Inhalt

OLG München, Beschluss v. 08.11.2022 – 11 W 947/22 , 11 W 1289/22
Titel:

Verfahrensgebühr - Notwendige Kosten der Rechtsverteidigung in der Berufungsinstanz

Normenkette:
ZPO § 91
Leitsatz:
2. Die Frage der Entstehung der 1,6-fache Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3200 VV RVG  ist von der nach § 91 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 ZPO zu beurteilenden Frage der Erstattungsfähigkeit der Gebühr zu trennen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kostenerstattung, Verfahrensgebühr, Entstehung, Erstattungsfähigkeit, Berufung, streitige Zulässigkeit, Erforderlichkeit, Stillhaltebitte
Vorinstanzen:
LG München I, Beschluss vom 14.07.2022 – 25 O 6491/21
LG München I, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.02.2022 – 25 O 6491/21
Fundstellen:
MDR 2023, 191
LSK 2022, 41908
BeckRS 2022, 41908

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Verfügungsbeklagten vom 12.09.2022 wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 14.07.2022 (25 O 6491/21) aufgehoben; es verbleibt bei dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München I bezüglich der zu erstattenden Kosten der II. Instanz vom 11.02.2022 (25 O 6491/21), wonach die von der Klagepartei/Antragsteller an die Beklagtenpartei/Antragsgegner zu erstattenden Kosten der II. Instanz auf 993,89 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 28.12.2021 festgesetzt werden.
2. Die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers vom 25.02.2022 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München I vom 11.02.2022 (25 O 6491/21) wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten der Beschwerdeverfahren trägt der Verfügungskläger.
4. Der Beschwerdewert wird auf insgesamt 993,89 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Durch Endurteil des Landgerichts München I vom 25.06.2021 war der Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen worden.
2
Hiergegen legte der Verfügungskläger mit Schriftsatz vom 06.10.2021 Berufung ein. In dem Berufungsschriftsatz wurde darauf hingewiesen, dass die Berufungseinlegung zunächst fristwahrend erfolge, und der Berufungsbeklagte wurde aufgefordert, von der Bestellung eines beim Berufungsgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten Abstand zu nehmen, bis die Berufung begründet werde.
3
Mit Schriftsatz vom 15.10.2021 zeigte der ursprüngliche Prozessbevollmächtigte des Verfügungsbeklagten Rechtsanwalt B. dessen anwaltliche Vertretung auch für die Berufungsinstanz an und beantragte, die Berufung als unzulässig abzuweisen und die Kosten der Berufung dem Kläger aufzuerlegen, da die Berufung nach Ablauf der Berufungsfrist eingelegt worden sei. Hierzu führte er in dem Schriftsatz näher aus.
4
Mit Schriftsatz vom 26.10.2021 beantragte der Verfügungskläger Fristverlängerung zur Begründung der Berufung bis 08.12.2021. Er trat den Ausführungen der Beklagtenpartei im Schriftsatz vom 15.10.2021 entgegen, führte jedoch aus, dass Anträge und Begründung der Begründungsschrift vorbehalten blieben.
5
Die Berufungsbegründungsfrist wurde antragsgemäß bis 08.12.2021 verlängert.
6
Mit weiterem Schriftsatz vom 08.11.2021 machte der Verfügungsbeklagte zusätzlich geltend, dass auch das Rechtsschutzbedürfnis für die Berufung entfallen sei, da bereits aufgrund des Verhaltens der Klagepartei eine besondere Dringlichkeit nicht mehr gegeben sei.
7
In der weiteren Folge teilte der Verfügungskläger mit Schriftsatz vom 06.12.2021 unter Bezugnahme auf die ausdrücklich rein fristwahrend eingelegte Berufung mit, dass er von der Durchführung des Verfahrens Abstand nehme und eine Begründung der Berufung daher nicht erfolgen werde.
8
Mit Schriftsatz seines zwischenzeitlichen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt Sch vom 10.12.2021 beantragte der Verfügungsbeklagte, durch Beschluss die Kosten des Rechtsstreits dem Verfügungskläger aufzuerlegen.
