Titel:
keine systemischen Schwachstellen im Asylverfahren in Kroatien
Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 34a Abs. 1 S. 1
Dublin III-VO Art. 18 Abs. 1 lit. b
GRCh Art. 4
Leitsätze:
1. Der zuständige Mitgliedsstaat ist verpflichtet, einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Asylantrags in einem anderen Mitgliedsstaat einen weiteren Asylantrag gestellt hat, wiederaufzunehmen; hat der Mitgliedstaat seine Zuständigkeit für die Prüfung dieses Antrags bejaht und mit der (materiellen) Prüfung des Antrags begonnen, steht die Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags bereits fest und eine erneute Anwendung der Regeln über das Verfahren zur Bestimmung dieser Zuständigkeit erübrigt sich. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Kroatien systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung mit sich bringen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Dublin-Verfahren, Kroatien, keine systemischen Mängel von Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Kroatien, kein Verstoß gegen Art. 4 GRCh für anerkannte int. Schutzberechtigte in Kroatien, Familie mit zwei Kleinkindern, Schwangere, Dublin III-Verfahren (Kroatien), Abschiebungsanordnung, Dublin-Rückkehrer, Eurodac-Treffer, Wiederaufnahmegesuch
Fundstelle:
BeckRS 2022, 41442
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
1
Die Antragsteller wenden sich in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen eine Abschiebungsanordnung nach Kroatien.
2
Die Antragsteller sind afghanische Staatsangehörige von der Volksgruppe der Hazara und muslimisch-schiitischen Glaubens. Sie reisten am 18. Juni 2022 in das Bundesgebiet ein und wurden bei der Einreisekontrolle eines von Zürich nach München fahrenden Zuges aufgegriffen. Befragt zu Ihrem Reiseziel gaben sie an, auf dem Weg zur Mutter des Antragstellers zu 1) zu sein, die sich seit 2 Monaten in München aufhalte.
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Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) stellte für die Antragsteller zu 1) und 2) am 20. Juni 2022 jeweils Eurodac-Treffer der Kategorie 1 (Antragstellung am 18.05.2022) bezüglich Kroatiens fest. Aufgrund dessen richtete das Bundesamt am 10. August 2022 jeweils Wiederaufnahmegesuche auf der Grundlage des Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO an die kroatischen Behörden, die von diesen auf dieser Grundlage mit Schreiben vom 23. August 2022 akzeptiert worden. Die Aufnahmezusage umfasse auch die minderjährigen Kinder der Antragsteller zu 1) und 2), die Antragsteller zu 3) und 4). Sie hätten am 24. Mai 2022 einen formellen Asylantrag in Kroatien gestellt, das Verfahren laufe noch.
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Am 25. August 2022 stellten die Antragsteller einen förmlichen Asylantrag. Beim Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates gab der Antragsteller zu 1) an, dass sich neben seiner Frau und seinen Kindern auch seine ca. 50 Jahre alte Mutter in Deutschland befinde. Die Antragstellerin zu 2) sagte bei ihrem Gespräch, dass sich auch ihre Mutter und drei Brüder sowie zwei Schwestern in Deutschland aufhielten.
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Bei der Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags am 28. September 2022 gab der Antragsteller zu 1) an, dass sie in Griechenland Asyl beantragt hätten und zweimal abgelehnt worden seien. Bei den Anhörungen seien sie nur zur Türkei befragt worden. In Kroatien hätten man ihre Fingerabdrücke abgenommen, das genaue Datum wisse er nicht. Auf die Frage, was gegen eine Überstellung nach Kroatien spreche sagte er, dass sie ungefähr 25 Tage in Kroatien gewesen seien. Sie hätten dort monatlich 100 HRK, was umgerechnet etwa 10 Euro seien, bekommen. Damit könne er seine Kinder nicht ernähren. Es sei ihnen nicht geholfen worden, sie hätten nur ein Stück Brot bekommen. Sie hätten Papiere unterschreiben müssen, deren Sprache sie nicht gekannt hätten. Er wisse nicht, ob ihr Anliegen bearbeitet worden sei. Danach hätten sie auch das wenige Geld nicht mehr bekommen.
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Die Antragstellerin zu 2) gab bei ihrer Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags am gleichen Tag an, dass sie nach Deutschland gewollt hätten. Sie seien gezwungen gewesen, Fingerabdrücke in Kroatien abzugeben. Einen Asylantrag hätten sie dort nicht gestellt. Gegen eine Überstellung nach Kroatien spreche, dass die Zukunftschancen ihrer Kinder in Deutschland besser seien. Auf die Frage nach Beschwerden, Erkrankungen etc. antwortete sie, dass ihre Ohren entzündet seien. Sie habe hier Tropfen bekommen, die inzwischen aber leer seien. Außerdem sei sie schwanger. Wenn dieser Monat zu Ende sei, dann seien es 3 Monate. In dem beim Bundesamt vorgelegten und in der Bundesamtsakte befindlichen Mutterpass ist ein Entbindungstermin nicht eingetragen.
