Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 02.11.2022 – B 6 K 22.772
Titel:

Kosten für die zwangsweise Vorführung vor Auslandsvertretung 

Normenketten:
BayVwVfG Art. 28, Art. 31 Abs. 3 S. 1 , Art. 45 Abs. 1,
AufenthG § 66 Abs. 1, § 82 Abs. 4 S. 1
Leitsätze:
1. Die Heilung eines Anhörungsmangels setzt voraus, dass die Anhörung außerhalb des Gerichtsverfahrens nachgeholt wird und die Behörde die Ergebnisse der Anhörung zum Anlass nimmt, die getroffene Entscheidung kritisch zu überdenken. Äußerungen der Behörde im Gerichtsverfahren oder die Anhörung der Beteiligten durch das Gericht stellen hingegen keine Nachholung der Anhörung dar. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Verpflichtung des Ausländers zur Teilnahme an der Anhörung vor Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehöriger er vermutlich ist, setzt nicht voraus, dass nach den Umständen gesichert erscheint, dass der Ausländer die Staatsangehörigkeit des Staates, der die Anhörung durchführt, besitzt. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe, Kosten der Abschiebung, zwangsweise Vorführung zur Botschaft, Heilung, Anhörungsmangel, Anhörung, zwangsweise Vorführung, Staatsangehörigkeit, Auslandsvertretung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 26.01.2023 – 19 C 22.2425
Fundstelle:
BeckRS 2022, 41995

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid, mit welchem ihm die Kosten für seine polizeiliche Vorführung zu einer Anhörung durch Vertreter der ghanaischen Botschaft auferlegt wurden.
2
Der Kläger reiste am 10. August 2020 ins Bundesgebiet ein und stellte unter der Angabe, er sei ghanaischer Staatsangehöriger, einen Asylantrag. Diesen lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 18. September 2020 als offensichtlich unbegründet ab und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Gh.oder einen anderen rücknahmebereiten Staat an. Der hiergegen gerichtete Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (B 4 S 20.31055) und die hiergegen gerichtete Klage (B 4 K 20.31056) zum Verwaltungsgericht Bayreuth blieben erfolglos.
3
Da der Kläger nicht im Besitz gültiger Reisedokumente ist, erhielt er nach dem Abschluss des Asylverfahrens mit dem Zusatz nach § 60b Abs. 1 Satz 1 AufenthG versehene Duldungen, die fortlaufend verlängert wurden. Aufforderungen der Regierung von … – Zentrale Ausländerbehörde –, bei der Auslandsvertretung seines Herkunftslandes einen Reisepass zu beantragen, leistete der Kläger keine Folge.
4
Am 21. Mai 2021 wurde der Kläger polizeilich zu einer Anhörung durch Vertreter der ghanaischen Botschaft vorgeführt. Mit E-Mail vom 11. Juni 2021 teilte das Landesamt für Asyl und Rückführungen (LfAR) der Zentralen Ausländerbehörde hierzu mit, dass bei dieser Anhörung die ghanaische Staatsangehörigkeit des Klägers verneint worden sei und die ghanaische Botschaft eine Vorführung bei der Auslandsvertretung von N. empfehle.
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Am 31. Januar 2022 teilte das LfAR der Zentralen Ausländerbehörde mit, dass das LfAR aufgrund einiger zweifelhafter Entscheidungen eines früheren Mitarbeiters der ghanaischen Botschaft, welcher nun keine Anhörungen mehr durchführe, eine erneute Anhörung durch Vertreter der ghanaischen Botschaft vorschlage.
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Mit Bescheid vom 7. März 2022 wurde der Kläger verpflichtet, am 18. März 2022 persönlich zu einer Anhörung durch Mitarbeiter der ghanaischen Auslandsvertretung zu erscheinen. Sofern er dem nicht Folge leiste, werde er zwangsweise durch die Polizei vorgeführt. Der Kläger kam dieser Anordnung nicht nach. Eine zwangsweise Vorführung erfolgte an diesem Tag nicht. Eine sodann für den 29. April 2022 geplante polizeiliche Vorführung zu einer Anhörung durch ghanaische Botschaftsmitarbeiter scheiterte, weil der Kläger nicht in seiner Unterkunft angetroffen wurde.
