Titel:
Keine Befangenheit eines Sachverständigen, wenn dieser auf das wahrscheinliche Ergebnis einer weiteren Untersuchung hinweist und gleichzeitig die dafür notwendigen Maßnahmen erläutert
Normenkette:
ZPO § 42 Abs. 2; § 406 Abs. 2
Leitsätze:
1. Hat ein Sachverständiger festgestellt, dass der gerügte Mangel, es lasse sich keine stabile Verbindung eines Handys über ein USB-Kabel mit dem Infotainmentsystem eines Fahrzeugs herstellen, nicht auftrete, wenn statt des USB-Kabels eines Drittherstellers ein orginales USB-Kabel des Handy-Herstellers verwendet wird, rechtfertigt seine Mitteilung, bei einer Wiederholung der Untersuchung mit einem neuen, orginalen USB-Kabel des Herstellers seien grundsätzlich keine differierenden Ergebnisse zu den bisherigen Befunden zu erwarten, keine Besorgnis der Voreingenommenheit oder der fehlenden Objektivität. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dies gilt jedenfalls dann, wenn er im selben Schreiben anbietet, dennoch weitere Untersuchungen durchzuführen und die notwendigen Auflagen hierfür erläutert (Übergabe des Fahrzeugs für zwei weitere Tage). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Befangenheit, Sachverständiger, Voreingenommenheit, Objektivität, USB-Kabel, Infotainment-System
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 05.10.2022 – 36 W 1320/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 41845
Tenor
Das Gesuch der Antragstellerin vom 12.07.2022, den Sachverständigen xx wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.
Gründe
1
Das selbstständige Beweisverfahren richtet sich auf die Feststellung von Mängeln hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Fahrzeugs. Dabei behauptete die Antragstellerin (u.a.), dass verschiedene technische Funktionen nicht möglich seien und sie ihr Smartphone mit dem Fahrzeug nicht nutzen könne (Bl. 2/3 d.A.). Der Sachverständige konnte in seinem Gutachten vom 25.03.2022 u.a. feststellen, dass diesbezügliche Funktionsschwierigkeiten technisch nachvollziehbar seien und in der „unstabilen“ Kabelverbindung zwischen dem Smartphone und dem Infotainment-System begründet liegen würden (Bl. 99/100 d.A.). Dabei verwendete der Sachverständige das von der Antragsstellerin verwendete Datenkabel des Herstellers Hama. Auch eine Änderung des Steckplatzes des benutzen Datenkabels konnte nach den Ausführungen des Sachverständigen zu keinem Erfolg führen. Der Sachverständige verwendete sodann ein Datenkabel aus dem Originalzubehör des Herstellers Samsung und konnte (auch nach Wechsel des Steckplatzes) keine weitere Funktionsbeeinträchtigung mehr feststellen. Letztlich konnte der Sachverständige feststellen, dass das von der Antragsstellerin genutzte Datenkabel technisch nachvollziehbar nicht mit dem verfahrensgegenständlichen System kompatibel und zudem defekt sei (Bl.108 d.A.).
2
Gegen dieses Gutachten wendete die Antragstellerin mit Schreiben vom 11.05.2022 ein, dass sie ein neues USB-Kabel des Herstellers Samsung gekauft und verwendet habe, die Probleme aber weiterhin bestehen würden. Der Vertreter der Antragsstellerin beantragte sodann eine Ergänzungsfrage (Bl. 143 d.A.).
3
Mit Schreiben vom 27.06.2022 wies der Sachverständige darauf hin, dass das neu angeschaffte USB-Kabel der Antragsstellerin bisher noch nicht vorgelegen hätte und auch nicht überprüft werden konnte. Die Beweisfragen (Nr. 5, 7, 9, 13 und 15) seien mit dem originalen USB-Kabel des Herstellers Samsung durchgeführt worden, so dass aus technischer Sicht mit dem neuen Kabel keine differierenden Ergebnisse zu den bisherigen Ergebnissen zu erwarten seien. Sollte eine Überprüfung notwendig sein, so müsste das verfahrensgegenständliche Fahrzeug inklusive dem neuen USB-Kabel für ca. 2 Tage zur Verfügung gestellt werden (Bl. 158/159 d.A.).
