Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 05.10.2022 – 12 W 2303/22
Titel:

Anforderungen an die Änderung des Vereinszwecks

Normenkette:
BGB § 33 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Vereinszweck ist der den Charakter des Vereins festlegende oberste Leitsatz der Vereinstätigkeit, also der satzungsmäßig (§ 57 Abs. 1 BGB) festgelegte Zweck, der für das Wesen der Rechtspersönlichkeit des Vereins maßgebend ist und der das Lebensgesetz des Vereins - seine große Linie - bildet, um derentwillen sich die Mitglieder zusammengeschlossen haben und mit dessen Abänderung schlechterdings kein Mitglied bei seinem Beitritt zum Verein rechnen kann. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Änderung des Vereinszwecks erfordert, dass sich der Charakter und damit die grundsätzliche Zweckrichtung des Vereins ändert. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verein, Vereinszweck, Änderung, Anforderungen
Vorinstanz:
AG Amberg vom 07.07.2022 – VR 464
Fundstellen:
FGPrax 2023, 65
RPfleger 2023, 111
BeckRS 2022, 41380
NZG 2023, 1377
LSK 2022, 41380
RNotZ 2023, 305

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts - Registergericht - Amberg vom 07.07.2022 (Gz: VR 464 (Fall 4) abgeändert.
2. Das Amtsgericht wird angewiesen, für die Entscheidung über die Registereintragung der zur Eintragung in das Vereinsregister angemeldeten Satzungsänderungen des Antragstellers von der dort geäußerten Rechtsauffassung, die Änderungen würden eine Änderung des Vereinszwecks im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB beinhalten, Abstand zu nehmen.
3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
1. Der Antragsteller, S., ist im Vereinsregister des Amtsgerichts Amberg unter Gz. VR 464 eingetragen.
2
Der Verein wurde 1985 eingetragen. Seine damalige Satzung (Bl. 5 d. A.) enthielt folgende Regelung des Vereinszwecks:
§ 2 Zweck des Vereins
3
(1) Zweck des Vereins ist die Vertretung der Vereinsmitglieder zur Wahrung ihrer Rechte und Erfüllung ihrer Verpflichtungen, soweit sie mit dem Haus- und Grundbesitz zusammenhängen sowie die Vermittlung der satzungsgemäßen Leistungen des Bayer. S.- und E.-bundes e. V., dem der Verein als korporatives Mitglied angehört.
4
(2) Der Zweck des Vereins ist nicht auf die Erzielung eines wirtschaftlichen Gewinns ausgerichtet.
5
Er verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnittes „Steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabenordnung.
6
(3) Mittel des Vereins dürfen nur für die satzungsgemäßen Zwecke verwendet werden. Die Mitglieder erhalten keine Zuwendungen aus Mitteln des Vereins.
7
2. In der Jahreshauptversammlung des Vereins vom 27.03.2022 wurde eine Neufassung der Vereinssatzung beschlossen (Bl. 3 ff. SB d. A.).
8
§ 2 (1) der Satzung soll danach folgende Fassung erhalten:
§ 2 Zweck des Vereins
9
(1) Zweck des Vereins ist die Vertretung der Vereinsmitglieder zur Wahrung ihrer Rechte und Erfüllung ihrer Verpflichtungen, soweit sie mit dem Haus- und Grundbesitz zusammenhängen. Der Verein gehört dem Verband W. Bayern e. V. an, der ihm seine satzungsgemäßen Leistungen vermittelt.
10
Weitere Änderungen in §§ 8, 11 und 12 betreffen neben der Installation eines weiteren Kassiers den Wechsel des Dachverbandes.
11
Unter Vorlage der notariellen Urkunde vom 02.05.2022 (UVZ-Nr. 0761/2022) (Bl. 1ff SB d.A.) wurden die Satzungsänderungen zur Eintragung in das Vereinsregister angemeldet. Der Anmeldung waren u. a. das Protokoll der Mitgliederversammlung, die Einladung zur Versammlung sowie die Neufassung der Vereinssatzung beigefügt.