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Mit Bescheid vom 13. Oktober 2022 hat das Bundesamt die Asylanträge der Antragsteller als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1), festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2) und ihre Abschiebung nach Kroatien angeordnet (Ziffer 3). In Ziffer 4 des Bescheides wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 19 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Der Bescheid wurde den Antragstellern mit Postzustellungsurkunde am 20. Oktober 2022 zugestellt.
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Hiergegen ließen die Antragsteller mit am 27. Oktober 2022 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenen Schriftsatz ihres Bevollmächtigten Klage erheben (AN 14° 22.50377) und den vorliegenden Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes stellen. Zur Begründung ließen sie ausführen, dass sie sich bis April 2022 in Griechenland aufgehalten hätten. Die Antragstellerin zu 2) sei psychisch krank. Auf dem Weg nach Deutschland seien ihnen in Kroatien Fingerabdrücke genommen worden. Sie hätten sich 25 Tage dort aufgehalten und seien in diesem Zeitraum dort verpflegt worden. Ihre Kinder hätten aber keine Schule besuchen dürfen. Krankenversicherungsschutz hätten sie nicht erhalten und hätten die Kosten von Krankenbehandlungen als Selbstzahler aufbringen müssen. Mangels Einkommen seien sie praktisch von Krankenbehandlungen ausgeschlossen gewesen. Sie seien gezwungen gewesen, Schriftstücke zu unterschreiben, die sie nicht verstanden hätten. Soweit in Kroatien tatsächlich ein Asylverfahren eingeleitet worden sei müssten die Antragsteller befürchten, dass ihre Asylanträge als zurückgenommen gälten. Denn Antragsteller, die in Kroatien ihren Asylantrag zurückzögen oder eine Zurückweisung erhielten würden im kroatischen Asylverfahren als Folgeantragsteller behandelt. Sie müssten daher damit rechnen, als Folgeantragsteller behandelt zu werden, was einen Verstoß gegen die Dublin III-VO darstelle. Bereits aufgrund dessen sei ihnen die Rückführung nach Kroatien nicht zumutbar. Aus vergleichbaren Gründen hätten auch andere Mitgliedstaaten wie Italien, Slowenien und die Schweiz nach Gerichtsentscheidungen Überstellungen untersagt. Daneben würden an der kroatischen Grenze gravierende Menschenrechtsverletzungen festgestellt. Verschiedene Personen beklagten schwere Misshandlungen der Polizisten, während sie festgenommen und anschließend zurück über die Grenze gebracht worden seien. Es könne nicht von vorneweg ausgeschlossen werden, dass derart schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen von Seiten des kroatischen Staates auch Dublin-Rückkehrer beträfen. Die Antragsteller hätten in ihrer Zeit in Kroatien gerade zu essen bekommen, aber keine weitergehende Unterstützung erhalten. Sie hätten nicht einmal die Möglichkeit bekommen, sich in ihrer eigenen Sprache mit den Behörden zu verständigen und ihre Anliegen vorzutragen. Die Antragstellerin zu 2) sei zudem schwanger und gehöre zu einem besonders verletzlichen Personenkreis. Der Bescheid sei rechtswidrig, da das Bundesamt ermessensfehlerhaft die Voraussetzungen des Selbsteintritts verneint habe. Die in Kroatien vorliegenden systemischen Mängel des Asylverfahrens und deren Folgen für die Antragsteller seien nicht berücksichtigt worden. Den Klägern drohten insbesondere wegen der Schwangerschaft der Antragstellerin zu 2) in Kroatien aufgrund der dort bestehenden Engpässe bei der Versorgung mit Wohnraum, Medizin und anderen Sozialleistungen schwerwiegende Grundrechtsverletzungen.
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Eine weitergehende Antragsbegründung erfolgte nach der Gewährung von Akteneinsicht innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist nicht.
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Die Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom heutigen Tage gegen die im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13.10.2022 zum Az. …, zugegangen am 20.10.2022, enthaltene Abschiebungsanordnung anzuordnen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung.
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Bundesamtsakten Bezug genommen.
14
Die Entscheidung ergeht gemäß § 76 Abs. 4 AsylG durch den Berichterstatter als Einzelrichter.
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Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO ist hinsichtlich der Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides statthaft nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG, da die in der Hauptsache statthafte Anfechtungsklage nach § 75 Abs. 1 AsylG kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat. Der nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG fristgerecht gestellte Antrag ist auch im Übrigen zulässig.
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Der Antrag ist jedoch unbegründet, so dass die aufschiebende Wirkung der Klage nicht angeordnet werden kann.
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Nach § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine Ermessensentscheidung, in deren Rahmen das Aussetzungsinteresse der Antragsteller gegen das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin abgewogen wird. Grundlage ist dabei die anhand einer summarischen Prüfung erfolgende Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache (BVerwG, B. v. 7.7.2020 - 7 VR 2/10 u.a. - juris Rn. 20; B. v. 23.1.2015 - 7 VR 6/14 - juris Rn. 8).
18
Die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids vom 13. Oktober 2022 erweist sich bei summarischer Prüfung auch unter Heranziehung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG) als rechtmäßig und verletzt die Antragsteller nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung eines Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zuständigen Mitgliedstaat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
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1. Die Antragsgegnerin ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass Kroatien gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG i.V.m. der Dublin III-VO der zuständige Mitgliedstaat für die Prüfung der Asylanträge der Antragsteller ist.