9
Durch Beschluss vom 21.12.2021 verwarf das Oberlandesgericht München die Berufung, erlegte dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens auf und setzte den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 8.000,00 EUR fest.
10
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 28.12.2021 beantragte der Kläger die Festsetzung der zweitinstanzlichen Anwaltsgebühren. Hierbei machte er eine 1,6 Verfahrensgebühr aus einem Streitwert von 8.000,00 EUR nebst Aktenversendungspauschale, Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer geltend.
11
Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.02.2022 setzte das Landgericht München I die von der Klagepartei/Antragsteller an die Beklagtenpartei/Antragsgegner zu erstattenden Kosten der II. Instanz antragsgemäß auf 993,89 EUR nebst Zinsen fest. Der Beschluss wurde der Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers am 14.02.2022 zugestellt.
12
Mit Schriftsatz vom 25.02.2022, beim Landgericht München I per beA eingegangen am selben Tag, legte der Verfügungskläger gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.02.2022 sofortige Beschwerde ein und beantragte, den Kostenfestsetzungsbeschluss aufzuheben. Für den Fall, dass das Beschwerdegericht den Ausführungen nicht zu folgen vermöge, beantragte er die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Die Berufung sei rein fristwahrend eingelegt worden und der Berufungsbeklagte sei aufgefordert worden, bis zur Begründung der Berufung keinen Prozessbevollmächtigten zu beauftragen. Die Berufung sei nicht begründet, sondern mit Schreiben vom 08.12.2021 zurückgenommen worden. Deshalb sei für den Beklagten zu keiner Zeit die Notwendigkeit entstanden, einen Prozessbevollmächtigten für die Durchführung des Berufungsverfahrens zu mandatieren. Es werde bestritten, dass der Beklagte solche Kosten der II. Instanz gehabt habe, die er ersetzt verlangen könne. Mit Schriftsatz vom 21.03.2022 ergänzte und vertiefte der Verfügungskläger sein Vorbringen und führte insbesondere aus, dass auch die reduzierte 1,1 Gebühr nach Nr. 3201 VV RVG unberechtigt sei, da es für den Beklagtenvertreter keinen Grund gegeben habe, seine anwaltliche Vertretung anzuzeigen.
13
Der Verfügungsbeklagte beantragte mit eigenhändig unterzeichnetem Schreiben vom 06.04.2022 die kostenpflichtige Zurückweisung der Beschwerde. Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts gälten stets als zweckentsprechend verursachte Kosten. Ob ein Rechtsmittelführer wünsche, dass der Prozessgegner sich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Rechtsmittelinstanz nicht anwaltlich vertreten lasse, sei irrelevant. Auch eine Ermäßigung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 Nr. 1 VV RVG komme aufgrund der bereits eingereichten Schriftsätze vom 15.10.2022 und 08.11.2022 nicht mehr in Betracht. Der Berufungsbeklagte könne stets eine 1,1 Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG für den Bestellungsschriftsatz seines Rechtsanwalts geltend machen, sofern der Berufungskläger seine Berufung nicht begründet habe. Ein Stillhalteabkommen liege nicht vor. Hier könne sogar eine 1,6-fache Gebühr nach Nr. 3200 VV RVG geltend gemacht werden. Die Schriftsätze vom 15.10.2022 und 08.11.2022 beträfen inhaltlich nicht die Begründetheit der Berufung. Eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei dürfe es für erforderlich halten, das Gericht auf die in den Schriftsätzen behandelten Punkte zeitnah hinzuweisen. Ergänzend wies der Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 07.04.2022 darauf hin, dass im Kostenfestsetzungsverfahren kein Anwaltszwang bestehe. Dies gelte auch für das Verfahren über eine sofortige Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss. Ferner vertiefte und ergänzte der Verfügungsbeklagte seine Argumente mit Schreiben vom 18.04.2022. Insbesondere verwies er unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs darauf, dass es das Recht der Beklagtenpartei sein müsse, das Gericht umgehend auf die nicht auf den ersten Blick erkennbare Versäumung der Berufungsfrist hinzuweisen. Spätestens mit dem Antrag von Rechtsanwalt Sch vom 10.12.2021 sei die volle 1,6 Gebühr aus Nr. 3200 VV RVG notwendig entstanden. Denn wenn eine zur Fristwahrung eingelegte Berufung nicht begründet werde, seien die durch den nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist gestellten Antrag auf Verwerfung der Berufung entstehenden Anwaltsgebühren notwendige Kosten der Rechtsverteidigung.
