Titel:
Eine in der Ukraine absolvierte Ausbildung zur „medycna sestra“ (Krankenschwester) ist nicht gleichwertig mit der deutschen Ausbildung zum Referenzberuf der „Gesundheits- und Krankenpflegerin/Pflegefachfrau“. Deshalb besteht kein Anspruch zum Führen der deutschen Berufsbezeichnung.
Normenketten:
PflBG § 1 Abs. 1, § 40 ff., § 66a
KrPflG § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3
Schlagwort:
Eine in der Ukraine absolvierte Ausbildung zur „medycna sestra“ (Krankenschwester) ist nicht gleichwertig mit der deutschen Ausbildung zum Referenzberuf der „Gesundheits- und Krankenpflegerin/Pflegefachfrau“. Deshalb besteht kein Anspruch zum Führen der deutschen Berufsbezeichnung.
Fundstelle:
BeckRS 2022, 41982
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt die Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin/Pflegefachfrau“.
2
Mit am 13.1.2020 bei der Regierung von Niederbayern eingegangenem Schreiben vom 12.1.2020 beantragte die Klägerin die Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin/Pflegefachfrau“ unter Anerkennung ihres in der Ukraine erworbenen Abschlusses als „medycna sestra“ (Krankenschwester). Ausweislich des beigefügten Lebenslaufs besuchte sie von 1995 bis 2004 die Gesamtschule in K. (Ukraine). Danach absolvierte sie dort von 2004 bis 2007 eine Ausbildung zur staatlich examinierten Krankenschwester. Am 3.7.2007 wurde der Klägerin vom Medizinischen Kolleg I. Franka (K...) das Diplom eines „Unterspezialisten“ erteilt und ihr wurde die Qualifikation „medycna sestra“ (Krankenschwester) zuerkannt. Ausweislich eines von der Klägerin vorgelegten Arbeitsbuchs war sie ab 16.7.2007 im Zentralkrankenhaus des Kreises K. als Krankenschwester am allergologischen Sprechzimmer der Kreispoliklinik beschäftigt. Am 1.10.2014 wurde sie zur Stelle der Krankenschwester am allergologischen Sprechzimmer der Abteilung für prophylaktische Untersuchungen der Kreispoliklinik K. versetzt, wo sie bis zum 30.4.2015 tätig war.
3
Ausweislich eines Schreibens des Bezirksklinikums M. vom 23.9.2019 hatte die Klägerin dort eine Anstellung in Aussicht, falls sie eine Anerkennung als Pflegefachkraft nachweisen könne.
4
Mit Bescheid vom 7.4.2020, der Klägerin zugestellt am 11.4.2020, stellte die Regierung von Niederbayern fest, dass die von der Klägerin im Ausland abgeschlossene Ausbildung als „medycna sestra“ wesentliche Unterschiede (sowohl im theoretischen als auch im klinisch-praktischen Teil) gegenüber der deutschen Ausbildung aufweise und daher nicht gleichwertig sei. Ihrem Antrag auf Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin/Pflegefachfrau“ könne daher derzeit nicht entsprochen werden. Sie habe die Möglichkeit, zum Ausgleich der festgestellten Defizite eine Anpassungsmaßnahme zu absolvieren. Dabei habe sie das Recht, zwischen einem Anpassungslehrgang im Umfang von 12 Monaten oder einer Kenntnisprüfung zu wählen (Nr. 1.). Die Klägerin habe die Kosten des Verfahrens zu tragen (Nr. 2.). Für den Bescheid wurden eine Gebühr in Höhe von 250,- EUR sowie Auslagen in Höhe von 3,45 EUR erhoben (Nr. 3.).
5
Die Voraussetzungen für das Führen der Berufsbezeichnung „Pflegefachmann/Pflegefachfrau“ seien grundsätzlich im Pflegeberufegesetz (PflBG) geregelt. Unter bestimmten Voraussetzungen könne auch eine außerhalb Deutschlands und außerhalb eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erworbene abgeschlossene Ausbildung die Anforderungen des § 2 Nr. 1 PflBG erfüllen, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben sei (§§ 40 ff. PflBG). Nach § 66a Abs. 1 PflBG könne die Anerkennungsbehörde die Entscheidung über den Antrag bis zum 31.12.2024 noch nach den Vorgaben der Vorschriften des Krankenpflegegesetzes (KrPflG) in der am 31.12.2019 geltenden Fassung treffen. Die Entscheidung beziehe sich demgemäß auf die Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpfleger/in“. Von dieser Möglichkeit habe die Regierung Gebrauch gemacht.
