Inhalt

VG München, Beschluss v. 28.10.2022 – M 1 SN 22.368
Titel:

Eilrechtsschutz des Nachbarn gegen Baugenehmigung wegen Verletzung des Rücksichtnahmegebots und Drittschutz im Denkmalrecht

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a
BauGB 34 Abs. 2
BauNVO § 15 Abs. 1
BayDSchG Art. 6 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes kommt dann in Betracht, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (hier verneint). (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Grundsätzlich stehen die denkmalschutzrechtlichen Vorschriften rein im öffentlichen Interesse an der Erhaltung von Baudenkmälern. Dem Denkmaleigentümer kann aber im Rahmen des sogenannten Umgebungsschutzes nach Art. 6 Abs. 1 S. 2, Art. 6 Abs. 2 S. 1 BayDSchG ein Abwehrrecht gegen eine Baumaßnahme in der Nähe des Baudenkmals zukommen, wenn sich diese auf den Bestand oder das Erscheinungsbild des Baudenkmals auswirkt (hier verneint). (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eilrechtsschutz, Nachbar, Gebot der Rücksichtnahme, Erdrückende Wirkung, Drittschutz im Denkmalrecht, Baugenehmigung, Nachbarklage, Rücksichtnahmegebot, erdrückende Wirkung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 16.01.2023 – 1 CS 22.2399
Fundstelle:
BeckRS 2022, 41983

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten streiten um eine Baugenehmigung zum Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses samt Tiefgarage, die die Antragsgegnerin den Beigeladenen erteilt hat.
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Die Antragstellerin ist Miteigentümerin der Wohnungseigentümergemeinschaft „R. Gasse 2, Am H. Graben 3“ (WEG) in E., bestehend aus den FlNrn. ..0 und ..1
Gem. … Ihr ist die Nutzung der FlNr. ..0 Gem. … samt des darauf befindlichen Wohnhauses als Sondereigentum alleinig zugewiesen. Östlich der Grundstücke der WEG befindet sich das Grundstück der Beigeladenen, FlNr. ..8 Gem. … (Vorhabengrundstück), welches in der Vergangenheit mit einem Gebäude bebaut war, das aufgrund denkmalschutzrechtlicher Erlaubnis vom 30. Oktober 2018 jedoch abgebrochen wurde. Die Grundstücke befinden sich im denkmalgeschützten Altstadtbereich der Beklagten. Ein Bebauungsplan existiert nicht.
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Mit am 23. April 2019 bei der Antragsgegnerin eingegangenem Antrag beantragten die Beigeladenen die Erteilung einer Baugenehmigung „Abbruch und Neubau eines Geschäftshauses“ für das Vorhabengrundstück. Unter dem 4. November 2019 legte das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege (LfD) seine Bedenken hinsichtlich der geplanten Höhe, Kubatur und Gestaltung dar. Der Verlauf der Stadtmauer, der bis dato an der Kleinteiligkeit der Gebäude abzulesen sei werde komplett eliminiert. Eine solch dichte Bebauung habe Vorbildwirkung. Das Ensemble werde dann nachhaltig geschädigt. Die Besonderheit der Stadtwallanlagen würde bis zur Unkenntlichkeit verändert werden. Unter dem 28. November 2019 hörte die Antragsgegnerin die Beigeladenen zur beabsichtigten Ablehnung des Bauantrags an.
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Mit am 31. Juli 2020 bei der Antragsgegnerin eingegangenem Antrag reichten die Beigeladenen eine Eingabeplanung vom 29. Juli 2020 für den „Abbruch und Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses“ samt Tiefgarage ein. Das LfD nahm mit E-Mail vom 8. Oktober 2020 Stellung und bezog sich auf seine vorherige Stellungnahme, weil das Bauvorhaben keine wesentlichen Änderungen enthalte.
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In der Folge reichten die Beigeladenen unter dem 20. Oktober 2020 eine Tekturplanung ein und stellten klar, dass neben der Baugenehmigung auch die Erteilung der denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis beantragt werde. Sodann erteilte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 28. Januar 2021 die Baugenehmigung „Abbruch und Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses“ mit fünf Wohneinheiten und einem Büro samt Tiefgarage mit Autoaufzug samt Nebenbestimmungen. Gemäß Hinweis Nr. 22 darf der von der gewerblichen Nutzung ausgehende Lärm einschließlich Besucher- und Lieferverkehr auf den benachbarten Grundstücken an schutzbedürftigen Nutzungen nach DIN 4109 unter Berücksichtigung der Vorbelastung die Immissionsrichtwerte der TA Lärm von 60 dB(A) tagsüber (6:00-22:00 Uhr) und 45 dB(A) nachts nicht überschreiten. Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen die Immissionsrichtwerte am Tage um nicht mehr als 30 dB(A) und nachts um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten.