12
Das Registergericht hat mit Verfügung vom 07.07.2022 (Bl. 47 d. A.) auf ein Vollzugshindernis hingewiesen. Danach sei der Zweck des Vereins geändert worden. Dieser bestehe auch in der Vermittlung der satzungsmäßigen Leistungen des Bayer. S.- und E.-bundes e. V.. Die aktive Vermittlungstätigkeit solle nun entfallen und der Verein außerdem einem anderen Verband unterstellt werden, der seine Leistungen vermittele (also passive Stellung des gegenständlichen Vereins). Diese Änderung des Zwecks bedürfe mangels anderweitiger Regelung in der Satzung der Zustimmung aller Mitglieder. Die Beibringung und Vorlage evtl. außerhalb einer Mitgliederversammlung erteilter schriftlicher Zustimmungen wurde seitens des Registergerichts binnen 4 Wochen erbeten.
13
Gegen diese Verfügung richtet sich die am 26.07.2022 bei Gericht eingegangene Beschwerde des Antragstellers vom 25.07.2022 (Bl. 48 ff. d. A.), der das Registergericht mit Beschluss vom 08.08.2022 (Bl. 49 d. A.) nicht abgeholfen hat.
II.
14
Die zulässige Beschwerde führt in der Sache zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
15
1. Das Verfahren betrifft eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit gemäß dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Es handelt sich um eine Registersache im Sinne des § 374 Nr. 4 FamFG.
16
2. Die Beschwerde ist zulässig.
17
a) Bei der angefochtenen Entscheidung handelt es sich um eine Zwischenverfügung des Registergerichts gemäß §§ 374 Nr. 4, 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG. Die hiergegen eingelegte Beschwerde ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 382 Abs. 4 Satz 2, 58 Abs. 1 FamFG statthaft. b)
18
Die Beschwerde wurde frist- (§ 63 Abs. 1 FamFG) und formgerecht (§ 64 Abs. 1 und 2 FamFG) durch die einzelvertretungsberechtigte 1. Vorsitzende des Vereins eingelegt. c)
19
Der Beschwerdeführer - Antragsteller - ist beschwerdeberechtigt. Änderungen der Satzung eines Vereins werden zum Vereinsregister vom Verein, dieser vertreten durch Vorstandsmitglieder in vertretungsberechtigter Zahl, zur Eintragung angemeldet (§ 71 Abs. 1 Satz 2 BGB); gegen die Zurückweisung der Anmeldung ist der Verein beschwerdeberechtigt, § 59 Abs. 1 und 2 FamFG.
20
d) Die Beschwerde ist unabhängig von dem Beschwerdewert zulässig, da im Hinblick auf den gemeinnützigen Vereinszweck von einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit auszugehen ist, § 61 Abs. 1 FamFG (OLG Hamm, Beschluss vom 12. August 2010 - I-15 W 377/09 -, Rn. 1, juris).
21
3. Die Beschwerde führt in der Sache zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts beinhaltet § 2 der Satzung des Beschwerdeführers keine Änderung des Vereinszwecks im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB. a)
22
Änderungen der Satzung eines Vereins bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Eintragung in das Vereinsregister (§ 71 Abs. 1 Satz 1 BGB).
23
Der Anmeldung sind eine Abschrift des die Änderung enthaltenden Beschlusses und der Wortlaut der Satzung beizufügen (§ 71 Abs. 1 Satz 3 BGB). In dem Wortlaut der Satzung müssen die geänderten Bestimmungen mit dem Beschluss über die Satzungsänderung, die unveränderten Bestimmungen mit dem zuletzt eingereichten vollständigen Wortlaut der Satzung und, wenn die Satzung geändert worden ist, ohne dass ein vollständiger Wortlaut der Satzung eingereicht wurde, auch mit den zuvor eingetragenen Änderungen übereinstimmen (§ 71 Abs. 1 Satz 4 BGB).