6
Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 KrPflG könne eine Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ auch für eine abgeschlossene Ausbildung, die in einem anderen Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums erworbene worden sei, erteilt werden, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben sei. Dies sei nach § 2 Abs. 3 Satz 2 KrPflG der Fall, wenn die Ausbildung der antragstellenden Person keine wesentlichen Unterschiede gegenüber der im KrPflG und in der Ausbildung- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege in der am 31.12.2019 geltenden Fassung (KrPflAPrV) geregelten Ausbildung aufweise. Die Ausbildung zum/zur „Gesundheits- und Krankenpfleger/in“ dauere in der Bundesrepublik Deutschland drei Jahre. Sie baue auf einer mindestens zehnjährigen allgemeinen Schulbildung auf und beinhalte 2.100 Stunden theoretischen und praktischen Unterricht sowie 2.500 Stunden praktische Ausbildung. Die seitens der Klägerin erworbene Ausbildung baue dagegen auf einer neunjährigen allgemeinen Schulausbildung auf und habe einschließlich etlicher allgemeinbildender Fächer drei Jahre gedauert. Die Überprüfung der Ausbildungsunterlagen der Klägerin habe ergeben, dass ihre in der Ukraine erworbene Ausbildung die nach dem Krankenpflegegesetz vorgeschriebene Ausbildungsdauer weit unterschreite und wesentliche Unterschiede dazu aufweise. Nach der vorliegenden Stundenübersicht beinhalte die Fachausbildung der Klägerin - nach Abzug der allgemeinbildenden Fächer - 2.781 Stunden theoretischen Unterricht sowie 702 Stunden Praktikum, also insgesamt 3.483 Stunden. Rechnerisch seien dies 1.100 Stunden weniger als bei der deutschen Ausbildung. Auch würden sich erhebliche inhaltliche Unterschiede ergeben. Der klinisch-praktische Teil bleibe weit hinter dem Umfang der hiesigen Ausbildung zurück (Deutschland: 2.500 Stunden, Klägerin: 702 Stunden). Außerdem sei der Inhalt der absolvierten Praktika unbekannt. Auch gebe es wesentliche Unterschiede bei der Ausbildung in verschiedenen Themenbereichen und/oder Ausbildungsbestandteilen. Dies betreffe vor allem Kenntnisse im Grundwissen, im Bereich der Sozialwissenschaften sowie im Bereich der klinisch-praktischen Ausbildung in der Krankenpflege auf den Gebieten Gesundheits- und Krankenpflege von Menschen aller Altersgruppen in der stationären sowie ambulanten Versorgung. Diese Kenntnislücken könnten zu einer erheblichen Gefährdung für die Patientin führen. Zwar habe die Klägerin berufliche Tätigkeiten mit ihrem Arbeitsbuch nachgewiesen. Die dabei ausgeübten Tätigkeiten seien jedoch nicht bekannt. Die Klägerin habe in einem Sprechzimmer in einer Poliklinik gearbeitet, weshalb davon auszugehen sei, dass die ausgeübten Tätigkeiten überwiegend nicht der allgemeinen Krankenpflege, sondern eher dem ambulanten Bereich zuzuordnen seien. Außerdem würden die Beschäftigungen bereits fünf Jahre zurückliegen. Die beruflichen Tätigkeiten könnten deshalb nicht zum Ausgleich der festgestellten Defizite herangezogen werden.
7
Nach alledem sei die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes nicht gegeben. Die Klägerin habe jedoch gemäß § 2 Abs. 3 Satz 5 KrPflG die Möglichkeit einen gleichwertigen Kenntnisstand nachweisen. Dies sei möglich durch eine Kenntnisprüfung, die sich auf den Inhalt der staatlichen Abschlussprüfung erstrecke, oder durch einen Anpassungslehrgang, der mit einer Prüfung über den Inhalt des Anpassungslehrgangs abschließe (§ 2 Abs. 3 Sätze 5 bis 7 KrPflG).
8
Am 8.5.2020 ließ die Klägerin Verpflichtungsklage erheben. Die ukrainische Ausbildung sei anders aufgebaut, was sich aus dem Studienplan ergebe. Dabei sei festzustellen, dass die ukrainische Ausbildung theoretischer sei als die deutsche. Dabei sei das Grundwissen mit 378 Theoriestunden Grundlage der Ausbildung gewesen. Der Bereich Sozialwissenschaften, wie Sozial- und Gesundheitsgesetzgebung sowie Berufs-, Staatsbürger- und Gesetzeskunde sei im Teil „Grundlagen der Rechtswissenschaften“ behandelt worden. Hier habe verständlicherweise die ukrainische Gesetzgebung im Mittelpunkt gestanden. Auch wenn die praktische Ausbildung in der Ukraine weniger Stunden beinhaltet habe, so habe sie dennoch die vom Beklagten genannten Themen abgedeckt. Die im Ausbildungsplan genannten Inhalte seien in der Praxis für alle Altersgruppen erprobt worden, und zwar stationär im kurativen, rehabilitativen und palliativen Bereich. Das gleiche gelte für die ambulante Versorgung.