14
Die Klagepartei führte mit Schriftsatz vom 25.04.2022 aus, dass der Beklagte, der selbst nicht Rechtsanwalt sei, nicht postulationsfähig sei. Die Entscheidung über den klägerischen Antrag vom 21.03.2022 habe durch das Gericht, nicht durch die Rechtspflegerin zu erfolgen. Es sei damit gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO zwingend über einen Rechtsanwalt vorzutragen.
15
Durch Beschluss vom 14.07.2022 half das Landgericht München I der sofortigen Beschwerde des Klägers teilweise ab und änderte den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.02.2022 dahingehend ab, dass die zu erstattenden Kosten der II. Instanz auf 695,20 EUR nebst Zinsen festgesetzt wurden. Im Übrigen half es der Beschwerde nicht ab. Die 1,6 Verfahrensgebühr sei auf eine 1,1 Gebühr zu reduzieren. Eine 1,1 Verfahrensgebühr sei zu erstatten, wenn der Rechtsanwalt vor Begründung des Rechtsmittels tätig geworden sei, und zwar auch dann, wenn die Berufung nur zur Fristwahrung eingelegt worden sei. Der Beschluss vom 14.07.2022 wurde dem Verfügungsbeklagten selbst am 29.09.2022 und seinem nunmehrigen Prozessbevollmächtigten am 26.09.2022 zugestellt.
16
Der Verfügungsbeklagte legte gegen die Abhilfeentscheidung, von der er telefonisch erfahren hatte, noch vor deren Zustellung mit eigenhändig unterzeichnetem Schreiben vom 12.09.2022 beim Oberlandesgericht München per Telefax eingegangen am selben Tag, vorsorglich sofortige Beschwerde ein. Die sofortige Beschwerde wurde durch Schriftsatz seines nunmehrigen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt W. vom 10.10.2022, beim OLG München per beA eingegangen am selben Tag, begründet. Dem Beklagten sei notwendig eine 1,6-fache Gebühr gemäß Nr. 3200 VV RVG entstanden. Aufgrund der bereits mit Schriftsätzen vom 15.10.2022 und 08.11.2022 eingereichten Sachanträge komme eine Gebührenermäßigung nicht mehr in Betracht. Die 1,6-fache Gebühr sei auch erstattungsfähig. Spätestens mit dem Schriftsatz vom 10.12.2021 sei die 1,6-fache Gebühr notwendig entstanden.
17
Das Landgericht München I half der sofortigen Beschwerde des Verfügungsbeklagten durch Beschluss vom 18.10.2022 unter Bezugnahme auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht ab.
18
Die Akten wurden dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung über die Beschwerden vorgelegt.
II.
19
Da die angefochtenen Entscheidungen jeweils von einer Rechtspflegerin erlassen wurden, ist gemäß § 568 Satz 1 ZPO auch beim Oberlandesgericht als Beschwerdegericht eine originäre Einzelrichterzuständigkeit gegeben. Die Voraussetzungen für eine Übertragung auf den Senat gemäß § 568 Satz 2 ZPO liegen nicht vor.
III.
20
Auf die sofortige Beschwerde des Verfügungsbeklagten war der Beschluss vom 14.07.2022 aufzuheben, so dass es bei dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.02.2022 verbleibt. Die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers gegen den Beschluss vom 11.02.2022 war zurückzuweisen.