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Die Zuständigkeit richtet sich vorliegend nach den Regelungen über das Wiederaufnahmeverfahren gemäß Art. 23ff Dublin III-VO, da die Antragsteller ausweislich der festgestellten Eurodac-Treffer und den Ausführungen der kroatischen Behörden in deren Antwort vom 23. August 2022 auf das Wiederaufnahmegesuch des Bundesamts bereits vor der Antragstellung in Deutschland einen Asylantrag in Kroatien gestellt haben. Das Gericht ist von der Asylantragstellung in Kroatien auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Antragsteller, dass sie nur gezwungenermaßen Fingerabdrücke in Kroatien abgegeben hätten, überzeugt. Denn ohne eine Asylantragstellung wäre es nicht zu erklären, warum die Antragsteller, wie sie angegeben hatten, dort untergebracht wurden und das für Asylantragsteller im laufenden Verfahren vorgesehene Taschengeld von 100 HKR erhalten haben.
22
Im Wiederaufnahmeverfahren ist der zuständige Staat - anders als im Aufnahmeverfahren - nicht nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO zu bestimmen, sondern es reicht grundsätzlich aus, dass der betreffende andere Mitgliedstaat den Erfordernissen nach Art. 20 Abs. 5 oder Art. 18 Abs. 1 Buchstabe b) bis d) Dublin III-VO genügt (vgl. ausführlich EuGH, U.v. 2.4.2019 - C-582/17 - juris Rn. 58ff.; VG München, B.v. 15.4.2019 - 9 S 18.52520 - juris Rn. 17f; VG Hamburg, B.v. 16.10.2020 - 9 AG 3625/20 - juris n.w.N.).
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Dies ist im vorliegenden Fall hinsichtlich Kroatiens nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO der Fall. Kroatien hat in seinem Schreiben vom 23. August 2022 erklärt, dass es das Wiederaufnahmegesuch auf dieser Grundlage akzeptiere sowie, dass das Asylverfahren der Antragsteller in Kroatien noch laufe. Damit steht fest, dass ein Fall des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) Dublin III-VO vorliegt. Nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO ist der zuständige Mitgliedsstaat verpflichtet, einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedsstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Art. 23,24, 25 und 29 wiederaufzunehmen. Die Norm findet Anwendung, wenn der Mitgliedstaat, in dem zuvor ein Antrag gestellt wurde, das Bestimmungsverfahren damit abgeschlossen hat, dass er seine Zuständigkeit für die Prüfung dieses Antrags bejaht und mit der (materiellen) Prüfung des Antrags begonnen hat (vgl. EuGH a.a.O., Rn. 52). Da in einem solchen Fall die Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags bereits feststeht, erübrigt sich eine erneute Anwendung der Regeln über das Verfahren zur Bestimmung dieser Zuständigkeit, insbesondere anhand der in Kapitel III Dublin III-VO niedergelegten Kriterien (EuGH a.a.O., Rn. 67).
24
Nachdem die kroatischen Behörden ihre Bereitschaft zur Wiederaufnahme der Antragsteller nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) Dublin III-VO erklärt haben steht fest, dass das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren in Kroatien bereits abgeschlossen war, sodass die vom Europäischen Gerichtshof verlangten Voraussetzungen für die Zuständigkeit Kroatiens für die sachliche Prüfung der Asylanträge der Antragsteller vorliegen.
25
Die Antragsgegnerin hat das Wiederaufnahmegesuch auch rechtzeitig gestellt. Die Eurodac-Treffer, auf die sie das Wiederaufnahmegesuch gestützt hat, wurden von ihr am 20. Juni 2022 festgestellt. Das Wiederaufnahmegesuch wurde am 10. August 2022 und damit innerhalb der 2-monatigen Frist des Art. 23 Abs. 2 UA 1 Dublin III-VO bei den kroatischen Behörden eingereicht.
26
2. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Kroatien systemische Schwachstellen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung der Antragsteller im Sinne von Art. 4 GRCh mit sich bringen und die der Zuständigkeit Kroatiens für die Asylverfahren der Antragsteller entgegenstehen.
27
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - juris Rn. 181 ff.) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411/10, C-493/10 - juris Rn. 79 ff.) ist davon auszugehen, dass Kroatien als Mitgliedsstaat der Europäischen Union über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, welches prinzipiell funktionsfähig ist und insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. Das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung befasste Gericht ist jedoch, wenn der Betroffene Angaben zum Nachweis eines Risikos im Sinne von Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO vorgelegt hat, verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen (EuGH, U.v. 19.3.2019 - c-163/17 - juris Rn. 90).
