Titel:
Rundfunkbeitrag für Wohnung eines unterhaltsberechtigten volljährigen Kindes
Normenketten:
RBStV § 10 Abs. 5 S. 1, Abs. 7 S. 1,
RBStV § 2,
RBStV § 4a
Leitsätze:
1. Der Bayerische Rundfunk ist als rechtsfähige öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Subjekt der mittelbaren Staatsverwaltung und erfüllt bei Ausführung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung. Ihm ist die Befugnis übertragen, als zuständige Landesrundfunkanstalt rückständige Rundfunkbeiträge durch Bescheid festzusetzen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Studentenappartment ist eine beitragspflichtige Wohnung und keine Beherbergungsstätte. Unmaßgeblich ist zudem, ob es sich melderechtlich um einen Haupt- oder Nebenwohnsitz handelt und in welchem Umfang sich der Betroffene in der Wohnung aufhält. (Rn. 30 und 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eltern können nicht beanspruchen, dass die Wohnungen von volljährigen Kindern als Zweit- oder Drittwohnung des Unterhaltspflichtigen behandelt und damit von der Beitragspflicht befreit werden. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rundfunkbeitrag im privaten Bereich, Wohnung des unterhaltsberechtigten volljährigen Kindes als Zweitwohnung des unterhaltspflichtigen Vaters (verneint)., Studentenappartment, Beherbergungsstätte
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Urteil vom 10.02.2020 – B 3 K 19.550
Rechtsmittelinstanzen:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 18.10.2023 – 6 B 8.23
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 04.12.2023 – 6 B 72.23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 42003
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen im privaten Bereich durch den Beklagten.
2
Der Kläger, der bis zur Aufnahme seines Studiums an der Universität B. bei seinen Eltern in I. gewohnt hatte, mietete ab 1. Oktober 2016 eine Wohnung in … B., J.platz, an. Mit an diese Adresse gerichtetem Schreiben vom 13. Februar 2017 teilte der Beklagte dem Kläger mit, man habe nun die Anmeldung der Wohnung in … B., J.platz, auf seinen Namen unter der Beitragsnummer … … … vorgenommen, da unter dem klägerischen Namen für diese Wohnung kein Beitragskonto gefunden werden konnte und eine Antwort auf die bereits erbetenen Informationen nicht vorliege. Nach einer Mitteilung vom 3. März 2017, die Rundfunkbeiträge für die Wohnung in B. seien fällig, und einer Zahlungserinnerung vom 2. Mai 2017 stellte der Kläger mit undatiertem Schreiben beim Beklagten einen Antrag auf Beitragsbefreiung mit der Anmerkung, er habe bereits bei Beginn seines Studiums einen entsprechenden Antrag gestellt und bisher keine Antwort erhalten. Mit Schreiben vom 29. Mai 2017 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er seinem Antrag auf Befreiung keine entsprechenden Unterlagen beigelegt habe und bis zur Befreiung weiterhin Rundfunkbeiträge zu zahlen seien.
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Mit Bescheiden vom 3. Juli 2017 und 1. August 2017 setzte der Beklagte für den Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis 31. Juli 2017 Rundfunkbeiträge einschließlich zweier Säumniszuschläge von jeweils 8 Euro in Höhe von insgesamt 191 Euro fest. Mit Schreiben vom 30. Juli 2017 und 14. August 2017 legte der Kläger Widerspruch gegen diese Festsetzungsbescheide ein. Gleichzeitig berief er sich auf das Vorliegen eines Härtefalls, weil er Student ohne eigenes Einkommen sei. Er verfüge lediglich über das Existenzminimum.
4
Mit Schreiben vom 4. September 2017 informierte der Beklagte den Kläger u.a. darüber, dass die für eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht wegen BAföG-Bezugs erforderlichen Nachweise nicht vorgelegt worden seien. Nachdem der Kläger hierauf nicht reagierte, wurde der Antrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht mit Bescheid vom 7. Mai 2019 abgelehnt. Der Kläger erhalte weder Sozialleistungen nach § 4 Abs. 1 RBStV noch liege ein Härtefall nach § 4 Abs. 6 RBStV vor.
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Die Widersprüche des Klägers vom 30. Juli 2018 und 14. August 2018 wies der Beklagte mit Bescheid vom 14. Mai 2019 zurück. Mit Schriftsatz vom 12. Juni 2019 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht und beantragte die Aufhebung der Festsetzungsbescheide vom 3. Juli 2017 und 1. August 2017 (gemeint wohl 14.8.2017) in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2019. Mit Schreiben an das Verwaltungsgericht vom 14. November 2019 bezog sich der Kläger auf seine Anträge auf Befreiung „auch wegen Härtefall“. Mit weiterem Schreiben an das Verwaltungsgericht vom 3. Januar 2020 stellte der Kläger einen Antrag wegen eines Härtefalls - er sei „eine einkommensschwache Person“ - und einen Antrag auf Gleichstellung mit Personen nach § 4 Abs. 1 RBStV, insbesondere mit Studenten, die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhielten.
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Mit Urteil vom 10. Februar 2020 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Die angegriffenen Bescheide seien formell und materiell rechtmäßig. Der undatierte Antrag des Klägers auf Rundfunkbeitragsbefreiung sei mit bestandskräftigem Bescheid vom 7. Mai 2019 abgelehnt worden. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 5a bzw. des § 4 Abs. 6 RBStV für eine Befreiung des Klägers von der Rundfunkbeitragspflicht nicht vor.