21
1. Die sofortigen Beschwerden des Verfügungsklägers und des Verfügungsbeklagten sind zulässig. Insbesondere sind sie gemäß §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Die vom Verfügungsbeklagten angefochtene Abänderung der Kostenfestsetzung erfolgte vorliegend zwar in Form eines Teilabhilfebeschlusses im Beschwerdeverfahren, dieser ist jedoch seinerseits ebenfalls mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Auch der Umstand, dass der Beschluss vom 14.07.2022 bei Einlegung der Beschwerde noch nicht zugestellt war, steht der Zulässigkeit nicht entgegen, da es insoweit ausreicht, dass die Entscheidung mit dem Willen, sie zu erlassen, herausgegeben wurde (Zöller/Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 567 ZPO Rn. 14). Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen der sofortigen Beschwerden gemäß §§ 567 ff. ZPO sind ebenfalls gegeben. Im Verfahren über die sofortige Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss besteht gemäß §§ 78 Abs. 3, 569 Abs. 3 Nr. 1, 571 Abs. 4 ZPO kein Anwaltszwang, da das Kostenfestsetzungsverfahren, welches hier den Rechtsstreit im ersten Rechtszug im Sinne des § 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO darstellt, wegen § 13 RPflG iVm §§ 3 Nr. 3 Buchst. b, 21 Nr. 1 RpflG nicht als Anwaltsprozess zu führen ist (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 – III ZB 63/05 –, BGHZ 166, 117-125, juris Rn. 14 mwN; Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 104 ZPO Rn. 21_11).
22
2. Die sofortige Beschwerde des Verfügungsbeklagten gegen den Beschluss vom 14.07.2022 hat auch in der Sache Erfolg, da die vom Verfügungsbeklagten geltend gemachten Kosten wie im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.02.2022 erfolgt in voller Höhe – nämlich in Höhe einer 1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG aus dem festgesetzten Streitwert von 8.000,00 EUR nebst Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG und ausgelegter Aktenversendungspauschale gemäß Nr. 9003 VV RVG sowie Mehrwertsteuer – festzusetzen waren. Die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers gegen den Beschluss vom 11.02.2022 war entsprechend zurückzuweisen.
23
a) Dem Verfügungskläger ist eine 1,6-fache Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3200 VV RVG entstanden. Die 1,6-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG entsteht im Berufungsverfahren nach Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV RVG für das Betreiben des Geschäfts, zu dem unter anderem das Einreichen von Schriftsätzen bei Gericht gehört (BGH, Beschluss vom 10. November 2009 – VIII ZB 60/09 –, juris Rn. 8). Allerdings ermäßigt sich die Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG bei einer vorzeitigen Beendigung des Auftrags auf das 1,1-fache. Eine vorzeitige Beendigung liegt gemäß Nr. 3201 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG vor, wenn der Auftrag endigt, bevor der Rechtsanwalt einen Schriftsatz, der Sachanträge oder Sachvortrag enthält, eingereicht hat. Eine Ermäßigung nach Nr. 3201 VV RVG kommt hier daher bereits aufgrund der Einreichung des Schriftsatzes vom 15.10.2021, mit welchem die Abweisung der Berufung als unzulässig beantragt wurde, nicht in Betracht (vgl. BGH aaO).
24
b) Die Frage der Entstehung der Gebühr ist allerdings von der nach § 91 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 ZPO zu beurteilenden Frage der Erstattungsfähigkeit der Gebühr zu trennen. Vorliegend ist auch die 1,6-fache Gebühr erstattungsfähig.
25
2b. aa) Die Erstattungsfähigkeit setzt nach § 91 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 ZPO voraus, dass der den Antrag auf Verwerfung der Berufung enthaltende Schriftsatz des damaligen Prozessbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig war; eine Erstattung der aufgewendeten Kosten kann eine Partei nur insoweit beanspruchen, als sie ihrer aus dem Prozessrechtsverhältnis folgenden Obliegenheit nachgekommen ist, die Kosten möglichst niedrig zu halten (BGH aaO Rn. 9 mwN).