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Mit Bescheid vom 15. Juni 2022 verpflichtete der Beklagte den Kläger, am 21. Juni 2022 in den Räumlichkeiten der Zentralen Ausländerbehörde Unna persönlich zu erscheinen und an einer Anhörung durch Vertreter der ghanaischen Botschaft teilzunehmen. Es wurde angeordnet, dass der Kläger hierzu polizeilich vorgeführt wird. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass der Kläger der Verpflichtung zur Teilnahme an der Anhörungsmaßnahme vom 18. März 2022 ohne Angabe von Gründen nicht nachgekommen sei und deshalb nun die Durchsetzung der Pflicht zur Teilnahme an der Anhörung im Wege des unmittelbaren Zwangs geboten sei. Auf die Begründung des Bescheids im Übrigen wird Bezug genommen.
8
Der Kläger wurde daraufhin zu der am 21. Juni 2022 terminierten Anhörung polizeilich vorgeführt. Im Rahmen dieser Anhörung konnte die ghanaische Staatsangehörigkeit des Klägers nicht bestätigt werden.
9
Bereits zuvor, nämlich mit Bescheid vom 14. Juni 2022, war der Kläger verpflichtet worden, an einer Anhörung durch Vertreter der Auslandsvertretung von N. teilzunehmen. Dieser Verpflichtung kam der Kläger nicht nach. Mit Schreiben vom 12. Juli 2022 hörte die Zentrale Ausländerbehörde den Kläger zur beabsichtigten Auferlegung der polizeilichen Vorführungskosten vom 21. Juni 2022 an und gab ihm Gelegenheit zur Äußerung bis 30. Juli 2022.
10
Mit Bescheid vom 1. August 2022 verpflichtete der Beklagte den Kläger, die Kosten seiner polizeilichen Vorführung vom 21. Juni 2022 in Höhe von 1.259,20 EUR zu tragen.
11
Ebenfalls am 1. August 2022 zeigte der Klägerbevollmächtigte die Vertretung des Klägers gegenüber der Zentralen Ausländerbehörde an und beantragte Akteneinsicht.
12
Am 18. August 2022 erhob der Klägerbevollmächtigte Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth mit dem Antrag,
den Bescheid der Zentralen Ausländerbehörde bei der Regierung von … vom 1. August 2022 (...) aufzuheben.
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Zugleich wird beantragt,
dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung zu bewilligen.
14
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Der Bescheid vom 1. August 2022 sei formell rechtswidrig. Der Beklagte habe den angegriffenen Bescheid noch innerhalb der offenen Anhörungsfrist erlassen, weil der 30. Juli 2022 ein Samstag gewesen sei. Der Kostenbescheid sei auch materiell rechtswidrig, weil dem Kläger die Kosten für eine unnötige und nicht sachgerechte Maßnahme auferlegt würden. Aus dem Asylurteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 14. September 2021 gehe hervor, dass der Kläger nicht aus Ghana, sondern aus N. stamme. Der Kläger habe bereits im Asylverfahren erklärt, dass er in N. geboren sei. Die Anordnung zur erneuten Vorsprache bei der ghanaischen Botschaft sei erfolgt, weil nach Ansicht des Beklagten ein früherer Botschaftsmitarbeiter in der Vergangenheit zweifelhafte Entscheidungen getroffen habe. Solche Zweifel könnten nicht als Tatsachengrundlage dafür herhalten, dem Kläger völlig unnötige Kosten aufzubürden.