6
Gegen diesen Bescheid ließ die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigen am … Februar 2021 Klage (M 1 K 21.1017) erheben, über die noch nicht entschieden ist. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigen vom … Januar 2022 hat die Antragstellerin Eilrechtsschutz gesucht und beantragt,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 28. Januar 2021 anzuordnen.
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Nach Auskunft des Architekten der Beigeladenen sei geplant, die Kommunwand zwischen den Anwesen R.gasse 1 und 2 zu unterfangen und Setzmarken anzubringen. Eine Unterfangung der Kommunmauer zum Gebäude H.graben 3 habe die Antragstellerin im Hinblick auf das schwebende verwaltungsgerichtliche Verfahren abgelehnt. Zudem habe der Architekt angekündigt, dass die Gartenmauer, soweit sie auf dem Vorhabengrundstück liege, entfernt würde. Die Arbeiten seien für Anfang Februar 2022 geplant. Es sei ausweislich des vom Architekten übersandten Plans allerdings auch beabsichtigt, die Rückwand des kleinen Anbaus zu entfernen. Zudem bestehe ein Dach aus Holzverschalung mit Blechabdeckung, welche über die abzureißende Gartenmauer gehe. Es sei daher zu befürchten, dass durch den Beginn dieser Bauarbeiten zur Umsetzung der Baugenehmigung bereits vollendete Tatsachen geschaffen würden. Das Aussetzungsinteresse überwiege das Vollzugsinteresse, weil die Baugenehmigung rechtswidrig sei. Auf die Klagebegründung werde verwiesen. In dieser wird ausgeführt, dass das Bauvorhaben sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der überbaubaren Grundstücksfläche und Bauweise nicht in die Eigenart der Umgebung einfüge. Schon das LfD habe festgestellt, dass sich das Bauvorhaben nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Aufgrund seiner Tiefe, der überbauten Grundstücksfläche, seiner Höhe und der Geschossigkeit im Graben- und Gartenbereich falle es aus dem Rahmen der prägenden Umgebungsbebauung. Dadurch komme es zu einer unzumutbaren Belastung der Antragstellerin, das Gebot der Rücksichtnahme sei verletzt. Aufgrund der Lebensäußerungen der neuen Nachbarn und der Einblickmöglichkeiten komme es zu einer Verschlechterung der Situation zulasten der Antragstellerin. Das Bauvorhaben habe Vorbildwirkung, weitere entsprechende Bauvorhaben zulasten der Antragstellerin seien die Folge. Zudem verstoße das Vorhaben auch hinsichtlich der direkt an der Terrasse liegenden Tiefgaragenabluft und der Nutzung der Tiefgarage gegen das Rücksichtnahmegebot. Die Tiefgarageneinfahrt sei alternativ über die R.Gasse möglich und weniger belastend. Die Grenzwerte für die gewerbliche Nutzung seien überdies zu hoch angesetzt, weil die Antragsgegnerin unzutreffender Weise von einem Mischgebiet ausgegangen sei. Dabei liege gemäß Flächennutzungsplan ein Gebiet zur Erhaltung und Entwicklung der Wohnnutzung vor. Eine Absenkung des Grundwasserspiegels durch die Tiefgarage drohe und damit ein Trockenfallen des Brunnens im Garten der Antragstellerin. Schließlich sei die Antragstellerin auch in ihren nachbarschützenden Rechten des Denkmalschutzes verletzt, das Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht gegen eine erhebliche Beeinträchtigung der Denkmalwürdigkeit des Eigentums gewähre. Genau dies habe das LfD festgestellt und befürchte eine Gefährdung des gesamten Ensemblebereichs. Schließlich sei die Baugenehmigung auch rechtswidrig, weil sie wegen des Dachsimses, Dachüberstands und der Regenrinne der Antragstellerin - etwaige Ansprüche wegen Überbaus seinen längst verjährt - in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht verwirklicht werden könne. Zudem verstoße das Vorhaben gegen die Sanierungssatzung „Altstadtsanierung“, die das Ziel „Schutz und Erhaltung der Baudenkmäler und der im Ensemblebereich liegenden Gebäude“ und „keine Anhebung der Baudichten im zentralen Bereich“ verfolge und damit ersichtlich auch dem Schutz privater Individualinteressen der Grundstücks- und Gebäudeeigentümer im Satzungsbereich diene. Selbst bei offenen Erfolgsaussichten sei dem Antrag stattzugeben, da nur so effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden könne.