24
Diesen Erfordernissen genügt die verfahrensgegenständliche Anmeldung. b)
25
Das Registergericht hat das gesetz- und satzungsmäßige Zustandekommen eines Satzungsänderungsbeschlusses sowie dessen inhaltliche Zulässigkeit zu prüfen. Für die bei der Beschlussfassung einzuhaltenden Mehrheits-, Einstimmigkeits- und Zustimmungserfordernisse ist relevant, ob die Satzungsänderung zugleich eine Änderung des Vereinszwecks beinhaltet. Ist dies der Fall, so ist für die Eintragung im Vereinsregister die Zustimmung aller Vereinsmitglieder - auch der zur Mitgliederversammlung, in der die Beschlussfassung erfolgte, nicht erschienenen Mitglieder - erforderlich, § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB. Liegt keine Änderung des Vereinszwecks vor, ist (nur) eine Mehrheit von drei Vierteln der (seitens der erschienenen und abstimmenden Mitglieder) abgegebenen Stimmen erforderlich (§ 33 Abs. 1 Satz 1 BGB sowie die inhaltsgleiche Regelung in § 9 Abs. 3 S. 2 der Satzung).
26
In dieser unterschiedlichen Regelung kommt zum Ausdruck, dass es sich bei der Zweckänderung um eine Entscheidung von so grundlegender Bedeutung für den Verein und die Mitglieder handelt, dass sie von der Mehrheit grundsätzlich nicht beschlossen werden kann (BGH, Beschluss vom 11. November 1985 - II ZB 5/85 -, BGHZ 96, 245-252, Rn. 12). § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB trägt damit dem Gedanken des Schutzes der Minderheit vor einer Majorisierung durch die Vereinsmehrheit Rechnung (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 1988 - II ZR 311/87 -, BGHZ 105, 306 - 324, Rn. 20).
27
Das Zustimmungserfordernis hinsichtlich sämtlicher - auch nicht erschienener - Mitglieder entfällt auch nicht im Hinblick auf die Regelung in § 9 Abs. 3 der Satzung, wonach Satzungsänderungsbeschlüsse mit ¾ Mehrheit der erschienenen Mitglieder gefasst werden können. Zwar ist § 33 BGB nachgiebiges Recht; die Satzung kann etwas anderes bestimmen, § 40 S. 1 BGB. Derartige Satzungsbestimmungen gelten für eine Änderung des Vereinszwecks beinhaltende Satzungsänderungen jedoch nur dann, wenn sich dies aus ihrem Wortlaut oder Sinn unzweideutig ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 1985 - II ZB 5/85 -, BGHZ 96, 245-252, Rn. 12; Ellenberger in: Grüneberg, BGB 81. Aufl. § 33 Rn. 3 m.w.N.). An einer entsprechenden Eindeutigkeit fehlt es indes im Streitfall. c)
28
Nicht bereits jede Änderung des den Vereinszweck regelnden Satzungswortlauts stellt zugleich eine Änderung des Vereinszwecks im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB dar. Vereinszweck im Sinne dieser Vorschrift ist vielmehr (nur) der den Charakter des Vereins festlegende oberste Leitsatz der Vereinstätigkeit, also der satzungsmäßig (§ 57 Abs. 1 BGB) festgelegte Zweck, der für das Wesen der Rechtspersönlichkeit des Vereins maßgebend ist und der das Lebensgesetz des Vereins - seine große Linie - bildet, um derentwillen sich die Mitglieder zusammengeschlossen haben und mit dessen Abänderung schlechterdings kein Mitglied bei seinem Beitritt zum Verein rechnen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 1985 - II ZB 5/85 -, BGHZ 96, 245-252, Rn. 16; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 25. Januar 2001 - 3Z BR 319/00 -, Rn. 17, juris; MüKoBGB/Leuschner, 9. Aufl. 2021, BGB § 33 Rn. 11; BeckOK BGB/Schöpflin, 63. Ed. 1.8.2022, BGB § 33 Rn. 7).