9
Insgesamt sei die Ausbildung der Klägerin einer deutschen Ausbildung gleichwertig. Die theoretische Ausbildung der Klägerin habe 4.300 Stunden gedauert, darunter seien 3.600 Stunden im medizinischen Bereich gewesen. Die deutsche Ausbildungsordnung erfordere lediglich 2.100 Stunden. Ferner enthalte der Studienplan der ukrainischen Ausbildung sämtliche Bereiche der deutschen Ausbildung, auch wenn dort teilweise Überbegriffe genannt seien und nicht jeder einzelne Teilbereich aufgeführt sei. In praktischer Hinsicht seien tatsächlich nur 700 anstatt der geforderten 2.500 Stunden im Rahmen der Ausbildung erbracht worden. Dies bedeute jedoch nicht, dass nicht alle relevanten Bereiche abgedeckt worden seien.
10
Selbst wenn man davon ausgehen wolle, dass die seitens des Beklagten aufgelisteten Themenbereiche nicht Bestandteil der ukrainischen Ausbildung gewesen seien, könne die Klägerin die Unterschiede durch Kenntnisse und Fähigkeiten ausgleichen, die sie im Rahmen ihrer Berufspraxis erworben habe. Sie sei von Juli 2007 bis April 2015 am allergologischen Sprechzimmer einer Kreispoliklinik beschäftigt gewesen. Die Bezeichnung „Sprechzimmer“ rühre aus der Übersetzung aus dem Ukrainischen. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Tätigkeit der Klägerin der einer deutschen Sprechstundenhilfe mit überwiegend administrativen Aufgaben entsprochen habe. In ukrainischen Krankenhäusern würden die Krankenschwestern direkt Hand in Hand mit den jeweiligen Ärzten arbeiten. Sie würden nicht nur unterstützend bei Untersuchungen durch Ärzte tätig, sondern übernähmen selbstständig Aufgaben, etwa Messungen von Temperatur, Blutdruck, Atemfrequenz, Sauerstoff oder Zucker. Sie würden EKG- und Kardiogeräte bedienen, Abstriche machen und Medikamente sortieren, vorbereiten und verteilen. Auch bestehe häufig Kontakt zu den Patienten, da der Arzt nicht immer anwesend sei. Deshalb beziehe sich die Tätigkeit im allergologischen Sprechzimmer insgesamt auch auf die allgemeine Krankenpflege.
11
Durch ihre achtjährige Berufspraxis habe die Klägerin alle Unterschiede zwischen den Ausbildungsplänen ausgleichen können.
12
Derzeit übernehme sie auf einer COVID19-Station in S. die Aufgaben einer Krankenschwester. Die Berufsbezeichnung dürfe sie jedoch nicht führen. Deshalb erhalte sie auch nicht die entsprechende Bezahlung. Auch im Rahmen dieser Tätigkeit habe die Klägerin über viele Stunden Berufserfahrung im praktischen, insbesondere stationären Bereich gesammelt.
13
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheids der Regierung von Niederbayern vom 7.4.2020 die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin/Pflegefachfrau“ zu erteilen.
14
Der Beklagte beantragt,
15
Die Klägerin habe weder einen Anspruch auf Anerkennung ihrer ukrainischen Ausbildung noch einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zum Führen der beantragten Berufsbezeichnung. Richtig sei, dass die theoretische Ausbildung der Klägerin mehr Stunden umfasst habe als die deutsche Ausbildung fordere. Es könne jedoch nicht von 3.600 Stunden ausgegangen werden, wie dies die Klägerin vortragen lasse. Neben den medizinischen Fächern seien in dieser Stundenzahl auch allgemeinbildende Fächer enthalten, die nicht berücksichtigungsfähig seien. Die Behauptung, dass die im Bescheid als fehlend aufgelisteten Bereiche Bestandteil anderer Fächer seien, sei nicht belegt. Aus den vorgelegten Unterlagen sei dies nicht erkennbar.
16
Im praktischen Teil habe die Klägerin lediglich 702 Stunden nachweisen können. Dies entspreche lediglich etwa 28% der deutschen Mindestausbildungsdauer (2.500 Stunden). Dementsprechend könne die Klägerin nicht alle in Deutschland vorgesehenen Bereiche tatsächlich absolviert haben. Keinesfalls könnten während der kurzen Ausbildungsdauer die praktischen Kenntnisse und Fertigkeiten in der Grund- und Behandlungspflege erworben worden sein. Das deutsche Recht erlaube auch im praktischen Bereich in der Krankenpflegeausbildung nur Fehlzeiten bis zu 10% der Ausbildungsstunden (§ 7 KrPflG). Nur so könne gewährleistet werden, dass die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten für die verantwortliche Ausübung der Krankenpflege in ausreichendem Maße erworben werden können. Deshalb sei auch im praktischen Bereich eine Gleichwertigkeit nicht zu bejahen.