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Die Beigeladenen beantragen,
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den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.
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Die Hauptsacheklage sei, wenn sie sich nicht schon wegen § 9a WEG als unzulässig erweise, jedenfalls unbegründet. Die Baugenehmigung sei rechtmäßig. Sie verstoße nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Das Bauvorhaben sei angesichts der umfangreichen Bebauung auf den Grundstücken der WEG, die sich weit entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze und in den rückwärtigen Bereich erstrecke und im Übrigen eine höhere Grundflächenzahl aufweise als das Bauvorhaben, keinesfalls unzumutbar. Das gelte auch für die Tiefgarage, für deren sieben Stellplätze nicht mit einem relevant erhöhten Verkehrsaufkommen zu rechnen sei. Etwaige kurze Wartezeiten am Autoaufzug seien hinzunehmen. Auf dem Grundstück der WEG befänden sich vier Stellplätze, welche ebenfalls über FlNr. 150 Gem. … angefahren würden. Eine erhebliche Beeinträchtigung des als Bestandteil des Ensembles denkmalgeschützten Hauses der Antragstellerin sei nicht zu erwarten. Das Bauvorhaben füge sich in die Baulücke unauffällig und rücksichtsvoll ein und gleiche den Höhenunterschied der sich östlich und westlich befindenden Gebäude aus.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Das Vollzugsinteresse überwiege, weil die Klage in der Hauptsache erfolglos bleiben werde. Dabei könne dahinstehen, ob überhaupt eine Klagebefugnis vorliege, oder ob die Klägerin und Antragstellerin hier Rechte geltend mache, die gemäß § 9a Abs. 2 WEG eine einheitliche Rechtsverfolgung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erfordere. Jedenfalls sei die Klage unbegründet. Das Vorhabengrundstück befinde sich im unbeplanten Innenbereich, die Eigenart der näheren Umgebung sei als Mischgebiet einzustufen. Die Festsetzung des Flächennutzungsplans seien in diesem Zusammenhang irrelevant. Daher seien die festgesetzten Immissionsrichtwerte zutreffend. Angesichts der geringen Wandhöhendifferenz von 1,73 m könne von einer erdrückenden Wirkung nicht die Rede sein, zumal die Bebauung auf den Grundstücken der WEG, der die Antragstellerin angehöre, sehr dicht sei. Nach der Rechtsprechung sei eine Verschattung dann nicht rücksichtslos, wenn die gesetzlichen Abstandsflächen eingehalten sind. Dies sei vorliegend zu bejahen, es liege eine geschlossene Bauweise vor. Im Übrigen liege weder für die Dachflächenfenster noch für die Solaranlage der Antragsteller die im Ensemblebereich erforderliche Genehmigung vor. Der Begriff der Rücksichtslosigkeit dürfe nicht so weit überstrapaziert werden, dass spezielles Recht, das nicht zum Prüfungsumfang gehöre, über diesen Weg in das Genehmigungsverfahren hineingezogen werde. Als Eigentümerin eines Gebäudes, das kein Einzeldenkmal sei, sondern Teil des Ensembles, können sie sich lediglich darauf berufen, dass von ihr in der Vergangenheit getätigte Unterhaltungsinvestitionen entwertet würden. Die Antragstellerin habe schon nicht vorgetragen, dass sie bei der Sanierung ihres Hauses in den 1980er Jahren besondere Investitionen für den Denkmalschutz getätigt habe. Diese wären nach über 30 Jahren durch Zeitablauf (regelmäßiges Renovierungsintervall) ohnehin entwertet. Beim Einbau der Dachflächenfenster und der Solaranlage habe es sich im Gegenteil um einen genehmigungspflichtigen Eingriff in das Ensemble gehandelt, der geeignet sei, ein Denkmal zu beeinträchtigen. Schließlich werde eine Baugenehmigung gemäß Art. 68 Abs. 5 BayBO unbeschadet der Rechte Dritter erteilt, sodass es nicht darauf ankomme, ob die Baugenehmigung aus zivilrechtlichen Gründen nicht zu verwirklichen sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, auch im Hauptsacheverfahren (M 1 K 21.1017) sowie die jeweils beigezogenen Behördenakten.
II.