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a) Dublin-Rückkehrer haben grundsätzlich vollen Zugang zum kroatischen Asylsystem. Wenn sie Kroatien vor Ende des Asylverfahrens verlassen haben müssen Sie bei Rückkehr einen neuen Asylantrag stellen. Nur wer vor Verlassen des Landes seinen Antrag ausdrücklich zurückgezogen hat bzw. abgelehnt wurde gilt als Folgeantragsteller (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Kroatien, Stand: 18.5.2020, S. 6; AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 52). Nach der Rücküberstellung werden Antragsteller während des Asylverfahrens in Aufnahmezentren untergebracht. Diese Unterbringung umfasst grundsätzlich neben der Unterkunft auch Verpflegung, Kleidung und Fahrtkosten, die im Rahmen des Verfahrens notwendig sind sowie Taschengeld. Bei Folgeantragstellern können diese Leistungen eingeschränkt werden (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 79). Das Taschengeld beträgt monatlich umgerechnet ca. 13,30 EUR und wird als sehr niedrig eingeschätzt (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 81f).
29
Es existieren im Land 2 Aufnahmezentren, in Zagreb („Hotel Porin“) und Kutina mit 600 bzw. 100 Plätzen. Zum 28. Dezember 2020 waren in beiden Zentren insgesamt 328 Antragsteller untergebracht, zum 31. Dezember 2021 insgesamt 373 Antragsteller. Das Aufnahmezentrum in Zagreb wurde 2019 renoviert (BFA Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Kroatien, Stand: 18.5.2020, S. 11; AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 79). Das Aufnahmezentrum in Kutina dient vor allem der Unterbringung vulnerabler Antragsteller. Dort werden Familien in einem Raum untergebracht, in dem Aufnahmezentrum in Zagreb werden bis zu 4 Personen in einem Raum untergebracht. Besteht eine Familie aus mehr als 5 Mitgliedern werden ihr soweit möglich in Zagreb zwei Räume zugewiesen. Duschen und Toiletten sind ausreichend jeweils vorhanden. Das Aufnahmezentrum in Kutina wird seit Oktober 2021 renoviert, weshalb seitdem bis zum Ende der Renovierung die Unterbringung allein in Zagreb erfolgt (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 85). Es werden grundsätzlich 3 Mahlzeiten täglich angeboten, für Schwangere, junge Mütter und Kinder bis 16 Jahren gibt es einen Nachmittagssnack. Daneben gibt es Küchen, in denen eigene Mahlzeiten zubereitet werden können (BFA Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Kroatien, Stand: 18.5.2020, S. 12; AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 85f).
30
Die Gesundheitsversorgung der Antragsteller ist in den Aufnahmezentren gewährleistet. In den Aufnahmezentrum besteht jeweils eine Ambulanz mit einer gesundheitlichen Grundversorgung. Daneben werden Antragsteller, wenn notwendig, in die jeweiligen örtlichen Krankenhäuser überwiesen (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 92f.). Auch psychologische Beratung und Unterstützung wird gewährt, insbesondere durch die belgische Nichtregierungsorganisation Medecins du Monde (MdM) (AIDA Country Report Croatia, 2021 update, S.92f). Schwangere Frauen werden bei Aufnahme in ein Aufnahmezentrum von einem Gynäkologen untersucht. Untersuchungen, die im Krankenhaus durchgeführt werden müssen, werden von der belgischen Nichtregierungsorganisatin Medecins du Monde (MdM) organisiert, insbesondere der Transport ins Krankenhaus und der Besuch einer Hebamme nach der Geburt. Im Jahr 2021 wurden 58 schwangere Frauen im Aufnahmezentrum untergebracht und betreut (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 94).
31
Nach Angaben des Kroatischen Roten Kreuzes wurden in den Aufnahmeeinrichtungen vor der Corona-Pandemie unterschiedliche Aktivitäten angeboten wie psychologische Unterstützung, soziale und erzieherische Aktivitäten (Sport, Sprachkurse, Computerkurse, Spielräume für Kinder, Musik-Workshops etc.). Die Herausforderung sei jeweils, die Leute zur Teilnahme zu bewegen und dafür zu sorgen, dass sie bis zum Ende mitmachen. Problematisch sei insoweit auch die kurze Verweildauer in den Aufnahmezentren. Teilweise stellte das Rote Kreuz aber auch fest, dass kein Interesse zum Beispiel an den angebotenen Sprachkursen bestehe (AIDA, Country Report Croatia, 2019 update, Seite 75).
32
Aufgrund der Corona-Pandemie wurden die Angebote von Nichtregierungsorganisationen in den Aufnahmezentren eingeschränkt. Das Kroatische Rote Kreuz reduzierte seine Angebote in Absprache mit der Leitung der Aufnahmezentren auf die Aufnahme von Neuankömmlingen incl. Verteilung von Hygieneartikeln und anderen notwendigen Gegenständen, psychosoziale Unterstützung, Unterstützung von Kindern beim TV- und online-Unterricht an örtlichen Schulen sowie Unterstützung bei Hygienemaßnahmen. Insbesondere Sprachkurse des Roten Kreuzes wurden komplett suspendiert, während die Nichtregierungsorganisation Are You Syrious (AYS) weiterhin Sprachkurse über die Plattform ZOOM abhielt. Dabei wurde aber die mangelhafte WLAN-Versorgung in den Aufnahmeeinrichtungen bewusst. Auch Nichtregierungsorganisationen, die kostenlose Rechtsberatung anboten konnten ihre Leistungen wegen der pandemiebedingten Zugangsbeschränkungen nur eingeschränkt anbieten, derartige Beratung fand jedoch weiterhin über Email oder Telefon durch das Croatian Law Centre statt (AIDA, Country Report Croatia, 2020 update, S. 81f; 2021 update, S. 86ff).