15
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
16
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Der Kostenbescheid sei nicht formell rechtswidrig, da die erforderliche Anhörung in der gebotenen Form nachgeholt worden und der geltend gemachte Anhörungsmangel gem. Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG als geheilt anzusehen sei. Denn mit Schreiben vom 5. September 2022 sei dem Klägerbevollmächtigten erneut Gelegenheit zur Äußerung bis 9. September 2022 gegeben und die beantragte Akteneinsicht gewährt worden. Die Stellungnahme des Klägerbevollmächtigten vom 9. September 2022 sei zum Anlass genommen worden, den Bescheid erneut zu überprüfen mit dem Ergebnis, dass keine andere Entscheidung in der Sache zu treffen sei. Der Kostenbescheid sei auch materiell rechtmäßig. Bei den festgesetzten Kosten handele es sich um Kosten in Vorbereitung der Abschiebung, die der ausreisepflichtige Ausländer zu tragen habe. Die zugrunde liegende Anordnung der Teilnahme an der Botschaftsanhörung stütze sich auf § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG. Der Kläger habe im Asylverfahren angegeben, dass er in der Volta-Region in Gh.aufgewachsen sei. Er sei lediglich in N. geboren. Die Anhörung am 21. Juni 2021 sei daher nicht als von vorneherein erfolglos anzusehen gewesen. Es sei dem Kläger zuzurechnen, dass infolge seiner fehlenden Mitwirkung bei der Klärung seiner Staatsangehörigkeit zunächst die ghanaische Staatsangehörigkeit habe ausgeschlossen werden müssen, bevor er nun für eine Anhörung bei der Auslandsvertretung des möglichen Herkunftslandes N. eingeplant werde.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
18
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Erfolgsaussicht i.S.v. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat. Der Bescheid vom 1. August 2022 wird sich im Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig erweisen.
19
1. Der Bescheid leidet nicht an einem beachtlichen Anhörungsmangel, weil der Beklagte die Anhörung in der gebotenen Form nachgeholt hat. Es spricht vieles dafür, dass die ursprüngliche Anhörung nicht ordnungsgemäß war. Denn der Beklagte hat den angegriffenen Bescheid augenscheinlich noch innerhalb der offenen Anhörungsfrist, die gem. Art. 31 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG erst mit Ablauf des 1. August 2022 endete, erlassen. Die Ausländerbehörde hat den auf den 1. August 2022 datierten Kostenbescheid erlassen, obwohl sich noch am 1. August 2022 der Klägerbevollmächtigte gegenüber der Behörde angezeigt und Akteneinsicht beantragt hatte. Der Anhörungsmangel wurde aber jedenfalls durch ordnungsgemäße Nachholung der Anhörung gem. Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 BayVwVfG geheilt. Nach verbreiteter Auffassung setzt die Heilung eines Anhörungsmangels voraus, dass die Anhörung außerhalb des Gerichtsverfahrens nachgeholt wird und die Behörde die Ergebnisse der Anhörung zum Anlass nimmt, die getroffene Entscheidung kritisch zu überdenken. Äußerungen der Behörde im Gerichtsverfahren oder die Anhörung der Beteiligten durch das Gericht stellen hingegen keine Nachholung der Anhörung dar (BVerwG, U.v. 24.6.2010 – 3 C 14/09 – NVwZ 2011, 115/119 Rn. 37; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 45 Rn. 26 f., 42). Nach diesen Maßstäben ist von einer Heilung des Anhörungsmangels auszugehen: Der Beklagte hat die Anhörung zwar nach Rechtshängigkeit der Klage, aber in einem gesonderten behördlichen Verfahrensschritt nachgeholt. Er hat den Kläger unter Hinweis auf Art. 28 BayVwVfG und Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG erneut unter Einräumung einer Äußerungsfrist schriftlich angehört und zugleich die beantragte Akteneinsicht gewährt. Der Klägerbevollmächtigte hat sich innerhalb der behördlich gesetzten Frist erneut zur Sache geäußert. Der Beklagte hat nachfolgend kundgetan, dass er die Kostentragungspflicht erneut geprüft habe, aber keine andere Entscheidung in der Sache treffen werde.