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Der zulässige Antrag, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage vom 24. Februar 2021 gemäß §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anzuordnen, hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist die Antragstellerin antragsbefugt, § 42 Abs. 2 VwGO analog, weil sie eine Verletzung ihrer subjektiven Nachbarrechte geltend machen kann. Als Wohnungseigentümerin (§ 1 Abs. 2 WEG) kann die Antragstellerin allerdings baurechtliche Nachbarrechte aus eigenem Recht nur geltend machen, wenn und soweit eine konkrete Beeinträchtigung ihres Sondereigentums im Raum steht - Rechte, die im gemeinschaftlichen Grundstück wurzeln, können demgegenüber nur von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und nicht von den einzelnen Wohnungseigentümern geltend gemacht werden (BayVGH, B.v.1.3.2018 - 1 CS 17.2539 - juris Rn. 3). Die Antragsbefugnis setzt daher voraus, dass die Antragstellerin die konkrete Betroffenheit des in ihrem Sondereigentum stehenden Wohneigentums darlegt. Hierzu hat der Prozessbevollmächtigte ausgeführt, dass der Antragstellerin die Nutzung der FlNr. ..1 Gem. … mit dem darauf befindlichen Wohnhaus als Sondereigentum alleinig zugewiesen ist und entsprechende Nachweise vorgelegt. Diesbezüglich kann die Antragstellerin zweifelsohne geltend machen, dass sie durch das streitgegenständliche Vorhaben konkret in ihren Nachbarrechten verletzt ist, beispielsweise hinsichtlich einer möglichen Verletzung des Rücksichtnahmegebots aufgrund erdrückender Wirkung des sich in den Gartenbereich erstreckenden Vorhabens zulasten des in ihrem Sondereigentum stehende Wohnhauses, dass sich ebenfalls im Gartenbereich befindet.
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2. Der Antrag bleibt jedoch ohne Erfolg, weil er unbegründet ist.
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Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, aber nicht das alleinige Indiz für und gegen den Erfolg des gestellten Antrags. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige, Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
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Die Interessenabwägung fällt zugunsten der Vollziehbarkeit der Baugenehmigung aus. Die gebotene summarische Prüfung ergibt, dass die Anfechtungsklage vom 24. Februar 2021 (M 1 K 21.1017) keinen Erfolg haben wird. Die Baugenehmigung dürfte im Hinblick auf nachbarschützende und im Verfahren zu prüfende Vorschriften, soweit die Antragstellerin sie im Hinblick auf ihr Sondereigentum geltend machen kann, rechtmäßig sein und die Antragstellerin daher nicht in ihren Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer Baugenehmigung hat ein Nachbar nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr setzt ein Anspruch auf Aufhebung weiter voraus, dass der Nachbar durch die Baugenehmigung zugleich in seinen Rechten verletzt wird, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das ist dann der Fall, wenn die zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung führende Norm zumindest auch dem Schutze der Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 6.10.1989 - 4 C 14.87 - juris Rn. 9). Weiterhin ist zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung nur dann erfolgreich angreifen kann, wenn die Rechtswidrigkeit der Genehmigung sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die gemäß Art. 59 oder Art. 60 BayBO Gegenstand der Prüfung im Baugenehmigungsverfahren waren.
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Danach verletzt die streitgegenständliche Baugenehmigung die Antragstellerin nicht in ihren Rechten.
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2.1 Das Bauvorhaben fügt sich nach Art der Nutzung als „Wohn- und Geschäftshaus“ in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Es kann daher dahinstehen, ob bzw. inwieweit die Antragstellerin als Sondereigentümerin sich überhaupt auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen kann, oder ob es sich hierbei um ein Recht handelt, das im gemeinschaftlichen Eigentum für das gesamte Grundstück wurzelt und daher nach § 9a Abs. 2 WEG auch nur von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und nicht von einzelnen Wohnungseigentümern geltend gemacht werden kann (einschränkend: BayVGH, B.v. 27.7.2017 - 1 CS 17.98 - juris Rn. 3: erforderlich ist eine konkrete Beeinträchtigung des Sondereigentums, welche über das hinausgeht, was die WEG als solche für das Gemeinschaftseigentum geltend machen könnte).
