.v. 6.2.2017 - 1 C 181/15 - juris). Aus den dortigen Erwägungen kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass die Satzungsvorschrift der Beklagten im vorliegenden Verfahren nicht dem Gebot der Normenklarheit gerecht wird. Nach der genannten Entscheidung ist eine Satzungsvorschrift, die Berufsunfähigkeit verneint, wenn das Mitglied der Rechtsanwaltskammer trotz einer gesundheitlichen Beeinträchtigung noch in der Lage ist, mindestens halbschichtig eine Tätigkeit auszuüben, die in das anwaltliche Berufsbild eingeordnet werden kann, dem Gebot der Normenklarheit gerecht wird (Saarl.OVG a.a.O., Rn. 19). Weiterhin bedarf es keiner satzungsrechtlichen Festlegung der Tätigkeiten, die in das anwaltliche Berufsbild einzuordnen sind, da die diesbezüglichen Anforderungen sich aus dem Zusammenspiel der Vorgaben des Landesgesetzes über die Rechtsanwaltsversorgung und der BRAO erschließen (Saarl.OVG a.a.O., Rn. 21 ff.). Unter Anwendung dieser Grundsätze verstößt § 29 Abs. 1, 3 BRAStV nicht gegen das Gebot der Normenklarheit. Wie ausgeführt, lässt sich die Bedeutung des Merkmals der „vereinbaren“ Tätigkeiten anhand des entsprechenden Begriffs u.a. in § 7 Satz 1 Nr. 8 BRAO so erschließen, dass die Vorschrift sich in den Sinnzusammenhang und das Regelungsgefüge der Satzung sowie der höherrangigen berufsrechtlichen Normen einfügt. Soweit das Saarländische OVG zu Recht fordert, dass der dem Versorgungswerk kraft Gesetzes erteilte Auftrag, seinen Mitgliedern Berufsunfähigkeitsrente zu gewähren, vom Satzungsgeber in seinem Kern nicht beschnitten werden darf und somit das Satzungsrecht das Risiko der Unfähigkeit, den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben, abdecken und im Bedarfsfall die Gewährung einer Rente vorsehen muss (vgl. Saarl.OVG a.a.O., Rn. 24), kann in Anwendung dieser Grundsätze keine Unbestimmtheit der vorliegenden Satzungsvorschrift der Beklagten erkannt werden. Das Saarländische OVG stellt in der genannten Entscheidung Maßstäbe für die Auslegung der Anspruchsvoraussetzung der Berufsunfähigkeit und die damit verknüpfte Fragestellung der zumutbaren Verweisungstätigkeiten auf. Dies wird an den Ausführungen in der genannten Entscheidung deutlich, dass im Rahmen des vom Satzungsgeber geforderten Ausgleichs der widerstreitenden Interessen einem in seinen gesundheitlichen Möglichkeiten eingeschränkten und sich zur Ausübung seines Berufs nicht in der Lage sehenden Rechtsanwalt ein schutzwürdiges Interesse zustehe, nicht einerseits unter Hinweis auf sein verbliebenes Leistungsvermögen vom Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente ausgeschlossen zu werden, andererseits aber unter Umständen damit konfrontiert zu werden, dass ihm eine erneute Zulassung zur Rechtsanwaltschaft mit der Begründung versagt wird, er könne nicht mehr alle für das Berufsbild eines Rechtsanwalts wichtigen Tätigkeiten ausüben (vgl. Saarl.OVG a.a.O., Rn. 43). Das Tatbestandsmerkmal der Berufsunfähigkeit darf somit nicht in unzulässiger Weise eingegrenzt und die gesetzliche Verpflichtung des Versorgungswerks, im Falle der Berufsunfähigkeit entsprechende Versorgungsleistungen zu erbringen, nicht in einer die Belange der von einer gesundheitlichen Beeinträchtigung Betroffenen außer Acht lassenden Weise ausgehöhlt werden, weshalb eine den gesetzlich gewährleisteten Rentenanspruch nach den vorstehenden Ausführungen beschneidende Handhabung der fraglichen Satzungsvorschrift einer gerichtlichen Kontrolle nicht standhalten würde (vgl. Saarl.OVG a.a.O., Rn. 44, 45). Eine solche Situation ist im Fall der Klägerin jedoch nicht gegeben, weshalb die Entscheidung insofern nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden kann. Denn die Funktion der Versorgungsleistungen bei Berufsunfähigkeit wird durch die hier vorgenommene Auslegung des § 29 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 BRAStV weder beeinträchtigt noch ausgehöhlt. Zwar ist die Klägerin durch die Regelung des § 29 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 BRAStV vor die Wahl gestellt, die streitgegenständlichen Vortragstätigkeiten einzustellen, um die Voraussetzungen für die Gewährung von Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit zu erfüllen, oder diese Tätigkeiten weiter auszuüben und dafür auf die Versorgung durch die Beklagte zu verzichten. Die Klägerin wird aber nicht unter Ausschluss von der Ruhegeldgewährung auf eine Tätigkeit verwiesen, welche dem anwaltlichen Berufsbild nicht entspricht.
