Inhalt

VG Regensburg, Urteil v. 07.11.2022 – RN 5 K 20.3230
Titel:

Aufbereitung- und Desinfektion des Trinkwassers, Filtration, Private Trinkwasserversorgung, Enterokokken, Grenzwertüberschreitung, Trinkwasserverordnung, Maßgeblicher Zeitpunkt, Entschließungsermessen, Auswahlermessen, Überholte Befunde, Verhältnismäßigkeit, Abkochgebot, Einheit der Kostenentscheidung, Kosten für teilweise rechtswidrigen Bescheid

Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 1 Var. 1
TrinkwV § 3 Nr. 2 Buchst. c,
TrinkwV § 5 Abs. 2,
TrinkwV § 9 Abs. 1 S. 3, Abs. 4 S. 1, Abs. 9 S. 1,
TrinkwV § 20 Abs. 1 Nr. 2 Anlage 1
KG 16 Abs. 5
Schlagworte:
Aufbereitung- und Desinfektion des Trinkwassers, Filtration, Private Trinkwasserversorgung, Enterokokken, Grenzwertüberschreitung, Trinkwasserverordnung, Maßgeblicher Zeitpunkt, Entschließungsermessen, Auswahlermessen, Überholte Befunde, Verhältnismäßigkeit, Abkochgebot, Einheit der Kostenentscheidung, Kosten für teilweise rechtswidrigen Bescheid
Fundstelle:
BeckRS 2022, 41981

Tenor

I. Der Bescheid des Landratsamtes Deggendorf vom 4.12.2020, Az. 30-5143 fr, wird in Ziffer 1, Satz 3 und Ziffer 12 aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Landratsamtes Deggendorf, in welchem Maßnahmen auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) und der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) für ihre Wasserversorgungsanlage in …, … … angeordnet wurden. Die Versorgung dieser Anlage mit Wasser erfolgt aus einer gemeinsamen Quelle, aus der mehrere Anwesen (… …, …, …, … in … …) versorgt werden.
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Mit Befund vom 4.11.2020 wurde am Anwesen der Klägerin eine Grenzwertüberschreitung beim mikrobiologischen Parameter Enterokokken nachgewiesen (1 KBE/100 ml; Grenzwert nach Anlage 1 Teil I lfd. Nr. 2 TrinkwV: 0 KBE/100 ml). Mit Schreiben vom 22.11.2020 teilte die Klägerin mit, dass zwischenzeitlich eine Desinfektion stattgefunden habe. In der Folge ergangene Trinkwasseruntersuchungsbefunde vom 12.11.2020, 16.12.2020, 25.2.2021 und 12.7.2021 wiesen jeweils keine Überschreitungen mehr aus. Außerdem wurden auch am benachbarten Anwesen (…) mit Befunden vom 17.10.2019, 22.11.2019 und 10.12.2020 Grenzwertüberschreitungen festgestellt, insb. bei den coliformen Bakterien (17.10.2019: > 74 KBE/100 ml; 22.11.2019: > 200 KBE/100 ml; Grenzwert nach Anlage 3 Teil I lfd. Nr. 5 TrinkwV: 0 KBE/100 ml).
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Mit Bescheid vom 4.12.2020 wurde die Klägerin unter anderem verpflichtet, das Wasser aus ihrer Wasserversorgungsanlage einer Aufbereitung (Filtration) und Desinfektion durch Einbau einer entsprechenden Aufbereitungs- und Desinfektionsanlage zu unterziehen, außerdem eine geprüfte und zugelassene Aufbereitungsanlage zur Entsäuerung einzubauen (Ziffer 1) und die einwandfreie Beschaffenheit des Trinkwassers nach Abschluss der Installationsarbeiten durch ein entsprechendes Untersuchungsergebnis beim Gesundheitsamt/Landratsamt Deggendorf nachzuweisen (Ziffer 2). Zur vorübergehenden Risikominimierung wurde außerdem eine Abkochanordnung erlassen (Ziffer 3). Zur weiteren Regelung des Sachverhaltes wurden zahlreiche Nebenbestimmungen erlassen, betreffend insb. die Durchführung der Umbauarbeiten und der anschließenden Aufbereitung sowie die Information der weiteren Wassernutzer (Ziffern 4 bis 9). Für den Fall der nicht oder nicht vollständigen fristgerechten Erfüllung der Anordnungen in Ziffer 1 wurde ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 200,00 EUR angedroht. Für den Fall der nicht oder nicht vollständigen fristgerechten Erfüllung der Anordnung in Ziffer 2 wurde ein Zwangsgeld von 100,00 EUR angedroht (Ziffer 10). Der Trinkwasseruntersuchungsbefund vom 4.11.2020 sei mikrobiologisch zu beanstanden gewesen, da er das Vorhandensein von Krankheitserregern belege und somit auf eine Verunreinigung des Trinkwassers hindeute.
