Inhalt

AG München, Beschluss v. 06.12.2022 – 867 XIV 366/22 L (PAG)
Titel:

Gewahrsam nach Maßgabe des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Polizei (PAG)

Normenketten:
PAG Art. 17, Art. 96, Art. 97, Art. 98
FamFG § 417, § 420, § 422
Leitsatz:
Ist der Betroffene bereits in der Vergangenheit mehrfach aus vergleichbarem Anlass bei der Begehung von Straftaten als Störer festgestellt worden und kündigt er an, weiterhin an Straßenblockaden teilnehmen zu wollen, sobald er wieder auf freiem Fuß ist, kommt seine Freiheitsentziehung nach Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 PAG in Betracht, um die unmittelbar bevorstehende Begehung/Fortsetzung einer Straftat/Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern. (Rn. 7 – 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Straßenblockade, Bayern, Polizeiaufgabengesetz, Störer, Gewahrsam, Freiheitsentziehung, Straftat, Ordnungswidrigkeit, Wiederholungsgefahr, unmittelbar bevorstehend, erhebliche Bedeutung für die Allgemeinheit
Fundstelle:
BeckRS 2022, 41850

Tenor

1. Die von der Antragstellerin am 06.12.2022 um 13:58 Uhr angeordnete Freiheitsentziehung gegen den Betroffenen wird für zulässig erklärt und deren Fortdauer bis längstens 11,12.2022 um19:30 Uhr angeordnet.
2. Die Freiheitsentziehung ist sofort zu beenden, sobald der Grund für die Maßnahme des Antragstellers weggefallen ist.
3. Für die Dauer des Vollzugs wird Frau Rechtsanwältin als anwaltliche Vertreterin des Betroffenen bestellt, Art. 97 Abs. 4 PAG.
4. Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.
5. Von der Erhebung der Kosten wird abgesehen.

Gründe

1
Der Betroffene wurde am 06.12.2022 um 13:58 Uhr in Gewahrsam genommen. Bezüglich des Sachverhalts wird auf den anliegenden Antrag des Polizeipräsidiums München und dessen Anlagen verwiesen. Insbesondere wird hinsichtlich des grundsätzlichen Sachverhalts auf Ziffer 1a) und b) der Begründung des Antrags sowie hinsichtlich des individuellen Beitrags des Betroffenen auf Ziffer 1. c) der Begründung Bezug genommen.
2
Die Antragstellerin hat nach Art. 97 Abs. 1 PAG richterliche Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung beantragt. Weitere Freiheitsentziehung ist unerlässlich, um die Fortsetzung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern.
3
Das Gericht hat den Betroffenen zu diesem Antrag persönlich angehört, Art. 96 Abs. 1 PAG i.V.m. S. 420 Abs. 1 FamFG.
II.
4
Das Amtsgericht München ist örtlich und sachlich zuständig (Art. 97, 98 Abs. 2 Nr. 1 PAG, S 22c Abs. 1 S. 1 GVG).
5
Der Antrag ist zulässig. Der Antrag enthält die gemäß Art. 96 Abs. 1 PAG, S. 417 Abs. 2 S. 2 FamFG erforderliche Begründung, insbesondere zur erforderlichen Dauer des Gewahrsams. 
III.
6
Die Freiheitsentziehung gegen den Betroffenen ist für zulässig zu erklären und ihre Fortdauer anzuordnen.
7
Die Freiheitsentziehung .ist gem. Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 PAG zulässig. Sie ist unerlässlich, um die unmittelbar bevorstehende Begehung/Fortsetzung einer Straftat/Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern.
8
Der Betroffene wurde bereits in der Vergangenheit mehrfach aus vergleichbarem Anlass bei der Begehung von Straftaten als Störer betroffen und es ist nach den Umständen eine Wiederholung dieser Verhaltensweise zu erwarten ist. Insofern wird auf Ziffer 1. der Begründung des Antrags der Polizei Bezug genommen.
9
Die beteiligten Gruppierungen haben mehrfach mit einer Fortsetzung der Aktionen gedroht. Der Betroffene selbst kündigte an mindestens bis zum 04.01.2023 weiter an Straßenblockaden teilzunehmen, sobald er wieder auf freiem Fuß sei.
10
Die Fortdauer der Freiheitsentziehung wird längstens bis zu dem im Tenor angegebenen Zeitpunkt angeordnet, weil. dies zur Abwehr der Gefahr unerlässlich ist. Weniger beeinträchtigende Maßnahmen, die die Freiheitsentziehung entbehrlich machen könnten, sind nicht ersichtlich.
IV.
11
Zur richterlichen Entscheidung über die Fortdauer der Freiheitsentziehung über das Ende des Tages nach dem Ergreifen hinaus bestellt das Gericht der in Gewahrsam genommenen Person, die noch keinen anwaltlichen Vertreter hat, von Amts wegen für die Dauer des Vollzugs einen anwaltlichen Vertreter als Bevollmächtigten.
12
Die Entscheidung, dass von der Auferlegung der Kosten abgesehen wird, beruht auf Art. 97 Abs. 6 S. 1 PAG, SS 81 Abs. 1, 2, 430 FamFG, S. 2 Abs. 3 S. 1 GN0tKG.
VI.
13
Die Entscheidung über die sofortige Wirksamkeit beruht auf Art. 96 Abs. 1 PAG, S. 422 Abs. 2 FamFG.
VII.
14
Dieser Beschluss ist von der Antragstellerin als der zuständigen Verwaltungsbehörde zu vollziehen (Art. 96 Abs. 1 PAG, S. 422 Abs. 3 FamFG). Die Antragstellerin ist im Rahmen des Vollzugs dieses Beschlusses insbesondere auch für die Herstellung und Gewährleistung der jederzeitigen Gewahrsamsfähigkeit des Betroffenen verantwortlich.