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Mit Schriftsatz vom 9. Juli 2021 ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten die vom Verwaltungsgerichtshof wegen eines Verfahrensfehlers (§ 124 Abs. 2 Nr. 5, § 138 Nr. 1 VwGO) zugelassene Berufung begründen. Er trug im Wesentlichen vor, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei bereits deshalb aufzuheben, weil der Verwaltungsgerichtshof die Berufung wegen eines Verfahrensfehlers - das erkennende Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen - festgestellt habe. Die angefochtene Entscheidung entspreche nicht dem sich aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ergebenden Gebot der Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte. Es mangele dem erkennenden Einzelrichter an Fachkenntnis, da er den Beklagten fälschlich als „Behörde“ qualifiziert habe, obwohl das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich klargestellt habe, dass die Rundfunkanstalten nicht als Teil der staatlichen Organisation zu betrachten seien. Zudem habe der erkennende Richter die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Verbot der Mehrfachbelastung durch Rundfunkbeiträge ignoriert. Die streitgegenständliche Wohnung des Klägers in … B., J.platz, sei im Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis 31. September 2020 vom Vater des Klägers angemietet und finanziert worden und sei deshalb als dessen Zweitwohnung zu behandeln. Das Verwaltungsgericht habe seiner Entscheidung die Vermutung des § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV zugrunde gelegt und sei davon ausgegangen, dass der Kläger, der in der Wohnung nach den melderechtlichen Vorschriften gemeldet und im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt sei, verpflichtet sei, Rundfunkbeiträge zu leisten. Die Vermutung sei jedoch widerlegt worden. Maßgeblich sei nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2019 - 6 C 20.18 - (juris), wer eine Wohnung nutzen könne und nicht, wer sie tatsächlich nutze. Inhaber der Wohnung sei der Vater des Klägers, der laut Mietvertrag Mithaftender für die Mietzahlungen sei und dem Kläger die Wohnung zur Nutzung überlassen habe. Da der Vater des Klägers sowohl in seiner Erstwohnung in … I., P.-Ring …, als auch in seiner Zweitwohnung in … B., J.platz, Rundfunkbeiträge bezahle, sei der Kläger unter Berücksichtigung des vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochenen Verbots der Mehrfachbelastung von den Rundfunkbeiträgen zu entlasten. Der Kläger habe zudem als Familienangehöriger für den gesamten strittigen Zeitraum zum elterlichen Privathaushalt gehört und genieße entsprechend den besonderen verfassungsrechtlichen Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG, der auch den Schutz der Familie vor mehr als einem Rundfunkbeitrag umfasse. Rundfunkbeiträge seien nichtsteuerliche Abgaben. Nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung gehörten Studierende auch mit eigener Wohnung am Studienort weiterhin dem Haushalt der Eltern an, jedenfalls dann, wenn sie - wie der Kläger - weiterhin durchgehend am elterlichen Wohnsitz gemeldet seien. Der Haushaltszugehörigkeit des Klägers stehe nicht entgegen, dass er vorübergehend zu Studienzwecken auswärtig untergebracht sei. Er habe an seinem Erstwohnsitz bei den Eltern in I. gesellschaftliche Kontakte, habe die für sein Studium erforderlichen Berufspraktika sämtlich in I. absolviert und auch schon vor seiner Zulassung für das Fach Betriebswirtschaftslehre an der Universität E. zum Wintersemester 2019/2020 regelmäßig in der dortigen Bücherei studiert.
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Mit der seit etwa Februar 2020 aufkommenden Corona-Pandemie sei dem Kläger, der gesundheitlich zu einer Risikogruppe gehöre, aus Gründen des Infektionsschutzes die Nutzung der Wohnung in B. und insbesondere der zum dortigen Apartmentkomplex gehörenden Gemeinschaftseinrichtungen nicht mehr möglich gewesen. Gegen Ende Februar 2020 habe die Universität B. das Präsenzstudium eingestellt. Der Kläger habe seither ausschließlich in I. gelebt und gearbeitet. Jedenfalls für den Zeitraum vom 1. März 2020 bis 30. September 2020 sei der Kläger deshalb nicht „Wohnungsinhaber“ gewesen.
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Auch hafteten den Bescheiden formale Rechtsmängel an, die sie nichtig, zumindest rechtswidrig machten. Sie seien nicht an den Inhaber der Wohnung gerichtet und ließen die erlassende Behörde nicht erkennen. Hinzu käme, dass eine Rundfunkanstalt keine Behörde sei.
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Mit Schreiben an den Verwaltungsgerichtshof vom 12. August 2022 legte der Kläger einen weiteren Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 1. August 2022 vor, mit dem für die Wohnung in … B., J.platz, unter der Beitragsnummer … … … rückständige Rundfunkbeiträge für den Zeitraum 1. August 2019 bis 31. Juni 2022 sowie ein Säumniszuschlag von 8 Euro, insgesamt 648,32 Euro festgesetzt worden waren. Er habe gegen den Festsetzungsbescheid am 12. August 2022 Widerspruch erhoben. Er beantrage, den „o.g. Vorgang in das gerichtliche Rechtschutzverfahren einzubeziehen, insb. auch in die Anträge auf Aufhebung bzw. Feststellung“.
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Der Kläger hat zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 29. November 2022 beantragt,
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1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 10. Februar 2020 wird abgeändert und die Festsetzungsbescheide des Beklagten vom 3. Juli 2017 und 14. August 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2019 wie auch den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 1. August 2022 werden aufgehoben.
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2. Es wird festgestellt, dass für die Raumeinheit App. … in … B., J.platz * (Zweitwohnung) auch durch den Berufungskläger keine Rundfunkbeiträge zu zahlen sind für den Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis 30. September 2020.
14
Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt die angegriffenen Bescheide. Unter anderem trägt er vor, hinsichtlich des Feststellungsantrags beziehe sich der Kläger wohl (auch) auf den Zeitraum vom 1. August 2017 bis 31. Juli 2019. Für diesen Zeitraum habe der Beklagte mit Bescheid vom 1. April 2021 Rundfunkbeiträge in Höhe von 428 Euro (incl. Säumniszuschlag) festgesetzt. Der Festsetzungsbescheid sei bestandskräftig. Der Widerspruch des Klägers gegen den Festsetzungsbescheid vom 1. August 2022 sei beim Beklagten am 29. August 2022 eingegangen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Die vom Kläger gegen die Festsetzungsbescheide des Beklagten vom 3. Juli 2017 und 14. August 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2019 wie auch gegen den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 1. August 2022 erhobene Anfechtungsklage ist zulässig, aber unbegründet (A). Die vom Kläger im Berufungsverfahren erhobene Feststellungsklage ist zwar teilweise zulässig, insoweit aber unbegründet (B).
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A) Die vom Kläger zuletzt durch die Einbeziehung des Festsetzungsbescheids vom 1. August 2022 erweiterte Anfechtungsklage ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.). Die angefochtenen Festsetzungsbescheide des Beklagten sind formell und materiell rechtmäßig.
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I. Die Anfechtungsklage gegen die Festsetzungsbescheide vom 3. Juli 2017, 1. August 2017 und 1. August 2022 ist insgesamt zulässig. Insbesondere wurde der Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 1. August 2022, in dem für den Zeitraum vom 1. August 2019 bis 31. Juli 2022 Rundfunkbeiträge in Höhe von 648,32 Euro (einschl. Säumniszuschlag) festgesetzt wurden, zulässigerweise nach § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 Alt. 1 VwGO im Wege der Klageänderung in das Berufungsverfahren einbezogen.