4
Mit Schreiben vom 12.07.2022 lehnte die Antragsstellerin den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit ab (Bl. 163/165 d.A.)
5
Die Antragstellerin stützt die Befangenheit auf die Äußerung des Sachverständigen, dass die bisherigen Überprüfungen ergeben haben, dass das von der Antragsstellerin verwendete Kabel defekt gewesen sei und deshalb „nach Ansicht des Sachverständigen eine weitere Untersuchung des Fahrzeugs mit einem unbeschädigten USB-Kabel seiner Ansicht nach nicht zu differierenden Ergebnissen führen“ (Bl. 163/164 d.A.). Der Sachverständige habe damit das Ergebnis seiner Untersuchung vorweggenommen und den Eindruck erweckt, eine streitige Behauptung zulasten der Antragsstellerin für bewiesen zu halten. Es bestehe die Besorgnis, dass der Sachverständige seinen Auftrag nicht mit der notwendigen Objektivität ausführen würde.
6
Der Sachverständige und die Antragsgegner wurden angehört. Der Sachverständige äußerte sich, dass eine Untersuchung mit einem anderen USB-Kabel adäquat und objektiv fortgesetzt werden könnte. Er sei nur seiner Hinweispflicht nachgekommen (BL.167/168 d.A.).
7
Die Antragsstellerin erwiderte hierauf, dass eine Besorgnis bestehen würde, da der Sachverständige ein Ergebnis vorweggenommen hätte und es nun gerade unmöglich sei, dass der Sachverständige nach Untersuchung des Fahrzeugs zu einem anderen Ergebnis kommen würde, da er damit seine eigene Behauptung widerlegen würde. Eine unvoreingenommene Untersuchung sei daher nicht mehr zu erwarten.
8
Der zulässige Antrag der Antragstellerin ist unbegründet.
9
Die vorgetragenen Gründe rechtfertigen es nicht, den Sachverständigen xx als befangen anzusehen bzw. die Besorgnis der Befangenheit gem. §§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO anzunehmen.
10
Die Ablehnung eines Sachverständigen findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen, §§ 406 I 1, 42 II ZPO. Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung erwecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. BGH, NJW-RR 2013, 851).
11
Die Äußerung des Sachverständigen, dass durch die Heranziehung eines neuen USB-Kabels grundsätzlich keine differierenden Ergebnisse zu den bisherigen Befunden zu erwarten seien, rechtfertigt keine Besorgnis der Voreingenommenheit oder der fehlenden Objektivität.
- Der Sachverständige stützt seine Aussage dabei auf die bisherigen Befunde mit einem Original-USB-Kabel des Herstellers Samsung. Der Sachverständige weist somit darauf hin, dass entsprechende Untersuchungen mit einem solchen Kabel bereits durchgeführt wurden. Dies spricht für seine Objektivität.
- Der Sachverständige erweckt auch nicht den Eindruck einer Voreingenommenheit zulasten der Antragstellerin. Zum einen spricht er davon, dass „grundsätzlich“ keine differierenden Ergebnisse zu „erwarten“ seien. Zum anderen bietet er im selben Schreiben an, dennoch weitere Untersuchungen durchzuführen und erläutert die notwendigen Auflagen hierfür (Übergabe des Fahrzeugs für zwei weitere Tage). Dieses Angebot wiederholt der Sachverständige in seiner Stellungnahme (Bl. 167/168 d.A.). Hierdurch zeigt der Sachverständige, dass er auch ein anderes Ergebnis gerade nicht für ausgeschlossen hält, weil er sich einer weiteren Untersuchung nicht verwehrt.