26
2b. bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der Rechtsmittelgegner bereits vor Begründung des Rechtsmittels einen Rechtsanwalt beauftragen und die entstandenen Kosten im Fall seines Obsiegens nach § 91 Abs. 1 ZPO von dem Rechtsmittelführer erstattet verlangen (BGH, Beschluss vom 2. Juli 2009 – V ZB 54/09 –, juris Rn. 10; Beschluss vom 01. April 2009 – XII ZB 12/07 –, juris Rn. 9). Allerdings ist ein die volle, nicht ermäßigte Verfahrensgebühr auslösender Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels im erstattungsrechtlichen Sinne grundsätzlich nicht notwendig, sofern der Rechtsmittelführer noch keinen Antrag und keine Rechtsmittelbegründung eingereicht hat; im Normalfall besteht nämlich kein Anlass für den Rechtsmittelgegner, mit der Verteidigungsanzeige seines Prozessbevollmächtigten zugleich den Sachantrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels anzukündigen (BGH aaO; BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2013 – V ZB 143/12 –, juris Rn. 8). Der Rechtsmittelgegner kann sich erst nach Vorliegen der Rechtsmittelbegründung mit Inhalt und Umfang des Angriffs auf die Entscheidung der Vorinstanz sachlich auseinandersetzen und durch einen entsprechenden Gegenantrag sowie dessen Begründung das Verfahren fördern (BGH aaO).
27
2b. cc) Vorliegend ist jedoch eine andere Beurteilung geboten, da es in dem Schriftsatz vom 15.10.2021 ausschließlich um Zulässigkeit der Berufung ging und der damalige Prozessbevollmächtigte des Verfügungsbeklagten mit Hinweis auf die seiner Darstellung nach versäumte Berufungsfrist den Sachantrag stellte, die Berufung abzuweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Juli 2009 – V ZB 54/09 –, juris Rn. 11). Mit dieser Vorgehensweise seines damaligen Prozessbevollmächtigten hat der Verfügungsbeklagte seine berechtigten Interessen an einem schnellen Abschluss des Berufungsverfahrens wahrgenommen (BGH aaO). Dass bis dahin noch nicht feststand, ob das Berufungsverfahren tatsächlich durchgeführt wird, ändert daran nichts; denn der damalige Prozessbevollmächtigte hat sich in dem Schriftsatz vom 15.10.2021 mit der in diesem Zeitpunkt allein maßgeblichen Frage der Zulässigkeit der Berufung auseinandergesetzt, welche auch streitig war (BGH aaO). Anderes gilt zwar, wenn das Berufungsgericht bereits auf eine beabsichtigte Verwerfung durch Beschluss nach § 522 Abs. 1 ZPO hingewiesen hat, da dann für einen Berufungsbeklagten keine Veranlassung besteht, kostenauslösende Maßnahmen zu ergreifen (BGH, Beschluss vom 10. November 2009 – VIII ZB 60/09 –, juris Rn. 10). Dies war hier jedoch nicht der Fall. Die Einreichung des Schriftsatzes vom 15.10.2021 war somit eine zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderliche Maßnahme, auf einen Verwerfungsbeschluss hinzuwirken (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Juli 2009 – V ZB 54/09 –, juris Rn. 11).
28
2b. dd) Eine Kostenerstattung scheitert hier auch nicht am Vorliegen eines Stillhalteabkommens. Seitens der Klagepartei ist lediglich eine einseitige Stillhaltebitte dargetan. Jedenfalls in dieser Konstellation ist eine Kostenerstattung nicht ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2002 – X ZB 9/02 –, juris Rn. 11 f.; BGH, Beschluss vom 03. Juni 2003 – VIII ZB 19/03 –, juris Rn. 7).
29
c) Der Anfall der Post- und Telekommunikationspauschale ergibt sich aus Nr. 7002 VV RVG.
30
d) Der Anfall der Aktenversendungspauschale folgt aus Nr. 9003 KV GKG, da für den Verfügungsbeklagten im Berufungsverfahren Akteneinsicht beantragt wurde. Auch dies war zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich; insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Die hierdurch entstandenen Auslagen sind daher gemäß Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG iVm §§ 670, 675 BGB zu erstatten.
31
e) Die Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) ist nach § 104 Abs. 2 Satz 3 RVG erstattungsfähig. Der Verfügungsbeklagte hat in dem Kostenfestsetzungsantrag erklärt, nicht vorsteuerabzugsberechtigt zu sein.
IV.
32
1. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der sofortigen Beschwerde des Verfügungsklägers auf § 97 ZPO, hinsichtlich der sofortigen Beschwerde des Verfügungsbeklagten auf § 91 ZPO.
33
2. Der Beschwerdewert war auf 993,89 EUR festzusetzen, § 45 Abs. 2, Abs. 1 S. 3 GKG.
34
3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.