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bb) Die Satzungsregelungen des § 29 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BRAStV verletzen auch nicht die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG garantierte Freiheit der Berufswahl. Allerdings fällt die Wahl eines Zweitberufs und somit auch der hier streitgegenständlichen Vortragstätigkeiten in den Schutzbereich der Berufswahlfreiheit, weshalb Einschränkungen am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG zu messen sind (BVerfG, U.v. 4.11.1992 - 1 BvR 79/85 - juris). Durch den faktischen Zwang, die vereinbaren Tätigkeiten aufzugeben, um in den Genuss des Ruhegeldes zu kommen, wird in die Freiheit der Berufswahl der Klägerin eingegriffen. Da insoweit an die Berufsunfähigkeit als persönliche Eigenschaft angeknüpft wird, handelt es sich um eine subjektive Zulassungsschranke und damit um einen Eingriff auf der zweiten Stufe im Sinne der sog. Dreistufentheorie (vgl. BVerfG, U.v. 11.6.1958 - 1 BvR 596/56 - BVerfGE 7, 377-444, juris; sog. Apothekenurteil). Die Freiheit der Berufswahl darf nur eingeschränkt werden, soweit der Schutz besonders wichtiger („überragender“) Gemeinschaftsgüter es zwingend erfordert, d.h. soweit der Schutz von Gütern in Frage steht, denen bei sorgfältiger Abwägung der Vorrang vor dem Freiheitsanspruch des Einzelnen eingeräumt werden muss und soweit dieser Schutz nicht auf andere Weise, nämlich mit Mitteln, die die Berufswahl nicht oder weniger einschränken, gesichert werden kann. Erweist sich ein Eingriff in die Freiheit der Berufswahl als unumgänglich, so muss der Gesetzgeber stets die Form des Eingriffs wählen, die das Grundrecht am wenigsten beschränkt (BVerfG a.a.O., Rn. 74). Für subjektive Berufswahlregelungen gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit in dem Sinne, dass die vorgeschriebenen subjektiven Voraussetzungen zu dem angestrebten Zweck der ordnungsmäßigen Erfüllung der Berufstätigkeit nicht außer Verhältnis stehen dürfen (BVerfG a.a.O., Rn. 78). Die hier zu prüfenden satzungsrechtlichen Regelungen des § 29 Abs. 1, 3 Satz 1 BRAStV erfüllen die genannten Voraussetzungen. Die einschränkende Anspruchsvoraussetzung, Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit nur zu gewähren, wenn sowohl die berufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt als auch damit vereinbare Tätigkeiten eingestellt werden, ist durch den überragend wichtigen Gemeinwohlbelang der Funktionsfähigkeit des Versorgungssystems (vgl. VGH BW, U.v. 3.12.2018 - 9 S 1475/17 - juris Rn. 36; OVG RP, U.v. 14.12.2011 - 6 C 11098/11 - juris Rn. 41; VG Stuttgart, U.v. 24.8.2020 - 4 K 722/19 - juris Rn. 31 ff.) gerechtfertigt. Von der Funktionsfähigkeit dieses Versorgungssystems ist nicht lediglich die Versorgung der Klägerin, sondern aller Beitragszahler abhängig, welche bei Ausfall einer entsprechenden Versorgung im Versorgungsfalle auf die Inanspruchnahme des Sozialleistungssystems angewiesen wären, sofern sie nicht private Rücklagen gebildet haben oder auf privates Vermögen zurückgreifen können. Dies wiederum würde das berechtigte und damit schutzwürdige Vertrauen der Versorgungsempfänger in die Leistungsfähigkeit des auch durch ihre Beiträge mitfinanzierten Versorgungssystems enttäuschen. Vor diesem Hintergrund ist die Regelung