17
Schließlich habe die Klägerin auch keinen Nachweis darüber führen können, dass die festgestellten wesentlichen Unterschiede durch Kenntnisse und Fähigkeiten, die im Rahmen der Berufspraxis erworben worden seien, ausgeglichen worden seien. Es werde nicht bestritten, dass die in der Klageschrift aufgeführten Tätigkeiten, welche von der Klägerin ausgeübt worden seien, auch Aufgaben einer Gesundheits- und Krankenpflegerin seien. Allerdings handle es sich dabei nicht um Tätigkeiten, die diesem Personenkreis vorbehalten seien. Die genannten Aufgaben könnten in Deutschland auch von Pflegehelfern bzw. Arzthelferinnen in Arztpraxen ausgeübt werden, wie zum Beispiel Temperatur- und Blutdruckmessung oder Bedienen von EKG- und Kardiologie-Geräten. Soweit die Klägerin vortragen lasse, dass sie auch verschiedene Untersuchungen selbstständig durchgeführt habe, habe sie diesbezüglich keine Nachweise vorlegen können. Soweit die Klägerin vortrage, dass sie derzeit in S. tatsächlich als Krankenschwester eingesetzt werde und dort eigenverantwortlich tätig sei, werde dies bezweifelt. Ein derartiger Einsatz sei erst nach Gleichwertigkeitsanerkennung und Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung gestattet. In der Regel würden Kräfte mit einer im Ausland erworbenen Krankenpflegeausbildung bis zur Anerkennung und Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung als Hilfskräfte eingesetzt, die unter Aufsicht tätig seien.
18
Schließlich sei es übliche Praxis der Anerkennungsbehörden, eine bereits mehr als 5 Jahre zurückliegende einschlägige Beschäftigung nicht mehr zum Ausgleich von wesentlichen Unterschieden heranzuziehen. Durch die ständige Weiterentwicklung von Medizin und Pflege im fachlichen und technischen Bereich könne eine lange zurückliegende Beschäftigung kaum noch zum Ausgleich von Unterschieden dienen.
19
Insgesamt lasse sich feststellen, dass die ukrainische Krankenpflegeausbildung regelmäßig nicht gleichwertig mit der deutschen Ausbildung sei. Im Regelfall seien daher Ausgleichsmaßnahmen erforderlich und eine Anerkennung sei erst möglich, wenn diese erfolgreich abgeschlossen seien. Auch die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen bei der Kultusministerkonferenz sehe bei der ukrainischen Krankenpflegeausbildung keine Gleichwertigkeit mit der deutschen Ausbildung. Insoweit werde auf ein Gutachten verwiesen, das vorgelegt wurde (Bl. 49 der Gerichtsakte).
20
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere auf das Sitzungsprotokoll vom 12.9.2022, sowie auf die Akten des Beklagten, die dem Gericht vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
21
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der den Antrag der Klägerin ablehnende Bescheid vom 7.4.2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat zum für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin/Pflegefachfrau“, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
22
1. Mit dem Inkrafttreten des Pflegeberufegesetzes am 1.1.2020 wurde die geschützte Berufsbezeichnung Gesundheits- und Krankenpfleger(in) durch die Berufsbezeichnung „Pflegefachfrau“ bzw. „Pflegefachmann“ abgelöst. Wer letztere Berufsbezeichnung führen will, bedarf nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PflBG der Erlaubnis. Diese ist - neben anderen Voraussetzungen - gemäß § 2 Nr. 1 PflBG zu erteilen, wenn die antragstellende Person die durch das Pflegeberufegesetz vorgeschriebene berufliche oder hochschulische Ausbildung absolviert und die staatliche Abschlussprüfung bestanden hat. Ein außerhalb Deutschlands erworbener Berufsabschluss kann die genannten Voraussetzungen erfüllen, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandards gegeben ist. Insoweit sind die Regelungen der §§ 40 ff. PflBG maßgeblich.