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Die Eigenart der näheren Umgebung dürfte hier gemäß § 34 Abs. 2 i.V.m. § 6 BauNVO einem Mischgebiet entsprechen. Wie aus den unter www.googlemaps.de verfügbaren Luftbildern einschließlich der dort hinterlegten Eintragungen zur Nutzung einzelner Häuser ersichtlich, ist die nähere Umgebung durch ein Nebeneinander von Wohnen und das Wohnen nicht wesentlich störender Gewerbebetriebe geprägt. So befinden sich im nördlichen Teil der R.Gasse Wohnhäuser, aber auch ein Eiscafé, eine Anwaltskanzlei, in der L.Zeile unter anderem ein Antiquitätengeschäft, ein Café, eine Buchhandlung, eine Parfümerie, ein Mobilfunkladen, ein Hotel. Der Einordnung als faktisches Mischgebiet steht auch der Flächennutzungsplan nicht entgegen, der für den Bereich ein Gebiet zur Erhaltung und Entwicklung der Wohnnutzung (§ 4a BauNVO) festsetzt. Von den Baugebieten der BauNVO scheiden nämlich solche für die Anwendbarkeit des § 34 Abs. 2 von vornherein aus, die auf Grund ihrer Zweckbestimmung nicht geeignet sind, den für die Anwendbarkeit des § 34 Abs. 2 maßgeblichen Zulässigkeitsrahmen, der auf die vorhandenen Gegebenheiten abstellt, in hinreichender Bestimmtheit festzustellen. Danach scheidet die Anwendung des § 34 Abs. 2 i.V.m § 4a BauNVO aus, weil § 4a BauNVO die planerische Entscheidung der Gemeinde voraussetzt, das betreffende, bereits überwiegend bebaute Gebiet in bestimmter Weise zu erhalten und fortzuentwickeln (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Werkstand: 145. EL Februar 2022, Rn. 79a zu § 34).
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In diesen Rahmen fügt sich das Bauvorhaben nach Art der Nutzung ein. Es sollen fünf Wohnungen und eine Gewerbeeinheit entstehen. Zwar geht aus den Bauvorlagen nicht hervor, welche Art von Gewerbe in den Büroräumen (in der Eingabeplanung als „Gewerbe 1“ bezeichnet) betrieben werden soll, weil es an einer entsprechenden Betriebsbeschreibung fehlt. Allerdings kann aufgrund der räumlichen Gegebenheiten des Büros, bestehend aus einem Empfang und zwei Büroräumen, zuzüglich eines kleinen Archiv//Lagerraums, ausgeschlossen werden, dass es hier zu einer nicht (mehr) mischgebietsverträglichen, störenden Gewerbenutzung kommen kann.
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2.2 Die Antragstellerin kann sich nicht darauf berufen, dass sich das Vorhaben dem Maß nach, insbesondere im Hinblick die überbaubare Grundstücksfläche und die Bauweise, nicht in die Umgebung einfüge.
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Das Maß der baulichen Nutzung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB entfaltet für sich gesehen keine nachbarschützende Wirkung (BayVGH, B. v. 25.1.2013 - 15 ZB 13.68 - juris Rn. 4), weil das Einfügen hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung grundsätzlich nur der städtebaulichen Ordnung, nicht aber auch dem Schutz des Nachbarn dient. Das bedeutet, dass allein der Umstand, dass das Maß der Nutzung des Vorhabens nicht der Eigenart der näheren Umgebung entspricht, aus sich heraus keine Verletzung von nachbarlichen Rechten ergibt. Vielmehr gewährt § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB Nachbarschutz nur im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme, für die Verletzung von nachbarlichen Rechten der Antragstellerin ist somit allein entscheidend, ob das Vorhaben die mit dem Gebot des Einfügens geforderte Rücksichtnahme wahrt (BayVGH, B.v. 20.5.2020 - 9 ZB 18.2585 - juris Rn. 5).
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2.3 Das Vorhaben verstößt nicht gegen das drittschützende, bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme, das sich im vorliegenden Fall eines faktischen Mischgebiets aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO ableitet.
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Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2004 - 4 C 1.04 - juris, Rn. 22; U.v. 29.11.2012 - 4 C 8.11 - juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 4). Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position innehat (vgl. BVerwG, B.v. 6.12.1996 - 4 B 215.96 - juris Rn. 9). Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann etwa in Betracht kommen, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens das Wohngebäude des Nachbarn „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Ob dies der Fall ist, hängt wesentlich von der konkreten Situation im Einzelfall ab. Das Gebot der Rücksichtnahme gibt den Nachbarn aber nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris Rn. 17). Eine Veränderung der Verhältnisse durch ein Vorhaben, das den Rahmen der Umgebungsbebauung wahrt und städtebaulich vorgegeben ist, ist regelmäßig als zumutbar hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 6).
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Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das Vorhaben nicht rücksichtlos.
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2.3.1 Eine einmauernde bzw. verschattende oder erdrückende Wirkung kommt dem Bauvorhaben nicht zu.