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Die vom Kläger mit Schreiben vom 12. August 2022 begehrte Einbeziehung des Festsetzungsbescheids vom 1. August 2022, durch die ein weiterer Streitgegenstand in das Verfahren eingebracht wird, stellt eine auch in der Berufungsinstanz grundsätzlich zulässige objektive Klagehäufung im Sinne des § 44 VwGO dar (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 44 Rn. 4). Da der Kläger den Streitgegenstand nach Rechtshängigkeit verändert hat (vgl. Rennert a.a.O. § 91 Rn. 8), liegt zugleich eine Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO vor (Rennert a.a.O. § 44 Rn. 10, BayVGH, B.v. 5.11.2019 - 11 B 19.703 - juris Rn. 44). Der Beklagte hat der Klageänderung in der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2022 zugestimmt (§ 91 Abs. 1 Alt. 1 VwGO). Aus diesem Grund kann die Frage dahinstehen, wie der Kläger, der innerhalb der Rechtsbehelfsfrist des Festsetzungsbescheids vom 1. August 2022 sowohl einen Antrag auf Klageerweiterung gestellt (beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen am 16.8.2022) als auch Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt hat (beim Beklagten eingegangen am 29.8.2022), das nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AGVwGO (i.d. hier maßgeblichen Fassung v. 1.5.2022) im Rundfunkabgabenrecht grundsätzlich eingeräumte Wahlrecht zwischen Widerspruchseinlegung und Klageerhebung ausgeübt hat.
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II. Die Anfechtungsklage ist jedoch unbegründet (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Rechtsgrundlage für den Erlass der streitgegenständlichen Bescheide ist § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV. Nach dieser Vorschrift werden rückständige Rundfunkbeiträge durch die zuständige Landesrundfunkanstalt festgesetzt. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft den Streitfall innerhalb des Berufungsantrags im gleichen Umfang wie das Verwaltungsgericht, § 128 Satz 1 VwGO. Entgegen der Auffassung des Klägers sind die für die Zulassung der Berufung maßgeblichen Gründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 VwGO im Berufungsverfahren kein Maßstab zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Festsetzungsbescheide.
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1. Die Bescheide sind formell rechtmäßig. Bei der Festsetzung der rückständigen Rundfunkbeiträge hat der Beklagte insbesondere als zuständige Landesrundfunkanstalt gehandelt.
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Nach § 10 Abs. 7 Satz 1 RBStV nimmt jede Landesrundfunkanstalt die ihr nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten ganz oder teilweise durch die im Rahmen einer nichtrechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebene Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten selbst wahr. Die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 9 Abs. 2 Satz 1 RBStV beruhende Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge (Rundfunkbeitragssatzung) vom 5. Dezember 2016 regelt in deren § 2, dass die im Rahmen einer nicht rechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebene gemeinsame Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten - der Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio - die der Rundfunkanstalt zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten nach § 10 Abs. 7 Satz 1 RBStV ganz oder teilweise für diese wahrnimmt. Sie wird dabei auch für das ZDF und das Deutschlandradio tätig. Demzufolge hat sich der Beklagte zulässigerweise bei Erlass der streitgegenständlichen Festsetzungsbescheide des „Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio“ bedient.
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Der Einwand des Klägers, Rundfunkanstalten seien gerade keine Behörden und könnten infolgedessen auch keine Verwaltungsakte erlassen, geht fehl. Der Beklagte ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Errichtung und die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts „Der Bayerische Rundfunk“ - BayRG). Als rechtsfähige öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt ist er Subjekt der mittelbaren Staatsverwaltung (so schon BVerfG, B.v. 15.12.2003 - 1 BvR 2378/03 - juris Rn. 6) und erfüllt - jedenfalls bei Ausführung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags - eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung (vgl. BVerfG, U.v. 27.7.1971 - 2 BvF 1/68 u.a. - juris Rn. 38; BVerwG, B.v. 21.12.2017 - 6 B 35.17 - juris Rn. 6). Durch § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV ist dem Beklagten die einseitig berechtigende Befugnis übertragen, als zuständige Landesrundfunkanstalt rückständige Rundfunkbeiträge durch Bescheid festzusetzen. Als Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung durch Verwaltungsakt wahrnimmt, erfüllt der Beklagte den Behördenbegriff des Art. 1 Abs. 2 BayVwVfG. Entscheidend ist die materielle Wahrnehmung von öffentlich-rechtlichen Verwaltungsaufgaben; auf die organisatorische - insbesondere hierarchische - Eingliederung in die Staatsverwaltung kommt es nicht an.
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Dem steht entgegen dem sinngemäßen Einwand des Klägers nicht Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG entgegen. Denn der Kernbereich der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Rundfunkfreiheit und das damit verbundene Gebot größtmöglicher Staatsferne ist nicht berührt. Im Zentrum der Rundfunkfreiheit, die eine Rundfunkveranstalterfreiheit ist, steht die Programmautonomie des Veranstalters (stRspr vgl. BVerfG, B.v. 6.10.1992 - 1 BvR 1586/89 u.a. - juris Rn. 79). Bei der hier in Rede stehenden, durch den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag den Rundfunkanstalten eingeräumten Möglichkeit der Festsetzung rückständiger Rundfunkbeiträge geht es jedenfalls nicht um eine „Veranstaltung von Rundfunksendungen“, sondern um die hoheitlich organisierte Einziehung öffentlich-rechtlicher Finanzierungsbeiträge und damit um eine klassische Aufgabe der öffentlichen Verwaltung (vgl. VGH BW, U.v. 4.11.2016 - 2 S 548/16 - juris Rn. 27; HessVGH, B.v. 2.1.2018 - 10 A 3025/16.Z - juris Rn. 7 ff.).
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2) Die Festsetzungsbescheide sind auch materiell rechtmäßig. Der Beklagte hat zu Recht den Kläger zur Zahlung rückständiger Rundfunkbeiträgen für die Wohnung in … B., J.platz, für den Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis 31. Juli 2017 (Bescheide vom 3.7.2017 und 1.8.2017) sowie für den Zeitraum vom 1. August 2019 bis 31. Juli 2022 (Bescheid vom 1.8.2022) in Anspruch genommen.
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a) Nach § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV wird als Inhaber jede Person vermutet, die (1.) dort nach dem Melderecht gemeldet oder (2.) im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist. Die Pflicht zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags im privaten Bereich beginnt mit dem Ersten des Monats, in dem der Beitragsschuldner erstmals die Wohnung innehat (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 RBStV); sie endet mit dem Ablauf des Monats, in dem das Innehaben der Wohnung durch den Beitragsschuldner endet, jedoch nicht vor dem Ablauf des Monats, in dem dies der zuständigen Landesrundfunkanstalt angezeigt worden ist (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1 RBStV).