29
Bei der Feststellung des Vereinszwecks ist zu beachten, dass Vereinssatzungen häufig nicht zwischen der eigentlichen - prinzipiell indisponiblen - Zweckbestimmung des Vereins und der - wenn auch mit qualifizierter Mehrheit - grundsätzlich disponiblen näheren Darstellung von Aufgaben und einzuschlagenden Wegen unterscheiden, vielmehr den im allgemeinen Sprachgebrauch weit ausgedehnten Begriff des „Zweckes“ nicht in rechtlich differenziertem Sinne verwenden (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 1985 - II ZB 5/85 -, BGHZ 96, 245 - 252, Rn. 16).
30
d) Eine Änderung des Vereinszwecks im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB erfordert damit, dass sich der „Charakter“ und damit die grundsätzliche Zweckrichtung des Vereins ändert (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 25. Januar 2001 - 3Z BR 319/00 -, Rn. 17, juris; Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 5, 5. Aufl. 2021, § 14 Vereinszweck Rn. 6, beck-online). Hierfür reicht nicht aus, wenn die Ziele des Vereins unter Aufrechterhaltung der bisherigen Leitidee dem Wandel der Zeit angepasst und mit anderen Mitteln verfolgt werden; ebenfalls genügt nicht, wenn der Vereinszweck - unter Aufrechterhaltung der bisherigen grundsätzlichen Zweckrichtung - lediglich ergänzt oder beschränkt wird (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 25. Januar 2001 - 3Z BR 319/00 -, Rn. 17, juris; Ellenberger in: Grüneberg, BGB 81. Aufl. § 33 Rn. 3; Krafka, RegisterR, 11. Aufl. 2019, Teil 4. Vereinsregister Rn. 2186a, beck-online).
31
Zur Beurteilung der Frage der Zweckänderung hat der Senat die Satzung des Vereins selbständig auszulegen, er ist hierbei nicht an die Würdigung durch die Vorinstanz gebunden. Diese Auslegung hat objektiv, lediglich aus dem Inhalt der Satzung heraus zu erfolgen; Willensäußerungen oder Interessen der satzungsbeschließenden Vereinsmitglieder oder sonstige, dem Satzungsinhalt nicht zu entnehmende Umstände spielen für die Auslegung keine Rolle (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 1985 - II ZB 5/85 -, BGHZ 96, 245 - 252, Rn. 14; OLG Nürnberg, Beschluss vom 20. Mai 2015 - 12 W 882/15 -, Rn. 37, juris).
32
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass eine weite Ausdehnung der indisponiblen Zweckbestimmung in aller Regel nicht dem Interesse des Vereins und seiner Mitglieder entspricht. Es bleibt in einem längeren Vereinsleben nicht aus, dass geänderte Forderungen an den Verein herantreten und sich unvorhergesehene Schwierigkeiten auftun, auf die er sich in praktikabler Weise einstellen muss. Hierbei muss er, ohne die prinzipielle Zielrichtung des Vereins aufzugeben, einzelne Teile der Satzung ohne Rücksicht auf Außenseitermeinungen sachgerecht den veränderten Verhältnissen anpassen können (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 25. Januar 2001 - 3Z BR 319/00 -, Rn. 18, juris). e)
33
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe wurde von der Rechtsprechung bislang als Zweckänderung im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB beurteilt
- die Änderung des bisherigen Zwecks, die Gesundheit und körperliche Gewandtheit der Mitglieder durch Turnen und Jugendspiele zu fördern, in den neuen Zweck, die Mitglieder durch planmäßige Pflege der Leibesübungen körperlich und seelisch im Geiste des Nationalsozialismus zu erziehen (BGH, Urteil vom 17.01.1957 - II ZR 239/55, BGHZ 23, 122),
- die Änderung des bisherigen Zwecks der Förderung des Kleingartenwesens (der infolge Bebauung tatsächlich unmöglich geworden und auf untergeordnete Restaufgaben, insbesondere die Verwaltung des Vereinsvermögens, zusammengeschrumpft war) durch Finanzierung, Erstellung und Betrieb einer vereinseigenen Entwässerungsanlage (BGH, Urteil vom 30.11.1967 - II ZR 3/66, BGHZ 49, 175),
- die Änderung des bisherigen Zwecks der Förderung von Racketsportarten, insbesondere von Squash und Badminton, in die Förderung einer umfassenden sportlichen Betätigung, die zusätzlich den Gesundheits-, Behinderten- und Rehabilitationssport öffnet (OLG Hamm, Beschluss vom 16. August 2011 - I -15 W 546/10),
- wenn ein genossenschaftlicher Prüfungsverband für Kreditgenossenschaften sein satzungsmäßiges Betätigungsfeld um die Unterhaltung eines Sicherungsfonds erweitert und die Kosten durch hohe Beiträge auf die Mitglieder umlegt (OLG Hamm, Beschluss vom 14. April 1980 - 15 W 61/79),
- wenn ein Verein zur Vertretung von Standesinteressen eine Wohlfahrtseinrichtung errichtet und dafür nach Art und Höhe bisher nicht erhobene Beiträge einfordert (RG JW 1931, 1450).