32
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1.78 - juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zum 2,5-geschossigen Nachbarwohnhaus; U.v. 23.5.1986 - 4 C 34.85 - juris Rn. 15: drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind unter anderem die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2015 - 9 CS 14.2441 - juris Rn. 31; B.v. 23.4.2014 - 9 CS 14.222 - juris Rn. 12 m.w.N.). Für die Annahme der „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes ist somit grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes, was insbesondere gilt, wenn die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich liegen (vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2010 - 2 CS 10.454 - juris Rn. 5).
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Dies trifft hinsichtlich des streitgegenständlichen Bauvorhabens nicht zu. Zum einen stellt es bereits keinen übergroßen Baukörper dar, weder im Hinblick auf seine Höhe noch im Hinblick auf die Bebauungstiefe in den Gartenbereich hinein. An der östlichen Grundstücksgrenze beträgt die Firsthöhe 9,33 m, die Traufhöhe 6,73 m. Demgegenüber stellt sich das ebenfalls zweigeschossige Wohngebäude der Antragstellerin mit einer Traufhöhe von 5,00 m nicht als wesentlich kleiner dar. Was die Bebauungstiefe in den Gartenbereich hinein angeht, so ist zum einen darauf hinzuweisen, dass das Bauvorhaben mit der nördlichen Außenwand des westlich angrenzenden Gebäudes abschließt, während das Wohngebäude der Antragstellerin selbst ausweislich des Eingabeplans noch weiter in den Gartenbereich hineinragt. Hinzukommt, dass das Bauvorhaben im dicht besiedelten, städtischen Bereich verwirklicht werden soll, wo ein derartiges Maß der baulichen Nutzung üblich und als solches nicht rücksichtslos ist, da mit einer größtmöglichen Ausnutzung von Grund und Boden zu rechnen ist.
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2.3.2 Auch stellt sich die von der Antragstellerin vorgetragene Verschlechterung der Situation durch Einsichtsmöglichkeiten und Lebensäußerungen der Bewohner nicht als rücksichtslos dar. Dies scheidet schon deswegen aus, weil auch ihr Haus in den Garten gebaut ist und damit gleichfalls Einblicke in das Vorhabengrundstück ermöglicht und die Nachbarn ihrerseits ihre Lebensäußerungen wahrnehmen müssen. Dies ist gerade im dicht bebauten innerstädtischen Bereich normal und grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen. Eine Sondersituation ist weder vorgetragen noch erkennbar. Soweit sich die Antragspartei dennoch daran stört, bleibt es ihr unbenommen, durch schlichte Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe die Einsichtnahme auf ihr Grundstück zu verhindern.
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2.3.3 Gleiches gilt im Ergebnis für die Einwände, die die Antragstellerin hinsichtlich der Tiefgarage vorgebracht hat. So befindet sich der Lüftungsschacht in mindestens 5 m Abstand zum Grundstück der Antragstellerin (östliche Außenwand ihres Wohnhauses). Angesichts dieser Entfernung ist nicht erkennbar, weshalb der Lüftungsschacht rücksichtslos sein soll. Im Übrigen ist schon nicht vorgetragen, warum eine Überschreitung der Grenzwerte der TA-Lärm auf dem Grundstück des Antragstellers durch die Tiefgaragenentlüftung gegeben sein soll. Das Vorbringen einer reinen „Befürchtung“ ist dabei zu unsubstantiiert, um eine Verletzung von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 23.8.2011 - 2 CS 11...18 - juris Rn.11).
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Ebensowenig stellt sich die Tiefgarage im Hinblick auf ihre Nutzung als rücksichtslos dar. Gemäß § 12 BauNVO sind Stellplätze und Garagen in (faktischen) Mischgebieten i.S.v. § 4 BauNVO (nicht nur) für den durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf zulässig. Allerdings können sie sich als rücksichtslos darstellen, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Sie sind vor allem dann unzulässig, wenn ihre Nutzung zu unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Nachbarschaft führt (BVerwG, B.v. 20.3.2003 - 4 B 59/02 - juris Rn. 6). Dabei kommt der Zufahrt eine besondere Bedeutung zu, weil - jedenfalls bei Wohnbebauung - der Zu- und Abgangsverkehr die Nachbarschaft regelmäßig am stärksten belastet.