33
Kinder haben auch während des laufenden Asylverfahrens Anspruch auf Schulerziehung. Der Zugang zu kroatischen Schulen besteht 30 Tage nach Asylantragstellung (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 90). Grundsätzlich gibt es auch Unterstützung für Kinder beim Kroatisch-Lernen sowie in Vorbereitungsklassen oder Ergänzungsklassen für bestimmte Fächer. Allerdings berichtet insbesondere AYS von vielfältigen praktischen Problemen bei der Organisation und beim Zugang zu den Vorbereitungsklassen. Auch das Kroatische Erziehungsministerium gesteht zu, dass es Probleme beim Zugang von Kindern zu Grundschulen wie zu weiterführenden Schulen gibt (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 90f).
34
Gegen negative Entscheidungen kann innerhalb von 30 Tagen Klage zum Verwaltungsgericht erhoben werden, bei Dublin-Entscheidungen, Unzulässigkeitsentscheidungen und Entscheidungen im beschleunigten Verfahren innerhalb von 8 Tagen. Abgesehen von Entscheidungen im beschleunigten Verfahren und manchen Unzulässigkeitsentscheidungen hat die Klage aufschiebende Wirkung. Gegen eine negative Gerichtsentscheidung besteht die Möglichkeit, Berufung zum Obersten Verwaltungsgericht oder Beschwerde zum Verfassungsgericht einzulegen (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 23).
35
Damit liegen grundsätzlich keine systemischen Schwachstellen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO vor, aufgrund derer Asylsuchenden generell die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRChr droht. Kroatien verfügt über ein grundsätzlich funktionierendes und dem Schutzbedürfnis von Asylsuchenden Rechnung tragendes Asylsystem. Auch die Aufnahmebedingungen sind ausreichend.
36
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der spezifischen Situation der Antragsteller und dem Vortrag ihres Bevollmächtigten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren.
37
Soweit dieser sich in der Antragsbegründung auf gravierende Menschenrechtsverletzungen an der kroatischen Grenze bezieht meint er damit offenbar die mehrfach dokumentierten Zurückschiebungen von Asylsuchenden über die kroatische Grenze nach Bosnien-Herzegowina und Serbien. Allerdings gibt es keine Hinweise dafür, dass Personen wie die Antragsteller, die bereits einen Asylantrag in Kroatien gestellt haben und nun nach der Dublin III-VO wieder nach Kroatien überstellt werden, von den kroatischen Behörden ohne ein Asylverfahren wieder nach Bosnien-Herzegowina (oder ggf. Serbien) abgeschoben werden. Über derartige Praktiken wird in den entsprechenden Quellen nicht berichtet. Bezeichnenderweise nennt der Bevollmächtigte der Antragsteller hierfür auch keine Nachweise, sondern belässt es bei der Behauptung, derartiges könne für die Antragsteller nicht ausgeschlossen werden. Dies genügt jedoch keineswegs.
38
Dass die Kinder der Familie, die Antragsteller zu 3) und 4) in Kroatien nicht in die Schule gehen konnten ist bereits aufgrund ihres Altes irrelevant: Denn die Antragstellerin zu 3) ist ein vierjähriges Mädchen, der Antragsteller zu 4) ein zweijähriger Junge. Für beide ist es daher für einen Schulbesuch noch zu früh. Daneben haben schulpflichtige Kinder in Kroatien auch während des laufenden Asylverfahrens Zugang zu Schulerziehung (s.o.).
39
Soweit vorgetragen wird, dass die Antragsteller damit rechnen müssten, bei einer Rückkehr nach Kroatien als Folgeantragsteller behandelt zu werden, besteht hierfür kein Anhaltspunkt: Im Gegenteil haben die kroatischen Behörden in ihrer Antwort auf das Wiederaufnahmegesuch mitgeteilt, dass die Asylverfahren der Antragsteller noch laufen. Daher werden diese bei einer Rückkehr nach Kroatien fortgeführt werden.
40
Für die erstmals im gerichtlichen Verfahren vorgetragene psychische Krankheit der Antragstellerin zu 2) wurden keinerlei Nachweise vorgelegt. Eine derartige Erkrankung wurde auch weder vom Antragsteller zu 1) noch von der Antragstellerin zu 2) selbst beim Bundesamt vorgetragen. Der Vortrag ist daher nicht glaubwürdig und konnte nicht berücksichtigt werden.
41
Soweit die Antragstellerin zu 2) dagegen angab, dass sie die Kosten für Krankenbehandlung, konkret wegen ihrer Ohrenschmerzen, selbst habe aufbringen müssen, steht dies im Widerspruch zur Auskunftslage: Danach haben Asylsuchende im laufenden Verfahren Anspruch auf Notfallversorgung (s.o.). Auch die für Asylsuchende zuständigen Apotheken wurden festgelegt (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 92). Daher deutet der Vortrag der Antragsteller, das Medikament selbst bezahlen zu müssen eher darauf hin, dass sie eben eine andere Apotheke aufgesucht haben. Daneben dürften Arzneimittel für die von der Antragstellerin zu 2) vorgetragenen Ohrenschmerzen auch aus dem in Kroatien gezahltenTaschengeld bestreitbar sein, so dass, auch wenn hier eine Pflicht zu Selbstzahlung vorliegen würde, systemische Mängel der Aufnahmebedingungen, die eine unmenschliche Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh befürchten ließen, nicht vorliegen.