23
Allerdings kann die Entscheidung über einen Antrag auf Anerkennung einer außerhalb des Geltungsbereichs des Pflegeberufegesetzes und außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz erworbenen abgeschlossenen Berufsausbildung noch bis zum 31.12.2024 auf der Grundlage der Vorschriften des Krankenpflegegesetzes in der am 31.12.2019 geltenden Fassung getroffen werden (vgl. § 66a Abs. 1 PflBG). Bezüglich des nach § 66a Abs. 1 PflBG eröffneten Wahlrechts geht die streitentscheidende Kammer davon aus, dass dieses Wahlrecht nicht dem jeweiligen Antragsteller zusteht, sondern es der Anerkennungsbehörde unter dem Vorbehalt pflichtgemäßer Ermessensausübung zugewiesen ist (offen gelassen von VGH BW, B.v 17.6.2021 - 9 S 368/20 - juris Rn. 22; vgl. auch Schilling, NZS 2021,12). Aus Sicht des Gerichts ergibt sich dies schon aus dem Wortlaut der Vorschrift, wonach die Entscheidung über einen Antrag auf Anerkennung auf der Grundlage der am 31.12.2019 geltenden Vorschriften getroffen werden kann. Aus dem Wort „getroffen“ folgt, dass das Wahlrecht ausschließlich der Behörde zusteht; denn nur diese „trifft“ die Entscheidung über den Antrag auf Anerkennung. Dementsprechend muss das Wahlrecht der zuständigen Behörde zustehen und nicht dem Antragsteller. Aus dem Wort „können“ folgt wiederum, dass der zuständigen Behörde im Rahmen ihres Wahlrechts ein Ermessen eingeräumt ist, das gemäß Art. 40 BayVwVfG unter Einhaltung der gesetzlichen Ermessensgrenzen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben ist. Seitens des Gerichts kann nach § 114 Satz 1 VwGO nur überprüft werden, ob diese Vorgaben eingehalten sind.
24
Etwas Anderes gilt nach § 66a Abs. 2 PflBG nur bei Entscheidungen über einen Antrag auf Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweiz erworbenen oder anerkannten abgeschlossenen Berufsausbildung, wenn ein Anspruch auf Anerkennung nach § 41 Abs. 1 PflBG besteht. Nachdem die Ukraine weder zur Europäischen Union gehört noch Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, kommt eine Anerkennung nach § 41 Abs. 1 PflBG von vorneherein nicht in Betracht.
25
Vorliegend hat der Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid ausgeführt, dass die Anerkennung noch nach der bis zum 31.12.2019 geltenden Rechtslage erfolge, weil in Bayern noch keine Anpassungsmaßnahmen zur Verfügung stünden, die auf die generalistische Ausbildung nach dem Pflegeberufegesetz ausgerichtet sei und weil eine belastbare vergleichende Beurteilung der ausländischen Abschlüsse erst möglich sei, wenn eine ausreichende Erfahrung bezüglich der neuen Generalistenpflegeausbildung zur Verfügung stehe. Außerdem führe ein Nebeneinander verschiedener Prüfverfahren nach dem Krankenpflegegesetz und nach dem Pflegeberufegesetz sowohl für die Anerkennungsbehörden als auch für die Pflegeschulen und anderen Träger von Nachqualifizierungsmaßnahmen zu unverhältnismäßigen Belastungen und verlängere die Dauer des Anerkennungsverfahrens. Diese im Rahmen der Ermessensausübung angestellten Erwägungen sind nachvollziehbar und sie sind im Hinblick auf die dem Gericht nach § 114 Satz 1 VwGO nur zustehende eingeschränkte Überprüfungskompetenz nicht zu beanstanden.
26
2. Nach alledem regelt sich die Erteilung der beantragten Erlaubnis vorliegend nach § 2 KrPflG. Wie auch § 2 Nr. 1 PflBG fordert § 2 Abs. 1 Nr. 1 KrPflG - neben anderen Voraussetzungen - dass eine Antragstellerin die durch das Krankenpflegegesetz vorgeschriebene Ausbildungszeit abgeleistet und die staatliche Prüfung bestanden hat. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 KrPflG erfüllt eine außerhalb des Geltungsbereichs des Krankenpflegegesetzes und außerhalb eines anderen Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraums erworbene abgeschlossene Ausbildung diese Voraussetzungen, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben ist. Nach § 2 Abs. 3 Satz 2 KrPflG ist der Ausbildungsstand als gleichwertig anzusehen, wenn die Ausbildung keine wesentlichen Unterschiede gegenüber der im Krankenpflegegesetz und in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege geregelten Ausbildung aufweist.
27
Eine Prüfung der Gleichwertigkeit der im Ausland erworbenen Ausbildung nach § 2 Abs. 3 KrPflG findet jedoch nur statt, wenn sich die Ausbildung, die die Klägerin in ihrem Herkunftsstaat abgeschlossen hat, auf Tätigkeiten bezieht, die mit den Tätigkeiten als „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ vergleichbar sind („Referenzberuf“) (ausführlich dazu: VGH BW, U.v. 1.9.2021 - 9 S 4172/20 - juris Rn. 30 ff.; VGH BW, U.v. 17.6.2021 - 9 S 368/20 - juris Rn. 37 ff.; VG München, U.v.VG K 7.10.2021 - M 27 K 19.871 - juris Rn. 21 ff.; VG Karlsruhe, U.v. 20.7.2020 - 6 K 6925/18 - juris Rn. 42). Maßgeblich für die Bestimmung, ob eine im Ausland erworbene Berufsqualifikation einem inländischen Referenzberuf zugeordnet werden kann, ist grundsätzlich der Vergleich der Tätigkeiten, zu denen die im Ausland erworbene Berufsqualifikation berechtigt, mit den vom inländischen Referenzberuf umfassten Tätigkeiten (VGH BW, U.v. 1.9.2021 - 9 S 4172/20 - juris Rn 31). Diese Vergleichbarkeit zwischen der von der Klägerin erworbenen ukrainischen Berufsqualifikation als „medycna sestra“ (Krankenschwester) und dem Referenzberuf der Krankenpflegerin ist gegeben. Hiervon gehen die Kultusministerkonferenz - Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen/Gutachtenstelle für Gesundheitsberufe (https://anabin.kmk.org/no_cache/filter/berufsabschluesse-public.html medycna sestra Stand: 2022) und auch die Beteiligten übereinstimmend aus, weshalb es insoweit einer vertieften Erörterung nicht bedarf.