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Daraus folgt, dass die Nachbarn die von den Stellplätzen und Garagen einer rechtlich zulässigen Wohnbebauung ausgehenden Emissionen im Regelfall hinzunehmen haben. Gleichwohl können besondere örtliche Verhältnisse zu dem Ergebnis führen, dass die Errichtung von Stellplätzen oder Garagen auf dem Baugrundstück nicht oder nur mit Einschränkungen genehmigt werden kann. Dabei ist der in § 12 BauNVO enthaltenen Grundentscheidung Rechnung zu tragen. Vorliegend ist die Antragstellerin schon nicht direkt vom Zu- und Abfahrtsverkehr betroffen, liegt ihr Wohngebäude doch westlich von der Einfahrt, während die Zufahrt von Osten her erfolgt. Ein möglicherweise vereinzelt infolge der Nutzung des Autoaufzugs entstehender Warteverkehr, der die Zufahrt zum Stellplatz der Antragstellerin kurzfristig blockieren könnte, ist angesichts der Kurzfristigkeit und der geringen Stellplatzanzahl von sieben nicht als rücksichtslos einzustufen.
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2.3.4 Schließlich stellt sich das Bauvorhaben auch nicht deshalb als rücksichtslos dar, weil von der im Erdgeschoss genehmigten gewerblichen Büronutzung unzumutbarer Lärm zulasten der Antragstellerin ausgehen könnte. Zwar liegt weder eine Betriebsbeschreibung für diese Nutzung vor noch hat die Antragsgegnerin Betriebszeiten durch verbindliche Auflagen festgesetzt. Dabei finden sich die Büroflächen im südlichen Teil des Bauvorhabens im Erdgeschoss. Der Zugang erfolgt von Süden über die R. Gasse.
Es bestehen keine Fenster zum Gartenbereich der Antragstellerin. Es ist daher fernliegend, dass es infolge der Nutzung zu unzumutbarem Lärm zulasten des Sondereigentums der Antragstellerin kommen kann.
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3. Die Antragstellerin hat vorgetragen, das Bauvorhaben erweise sich aufgrund ihres denkmalschutzrechtlichen Abwehranspruchs als rechtswidrig. Durch das Bauvorhaben würde auch ihr Anwesen in seiner, auch wertbildenden, Eigenschaft als Bestandteil des denkmalgeschützten Ensembles gefährdet.
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Die streitgegenständliche Baugenehmigung, zu deren Prüfungsumfang wegen des Entfallens der denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 1 BayBO auch denkmalschutzrechtliche Vorschriften gehören, Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO, verletzt die Antragstellerin nicht in drittschützenden Vorschriften des Denkmalschutzes.
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Grundsätzlich stehen die denkmalschutzrechtlichen Vorschriften rein im öffentlichen Interesse an der Erhaltung von Baudenkmälern (BayVGH, B.v. 2.2.1976 - 286 I 75, BeckRS 1976, 105738). Mit dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. U.v. 21.4.2009 - 4 C 3.08 - BVerwGE 133, 347) wird aber davon ausgegangen, dass dem Denkmaleigentümer im Rahmen des sogenannten Umgebungsschutzes nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG ein Abwehrrecht gegen eine Baumaßnahme in der Nähe des Baudenkmals zukommen kann, wenn sich diese auf den Bestand oder das Erscheinungsbild des Baudenkmals auswirkt. Dies ergibt sich einerseits aus seinen gesetzlichen Pflichten, das Denkmal zu erhalten und zu pflegen (Art. 4 BayDSchG), die Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinn des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellen, und im Hinblick auf die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG andererseits, die verlangt, dass Vorkehrungen getroffen werden, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers vermeiden sowie die Privatnützigkeit des Eigentums soweit wie möglich erhalten (vgl. BayVGH, B.v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 4). Der Denkmaleigentümer ist jedoch in seinen Rechten nur dann verletzt, wenn das genehmigte Vorhaben die Denkmalwürdigkeit des benachbarten Anwesens erheblich beeinträchtigt (vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2020 - 2 ZB 18.1193 - juris Rn. 15).