34
Als keine Zweckänderung im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB wurde angesehen
- die Änderung des bisherigen Zwecks, den Anspruch einer Volksgruppe und der einzelnen Landsleute auf Rückerstattung des geraubten Vermögens und die sich daraus ergebenden Entschädigungsansprüche zu vertreten, in den neuen Zweck, die Rückgabe konfiszierten Vermögens auf der Basis einer gerechten Entschädigung zu vertreten (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 25. Januar 2001 - 3Z BR 319/00),
- die Beeinflussung des Vereinszwecks, durch sorgfältige Pflege des Sports zur körperlichen Ertüchtigung seiner Mitglieder beizutragen sowie durch den Sport Zusammengehörigkeit unter seinen Mitgliedern zu fördern, durch den Umstand, dass der Verein zur Ausübung einer bestimmten Sportart (hier: Rudern) eine entsprechende Abteilung nicht weiterhin unterhält (BGH, Urteil vom 19. Februar 2013 - II ZR 169/11, NJW-RR 2013, 604),
- die Änderung des Zwecks eines Vereins zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs und der Wirtschaftskriminalität, der bisher im Interesse von Unternehmen, freiberuflich Tätigen und Verbrauchern tätig war, mit Rücksicht auf die Anforderungen der Klagebefugnis nach § 13 UWG a.F. dahingehend, dass die Verbraucher aus der satzungsmäßigen Zielbeschreibung gestrichen werden (BGH, Beschluss vom 11. November 1985 - II ZB 5/85, BGHZ 96, 245),
- die Erweiterung des bisherigen Zwecks, die Kenntnis des Werkes eines Bildhauers in der Öffentlichkeit zu verbreiten und zu vertiefen sowie darüber hinaus im Bewusstsein der Allgemeinheit das Verständnis für Bildhauerkunst in Geschichte und Gegenwart zu fördern, dahingehend, dass in Verfolgung dieses Anliegens auch die sonstige Förderung und Unterstützung des Künstlers, z. B. bei dem Erwerb von Kunstwerken und der Durchführung von Baumaßnahmen, Vereinszweck sein soll (LG Bremen, Beschluss vom 12. Juli 1989 - 2 T 375/89, Rpfleger 1989, 415),
- die Erweiterung des bisherigen Zwecks eines Tierschutzvereins - die Verhütung von Tierquälereien und Tiermisshandlungen - auf die artgemäße Haltung von Nutztieren und die Erhaltung bedrohter Tierarten (LG Lübeck, Beschluss vom 30. November 1981 - 7 T 856/81, SchlHA 1982, 26),
- die Aufgabe einer bereits lange nicht mehr bestehenden und anerkannten Gemeinnützigkeit (OLG Frankfurt, Urteil vom 11. November 1998 - 23 U 256/97, OLGR 1999, 165),
- die Verschmelzung des Vereins mit einem anderen Verein, ohne dass dabei bisherige Vereinszwecke aufgegeben oder im Rahmen der geänderten Verhältnisse nach der Fusion unmöglich gemacht werden (OLG Hamm, Beschluss vom 19. September 2012 - I-8 AktG 2/12, NZG 2013, 388),
- die Erweiterung des bisherigen Zwecks der Aufbringung von Geldmitteln für die Innenrestaurierung einer im Jahre 1747 erbauten und als Kulturdenkmal eingestuften und unter Schutz gestellten Pfarrkirche nach Abschluss der Innenrestaurierung auf die Förderung der Pfarrkirche mit dem gesamten Pfarrzentrum (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 4. Juli 2013 - 3 W 68/13),