28
Die von der Klägerin absolvierte Ausbildung weist allerdings wesentliche Unterschiede zu der in Deutschland geforderten Ausbildung auf, da die Ausbildung der Klägerin hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit Fächer oder Bereiche der praktischen Ausbildung umfasst, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die nach dem Krankenpflegegesetz und nach der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege (KrPflAPrV) vorgeschrieben sind (§ 4 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrPflG). Der Ausbildungsstand der Klägerin kann daher nicht als gleichwertig im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 2 KrPflG angesehen werden. Im Einzelnen ist dazu Folgendes auszuführen:
29
a) Zugangsvoraussetzung für eine Ausbildung ist nach § 5 Nrn. 2 und 2a KrPflG ein Realschulabschluss oder eine andere gleichwertige, abgeschlossene Schulbildung oder der erfolgreiche Abschluss einer sonstigen 10-jährigen allgemeinen Schulausbildung. Ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen hat diese ihre Ausbildung zur „medycna sestra“ bereits nach der erfolgreichen Absolvierung einer neunjährigen Schulausbildung in der Gesamtschule in K. (1995 bis 2004) begonnen. Damit fehlt der Klägerin bereits die Absolvierung eines Schuljahrs zum Beginn der Ausbildung. Insoweit hat jedoch die Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, die Klägerin habe im Rahmen ihrer Berufsausbildung zur „medycna sestra“ auch Fächer belegt, die in Deutschland bereits in der Schule gelehrt würden. Von daher könne man es sich vorstellen, dass das fehlende Schuljahr gegebenenfalls durch den Zusatzunterricht im Rahmen der Ausbildung zur Krankenschwester kompensiert worden sei.
30
Ob dies im konkreten Fall zutrifft, brauchte das Gericht nicht näher zu prüfen da jedenfalls die von der Klägerin absolvierte theoretische und auch die praktische Ausbildung wesentliche Unterschiede zu der in Deutschland zu fordernden Ausbildung aufweist und deshalb nicht gleichwertig ist (vgl. dazu sogleich 2 b)).
31
b) In Deutschland fußt die Ausbildung zur „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 KrPflG auf einer dreijährigen Ausbildung. Diese beinhaltet nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege (KrPflAPrV) den in der Anlage 1 zur KrPflAPrV aufgeführten theoretischen und praktischen Unterricht von 2.100 Stunden sowie die dort aufgeführte praktische Ausbildung von 2.500 Stunden. Der Umfang der zu fordernden Ausbildung entspricht somit dem nach aktueller Rechtslage geforderten Umfang (vgl. § 1 Abs. 2 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Pflegeberufe - PflAPrV).
32
Die von der Klägerin absolvierte Ausbildung zur „medycna sestra“ entsprach zwar im Hinblick auf die Dauer von drei Jahren der in Deutschland geforderten Ausbildungszeit. Allerdings beinhaltete die Ausbildung bei Weitem nicht die geforderte Anzahl der Ausbildungsstunden im praktischen Teil der Ausbildung (vgl. dazu 2 b) aa)). Darüber hinaus hat die Regierung von Niederbayern im angegriffenen Bescheid zutreffend dargestellt, dass die Ausbildung der Klägerin sowohl im theoretischen als auch im praktischen Teil wesentliche Unterschiede zur deutschen Ausbildung aufweist (vgl. dazu 2 b) bb)).