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Mit Schriftsatz vom 30.12.2020 hat die Klägerin Klage gegen den Bescheid vom 4.12.2020 erhoben. Es lägen nunmehr keine mikrobiologischen Belastungen mehr vor, wie sich aus den mittlerweile vorgelegten Befunden vom 12.11.2020, vom 16.12.2020, vom 25.2.2021 und vom 12.7.2021 ergebe. Der Untersuchungsbefund, auf welchen der verfahrensgegenständliche Bescheid gestützt werde, sei insoweit überholt. Somit seien die erlassenen Maßnahmen unverhältnismäßig bzw. nicht mehr erforderlich und damit rechtswidrig. Dies ergebe sich zudem daraus, dass es nur zu einer einmaligen Überschreitung gekommen sei und, dass auch bei dieser nur ein Wert von 1 KBE/100 ml vorgelegen habe, während der Grenzwert bei 0 KBE/100 ml liege.
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Die Klägerin lässt beantragen,
den Bescheid des Landratsamtes Deggendorf vom 4.12.2020, Az. 30-5143 fr, aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte trägt insbesondere vor, dass beim Vorkommen von Enterokokken immer auch mit dem Vorkommen anderer fäkal ausgeschiedener Erreger zu rechnen sei. Deren alleiniger Nachweis sei als Indiz für eine länger zurückliegende Kontamination zu werten. Eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit sei bei deren Nachweis eindeutig zu besorgen. Daher seien beim Nachweis von Enterokokken Sofortmaßnahmen einzuleiten. Das Gesundheitsamt trägt außerdem vor, dass Verunreinigungen des Wassers in den benachbarten Anwesen, die an die gleiche Quelle angeschlossen seien, auch bei den übrigen Anwesen ankämen. Deshalb seien die Grenzwertabweichungen im Anwesen … auch dem Anwesen … zuzuordnen gewesen. Auf Nachfrage des Gerichts teilte der Beklagte außerdem mit, dass die Filtration (Ziffer 1) neben der Desinfektion angeordnet worden sei, nachdem wiederholt Trübungswerte in einer Höhe festgestellt worden seien, die einer ordnungsgemäßen Desinfektion entgegenstünden und denen durch vorherige Filtration zu begegnen sei. Dagegen sei der Einbau einer Anlage zur Entsäuerung (Ziffer 1, Satz 3 des Tenors des Bescheides) irrtümlich angeordnet worden und gehe ins Leere.
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Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung lagen vor, nachdem die Beteiligten hierzu mit Schreiben vom 2.2.2022 und 2.3.2022 ihr Einverständnis i.S.v. § 101 Abs. 2 VwGO erklärt haben.
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II. Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet, soweit sie sich gegen den Einbau einer Entsäuerungsanlage in Ziffer 1, Satz 3 des streitgegenständlichen Bescheides richtet, da der Bescheid insoweit rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Rechtswidrig sind auch das angedrohte Zwangsgeld in Ziffer 10, soweit es auf die Durchsetzung dieser Pflicht abzielt, sowie die Kostenentscheidung. Im Übrigen ist die Klage unbegründet und hat keinen Erfolg, da die weiteren streitgegenständlichen Anordnungen zurecht getroffen wurden.
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1. Die Anordnung in Ziffer 1, Satz 3 des Bescheides vom 4.12.2020 wurde von dem Beklagten versehentlich in den Bescheid aufgenommen, ohne dass die Voraussetzungen für eine solche Anordnung vorlagen. Schon aus diesem Grund ist die Anordnung rechtswidrig.