- die Änderung des bisherigen Zwecks der Förderung von Sport-, Ausbildungs- und Freizeitmaßnahmen, die von einem Behindertensportverband durchgeführt und unterstützt werden, auf die ideelle und finanzielle Förderung dieses Behinderten- und Rehabilitationsportverbandes, seiner Mitgliedsvereine und weiterer Organisationen, die den Behindertensport fördern (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 17. Dezember 2012 - 3 W 93/12, NZG 2013, 907),
- die Änderung der Satzung eines Schützenvereins dahin, dass an Stelle der Ausübung des „Schieß- und Bogensports“ lediglich noch die Ausübung des „Bogensports“ Vereinszweck ist (OLG Nürnberg, Beschluss vom 17. November 2015 - 12 W 2249/15 -, juris),
- die Zulassung von Personen jeden Geschlechts zur Mitgliedschaft bei einem Verein, dessen oberste Leitsätze im Sinne des Vereinszwecks der lebendige Gedankenaustausch, insbesondere auf geistigem Gebiet, die Förderung des Allgemeinwohls und das Verfolgen gemeinnütziger Zwecke ist (OLG Frankfurt, Urteil vom 6. Juli 2018 - 3 U 22/17 -, Rn. 107 - 108, juris). f)
35
Bei Ansatz vorstehender Bewertungsmaßstäbe stellt sich die streitgegenständliche Änderung des Vereinszwecks nicht als solche im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB dar.
36
aa) Für die Beurteilung dieser Frage ist ein Vergleich der zuletzt wirksam beschlossenen Fassung der Satzung mit dem neugefassten Satzungszweck anzustellen.
37
bb) In der aktuell geltenden Satzungsfassung wird als Zweck beschrieben die Vertretung der Vereinsmitglieder zur Wahrung ihrer Rechte und Erfüllung ihrer Verpflichtungen, soweit sie mit dem Haus- und Grundbesitz zusammenhängen, sowie die Vermittlung der satzungsgemäßen Leistungen des Bayer. S.- und E.-bundes e. V. Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Mittel des Vereins dürfen nur für die satzungsgemäßen Zwecke verwendet werden. Die Mitglieder erhalten keine Zuwendungen aus Mitteln des Vereins.
38
Die Neufassung sieht vor, dass die Vermittlung der satzungsgemäßen Leistungen des Bayer. S.- und E.-bundes e. V., dem der Verein als korporatives Mitglied angehört, entfällt. Stattdessen soll der Verein dem Verband Wohneigentum Bayern e. V. angehören, der ihm seine satzungsgemäßen Leistungen vermittelt.
39
cc) Seitens des Antragstellers wurde ausgeführt, dass durch die Satzungsänderung der Zweck des Vereins unverändert bleibe, (nur) ein Mittel seiner Verwirklichung sei künftig die Mitgliedschaft in einem anderen Dachverband. Damit ändere sich der Charakter des Vereins, sein Kernzweck nicht, denn die Tätigkeit des Vereins bei der Unterstützung seiner Mitglieder bleibe unverändert als oberste Leitidee des Vereins formuliert. Der Verein wolle die Belange seiner eigenen Mitglieder fördern, nicht etwa die seines bisherigen Dachverbandes. Die „Vermittlung der satzungsmäßigen Leistungen des Bayer. S.- und E.-bundes e. V.“ sei nicht Teil des Vereinszwecks.