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Diese Heilung des Anhörungsmangels ist bei der Prüfung der Erfolgsaussichten im Prozesskostenhilfebeschluss berücksichtigungsfähig. Zwar ist für die Beurteilung der Erfolgsaussichten grundsätzlich der Zeitpunkt der Bewilligungsreife maßgeblich, der gegeben ist, sobald die vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen vorliegen und die Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme angehört worden ist (stRspr, z.B. BayVGH, B.v. 28.9.2022 – 10 C 22.1648 – BeckRS 2022, 27349 Rn. 4). Die Heilung des Anhörungsmangels wurde hier aber bereits vor diesem Zeitpunkt, nämlich innerhalb der noch offenen Frist zu Klageerwiderung, bewirkt.
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2. Der Kostenbescheid wird sich auch in materiell-rechtlicher Hinsicht aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen.
22
Der Beklagte ist zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass die Kosten für die zwangsweise Vorführung des Klägers zur Anhörung durch Vertreter der ghanaischen Botschaft ihrer Art nach Kosten i.S.d. § 66 Abs. 1 AufenthG sind, welche der ausreisepflichtige Ausländer zu tragen hat. Denn Kosten der „Abschiebung“ in diesem Sinne sind nicht nur solche, die unmittelbar durch die Abschiebung entstehen, sondern auch Kosten solcher Maßnahmen, die der Vorbereitung einer Abschiebung durch Ermittlung der Staatsangehörigkeit dienen (BVerwG, U.v. 8.5.2014 – 1 C 3/13 – NVwZ-RR 2014, 781/783 Rn. 18; VG Bayreuth, B.v. 11.6.2021 – B 6 K 20.196 – BeckRS 2021, 24946).
23
Die Verpflichtung des Klägers zur Teilnahme an der Anhörung vom 21. Juni 2022 hat der Beklagte in rechtmäßiger Weise auf § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG gestützt. Danach kann der Ausländer unter anderem verpflichtet werden, dass er bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besetzt, persönlich erscheint.
24
Diese Verpflichtung setzt nicht voraus, dass nach den Umständen gesichert erscheint, dass der Ausländer die Staatsangehörigkeit des Staates, der die Anhörung durchführt, besitzt. Es genügt bei einem ungewissen Sachverhalt, dass die Staatsangehörigkeit dieses Staates zumindest in Betracht kommt (OVG Berlin-Bbg., B.v. 1.12.2010 – OVG 3 S 70/10 – BeckRS 2010, 56552; Kluth in BeckOK AuslR, Stand 1.7.2022, § 82 AufenthG Rn. 41.4). Die Ausländerbehörde hat bei der Anordnung keine nach Wahrscheinlichkeitsmaßstäben zu bestimmende Rangfolge zwischen mehreren in Betracht kommenden Herkunftsstaaten einzuhalten (OVG Berlin-Bbg., a.a.O.). Begrenzt ist die gesetzliche Anordnungsermächtigung nur dadurch, dass von dem Ausländer keine von vorneherein aussichtlosen Versuche oder unverhältnismäßige Maßnahmen verlangt werden dürfen (NdsOVG, B.v. 3.4.2012 – 11 ME 84/12 – BeckRS 2012, 49263).