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b) Gemessen daran war der volljährige Kläger (geb. am 18.2.1998) als Inhaber der Wohnung in … B., J.platz, rundfunkbeitragspflichtig. Er bewohnte die Wohnung nach den Angaben im Berufungsverfahren selbst (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV). Zudem unterliegt er der Vermutungsregelung des § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV in doppelter Hinsicht: Unstreitig war er ab Oktober 2016 in der Stadt B. gemeldet; ausweislich der Meldebestätigung der Stadt I. vom 28. September 2020 erfolgte sein Auszug aus dieser Wohnung am selben Tag. Außerdem ist er laut Mietvertrag vom 28. Juli 2016 Mieter der betreffenden Wohnung. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Vermutung nicht widerlegt.
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aa) Anders als der Kläger vorträgt, handelt es sich bei dem Studentenapartment um eine Wohnung und nicht um eine Raumeinheit in einer Betriebsstätte, die der vorübergehenden Unterbringung in Beherbergungsstätten dient (§ 3 Abs. 2 Nr. 7 RBStV). Nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 Satz 1 RBStV ist Wohnung unabhängig von der Zahl der darin enthaltenen Räume jede ortsfeste, baulich abgeschlossene Raumeinheit, die (1.) zum Wohnen oder Schlafen geeignet ist oder genutzt wird und (2.) durch einen eigenen Eingang unmittelbar von einem Treppenhaus, einem Vorraum oder von außen, nicht ausschließlich über eine andere Wohnung, betreten werden kann. Anhaltspunkte dafür, dass das klägerische Apartment die von § 3 Abs. 1 Satz 1 RBStV normierten Kriterien nicht erfüllt, lassen sich seinem Vortrag nicht entnehmen. Ob der Kläger die Absicht hatte, nur befristet, also für die Dauer des Studiums, oder unbefristet dort seinen Wohnsitz zu nehmen, spielt für die Einordnung als Wohnung keine Rolle. Bei dem vom Kläger bewohnten Apartment handelt es sich - ungeachtet der von ihm aufgezählten Gemeinschaftseinrichtungen, die größtenteils auch in einem Mehrfamilienhaus aufzufinden sind - nicht um eine Raumeinheit, die der vorübergehenden Unterbringung in einer Beherbergungsstätte dient (§ 3 Abs. 2 Nr. 7 RBStV). Dies folgt bereits aus dem Vergleich mit den in § 3 Abs. 2 Nr. 7 RBStV genannten Regelbeispielen - Hotel- und Gästezimmer, Ferienwohnungen, Unterkünfte in Seminar- und Schulungszentren. Entscheidend für die Beurteilung ist der vom Inhaber - gemeint ist der Betreiber der Betriebsstätte - bestimmte Zweck der betreffenden Raumeinheit als Beherbergungsstätte (vgl. BVerwG, B.v. 8.6.2020 - 6 B 50.19 - NVwZ-RR 2020, 895 Rn. 10). Ausweislich der vom Kläger überlassenen Unterlagen hat er mit dem Vertragspartner U*. … … GmbH, deren Geschäftsfeld auf der Website mit „Vermietung und Verwaltung“ angegeben wird, einen auf die Dauer von zwei Jahren befristeten (und verlängerbaren) Mietvertrag über das von ihm bewohnte Apartment geschlossen. Schon aus der Bezeichnung „Mietvertrag“ ergibt sich, dass keine vorübergehende Unterbringung des Klägers in einer Beherbergungsstätte beabsichtigt war, sondern die Vermietung einer Wohnung.
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bb) Entgegen der Auffassung des Klägers ist unmaßgeblich, ob es sich bei der von ihm bewohnten Wohnung melderechtlich um einen Haupt- oder Nebenwohnsitz handelt (vgl. LT-Drs. 16/7001, S. 13). Ebenso unmaßgeblich ist, dass sich der Kläger nach seinem Vortrag während Zeiten von Praktika und coronabedingt im Wesentlichen in der elterlichen Wohnung in I. aufgehalten hat bzw. - nach Meinung seines Prozessbevollmächtigten - Mitglied des elterlichen Haushalts in I. (geblieben) ist. Der Begriff des „Bewohnens einer Wohnung“ setzt nicht voraus, dass sich die Person ständig, überwiegend oder auch nur regelmäßig in der Wohnung aufhält (vgl. LT-Drs. 16/7001 S. 14; Göhmann/Schneider/Siekmann in Binder/Vesting, Rundfunkrecht, 4. Aufl. 2018, § 2 RBStV Rn. 14). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der rundfunkbeitragsrechtliche Wohnungsbegriff nicht - wie etwa der melderechtliche Wohnungsbegriff nach § 20 Satz 1 BMG - auf die tatsächliche Wohnnutzung, sondern auf die Eignung einer Raumeinheit für Wohnzwecke abstellt (vgl. BVerwG, B.v. 8.6.2020 - 6 B 50.19 - NVwZ-RR 2020, 895 Rn. 11 m.w.N.). Ist diese gegeben, kommt es nicht darauf an, ob die Raumeinheit tatsächlich bewohnt wird oder wieviel Zeit die betreffende Person dort verbringt. Soweit der Prozessbevollmächtigte daraus unter Berufung auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2019 - 6 C 20.18 - (NVwZ-RR 2020, 510 Rn. 18) herleiten will, dass er selbst Wohnungsinhaber sei, weil er aufgrund seiner hierfür erforderlichen Verfügungsgewalt die Wohnung jederzeit zum tatsächlichen Wohnen nutzen könne, übersieht er, dass nach dem Mietvertrag nicht er, sondern der Kläger Mieter des Studentenapartments ist. Woraus sich seine (rechtliche) Verfügungsgewalt ansonsten ergeben soll, erläutert er nicht.
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cc) Die vom Prozessbevollmächtigten und Vater des Klägers zum Vorliegen einer Zweitwohnung bemühte Konstruktion, wonach er die Miete für die Wohnung seines studierenden Sohnes bezahle, der Mietvertrag ohne die von ihm übernommene Mithaftung nicht zustande gekommen wäre, er infolgedessen als Inhaber einer Zweitwohnung anzusehen und damit von der Zahlung des Rundfunkbeitrags für die Zweitwohnung zu befreien sei, sind dem Rundfunkbeitragsrecht fremd und überzeugen nicht. Nach § 2 Abs. 2 RBStV ist Inhaber einer Wohnung derjenige, der die Wohnung selbst bewohnt; dieser ist nach § 2 Abs. 1 RBStV rundfunkbeitragspflichtig. Irrelevant ist, wer den Mietzins für die Wohnung trägt.