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2. Die weiteren trinkwasserrechtlichen Anordnungen sind hingegen rechtmäßig. Das Landratsamt hat zurecht angeordnet, dass das Wasser aus der streitgegenständlichen Wasserversorgungsanlage vor seiner Abgabe einer den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Aufbereitung (Filtration) und Desinfektion durch Einbau einer entsprechenden Aufbereitungs- und Desinfektionsanlage zu unterziehen ist (Ziffer 1, Satz 1). Auch die hierzu erlassenen Nebenbestimmungen (Ziffer 1 Sätze 2, 4; Ziffer 4, Ziffer 5, Ziffer 7, Ziffer 8, Ziffer 9) sind rechtmäßig. Daneben sind auch die Anordnungen zum Nachweis der einwandfreien Beschaffenheit des Trinkwassers nach dem Einbau der Aufbereitungsanlage (Ziffer 2), das Abkochgebot (Ziffer 3), die Mitteilungspflicht für die weiteren Wassernutzer (Ziffer 6) und die übrigen Zwangsgeldandrohungen rechtmäßig.
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Ermächtigungsgrundlagen für die trinkwasserrechtlichen Anordnungen sind §§ 3 Nr. 2 Buchst. c, 9 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 Satz 1, Abs. 9 Satz 1, 20 Abs. 1 Nr. 2 der im Zeitpunkt des Bescheidserlass geltenden Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (TrinkwV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. März 2016 (BGBl. I S. 459), zuletzt geändert durch Artikel 1 V. v. 22.09.2021, BGBl. I S. 4343 (TrinkwV).
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a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, mithin der Zeitpunkt des Bescheidserlasses. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bestimmt sich in der Verwaltungsgerichtsordnung grundsätzlich nach dem materiellen Recht (BVerwG, U.v. 27.4.1990 - 8 C 87/88 - NVwZ 1991, 360, 1. Leitsatz; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 55). Den §§ 9, 20 TrinkwV ist jedoch keine Aussage dahingehend zu entnehmen, auf welchen Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung einer auf diese Vorschriften gestützten Maßnahme abzustellen ist. Daher greift der prozessrechtliche Grundsatz, dass für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei Anfechtungsklagen auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen ist (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 55; vgl. in zwei vergleichbaren trinkwasserrechtlichen Entscheidungen: BayVGH, U.v. 6.3.2018 - 20 B 17.1378 - juris Rn. 38; U.v. 17.5.2018 - 20 B 16.1351 - juris Rn. 25; jeweils m.w.N.).
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b) Die Anordnung der Aufbereitung und Filtration durch Einbau einer Aufbereitungs- und Desinfektionsanlage einschließlich der Nebenbestimmungen (Ziffer 1, Sätze 1, 2 und 4; Ziffer 4, Ziffer 5, Ziffer 7, Ziffer 8, Ziffer 9) ist rechtmäßig erfolgt. Gemäß § 9 Abs. 4 TrinkwV ordnet das Gesundheitsamt bei Nichteinhaltung oder Nichterfüllung der in den §§ 5 und 6 festgelegten Grenzwerte oder Anforderungen unverzüglich an, dass unverzüglich die notwendigen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Trinkwasserqualität getroffen werden und, dass deren Durchführung vorrangig ist. Gemäß § 5 Abs. 2 TrinkwV dürfen im Trinkwasser die in Anlage 1 Teil I TrinkwV festgelegten Grenzwerte für mikrobiologische Parameter nicht überschritten werden. Gemäß Anlage 1 Teil I lfd. Nr. 2 TrinkwV beträgt der Grenzwert für Enterokokken 0/100 ml. Dieser Grenzwert wurde in der Messung vom 25.10.2022, Befund vom 4.11.2022 (Bl. 6 d. Behördenakte) überschritten, dort wurde ein Wert von 1 KBE / 100 ml gemessen. Weitere Voraussetzungen hat die Vorschrift nicht.