33
aa) Nach dem von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Studienplan (vgl. Bl. 23 f. der Behördenakte) umfasste ihre praktische Ausbildung nur 702 Stunden. Dies ist nur etwa 1/3 der in Deutschland geforderten Stundenzahl im Bereich der Praxisausbildung. Alleine hieran wird deutlich, dass die ukrainische Ausbildung nicht mit der deutschen vergleichbar ist und wesentliche Unterschiede beider Ausbildungen bestehen. Alleine aufgrund der fehlenden Zahl von 1.398 Stunden im Bereich der praktischen Ausbildung wird deutlich, dass weder der unter B I. in der Anlage 1 zur KrPflAPrV genannte „Allgemeine Bereich“ der praktischen Ausbildung noch der unter B II. in der Anlage 1 zur KrPflAPrV genannte „Differenzierungsbereich“ mit der für eine deutsche Ausbildung typischen Intensität abgedeckt werden konnte, sodass in den dort aufgelisteten Bereichen - wie von der Regierung von Niederbayern im streitgegenständlichen Bescheid dargestellt - erhebliche Defizite bestehen. In diesem Zusammenhang hat die Beklagtenseite zurecht darauf hingewiesen, dass nach § 7 Satz 1 Nr. 2 KrPflG nach deutschem Recht lediglich krankheitsbedingte Fehlzeiten in Höhe von 10% der Stunden der praktischen Ausbildung akzeptiert werden können. Dies bedeutet, dass das nationale Recht im Regelfall (vgl. zu den Ausnahmen: § 7 Satz 2 KrPflG) 1.890 Stunden praktische Ausbildung für unbedingt erforderlich erachtet, um im praktischen Bereich die notwendige Berufsbefähigung zu erlangen.
34
Hinzu kommt, dass sich dem im vorgelegten Studienplan verwendeten Begriff „praktisches Studium“, der die gesamte praktische Ausbildung beschreibt, nicht entnehmen lässt, welche Bereiche diese Ausbildung im Einzelnen abdeckte. Von daher ist es nicht auszuschließen, dass essenzielle Bereiche der deutschen Ausbildung überhaupt nicht abgedeckt worden sind. Insoweit gilt der allgemeine Grundsatz, dass die Unerweislichkeit von Tatsachen, aus denen eine Partei ihr günstige Rechtsfolgen herleiten möchte, zu ihren Lasten geht. Danach trägt - vorbehaltlich abweichender Sonderregeln - derjenige, der ein Recht geltend macht, die Beweislast für die nach dem Tatbestand der einschlägigen Norm rechtsbegründenden Tatsachen, während derjenige, der den nachträglichen Untergang oder die Hemmung des Rechts einwendet, die Beweislast für die rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Tatsachen hat. In der Konsequenz liegt die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Anspruchsnorm somit beim Antragsteller (Schoch/Schneider/Schneider, 3. EL August 2022, VwVfG § 24 Rn. 124). Dementsprechend obliegt es der Klägerin, nachzuweisen, dass ihre Ausbildung die in der Anlage 1 zur KrPflAPrV aufgelisteten Bereiche abgedeckt hat. Die bloße diesbezügliche Behauptung genügt nicht (vgl. dazu auch § 4 Abs. 3 Satz 5 KrPflG).
35
bb) Nach dem von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Studienplan (vgl. Bl. 23 f. der Behördenakte) umfasste ihre Ausbildung eine theoretische Ausbildung von insgesamt 3.591 Stunden. Von den im Rahmen der theoretischen Ausbildung seitens der Klägerin absolvierten Stunden hat die Regierung von Niederbayern zurecht 810 Stunden in Abzug gebracht, da insoweit allgemeinbildende Fächer abgedeckt wurden, die keinen spezifischen Bezug zur Ausbildung als Krankenpflegerin haben (Geschichte der Ukraine, ukrainische Sprache, Kultururologie, Grundlagen der philosophischen Kenntnisse, Wirtschaftstheorie, Grundlagen der Rechtswissenschaft, Fremdsprache, Turnen, militärmedizinische Ausbildung, Planung der Familie). Bereinigt um diese Fächer umfasste die theoretische Ausbildung der Klägerin somit noch 2.781 Stunden. Zwar sind dies um 681 Stunden mehr als in Deutschland gefordert, allerdings hat die Regierung von Niederbayern im streitgegenständlichen Bescheid zutreffend dargestellt, dass gleichwohl wesentliche Kompetenzen, die Inhalt der deutschen Ausbildung sind, nicht hinreichend abgedeckt wurden (vgl. zu den Themenbereichen, die im Rahmen des theoretischen und praktischen Unterrichts abgedeckt sein müssen: A der Anlage 1 zur KrPflAPrV). Insoweit hat der Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid zutreffend ausgeführt, dass im Bereich des Grundwissens in erster Linie die Krankheitslehre, die Ernährungslehre, die Gerontologie, Pflegeprozesse, Pflegetheorien und Pflegewissenschaften, Prävention und Gesundheitsförderung sowie Qualitätsmanagement defizitär seien. Im Bereich der Sozialwissenschaften weise die Ausbildung Defizite im Bereich Sozial- und Gesundheitsgesetzgebung sowie in Berufs-, Staatsbürger- und Gesetzeskunde auf. In der mündlichen Verhandlung führte die Beklagtenseite zutreffend aus, dass aus den seitens der Klägerin vorgelegten Unterlagen nicht erkennbar sei, ob diese Defizite Gegenstand des Unterrichts anderer Fächer gewesen seien. Deshalb sei auch von Defiziten im Bereich der theoretischen Ausbildung auszugehen. Auch wenn die Klägerin - wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen - keine anderen als die vorgelegten Unterlagen zur Verfügung hat, ist diese Einschätzung des Beklagten nicht zu beanstanden; denn allein aus dem von der Klägerin vorgelegten Studienplan ergibt sich nicht, dass die dort aufgelisteten Fächer die von der Regierung als defizitär eingestuften Lerninhalte beinhalteten. Insoweit gilt der oben unter 2 b) aa) bereits dargestellte allgemeine Grundsatz, dass die Unerweislichkeit von Tatsachen, aus denen eine Partei ihr günstige Rechtsfolgen herleiten möchte, zu ihren Lasten geht.