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Selbst dann, wenn man der Argumentation des Klägers beitreten würde, sein Vater sei ebenfalls Wohnungsinhaber, ändert dies nichts an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Festsetzungsbescheide. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV haften mehrere Wohnungsinhaber für die Zahlung des Rundfunkbeitrags als Gesamtschuldner entsprechend § 44 der Abgabenordnung. Soweit nichts anderes bestimmt ist, schuldet hiernach jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung. Es wäre deshalb nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte den Kläger als einen von mehreren Wohnungsinhabern in Anspruch nehmen würde. Grundsätzlich besteht keine gesetzlich vorgegebene Rangfolge unter den Verpflichteten (vgl. LT-Drs. 16/7001 S. 13). Da nach § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV derjenige als Inhaber der Wohnung vermutet wird, der dort gemeldet ist, ist es sachgerecht, den Kläger zur Zahlung der Rundfunkbeiträge heranzuziehen. Diese Anknüpfung hat den Vorteil, dass zur Ermittlung des Tatbestands regelmäßig keine Nachforschungen im grundrechtlich geschützten privaten Innenbereich getätigt werden müssen (vgl. LT-Drs. 16/7001 S. 14).
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dd) Die ausschließlich wirtschaftliche Mehrfachbelastung des Vaters des Klägers durch die (behauptete) faktische Belastung mit der Zahlung von zwei Rundfunkbeiträgen für zwei Wohnungen wirkt sich auf die Rundfunkbeitragspflicht des Klägers nicht aus.
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(1) Entgegen der Ansicht des Klägers ist für die Anwendung des § 42 AO und für die von ihm insoweit geforderte wirtschaftliche Betrachtungsweise kein Raum. Der Anwendungsbereich der Abgabenordnung ist nicht eröffnet. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AO gilt das Gesetz für alle Steuern einschließlich der Steuervergütungen, die durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union geregelt sind. Beim Rundfunkbeitrag handelt es sich schon nicht um eine Steuer, sondern um eine nichtsteuerliche Abgabe (vgl. BVerfG, U.v. 18.7.2018 - 1 BvR 1675/16 u.a. - BVerfGE 149, 222 Rn. 58 ff.; BVerwG, U.v. 18.3.2016 - 6 C 6.15 - juris Rn. 12). Zudem fallen die Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags über Inhalt und Reichweite der Rundfunkbeitragspflicht in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für das Rundfunkrecht (vgl. BVerfG, U.v. 18.7.2018 - 1 BvR 1675/16 u.a. - BVerfGE 149, 222 Rn. 50 ff.). Die Vorschriften der Abgabenordnung gelten nur, soweit der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ihre Anwendung ausdrücklich vorsieht (vgl. die Verweisung in § 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV).
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(2) Die ausschließlich wirtschaftliche Mehrfachbelastung des Vaters des Klägers verstößt auch nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG. Aus der Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip lässt sich zwar die allgemeine Pflicht des Staates zum Ausgleich familienbedingter finanzieller Belastungen entnehmen; die Kriterien dafür, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher Ausgleich vorzunehmen ist, lässt die verfassungsrechtlich begründete Förderungspflicht weitgehend offen (vgl. BVerfG, B.v. 29.10.2002 - 1 BvL 16/95 u.a. - BeckRS 2012, 55618 Rn. 46). Der Gesetzgeber kann im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit grundsätzlich selbst bestimmen, in welchem Umfang und auf welche Weise er den ihm aufgetragenen besonderen Schutz der Familie verwirklichen will (vgl. BVerfG, B.v. 8.6.2004 - 2 BvL 5/00 - NJW-RR 2004, 1657/1661). Der Gesetzgeber hat neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Es darf jedoch nicht allein aus fiskalischen Erwägungen eine Gruppe von Personen, gegenüber denen der Staat aus Art. 6 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG grundsätzlich zu einem Familienlastenausgleich verpflichtet ist, von einer bestimmten Leistung ausgeschlossen werden, die anderen gewährt wird. Der Ausschluss muss vielmehr sachlich gerechtfertigt sein. Die grundsätzlich bestehende Pflicht des Staates zur Förderung der Familie geht nicht so weit, dass er gehalten wäre, jegliche die Familie treffende finanzielle Belastung auszugleichen (vgl. BVerfG, B.v. 7.5.1968 - 1 BvR 133/67 - juris Rn. 20).
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Gemessen daran kann der Kläger nicht beanspruchen, dass die Wohnungen von volljährigen Kindern als Zweit- oder Drittwohnungen des Unterhaltspflichtigen behandelt und diese damit im Ergebnis von der nach § 2 Abs. 1 und 2 RBStV grundsätzlich bestehenden Beitragspflicht befreit werden. Der Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, Befreiungen von der Beitragspflicht u.a. für nicht bei den Eltern wohnende Empfänger von Ausbildungsförderung bzw. in besonderen Härtefällen (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 5 bzw. Abs. 6 RBStV) vorzusehen, und damit abschließend bestimmt, welche finanzielle Entlastung er im Hinblick auf Studierende mit eigener Wohnung für angemessen hält. Es ist Ausfluss der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, wenn er den Schwerpunkt des Familienlastenausgleichs für in der Berufsausbildung befindliche auswärtig untergebrachte volljährige Kinder im Einkommensteuerrecht setzt (vgl. z.B. § 33a Abs. 2 EStG).