40
Das Registergericht hingegen hat das Vorliegen einer Zweckänderung damit begründet, dass der kumulativ formulierte (“sowie“) Zweck der (aktiven) Vermittlung von Leistungen eines Dachverbandes entfalle und ersetzt werde durch eine passive Stellung des gegenständlichen Vereins, dem Leistungen durch einen anderen Dachverband vermittelt würden. Auch könne es für ein Mitglied des Vereins bei der Entscheidung zum Eintritt sehr wohl entscheidend gewesen sein, zu welchem Dachverband mit welcher wohnungspolitischen Ausrichtung sich der Verein zähle und welche Leistungen dem einzelnen Mitglied vermittelt würden.
41
dd) Vor dem Hintergrund der oben dargelegten Rechtsprechung verneint der Senat vorliegend eine Zweckänderung durch die zur Eintragung angemeldete Änderung von § 2 der Satzung. Bei der Mitgliedschaft in dem dort konkret bezeichneten Dachverband handelt es sich nicht um den Zweck des Vereins. Der Umstand, dass möglicherweise ein Mitglied im Einzelfall die Frage seines Beitritts zum Verein davon abhängig macht, welchem Dachverband der Verein angehört, bleibt bei der gebotenen Auslegung der Regelung aus dem Inhalt der Satzung heraus unberücksichtigt. Durch die maßgebliche Auslegung ergibt sich als Vereinszweck die Vertretung der Vereinsmitglieder zur Wahrung ihrer Rechte und Erfüllung ihrer Verpflichtungen, soweit sie mit dem Haus- und Grundbesitz zusammenhängen. Leistungen eines Dachverbands sind dagegen als Ausgestaltung dieser Vertretung offenkundig nur Mittel zur Erreichung dieses Vereinszwecks. Allein die sprachliche Ausgestaltung (“Zweck des Vereins ist die Vertretung […] sowie die Vermittlung […]“) führt nicht dazu, dass die Vermittlung der Leistungen, geschweige denn die Zugehörigkeit zu einem bestimmten unterstützenden Dachverband zum Vereinszweck erhoben wird. Zutreffend verweist der Beschwerdeführer insoweit auf das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 28. April 1980, das zur Frage der Wirksamkeit des Austritts eines Ortsvereins aus dem Landesverband der Ortsvereine der Hauseigentümer und Grundeigentümer ergangen ist. Die Auslegung der dortigen Satzung dahin, die Mitgliedschaft im Landesverband sei selbst nicht Zweck, sondern nur ein Mittel, das dazu verhelfen solle, das eigentliche Ziel des Vereins, die Interessen seiner eigenen Mitglieder zu fördern, besser zu erreichen, wird dort als naheliegend bezeichnet (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1980 - II ZR 193/79 -, Rn. 11, juris). Im Übrigen wäre, selbst falls man die Zugehörigkeit zu irgendeinem Dachverband in Zusammenhang mit Wohneigentum als Vereinszweck bejahen würde, der Charakter und die Leitlinie des Vereins mit dem hier beschlossenen Wechsel des Dachverbands nicht betroffen.
42
Soweit vom Registergericht ein Wechsel von der aktiven Vermittlung von Leistungen des Dachverbands zu einem passiven Leistungserhalt, einem „Vermitteltbekommen“, als zweckändernd eingestuft wird, ist dies ebenfalls zu verneinen. Abgesehen davon, dass hier allenfalls Modalitäten der Zweckerreichung, nicht aber der Zweck selbst betroffen sind, dürfte es sich bereits nur um sprachliche Änderungen hinsichtlich einer in der Praxis und in der Regelung gleichbleibenden Vorgehensweise handeln: So oder so sollen den Vereinsmitgliedern im Rahmen der satzungsgemäßen Vertretung auch vorteilhafte Leistungen des Dachverbandes, vermittelt durch den Verein, zuteilwerden.
43
4. Die Entscheidung des Amtsgerichts kann daher keinen Bestand haben. Mangels Zweckänderung im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB ist die Zustimmung sämtlicher Vereinsmitglieder zu der beschlossenen Satzungsänderung nicht erforderlich.
44
5. Kosten werden nicht erhoben, § 21 GNotKG, § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG.
45
Den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren hat der Senat entsprechend §§ 36, 59, 61 GNotKG festgesetzt.
46
Die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor, so dass die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen war.