36
c) Die dargestellten Unterschiede kann die Klägerin auch nicht gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 KrPflG durch Kenntnisse und Fähigkeiten ausgleichen, die sie im Rahmen ihrer Berufspraxis als Gesundheits- und Krankenpflegerin erworben hat. Ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Arbeitsbuchs arbeitete sie zwar ab dem 16.7.2007 bis zum 30.9.2014 als Krankenschwester am allergologischen Sprechzimmer der Kreispoliklinik K. und danach vom 1.10.2014 bis zum 30.4.2015 als Krankenschwester am allergologischen Sprechzimmer der Abteilung für prophylaktische Untersuchungen der Kreispoliklinik K. Dazu ließ die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vortragen, die von ihr dort erledigten Tätigkeiten hätten alle ambulanten Aufgaben erfasst, die dort angefallen seien. Dass sie seit Mai 2015 nicht mehr als Krankenschwester gearbeitet habe, könne ihr nicht zum Nachteil gereichen. Vor einem Berufseinstieg in der Bundesrepublik Deutschland habe sie erst einen Sprachkurs absolvieren müssen, was wohl bei den meisten Antragstellerinnen der Fall sei.
37
Der Ausgleich festgestellter wesentlicher Unterschiede bei den Ausbildungen durch entsprechende Berufserfahrung setzt voraus, dass die Anerkennungssuchende detailliert und unplausibel unter Vorlage entsprechender Nachweise darlegt, welche Tätigkeiten sie im Einzelnen bei welchem Arbeitgeber und über welchen Zeitraum verrichtet hat (Schilling, NZS 2021,12, 14). Erst in Kenntnis der im Einzelnen verrichteten Tätigkeiten kann dann die zuständige Anerkennungsbehörde beurteilen, ob die festgestellten Defizite der absolvierten Ausbildung ausgeglichen worden sind. Aus dem von der Klägerin vorgelegten Arbeitsbuch ist nicht ersichtlich, welche Tätigkeiten die Klägerin konkret im Rahmen ihrer Tätigkeiten bei der Kreispoliklinik K. ausgeübt hat, sodass der Ausgleich der Defizite durch entsprechende Berufserfahrung schon deshalb scheitert. Darüber hinaus hat Herr Dr. S. als Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung zutreffend und nachvollziehbar dargelegt, dass ein wesentlicher Aufgabenbereich einer Krankenschwester im stationären Bereich liege, der wohl auch nach Angaben der Klägerseite nicht hinreichend abgedeckt worden sei.
38
Auf die Frage, ob es eine zeitliche Grenze für die zurückliegende Berufserfahrung gibt und wie lange diese ist, kommt es demnach nicht mehr entscheidungserheblich an. Weil der medizinische Fortschritt schnell voranschreitet und bei längeren Tätigkeitspausen Wissensdefizite eintreten können, spricht jedoch einiges dafür, dass eine länger zurückliegende Berufserfahrung Ausbildungsdefizite nicht ausgleichen kann.
39
Die von der Klägerin angeführte Tätigkeit als Pflegehilfskraft in einer COVID 19-Station in S. kann schon deshalb nicht als Ausgleich anerkannt werden, weil die Klägerin als Pflegehilfskraft lediglich Hilfstätigkeiten ausüben darf und im Gegensatz zu einer Krankenpflegerin nicht eigenverantwortlich und selbständig tätig werden darf. Zwar übt auch eine Pflegehilfskraft Tätigkeiten aus, die in der Praxis von einer Krankenschwester wahrgenommen werden. Wesentliche - insbesondere eigenverantwortliche - Tätigkeiten, die das Berufsbild der Krankenschwester prägen und ausmachen, darf sie als Hilfskraft jedoch gerade nicht ausüben, weshalb Ausbildungsdefizite in diesen Bereichen gerade nicht ausgeglichen werden können.
40
Ergänzend wird zur Entscheidungsbegründung gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheid verwiesen.
41
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
42
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.