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ee) Soweit ein eigener Befreiungsanspruch des Vaters des Klägers für die (vermeintliche) Zweitwohnung in B. unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 - (BVerfGE 149, 222 LS 4) aus Art. 3 Abs. 1 GG hergeleitet wird mit der Begründung, der Vater komme seiner Pflicht zur Bezahlung von Rundfunkbeiträgen bereits für die Familienwohnung in I. nach, in der auch der Kläger gemeldet und Haushaltsangehöriger sei, wird bereits übersehen, dass der Vater selbst nicht als Beitragsschuldner für die Wohnung in … B., J.platz, herangezogen wird. Das Bundesverfassungsgericht hat in der vom Kläger zitierten Entscheidung festgestellt, es sei mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, dass ein Inhaber mehrerer Wohnungen nach § 2 Abs. 1 RBStV über den Beitrag für eine Wohnung hinaus zur Leistung von weiteren Rundfunkbeiträgen herangezogen wird. Es verstoße gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit, wenn dieselbe Person für die personenbezogene Möglichkeit der privaten Rundfunknutzung zu insgesamt mehr als einem vollen Rundfunkbeitrag herangezogen werde. Zur Frage der Heranziehung führte das Bundesverfassungsgericht aus: „Nach der derzeit geltenden Rechtslage wird der Zweitwohnungsinhaber für denselben Vorteil doppelt herangezogen. Der Vorteil ist personenbezogen in dem Sinne, dass es auf denjenigen Vorteil aus dem Rundfunkempfang ankommt, den die Beitragspflichtigen selbst und unmittelbar ziehen können (s. oben Rn. 100). Das Rundfunkangebot kann aber von einer Person auch in mehreren Wohnungen zur gleichen Zeit nur einmal genutzt werden. Das Innehaben weiterer Wohnungen erhöht den Vorteil der Möglichkeit zur privaten Rundfunknutzung nicht, und zwar unabhängig davon, wie viele Personen in den jeweiligen Wohnungen zusammenwohnen. Die Inhaberschaft einer Wohnung ist lediglich der gesetzliche Anknüpfungspunkt zur typisierenden Erfassung der dem Individuum grundsätzlich flächendeckend bereitgestellten Möglichkeit des privaten Rundfunkempfangs. Da der durch den Beitrag abgeschöpfte Vorteil nicht in einer Wertsteigerung der Wohnung liegt (s. oben Rn. 100), erhöht sich der Vorteil der Möglichkeit des Rundfunkempfangs durch die Nutzung einer weiteren Wohnung nicht. Nach der derzeitigen Regelung ist mit der Heranziehung einer Person in der Erstwohnung der Vorteil abgeschöpft, und kommt insoweit eine erneute Heranziehung einer Zweitwohnung nicht in Betracht“ (vgl. BVerfG, U.v. 18.7.2018 - 1 BvR 1675/16 u.a. - BVerfGE 149, 222 Rn. 107).
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Nach diesen Ausführungen ist der Vorteil zur Rundfunknutzung nicht wohnungsbezogen, sondern personenbezogen zu verstehen. Durch die Möglichkeit, nicht nur in der Familienwohnung als Teil der Haushaltsgemeinschaft, sondern auch in seiner eigenen Wohnung am Studienort Rundfunk empfangen zu können, erhöht sich für den Kläger der Vorteil durch die Nutzung einer eigenen Wohnung. Anders als der Kläger meint, kommt es für einen Befreiungsanspruch für eine Zweitwohnung nicht darauf an, ob eine Person faktisch für mehrere Rundfunkbeiträge finanziell aufkommt, sondern alleine darauf, ob eine Person als Rundfunkbeitragspflichtiger für mehrere Wohnungen in Anspruch genommen wird. Da der Beklagte unstreitig nicht den Vater des Klägers, sondern den Kläger als Beitragsschuldner für die Wohnung in … B., J.platz, führt, wird der Vater des Klägers nicht für mehr als eine Wohnung als Rundfunkbeitragspflichtiger zur Zahlung des Rundfunkbeitrags herangezogen. Damit liegt die vom Bundesverfassungsgericht als mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar erklärte Fallgestaltung in der Person des Vaters nicht vor (vgl. BayVGH, B.v. 20.4.2021 - 7 ZB 21.218 - juris Rn. 7).
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ff) Ungeachtet dessen hat der Kläger weder vorgetragen noch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt in Bezug auf den Vater des Klägers eine entsprechende Befreiung durch den Beklagten vorlag, die sich auf die Rundfunkbeitragspflicht des Klägers auswirken könnte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat der Beklagte die maßgebliche Sach- und Rechtslage lediglich bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens zu berücksichtigen. Dies gilt für Befreiungen von der Rundfunkbeitragspflicht, wenn sie bis zum Erlass des jeweiligen Festsetzungsbescheids bzw. vor Abschluss eines Widerspruchsverfahrens (ausdrücklich) erteilt wurden. Unerheblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Beitragsfestsetzung ist, ob nach der letzten Verwaltungsentscheidung über die Festsetzung für den maßgeblichen Zeitraum ein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht zuerkannt wird (vgl. BVerwG, U.v. 30.10.2019 - 6 C 10.18 - BVerwGE 167, 20 Rn. 10 und 13). Nichts anderes kann gelten, wenn bereits keine Befreiung erteilt ist. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u.a. - (BVerfGE 149, 222 Rn. 111) die Verpflichtung des Gesetzgebers ausgesprochen, Besitzer von Zweitwohnungen von der Rundfunkbeitragspflicht für mehr als eine Wohnung freizustellen. Eine Verpflichtung des Beklagten, diese Freistellung auf volljährige unterhaltsberechtigte Kinder zu erstrecken, sieht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht vor. Das Argument des Klägers, das Bundesverfassungsgericht hätte sämtliche Haushaltsangehörigen für alle Wohnungen freistellen wollen, verfängt infolge des eindeutigen Wortlauts der Entscheidung nicht. Auch der hinsichtlich der Befreiung von der Beitragspflicht für Nebenwohnungen seit 1. Juni 2020 geltende § 4a RBStV sieht eine Erstreckung der Befreiung nur auf Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner vor (vgl. § 4a Abs. 1 Satz 1 RBStV). In Anbetracht des insoweit bestehenden weiten Einschätzungsspielraums war der Gesetzgeber nicht verpflichtet, volljährige Kinder in den Kreis der von einer Befreiung für eine Zweitwohnung Begünstigten aufzunehmen. Rundfunkbeitragsrechtlich ebenso nicht relevant sind steuerrechtliche Maßstäbe, wie die Behandlung von Studierenden, die sich zu Ausbildungszwecken in einer Zweitunterkunft in der Nähe des Studienortes befinden, als weiterhin haushaltsangehörig.