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Bei Überschreitung eines Grenzwertes ordnet das Gesundheitsamt an, dass unverzüglich die notwendigen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Trinkwasserqualität getroffen werden. Hierbei besteht nach dem Wortlaut der Vorschrift kein Entschließungsermessen („ordnet an“, vgl. auch Gerhardt, Trinkwasserverordnung, 2019, § 9 Rn. 110), sondern nur ein Auswahlermessen („die notwendigen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Trinkwasserqualität“, vgl. ebd.). Mithin ist das Gesundheitsamt in jedem Fall einer Überschreitung grundsätzlich zum Handeln verpflichtet. Diese Handlungspflicht besteht nach dem Wortlaut nur in den ersten 16 Wochen nach Inbetriebnahme einer neu errichteten Trinkwasser-Installation bezüglich der Grenzwerte für Blei, Kupfer und Nickel in Einzelfällen nicht (§ 9 Abs. 4 Satz 3 TrinkwV), ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor. Daneben enthält § 9 Abs. 4 TrinkwV insbesondere keine mit § 9 Abs. 5 Satz 2 TrinkwV vergleichbare Regelung, wonach das Gesundheitsamt im Einzelfall von Maßnahmen absehen kann, wenn insbesondere eine Schädigung der menschlichen Gesundheit nicht zu erwarten ist. Diese Handlungspflicht des Gesundheitsamtes belegen daneben auch die Gesetzesbegründung, wo es heißt, in jedem Fall der Nichteinhaltung der mikrobiologischen Anforderungen müsse sichergestellt werden, dass die Ursache hierfür behoben und erforderliche Abhilfemaßnahmen getroffen werden (BR-Drucks. 721/00, abrufbar unter https://dserver.bundestag.de/brd/2000/D721+00.pdf, zuletzt abgerufen am 28.10.2022, 10:22) sowie die Leitlinien zum Vollzug der §§ 9 und 10 der Trinkwasserverordnung (TrinkwV), die am 13. Februar 2013 vom Bundesministerium für Gesundheit und dem Umweltbundesamt herausgegeben wurden (bspw. abzurufen unter https://www.lgl.bayern.de/downloads/gesundheit/hygiene/doc/leitlinien_vollzug_9_10_trinkw.pdf, zuletzt abgerufen am 19.10.2022, 09:48 Uhr; dort S. 52). Auch dort heißt es ausdrücklich, in jedem Fall der Nichteinhaltung mikrobiologischer Grenzwerte müsse das Gesundheitsamt Maßnahmen anordnen. Nach alledem war das Gesundheitsamt aufgrund der überschrittenen Grenzwerte zum Handeln verpflichtet.
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Die Klägerin macht hiergegen geltend, dass die Grenzwertüberschreitung bei den Enterokokken aufgrund der darauffolgenden, unauffälligen Befunde überholt sei und die Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 TrinkwV somit nicht mehr vorlägen. Diese Erwägung führt aber nicht zu einem anderen Ergebnis. Zum einen waren aufgrund des maßgeblichen Zeitpunktes der letzten Behördenentscheidung die Befunde, die im Anschluss an den Bescheidserlass (4.12.2020) bzw. dessen Zustellung (8.12.2020) ergangen sind (somit die Befunde vom 16.12.2020 und nachfolgend), für die Behördenentscheidung nicht mehr von Relevanz, sondern nur die Befunde vom 4.11.2020 und vom 12.11.2020. Hinsichtlich letzterem Befund ergibt es sich zudem aus der Behördenakte, dass die zugrundeliegende Probeentnahme wohl erst im Anschluss an eine Desinfektion der Wasserversorgungsanlage durch die Klägerin stattgefunden hat (vgl. insb. Bl. 7 und 13 d. Behördenakte). Mithin spricht schon vieles dafür, dass dem Befund vom 12.11.2020 allenfalls begrenzte Aussagekraft hinsichtlich einer dauerhaft einwandfreien Trinkwasserqualität zukommt.
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Unabhängig davon ergibt sich dies aber aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 4 TrinkwV (vgl. hierzu auch die obigen Erwägungen). Das Gesetz sieht bei jeder Überschreitung eines mikrobiologischen Parameters nach § 5 Abs. 2 TrinkwV ein Einschreiten des Gesundheitsamtes vor. Eine Möglichkeit, im Einzelfall von Maßnahmen abzusehen, ist in § 9 Abs. 4 TrinkwV nicht angelegt. Stattdessen hat die Behörde nur die Möglichkeit, zwischen mehreren Maßnahmen eine bestimmte auszuwählen. Hierdurch wird deutlich, dass eine spätere Unterschreitung von bereits überschrittenen Grenzwerten - jedenfalls im Rahmen des Entschließungsermessens - nach dem Gesetzeswortlaut nicht von Belang ist. Die spätere Unterschreitung der Grenzwerte in dem Befund vom 12.11.2020 spielt daher, unabhängig von einer etwaigen Desinfektion, keine Rolle. Maßgeblich ist alleine die Überschreitung der Grenzwerte in dem Befund vom 4.11.2020. Der einwandfreie Befund vom 12.11.2020 war somit allenfalls im Rahmen des Auswahlermessens zu berücksichtigen.