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Auch die Schwangerschaft der Antragstellerin zu 2) führt zu keiner anderen Einschätzung. Wie bereits oben ausgeführt wurde werden Schwangere bei der Aufnahme von Gynäkologen untersucht und die notwenigen Untersuchungen vor und nach der Geburt werden durch die Nichtregierungsorganisation Medecins du Monde organisiert. Daneben haben bereits nach der kroatischen Verordnung über die Gesundheitsfürsorge für Asylsuchende schwangere Frauen Anspruch auf Gesundheitsfürsorge im gleichen Umfang wie Frauen, die krankenversichert sind (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 92).
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3. Den Antragstellern droht in Kroatien aber auch im Falle einer Anerkennung als international Schutzberechtigte keine gegen Art. 4 GRCh verstoßende Behandlung.
44
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 19. März 2019 (C-163/17 - juris Rn. 76f) entschieden, dass es für die Anwendung des Art. 4 GRCh gleichgültig ist, ob es zum Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss dazu kommt, dass die betreffende Person aufgrund ihrer Überstellung an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin III-VO einem ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren (Rn. 88). Daher hat das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung befasste Gericht auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben zu prüfen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen, die zu einer derartigen Gefahr nach einer Zuerkennung internationalen Schutzes führen (Rn. 90). Auch insoweit gilt grundsätzlich wiederum der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens (Rn. 82). Damit derartige Schwachstellen unter Art. 4 GRCh, Art. 3 EMRK fallen muss eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreicht sein, dies von sämtlichen Umständen des Falles abhängt (Rn. 91 unter Verweis auf EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - M.S.S. / Belgien und Griechenland). Diese besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit wäre nach der genannten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof dann erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von der öffentlichen Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, und es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (Rn. 92).
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Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich Kroatiens nicht vor.
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a) Anerkannte Flüchtlinge erhalten in Kroatien eine Aufenthaltserlaubnis für 5 Jahre, subsidiär Schutzberechtigte von 3 Jahren Dauer (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 123). Ab der Schutzgewährung sind sie zur Arbeit in Kroatien berechtigt. Tatsächlich bestehen jedoch regelmäßig Schwierigkeiten, eine Arbeit zu finden, vor allem wegen der Sprachbarriere (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S.135). Es gibt jedoch von verschiedenen Nichtregierungsorganisationen Unterstützung für anerkannte Schutzberechtigte, um diese Schwierigkeiten zu reduzieren und im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen (vgl. hinsichtlich der Einzelheiten AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S.120f. und S. 136f).
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Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, die nicht über die notwendigen Mittel verfügen, um sich selbst eine Unterkunft zu beschaffen, haben zwei Jahre lang einen Anspruch auf Unterbringung gegen den kroatischen Staat, den sie bei den kroatischen Sozialbehörden geltend machen müssen. Sofern keine Wohnung auf dem privaten Wohnungsmarkt oder im Eigentum des kroatischen Staates verfügbar ist können anerkannte Schutzberechtigte 2 Jahre lang in den Aufnahmezentren bleiben. In der Praxis bleiben Schutzberechtigte auch über die zweijährige Frist hinaus in den Aufnahmezentren, bis eine passende Wohnung für sie gefunden wird (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 132f). Wenn der Schutzberechtigte über finanzielle Mittel verfügt ist er gegenüber der zuständigen Sozialbehörde verpflichtet, zu den Kosten der Wohnung beizutragen (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 132). Nach Ablauf der zweijährigen Frist ist es angesichts von bestehender Wohnungsknappheit und hoher Mieten für anerkannte Schutzberichte grundsätzlich schwierig, eine Wohnung zu finden (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S.134). Da sie aber wie kroatische Staatsangehörige Anspruch auf die in Kroatien bestehenden Sozialleistungen haben können sie diese beantragen (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 140f). Diese sind Berichten zufolge allein jedoch nicht ausreichend (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Kroatien, Stand 18.5.2020, S. 16). Es existieren aber verschiedene Nichtregierungsorganisationen die Unterstützung bei der Wohnungssuche und den Mietkosten leisten (AIDA, Country Report Croatia, 2021, update, S. 134).
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Anerkannte Schutzberechtigte sind in Kroatien nicht krankenversichert, haben aber einen Anspruch auf eine Gesundheitsversorgung auf staatliche Kosten. In der Praxis besteht hier häufig das Problem, dass die behandelnden Ärzte darüber aber nicht informiert sind (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S.141). Anerkannte Schutzberechtigte, die eine Arbeit haben sind dagegen krankenversichert. Anders als kroatische Staatsangehörige kann der arbeitende Schutzberechtigte seine Familie nicht in den Krankenversicherungsschutz einbeziehen. Deren Behandlungskosten werden weiterhin vom kroatischen Staat getragen (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 142). Werden Medikamente benötigt, dann hat die Apotheke eine Rechnung an den Kroatischen Krankenversicherungsfonds zu schicken, der sie, wenn die Verschreibung korrekt ist, an das Kroatische Gesundheitsministerium weiterleitet. Befindet sich das Medikament auf der Liste der Basismedikamente, dann wird die Rechnung vollständig von Gesundheitsministerium übernommen. Steht es dagegen auf der Ergänzungsliste, dann werden die Kosten zwischen dem Ministerium und der betreffenden Person geteilt (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 142).