41
gg) Die Schlussfolgerung des Klägers, die von ihm geforderte Freistellung von der Rundfunkbeitragspflicht für die Wohnung in B. folge eindeutig aus den allgemeinen Ausführungen der Gesetzesbegründung zu Art. 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags, wonach durch die Neuordnung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks künftig „Mehrfachgebührenpflichten in den privaten Haushalten entfallen“ sollen, geht fehl. Die in der in Bezug genommenen Gesetzesbegründung (LT-Drs. 16/7001 S. 12) enthaltene Formulierung bezieht sich auf den durch Art. 2 des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags zum 1. Januar 2013 aufgehobenen Rundfunkgebührenstaatsvertrag, der zu Mehrfachgebührenpflichten in den privaten Haushalten führte. Er definierte Rundfunkempfangsgeräte und legte fest, dass derjenige, der solche zum Empfang bereithielt, Gebühren zahlen musste, und zwar für Hörfunk- und Fernsehgeräte in unterschiedlicher Höhe. Rundfunkempfangsgeräte im Sinne des Rundfunkgebührenstaatsvertrags waren nach dessen § 1 Abs. 1 alle Geräte, die „zur drahtlosen oder drahtgebundenen, nicht zeitversetzten Hör- oder Sichtbarmachung oder Aufzeichnung von Rundfunkdarbietungen (Hörfunk und Fernsehen) geeignet sind.“ Auch Geräte, die vorrangig für andere Zwecke genutzt wurden (Computer, Mobiltelefone, Abspielgeräte für Produkt- oder Lehrvideos), zählten als anmelde- und gebührenpflichtige Empfangsgeräte, wenn sie über ein Empfangsteil (Tuner) verfügten. Die Rundfunkgebühr setzte sich aus der Grundgebühr und der Fernsehgebühr zusammen, wobei für das erste Fernsehempfangsgerät auch ohne Besitz eines Radios Grund- und Fernsehgebühr fällig wurden. Grundsätzlich war für jedes einzelne Rundfunkempfangsgerät die entsprechende Gebühr zu entrichten, für Privathaushalte galt in bestimmten Fällen eine Zweitgerätebefreiung z.B. für neuartige Rundfunkempfangsgeräte, die nur über das Internet Rundfunkprogramme als Stream empfangen konnten. Mit dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag wurde das nicht mehr zeitgemäße geräteabhängige Gebührenmodell des Rundfunkgebührenstaatsvertrags abgelöst und ein geräteunabhängiges Wohnungs-/Betriebsstättenmodell eingeführt (LT-Drs. 16/7001 S. 12). Die mit dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag verbundenen „Mehrfachgebührenpflichten in den privaten Haushalten“ wurden so beseitigt.
42
c) Der Bescheid des Beklagten vom 1. August 2022 ist auch insoweit materiell rechtmäßig, als er Rundfunkbeiträge für den Zeitraum vom 1. Oktober 2020 bis 31. Juli 2022 festsetzt, obwohl der Kläger bereits am 28. September 2020 aus der Wohnung in B. ausgezogen ist.
43
Die Pflicht zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen endet nach § 7 Abs. 2 Satz 1 RBStV mit dem Ablauf des Monats, in dem das Innehaben der Wohnung durch den Beitragsschuldner endet, jedoch nicht vor dem Ablauf des Monats, in dem dies der zuständigen Landesrundfunkanstalt angezeigt worden ist. Ausweislich der im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 9. Juli 2021 überreichten Meldebestätigung der Stadt I. vom 28. September 2020 hat sich der Kläger am 28. September 2020 von der Wohnung in … B., J.platz, abgemeldet, so dass er ab diesem Zeitpunkt nicht mehr im Sinne des § 2 Abs. 1 RBStV Inhaber dieser Wohnung war. Allerdings hat er weder vorgetragen noch nachgewiesen, dass er seiner Anzeigepflicht nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 RBStV i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 der Rundfunkbeitragssatzung ordnungsgemäß nachgekommen ist. Hiernach sind Anzeigen über (unter anderem) Beginn und Ende des Innehabens einer Wohnung unverzüglich schriftlich der in § 2 der Rundfunkbeitragssatzung genannten gemeinsamen Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten - dem Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio - zuzuleiten. Aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 1 RBStV war der Kläger auch über den 30. September 2020 hinaus rundfunkbeitragspflichtig.
44
d) Rechtsgrundlage für die Erhebung der Säumniszuschläge in den angegriffenen Bescheiden des Beklagten ist § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 RBStV i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 der Rundfunkbeitragssatzung. Danach wird, wenn Rundfunkbeiträge nicht innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit, d.h. in der Mitte eines Dreimonatszeitraums (§ 7 Abs. 3 RBStV), in voller Höhe entrichtet werden, ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8 Euro fällig. Der Säumniszuschlag wird zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid nach § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV festgesetzt. Mit jedem Bescheid kann nur ein Säumniszuschlag festgesetzt werden (§ 11 Abs. 1 Satz 3 der Rundfunkbeitragssatzung).
45
B) Der vom Kläger gestellte Antrag festzustellen, dass „für die Raumeinheit App. … in … B., J.platz * (Zweitwohnung) auch durch den Berufungskläger keine Rundfunkbeiträge für den Zeitraum 1. Oktober 2016 bis 30. September 2020 zu zahlen sind“, ist unzulässig, soweit er den Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis 31. Juli 2017 sowie den Zeitraum vom 1. August 2019 bis 30. September 2020 betrifft. Soweit er sich auf den Zeitraum vom 1. August 2017 bis 31. Juli 2019 bezieht, ist er jedenfalls unbegründet.
46
Die erstmals im Berufungsverfahren vom Kläger erhobene Feststellungsklage stellt eine Klageänderung dar, deren Zulässigkeit sich nach § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 91 VwGO richtet. Nachdem der Beklagte in die Klageänderung nicht eingewilligt (vgl. § 91 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) und er sich auch nicht rügelos auf die geänderte Klage eingelassen hat (vgl. § 91 Abs. 2 VwGO), ist diese nach § 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO nur zulässig, wenn das Gericht die Änderung der Klage für sachdienlich hält. Von einer Sachdienlichkeit der Klageänderung ist in der Regel auszugehen, wenn die Klageänderung die endgültige Beilegung des Streites fördert und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt. Ist die neue Klage hingegen unzulässig, ist die Klageänderung nicht sachdienlich, da sie nicht geeignet wäre, den Streitstoff zwischen den Parteien auszuräumen (vgl. Wöckel in Eyermann, VwGO, § 91 Rn. 31; BVerwG, U.v. 3.7.1987 - 4 C 12.84 - juris Rn. 7; U.v. 7.10.1980 - 6 C 39.80 - juris Rn. 13).
47
I. Für den Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis 31. Juli 2017 ist die Feststellungsklage wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG). Dieser Zeitraum ist von den Festsetzungsbescheiden vom 3. Juli 2017 und 1. August 2017 erfasst, gegen die sich die Anfechtungsklage des Klägers richtet.