Dabei ist nicht nur der Eigentümer eines Einzeldenkmals erhaltungspflichtig i.S.v. Art. 4 Abs. 1 BayDSchG. Diese Pflichten treffen auch denjenigen Eigentümer, dessen Eigentum kein Einzeldenkmal ist, sondern Teil eines Ensembles im Sinne von Art. 1 Abs. 1 BayDSchG ist (BayVGH, U.v. 3.1.2008 - 2 BV 07.760 - juris Rn. 18). Daher erscheint es nach oben Gesagtem folgerichtig, auch diesen Erhaltungspflichtigen grundsätzlich ein denkmalschutzrechtliches Abwehrrecht zuzugestehen. Fraglich ist indessen, was genau Gegenstand dieses Abwehrrechts ist, handelt es sich bei dem Eigentum des Dritten doch gerade nicht um ein Einzeldenkmal, gegenüber dessen erheblicher Beeinträchtigung der Eigentümer sich zu wehren befugt ist. Dabei gewährt Art. 6 Abs. 2 BayDSchG keinen Drittschutz, der über den grundgesetzlich garantierten Mindeststandard hinausgeht. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass das in der Verwaltungsgerichtsordnung verankerte Prinzip subjektiven Rechtsschutzes nach seinem Grundgedanken dazu dient, konkrete Rechtsverletzungen abzuwehren, nicht aber eine objektive Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen zu ermöglichen. Daher spricht einiges dafür, das Abwehrrecht eines Dritten, dessen Eigentum Teil eines Ensembles ist, ohne selbst ein Einzeldenkmal zu sein, daran anzuknüpfen, ob durch die Baumaßnahme die von ihm getätigten Erhaltungsmaßnahmen entwertet würden und nicht daran, ob durch die Baumaßnahme der Ensembleschutz an sich erheblich beeinträchtigt würde. Das Verwaltungsgericht Augsburg verweist in einer entsprechenden Entscheidung (VG Augsburg, B.v.14.8.2009 - Au 4 E 09.1023 - juris Rn. 29 ff.) darauf, dass dann für die Zukunft keine entsprechende Inhalts- und Schrankenbestimmung für das Eigentum des Dritten mehr vorliegen würden. Es erscheint auch hinterfragungswürdig, ob es sich bei der bloßen Eigenschaft eines Gebäudes, Teil eines Ensembles zu sein, tatsächlich um einen wirtschaftlich positiv wertbildenden Faktor handelt, können doch die damit einhergehenden Restriktionen auch wertmindernd zu Buche schlagen.
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Letztlich kann dies aber im vorliegenden Fall dahinstehen. Denn selbst wenn die Antragstellerin sich auf die erhebliche Beeinträchtigung des Ensembles berufen könnte, wäre eine solche vorliegend nicht zu erkennen. Denn es ist bei der Beurteilung der Auswirkungen des streitgegenständlichen Vorhabens auf das Ensemble der - jetzige - Zustand zugrunde zu legen, wie er nach Abriss der ursprünglich auf dem Vorhabengrundstück befindlichen Gebäude besteht. Hinsichtlich der Beeinträchtigung durch den Abriss des Anwesens, die, folgt man der Stellungnahme des LfD vom 1. Oktober 2018, aufgrund der Bedeutung des Anwesens für das Ensemble nicht unerheblich war, hat sich die Antragstellerin indes nicht durch Klage zur Wehr gesetzt. Den jetzigen Zustand der R.Gasse zugrundegelegt, ist nicht erkennbar, dass es durch das Bauvorhaben zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Ensembles kommen wird. Weder fällt dieses in seiner Gestaltung und Ausdehnung merklich aus dem Rahmen der Umgebungsbebauung, noch wird es in einer Art dominant in Erscheinung treten, die geeignet wäre, dem Ensemble die Wirkkraft zu nehmen. Bezugsrahmen bildet insofern der gesamte Ensemblebereich in seiner erhenlichen Ausdehnung entlang des H.- und M.-grabens, der in Nord-Südausdehnung ca. 480 m, in West-Ostausdehnung ca. 370 m misst.
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4. Auch verhilft der Klage der Hinweis auf die Beeinträchtigung einer Linde nicht zum Erfolg. Das Naturschutzrecht verleiht kein subjektives Recht. Schließlich ist noch zum Vorbringen der Antragstellerin, die angegriffene Baugenehmigung sei auch deshalb rechtswidrig, weil bei ihrer Umsetzung der Dachsims, die Regenrinne und Gesims am Haus der Antragstellerin im Weg wären, auszuführen, dass die Baugenehmigung gemäß Art. 68 Abs. 5 BayBO unbeschadet der Rechte Dritter ergeht. Sollte sich der Beseitigungsanspruch der Beigeladenen privatrechtlich nicht durchsetzen lassen, wäre hiermit keine Verletzung der Antragstellerin in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verbunden. Der Sanierungssatzung kommt offensichtlich keine drittschützende Wirkung zu. Darüber hinaus sind diese Vorschriften nicht Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens. Dies gilt ebenso für etwaige wasserrechtliche Auswirkungen des Tiefgaragenbaus.
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5. Mangels Erfolgsaussichten in der Hauptsache war der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen. Die Kostenentscheidung folgt § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO; es entsprach der Billigkeit, der Antragstellerin auch die Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil sich diese mit ihrer Antragstellung ihrerseits einem Kostenrisiko ausgesetzt hatten.
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6. Die Streitwertfestsetzung erfolgte nach §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 9.7.1, 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.