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Auch die konkret angeordneten Maßnahmen begegnen im Ergebnis aber keinen Bedenken. Konkretisierungen hinsichtlich der zu erlassenden Maßnahmen enthält § 9 Abs. 4 TrinkwV nicht. In § 9 Abs. 4 Sätze 1, 2 TrinkwV heißt es lediglich, dass die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, dass deren Durchführung vorrangig ist und dass die Dringlichkeit der Maßnahmen sich nach dem Grad der Gefährdung der menschlichen Gesundheit und der öffentlichen Sicherheit richtet, was als Bezugnahme auf den ohnehin stets zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu verstehen ist (vgl. Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Werkstand: 182. EL November 2021, § 9, Rn. 15, 16). Demnach müssen öffentlich-rechtliche Eingriffsmaßnahmen stets geeignet, erforderlich und angemessen sein. Welche Maßnahmen im Zusammenhang mit der Trinkwasserverordnung geeignet und erforderlich sind, bemisst sich nach der fachlichen Einschätzung, ob eine Maßnahme angemessen im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist, aus einem Vergleich zwischen dem hierfür notwendigen Aufwand und der zuvor bestehenden Belastung des Trinkwassers (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 17.5.2018 - 20 B 16.1351 - juris Rn. 39). Nach diesen Grundsätzen ist die vom Gesundheitsamt angeordnete Aufbereitung und Desinfektion des Wassers einschließlich der angeordneten Nebenbestimmungen (Ziffer 1, Sätze 1, 2 und 4; Ziffer 4, Ziffer 5, Ziffer 7, Ziffer 8, Ziffer 9) geeignet, erforderlich und angemessen.
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Hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit der konkret angeordneten Maßnahmen wurden von Seiten der Klägerin keinerlei Einwände vorgebracht. Es wurde weder die grundsätzliche Eignung der Maßnahmen in Frage gestellt, noch wurden mildere, gleich geeignete Maßnahmen geltend gemacht. Auch von Seiten des Gerichts bestehen insoweit keine Bedenken. Das Vorgehen des Beklagten entspricht im Wesentlichen dem Vorgehen, welches die o.g. Leitlinien bei einer Enterokokken-Belastung vorsehen (vgl. Leitlinien zum Vollzug der §§ 9 und 10 der Trinkwasserverordnung (TrinkwV), S. 12). Weitere Details wurden in den Schreiben des Beklagten vom 25.5.2021 und vom 9.5.2022 schlüssig erläutert. Auch insoweit wurden weder von Klägerinnenseite Einwände vorgebracht, noch bestehen Bedenken von Seiten des Gerichts.
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Die Klägerin macht im Rahmen der Verhältnismäßigkeit hingegen geltend, dass aufgrund der nur einmaligen Überschreitung die getroffenen Anordnungen unverhältnismäßig seien. Auch mit diesem Vortrag greift die Klägerin jedoch nicht durch. Denn es handelt sich, trotz des nur einmaligen Auftretens und der Überschreitung von nur 1 KBE / 100 ml, jedenfalls unter Berücksichtigung der gefährdeten Rechtsgüter, um eine angemessene Maßnahme, was sich insbesondere daraus ergibt, dass es sich bei der Sicherheit des Trinkwassers um ein sehr hohes Schutzgut handelt (BayVGH, U. v. 17.5.2018 - 20 B 16.1351, juris - Rn. 50). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Behörde nicht auf das schwerste Mittel der Nutzungsuntersagung zurückgegriffen hat, sondern ein Mittel gewählt hat, mit welchem die vorgefundene Belastung gezielt und unter Beibehaltung der klägerischen Trinkwasserversorgung, jedoch auch effektiv und dauerhaft, beseitigt werden soll. Mildere Mittel sind daneben nicht ersichtlich. Denkbare Maßnahmen wie regelmäßigere Kontrollen oder Desinfektionen der Anlage „von außen“ sind nicht in dem gleichen Maße geeignet wie eine dauerhafte Aufbereitung und Desinfektion durch den Einbau einer entsprechenden Anlage, nachdem hierdurch nur bereits aufgetretene Verunreinigungen angezeigt bzw. beseitigt werden können, jedoch keine dauerhafte Sicherung der Trinkwasserqualität erfolgt.
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Auf die Befunde im benachbarten Anwesen … kam es im Übrigen streitentscheidend nicht mehr an, wenngleich vieles dafür spricht, dass diese zumindest im Rahmen der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen zu Lasten der Klägerin berücksichtigt werden könnten. Denn auch diese Befunde zeigen wohl, dass zur dauerhaften Sicherung der Trinkwasserqualität Maßnahmen zu ergreifen waren.