48
II. Hinsichtlich des Zeitraums vom 1. August 2019 bis 31. September 2020 ist die Feststellungsklage ebenfalls unzulässig. Auch ihr steht nach § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG die Rechtshängigkeit der im Berufungsverfahren nach § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 Alt. 1 VwGO erweiterten Anfechtungsklage gegen den Festsetzungsbescheid vom 1. August 2022 entgegen.
49
III. Im Hinblick auf den Zeitraum vom 1. August 2017 bis 31. Juli 2019 dürfte die Feststellungsklage zwar zulässig sein, sie ist jedoch unbegründet.
50
1. Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Die Frage, ob der Kläger für seine Wohnung in … B., J.platz, auch für den Zeitraum vom 1. August 2017 bis 31. Juli 2019 Rundfunkbeiträge zu leisten hat, ist Gegenstand eines streitigen Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Da die Rundfunkbeitragspflicht nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag unmittelbar kraft Gesetzes entsteht (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.2019 - 6 C 20.18 - NVwZ-RR 2020, 510 Rn. 14), muss der seine Beitragspflicht bestreitende Kläger nicht den Erlass eines entsprechenden Festsetzungsbescheids abwarten, sondern kann im Wege der vorbeugenden Feststellungsklage klären lassen, ob er für den Zeitraum vom 1. August 2017 bis 31. Juli 2019 Rundfunkbeiträge zu leisten hat.
51
2. Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht nicht der Grundsatz der Subsidiarität (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) entgegen.
52
Danach kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Der Grundsatz der Subsidiarität bezweckt, unnötige Feststellungsklagen zu verhindern, wenn für die Rechtsverfolgung unmittelbarere, sachnähere und damit wirksamere Verfahren zur Verfügung stehen (vgl. BVerwG, U.v. 7.9.1989 − 7 C 4.89 - juris Rn. 15 m.w.N.).
53
Vorliegend ist das Klagebegehren nicht vorrangig im Wege der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zu verfolgen. § 43 Abs. 2 VwGO ist seinem Zweck entsprechend einschränkend dahingehend auszulegen, dass die angeordnete Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber einer Leistungsklage nur gilt, wenn die Sonderregelungen über Fristen und Vorverfahren für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen unterlaufen würden (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - juris Rn. 25 m.w.N.). Derartiges liegt hier nicht vor. Zwar hat der Beklagte im Berufungsverfahren mitgeteilt, er habe mit Bescheid vom 1. April 2021 rückständige Rundfunkbeiträge für den Zeitraum 1. August 2017 bis 31. Juli 2019 in Höhe von 428 Euro (incl. Säumniszuschlag) festgesetzt. Der Kläger kann sich jedoch mit Erfolg darauf berufen, den Festsetzungsbescheid vom 1. April 2021 nicht erhalten zu haben.
54
Nach dem Rechtsgedanken des im Rundfunkbeitragsrecht nicht unmittelbar anwendbaren (vgl. Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG) Art. 41 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt am dritten Tag nach seiner Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Nach Satz 3 der Norm gilt dies jedoch nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Ob Zweifel im Sinne von Art. 41 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG am Zugang eines Verwaltungsakts bestehen, unterliegt der gerichtlichen Überprüfung. Bestehen Zweifel am Zugang, die die widerlegliche Vermutung des Art. 41 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG erschüttern, bedarf es für den Zugang des vollen Beweises, der von Amts wegen zu führen ist (§ 86 Abs. 1 VwGO) und für den die Behörde die objektive Beweislast trägt (vgl. BVerwG, U.v. 15.6.2016 - 9 C 19.15 - BVerwGE 155, 241 Rn. 17 m.w.N. zu § 122 Abs. 2 AO).
55
Bestreitet der Kläger den Zugang, hat das Gericht die Glaubhaftigkeit seines Vortrags und seine Glaubwürdigkeit zu bewerten. Zur Darlegung von Zweifeln im Sinne von Art. 41 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG genügt regelmäßig das einfache Bestreiten des Zugangs, weil einem Adressaten, der den Zugang überhaupt bestreitet, anders als bei verspätetem Zugang eine weitere Substantiierung typischerweise nicht möglich ist. In aller Regel liegen die Umstände der Postbeförderung und -zustellung, aus denen sich Schlüsse auf den Zugang oder Nichtzugang eines mit einfacher Post versandten Bescheides ziehen ließen, außerhalb der Sphäre des Klägers, so dass er aufgrund eigener Wahrnehmung nicht mehr vortragen kann als die Tatsache, den Bescheid nicht erhalten zu haben (vgl. BVerwG, U.v. 21.9.2022 - 8 C 12.21 - juris Rn. 16 m.w.n.). Wählt die Behörde statt der förmlichen Zustellung die Bekanntgabe des Bescheids durch einfachen Brief, trägt sie im Falle des Bestreitens das Risiko der Unerweislichkeit des Zugangs, ohne dass ihr die Erleichterungen des Anscheinsbeweises zugutekommen (BVerwG, U.v. 15.6.2016 - 9 C 19.15 - BVerwGE 155, 241 Rn. 18 m.w.N.).
56
Der Senat hat keine Zweifel daran, dass der Vortrag des Klägers, der Festsetzungsbescheid vom 1. April 2021 sei ihm nicht zugegangen, glaubhaft ist. Soweit der Beklagte dagegen einwendet, es seien schon mehrere Festsetzungsbescheide an die E.-Straße, … I. verschickt worden, die alle zugegangen wären, und der Festsetzungsbescheid vom 1. April 2021 sei nicht als unzustellbar zurückgekommen, kann er damit nicht durchdringen. Zu berücksichtigen ist hier insbesondere, dass der Kläger nach seinem Vortrag ab März 2021 in den P.-Ring …, … I. umgezogen war. Zwar hatte er einen Nachsendeantrag an diese Adresse gestellt, es ist jedoch nicht auszuschließen, dass es hierbei zu Unregelmäßigkeiten bei der Ausführung gekommen ist. Da der Beklagte keine förmliche Zustellung des Festsetzungsbescheids vorgenommen hat, trägt er das Risiko, dass der Zugang des Festsetzungsbescheids vom 1. April 2021 nicht nachweisbar ist und infolgedessen auch keine Rechtsbehelfsfrist für Widerspruch (§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO) bzw. Anfechtungsklage (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AGVwGO; § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO) in Gang gesetzt wurde.
57
3. Die Feststellungsklage ist jedenfalls unbegründet. Zur Begründung wird auf die Ausführungen unter A) verwiesen.
58
C) Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
59
D) Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.