auch verhältnismäßig. Sie ist geeignet, um den Kreis der Bezugsberechtigten des Ruhegeldes so weit einzugrenzen, dass nur diejenigen in den Genuss der Versorgungsleistung kommen, die wegen Berufsunfähigkeit nicht mehr in der Lage sind, ihre wirtschaftliche Existenz durch Tätigkeiten zu sichern, welche dem Berufsbild des Rechtsanwaltes entsprechen, und damit eine Überforderung des Versorgungssystems zu verhindern. Soweit bei der Prüfung der Erforderlichkeit eine Anrechnungsregel als Maßnahme mit geringerer Eingriffsintensität zu erwägen wäre, ist bereits deren Eignung zur gleich oder vergleichbar effektiven Zielerreichung fraglich, da sie mit einem wesentlich höheren Verwaltungsaufwand einherginge. Werden bei gleichzeitiger Gewährung von Ruhegehalt bei Berufsunfähigkeit Tätigkeiten zugelassen, welche mit dem Rechtsanwaltsberufsberuf vereinbar sind, aber die Anrechnung der dabei erzielten Einkünfte auf die Versorgungsleistungen vorgeschrieben, so müsste das Versorgungswerk im Einzelfall das Vorhandensein und die Höhe derartiger Einnahmen feststellen, ggf. überprüfen und über die Einzelheiten der Anrechnung entscheiden. Dies könnte zur Überforderung des Versorgungswerks in personeller und finanzieller Hinsicht führen und würde so die Effektivität der Aufgabenerfüllung, insbesondere die Sicherstellung der Versorgung aller versorgungsberechtigten Mitglieder, gefährden. Im Übrigen steht dem Satzungsgeber eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Eignung und Erforderlichkeit der getroffenen Regelungen zu. Vorliegend kann nicht festgestellt werden, dass insoweit keine vertretbare Regelung mehr gefunden worden wäre. Derartiges trägt die Klägerin auch nicht vor. Des Weiteren führt die Verpflichtung zur Einstellung der mit dem Rechtsanwaltsberuf vereinbaren Tätigkeiten als Voraussetzung der Gewährung von Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit im Falle der Klägerin auch nicht zu unangemessenen Ergebnissen und ist damit auch im engeren Sinne verhältnismäßig. Zwar greift die Forderung, die Dozententätigkeit auf juristischem Fachgebiet einzustellen, nicht unerheblich in die freie Persönlichkeitsentfaltung der Klägerin ein. Das Einstellen dieser Lehrtätigkeiten bedeutet für die Klägerin aber nach ihrem eigenen Vortrag keine erhebliche finanzielle Einbuße. Diese ist ihr wegen des im Gegenzug entstehenden Ruhegeldanspruchs auch zumutbar, zumal keine Existenzgefährdung droht. Des Weiteren kann die Klägerin ihr verständliches Anliegen, die positiven psychologischen Effekte derartiger Tätigkeiten zu nutzen, auch durch die von ihr ausgeübten (nicht versorgungsschädlichen) fachfremden Nebentätigkeiten weiterverfolgen und muss somit nicht völlig auf derartige sinnstiftende Tätigkeiten verzichten. Diesen vergleichsweise weniger gravierenden Eingriffen in die Berufswahlfreiheit der Klägerin stehen die überragend hohe Bedeutung der Funktionsfähigkeit des Versorgungswerks und damit die Interessen aller gegenwärtigen und künftigen Versorgungsempfänger gegenüber. Vor diesem Hintergrund ist der Eingriff verhältnismäßig und damit gerechtfertigt, sodass die anzuwendenden Satzungsregelungen auch mit Art. 12 Abs. 1 GG in Einklang stehen.
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3. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.