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Daneben haben anerkannte Schutzberechtigte im gleichen Umfang wie kroatische Staatsangehörige Anspruch auf Sozialleistungen. (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S.140). Gewährt wird u.a. ein Zuschuss zu den Lebenshaltungskosten für Bedürftige („guaranteed minimum benefit“ bzw. „zajamčena minimalna naknada“). Dieser wird u.a. anerkannt Schutzberechtigten gewährt, die kein Einkommen haben, um ihre Lebenshaltungskosten zu decken. Er beläuft sich bei Familien auf 480 Kuna (63 Euro) pro Erwachsenem und weiteren 320 Kuna (42 Euro) für jedes in der Familie lebende Kind. Daneben gibt es auch einmalige Unterstützung („one-time-assistance“ bzw. „jednokratna naknada“), wenn einmalig außerordentliche Kosten anfallen wie bei der Geburt eines Kindes, bei der Erziehung eines Kindes oder der Notwendigkeit, grundlegende Haushaltsgegenstände zu erwerben. Der Höchstbetrag beläuft sich hier bei einem Familienhaushalt auf 3.500 Kuna (458 Euro) (vgl. https://welcomm-europe.eu/croatia/welfare/, zuletzt besucht am 21.12.2022; AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 140). Für Familien, deren Einkommen 70% der Bemessungsgrenze (2.328,20 Kuna bzw. 310 Euro im Monat) nicht übersteigt besteht Anspruch auf Kindergeld („child benefit“ bzw. „doplatak za djecu“) in Höhe von monatlich zwischen 199,56 und 299,34 Kuna (27 und 40 Euro) pro Kind (vgl. https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=1104& langId=en& intPageId=4453 und https://welcomm-europe.eu/croatia/welfare/, beide zuletzt besucht am 21.12.2022). Außerdem werden im Einzelfall auch Unterstützungsleistungen zu den Wohnkosten und zu den Kosten der Schulerziehung gewährt (vgl. https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=1104& langId=en& intPageId=4464, zuletzt besucht am 21.12.2022, AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 140). Hierzu werden auch Beratungsleistungen erbracht (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 141)
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In Kroatien existierte ein Aktionsplan zur Integration anerkannter international Schutzberechtigter, der von 2017 bis 2019 gültig war, der aber nie in die Praxis umgesetzt wurde. Ein neuer Plan, der die Jahre 2020 bis 2022 abdecken sollte, war bis Ende 2021 noch nicht verabschiedet (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S.116). Grundlegende Informationen für anerkannt Schutzberechtigte finden sich in einem Führer des kroatischen Regierungsbüros für Menschenrechte und die Rechte nationaler Minderheiten aus dem Jahr 2019, der in 7 Sprachen (Kroatisch, Englisch, Französisch, Ukrainisch, Arabisch, Urdu und Farsi) erhältlich ist. Daneben hat auch das Kroatische Rote Kreuz Informationsbroschüren in Englisch, Arabisch, Farsi und Französisch bereitgestellt. Schließlich stellen auch die IOM, der UNHCR und verschiedene NGOs Informationen bereit, (Aida Country Report Croatia, 2021 update, S.117f), u.a. auf verschiedenen Websites wie www.welcomm-europe.eu/croatia (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 120f).
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Als das größte Hindernis für eine erfolgreiche Integration wird der Mangel an Sprachkenntnissen angesehen (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S.118f). Grundsätzlich werden Sprachkurse von staatlicher Seite als auch von verschiedenen Nichtregierungsorganisationen angeboten. Allerdings wird verbreitet berichtet, dass diese für die Integration insbesondere in den Arbeitsmarkt nicht ausreichend seien. So würde Unterricht nicht immer regelmäßig stattfinden. Die Kurse setzten regelmäßig beim Anfängerniveau an, was für Schutzberechtigte, die schon über bestimmte Kenntnisse verfügten oder höhere Sprachkenntnisse benötigten, frustrierend sei (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 135f). Verschiedene Nichtregierungsorganisationen versuchen jedoch, anerkannte Schutzberechtigte hier zu unterstützen (vgl. im Einzelnen AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S.117ff, S.135f). So hat auch das Kroatische Wissenschafts- und Erziehungsministerium ein vom EU-Flüchtlingsfonds finanziertes Projekt zur besseren Integration von Schutzberechtigten in die kroatische Gesellschaft und den Arbeitsmarkt auf den Weg gebracht. Das Projekt sieht 280 Stunden Sprachkurs vor, ist für die Teilnehmenden kostenlos und wird neben Zagreb auch in Slavonski Brod, Sisak und Karlovac angeboten (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 135).