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Danach ist die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Teilnahmeverpflichtung ersichtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat als ghanaischer Staatsangehöriger einen Asylantrag gestellt. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt hat er auf Nachfrage bestätigt, dass die in „Teil 1 der Niederschrift zum Asylantrag“ (Bl. 28 d. Behördenakte) angegebenen Daten – unter anderem: „Staatsangehörigkeit Ghana“ – korrekt seien (Seite 2 des Anhörungsprotokolls vom 16.9.2022, Bl. 95 d. Behördenakte). Das Bundesamt hat daher das Asylbegehren unter Würdigung der Lebensverhältnisse in Gh.geprüft und in der Abschiebungsandrohung vom 18. September 2020 Gh.als Zielstaat der Abschiebung bezeichnet. Am 1. Dezember 2021 hat der Kläger zudem bei der Zentralen Ausländerbehörde ein von ihm eigenhändig unterzeichnetes Duldungsgesuch mit der Angabe „Staatsangehörigkeit: Ghana“ eingereicht (Bl. 143 ff. d. Behördenakte). Auch aus dem von dem Klägerbevollmächtigten in Bezug genommenen Asylurteil vom 14. September 2021 (B 4 K 20.31056) ergibt sich keineswegs, dass der Kläger eindeutig nicht die ghanaische Staatsangehörigkeit habe. Vielmehr führt das Gericht dort auf Seite 7/8 aus: „Die Einzelrichterin erachtet den Vortrag des Klägers für nicht glaubhaft und unschlüssig. (…) Dies gilt auch für die Angaben des Klägers bezüglich seiner Staatsangehörigkeit. So gab er in der mündlichen Verhandlung erstmals an, dass er nicht aus Ghana, sondern aus N. stamme. Bei der Niederschrift zu seinem Asylantrag vom 30. August 2020 (Bl. 61 der Bundesamtsakte) ist die Staatsangehörigkeit des Klägers mit Gh.angegeben. Mit seiner Unterschrift hat der Kläger die Richtigkeit seiner Angaben bestätigt.“
26
Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte zunächst den Hinweisen auf die ghanaische Staatsangehörigkeit des Klägers nachgegangen ist und nun die zwangsweise Vorführung des Klägers zu einer Anhörung durch Vertreter der Auslandsvertretung N.s anstrebt. Daran ändert auch nichts, dass die Maßnahme vom 21. Juni 2022 bereits die zweite Anhörung war und eine erste Anhörung mit ghanaischen Botschaftsmitarbeitern keine hinreichenden Anhaltspunkte für die ghanaische Staatsangehörigkeit des Klägers ergeben hatte. Das LfAR hat eine erneute Anhörung empfohlen, weil ihm bekannt geworden war, dass ein früherer Botschaftsmitarbeiter zweifelhafte Entscheidungen im Rahmen solcher Anhörungen getroffen hatte. Weshalb der Hinweis des Beklagten hierauf „entlarvend“ sein sollte, wie der Klägerbevollmächtigte im Schriftsatz vom 4. Oktober 2022 (Bl. 51 d.A.) ausführt, vermag das Gericht nicht nachzuvollziehen. Der Beklagte hat keinen Einfluss auf die Arbeitsweise von Bediensteten der Auslandsvertretungen anderer Staaten. Das gesamte Prozedere hätte der Kläger vermeiden können, indem er seinen gesetzlichen Mitwirkungspflichten zur Beschaffung eines gültigen Reisepasses nachgekommen wäre. Stattdessen hat der Kläger nicht nur den behördlichen Anordnungen nicht Folge geleistet, sondern es auch noch (wiederholt) auf die zwangsweise polizeiliche Vorführung ankommen lassen. Es begegnet daher auch keinen rechtlichen Bedenken, dass die Ausländerbehörde mit der Verpflichtung des Klägers zur Teilnahme an der Anhörung vom 21. Juni 2021 im Bescheid vom 15. Juni 2022 zugleich die gem. § 82 Abs. 4 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 34 VwZVG zulässige polizeiliche Vorführung des Klägers an diesem Tag angeordnet hat. Der Kläger war bereits zu dem zuvor anberaumten Anhörungstermin am 18. März 2022 trotz der mit Bescheid vom 7. März 2022 angedrohten zwangsweisen Vorführung unentschuldigt nicht erschienen.
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Das polizeiliche Festhalten des Klägers zum Zwecke der zwangsweisen Verbringung nach Unna, wo die Anhörung am 21. Juni 2022 stattfand, stellt auch keine dem Richtervorbehalt des Art. 104 Abs. 2 GG unterliegende Freiheitsentziehung dar (vgl. ausführlich BayVGH, B.v. 30.8.2021 – 19 C 21.1861 – BeckRS 2021, 24945 Rn. 8 ff.; VG Bayreuth, B.v. 11.6.2021 – B 6 K 20.196 – BeckRS 2021, 24946 Rn. 20 ff.).