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3. Auch die weiteren Anordnungen sind rechtmäßig. Die Anordnung unter Ziffer 2 konnte das Landratsamt nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 TrinkwV erlassen. Demnach kann das Gesundheitsamt anordnen, dass der Inhaber einer Wasserversorgungsanlage bestimmte Untersuchungen nach einem bestimmten Untersuchungsverfahren und außerhalb der regelmäßigen Untersuchungen sofort durchzuführen oder durchführen zu lassen hat, wenn es unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zum Schutz der menschlichen Gesundheit oder zur Sicherstellung einer einwandfreien Beschaffenheit des Trinkwassers erforderlich ist. Aufgrund der vorangegangenen mikrobiologischen Verunreinigung durfte das Gesundheitsamt hiervon ausgehen. Das Abkochgebot unter Ziffer 3 konnte unter den oben geprüften Voraussetzungen auf § 9 Abs. 4 Satz 1 TrinkwV gestützt werden, nachdem es sich auch insoweit um eine Maßnahme zur Wiederherstellung der Trinkwasserqualität - wenn auch um eine vorübergehende - handelt. Die Anordnung unter Ziffer 6 dient schließlich nicht unmittelbar der Wiederherstellung der Trinkwasserqualität, weshalb sie nicht auf § 9 Abs. 4 Satz 1 TrinkwV gestützt werden konnte. Jedoch konnte diese Anordnung auf § 9 Abs. 1 Satz 3 TrinkwV gestützt werden, wonach das Gesundheitsamt Maßnahmen, die zur Abwendung der Gefahr für die menschliche Gesundheit erforderlich sind, anordnen kann. Ausweislich des unwidersprochen gebliebenen Vortrages des Beklagten, den auch die Leitlinien zum Vollzug der §§ 9 und 10 der Trinkwasserverordnung (TrinkwV - dort S. 12) stützen, ist beim Nachweis von Enterokokken stets eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit zu besorgen, sodass auch die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 TrinkwV vorliegen. Die Anordnung unter Ziffer 11 ist schließlich rein deklaratorischer Natur, nachdem sich die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides bereits aus §§ 39 Abs. 2 Satz 2, 16 Abs. 8 IfSG ergibt.
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4. Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 10 ist rechtswidrig, soweit sie sich auf Ziffer 1, Satz 3 des Bescheides bezieht, da es insoweit aufgrund der Aufhebung an einem vollstreckbaren Grundverwaltungsakt fehlt (Art. 19 VwZVG). Hierüber war kein Ausspruch im Tenor zu treffen, nachdem bereits mit Aufhebung der Ziffer 1, Satz 3 insoweit keine Pflicht mehr besteht, auf die Ziffer 10 Bezug nimmt. Abgesehen davon bestehen gegen die Zwangsgelder keine rechtlichen Bedenken, insb. die Voraussetzungen der Art. 18, 19, 31, 36 VwZVG liegen vor.
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5. Schließlich ist die Ziffer 12 rechtswidrig und damit aufzuheben. Der Bescheid ist teilweise rechtswidrig. Für rechtswidrige Verwaltungsakte dürfen keine Kosten erhoben werden, Art. 16 Abs. 5 Bayerisches Kostengesetz (vgl. BayVGH, U.v. 10.5.2016 - 10 BV 15.958 - BeckRS 2016, 46951, Leitsatz 1; str., vgl. zum Streitstand ebd. Rn. 23 ff.). Nach dem Grundsatz der Einheit der Kostenentscheidung ist es dem erkennenden Gericht jedoch nicht möglich, die teilweise Rechtswidrigkeit des Bescheides selbst in eine abgeänderte Kostenentscheidung einfließen zu lassen. Vielmehr ist die Kostenentscheidung vollumfänglich aufzuheben.
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Abschließend sind auch keine Ermessensfehler (§ 114 VwGO) ersichtlich.
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III. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Demnach können einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere Teil nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Ein solcher Fall liegt hier vor, nachdem der Beklagte nur hinsichtlich der fehlerhaft in den Bescheid aufgenommenen Ziffer 1, Satz 3 unterlegen ist, welche weder im Bescheid, noch in den Schriftsätzen der Beteiligten thematisiert wurde und welche erkennbar nicht Kern des streitigen Verfahrens war. Die Aufhebung dieser Anordnung war somit im Vergleich zum restlichen Streitgegenstand, den zahlreichen Anordnungen zur Beseitigung der mikrobiologischen Belastungen einschließlich derer Folgen, von untergeordneter Bedeutung. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.