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Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte haben Zugang zum kroatischen Schulsystem wie kroatische Staatsangehörige. Daneben unterstützen Nichtregierungsorganisationen wie „Are you Syrious“ (AYS) und das Kroatische Rote Kreuz Schüler bzw. deren Familien beim Erlernen der Sprache, der Bewältigung des Schulstoffs und der Kommunikation mit der Schule. Das Kroatische Rote Kreuz verteilt auch Pakete mit Schulutensilien (AIDA, Country Report Croatia, 2021 update, S. 138f).
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b) Dies bedeutet im Falle der Antragsteller, dass sie im Falle einer Anerkennung als international Schutzberechtigte jedenfalls für zwei weitere Jahre in einer bereitgestellten Unterkunft untergebracht würden. Den Antragstellern würden Sprachkurse angeboten, ihre Kinder hätten bei Erreichen des schulpflichtigen Alters die Möglichkeit, zur Schule zu gehen. Im Krankheitsfall würden die Behandlungskosten übernommen.
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Angesichts der Tatsache, dass zu der Familie dann drei Kleinkinder gehören werden stünde für eine Arbeitsaufnahme wohl allein der Antragsteller zu 1) zur Verfügung, da die Antragstellerin zu 2) mit der Betreuung der drei Kinder bereits vollständig ausgelastet sein dürfte. Ob der Antragsteller zu 1) in der Lage sein wird, als Alleinverdiener ein ausreichendes Einkommen zu erzielen, um die neben der Unterkunft notwendigen Lebenshaltungskosten einer fünfköpfigen Familie zu decken, ist zu bezweifeln.
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Allerdings könnten die Antragsteller daneben Sozialleistungen wie kroatische Staatsangehörige beziehen, konkret Zuschüsse zu den Lebenshaltungskosten in Höhe von 1920 Kuna (252 Euro) für die dann wohl 5-köpfige Familie. Hinzu käme noch Kindergeld für die dann drei Kinder in Höhe von zwischen rd. 600 und rd. 900 Kuna (81 bis 120 Euro). Falls dies - und etwaige weitere einmalige Hilfen, s.o. - nicht reichen würde hätten sie zudem die Möglichkeit, Unterstützung durch eine der Nichtregierungsorganisationen, von denen einige in Kroatien tätig sind, anzunehmen.
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Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es für die Antragsteller bei einer Rückkehr nach Kroatien auch im Falle ihrer Anerkennung als international Schutzberechtigte schwer werden wird, die für den Lebensunterhalt notwendigen Mittel zu erwirtschaften. Allerdings kann es nicht feststellen, dass die Vorgaben des oben genannten strengen Maßstabs, den der EuGH für die Annahme einer gegen Art. 4 GRCh, Art. 3 EMRK drohenden Behandlung aufgestellt hat, erfüllt sind. Angesichts der Leistungen, die der kroatische Staat für anerkannte Schutzberechtigte erbringt kann zur Überzeugung des Gerichts keine Rede davon sein, dass den Antragstellern infolge Gleichgültigkeit der kroatischen Behörden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine gegen Art. 4 GRCh, Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung drohte.
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4. Auch Abschiebungshindernisse sind nicht gegeben. Das gilt sowohl für zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG, als auch für inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, die die Antragsgegnerin bei Abschiebungsanordnungen nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ebenfalls zu prüfen hat (vgl. dazu BayVGH, B.v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 -, juris sowie B. v. 21.4.2015 - 10 CE 15.810, 10 C 15.813 -, juris Rn. 4).
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Insbesondere liegt im Zeitpunkt der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) (noch) kein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis aufgrund der Schwangerschaft der Antragstellerin zu 2) vor. Ärztliche Unterlagen über den voraussichtlichen Entbindungstermin liegen nicht vor. Nach den Angaben der Antragstellerin zu 2) beim Bundesamt war sie Ende September 2022 am Ende des dritten Schwangerschaftsmonats. Daher geht das Gericht davon aus, dass sie nun Ende Dezember am Ende des sechsten Schwangerschaftsmonats ist. Eine Reiseunfähigkeit besteht aber für Schwangere grundsätzlich erst mit Beginn der Mutterschutzfrist sechs Wochen vor dem voraussichtlichen Entbindungstermin. Dieser Zeitpunkt ist daher noch nicht erreicht. Anhaltspunkte dafür, dass im Fall der Antragstellerin zu 2) bereits zuvor wegen besonderer Komplikationen der Schwangerschaft eine Reiseunfähigkeit vorliegt, wurden nicht vorgetragen und sind von Amts wegen nicht erkennbar.
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Auf die besondere Verletzlichkeit der schwangeren Antragstellerin zu 2) und die Tatsache, dass es sich bei den Antragstellern um eine Familie mit zwei Kleinkindern handelt, hat das Bundesamt die kroatischen Behörden vor Überstellung zudem nach Art. 31 Dublin III-VO hinzuweisen, damit diese die für den Schutz der Antragsteller notwendigen Vorkehrungen treffen können.
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Soweit der Bevollmächtigte der Antragsteller auf nicht im Einzelnen bezeichnete Gerichtsentscheidungen anderer europäischer Staaten Bezug genommen hat konnten diese schon aus dem Grunde nicht berücksichtigt werden, da sie nicht konkretisiert waren.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).