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LG Nürnberg-Fürth, Endurteil v. 25.08.2022 – 2 O 5678/21
Titel:

Keine Unzumutbarkeit einer schädigerseits benannten freien Werkstatt bei Selbstreparatur

Normenketten:
BGB § 249
StVO § 1 Abs. 2, § 9 Abs. 5, § 10 S. 1
Leitsätze:
1. Die Kollision eines zum Zwecke des Ausparkens rückwärts vom rechten Fahrbahnrand zurücksetzenden Fahrzeuges in den Einmündungstrichter einer Kreuzung hinein mit einem gleichzeitig nach links in den Einmündungstrichter Einbiegenden rechtfertigt eine überwiegende Haftung des rückwärts Fahrenden zu 75% auch dann, wenn dieser sein Fahrzeug noch (unmittelbar) vor der Kollision zum Stillstand gebracht hat. (Rn. 16 – 33)
2. Der Geschädigte kann sich nicht auf die Unzumutbarkeit einer Reparatur in einer vom Schädiger benannten freien Fachwerkstatt berufen, wenn er das beschädigte Fahrzeug selbst instandgesetzt hat. (Rn. 42)
Bei mehr als fünf Jahre alten Fahrzeugen erfolgt im Rahmen der Nutzungsausfallentschädigung eine Herabstufung um eine Gruppe. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nutzungsentschädigung, freie Werkstatt, Eigenreparatur
Fundstellen:
LSK 2022, 41372
NJOZ 2023, 854
BeckRS 2022, 41372

Tenor

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 4.511,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz daraus seit 18.09.2021 zu bezahlen.
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 540,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz daraus seit 18.09.2021 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 32% und die Beklagten als Gesamtschuldner 68% zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 6.681,63 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um Schadenersatz nach einem Verkehrsunfall.
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Am 19.07.2021 gegen 11:45 Uhr kam es im Einmündungsbereich L. Straße/G.Straße in Nürnberg zu einem Verkehrsunfall zwischen dem im Eigentum des Klägers stehenden und von der Zeugin F gefahrenen Pkw Mercedes (Kennzeichen …) und dem vom Beklagten zu 1 gefahrenen und gehaltenen Pkw VW (Kennzeichen YYY), der bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversichert ist. Der Unfall ereignete sich, als die Zeugin F nach links in die G.Straße einbog, wo der Beklagte zu 1 sein Fahrzeug etwa 15 m nach der Einmündung am rechten Fahrbahnrand geparkt und dieses zum Ausparken rückwärts bewegt hatte. Am Fahrzeug Mercedes entstand durch den Unfall eine Wertminderung in Höhe von 300 €. Der Kläger wandte für die Beauftragung eines Gutachters erforderliches Honorar von 916,78 € sowie Unterstützungskosten in Höhe von 148,75 € auf. Er hatte unfallbedingte Kleinausgaben in Höhe von 25 €. Auf vorgerichtliche Zahlungsaufforderung leisteten die Beklagten keine Zahlung.
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Der Kläger behauptet, dass die Fahrerin F nach Bemerken der beginnenden Rückwärtsfahrt des Beklagten zu 1 ihr Fahrzeug noch zum Stillstand abgebremst und gehupt habe, gleichwohl sei der Beklagte zu 1 rückwärtsfahrend aus Unachtsamkeit gegen das stehende Kläger-Fahrzeug gestoßen. Der Unfall sei deshalb für die Fahrerin F unabwendbar gewesen, sodass die Beklagten die volle Haftung treffe. Der Schaden am Kläger-Fahrzeug mache Reparaturkosten in Höhe von 4.771,10 € erforderlich. Das Kläger-Fahrzeug sei turnusgemäß und vollständig in einer Mercedes-Fachwerkstatt gewartet worden, sodass eine Verweisung auf eine günstigere Werkstatt unzumutbar sei. Zusätzlich habe der Kläger Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für 8 Tage zu je 65 €, insgesamt 520 €.
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Der Kläger beantragt,
1.
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 6.681,63 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz daraus seit Klagezustellung zu bezahlen.
2.
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 713,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz daraus seit Klagezustellung zu bezahlen.
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Die Beklagten beantragen,
Die Klage wird abgewiesen.
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Die Beklagten behaupten, dass der Beklagte zu 1 nach dem Rückwärtsrangieren auf der freien G.Straße mit seinem Fahrzeug bereits zum Stehen gekommen sei und den ersten Gang eingelegt habe, um nach vorne zu fahren. Sodann sei die Fahrerin F auf das stehende Beklagten-Fahrzeug aufgefahren. In diesem Moment sei der Unfall für den Beklagten zu 1 unvermeidbar gewesen. Die Fahrerin F habe den Unfall deshalb alleine verschuldet. Im Hinblick darauf, dass der Kläger sich auf eine günstigere und - insoweit unstreitig - ohne weiteres zugängliche und gleichwertige Reparaturwerkstatt verweisen lassen müsse, bestehe ein Anspruch auf Reparaturkosten allenfalls in Höhe von 4.447,14 €. Einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung habe der Kläger nicht. Wenn überhaupt, sei ein solcher lediglich für die kalkulierte Reparaturdauer von 3 Tagen mit einem Tagessatz zu je 59 €, insgesamt also mit 177 € begründet.
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Es wurde Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin F. Der Beklagte zu 1 wurde informatorisch angehört. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.11.2021 (Gerichtsakte S. 40) Bezug genommen. Weiter wurde Beweis erhoben mit Beweisbeschlüssen vom 09.12.2021 und 13.04.2022 durch unfallanalytische Gutachten des Sachverständigen W.. Auf die schriftlichen Gutachten vom 09.03.2022 und 10.06.2022, sowie im Übrigen zur Ergänzung des Tatbestandes auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen wird Bezug genommen. Die Klage wurde den Beklagten am 17.09.2021 zugestellt.

Entscheidungsgründe

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A. Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
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I. Die Beklagten schulden dem Kläger Schadenersatz in der Hauptsache in Höhe von 4.511,00 €.
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1. Da das in Betrieb befindliche Fahrzeug des Klägers bei dem Zusammenstoß mit dem Beklagten-Pkw beschädigt wurde, hat der Kläger dem Grunde nach einen Anspruch gegen den Beklagten zu 1 aus § 7 Abs. 1, § 18 Abs. 1 StVG und gegen die Beklagte zu 2 aus § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG. Dass der Unfall durch höhere Gewalt (§ 7 Abs. 2 StVG) verursacht worden sei, wird von keiner Partei geltend gemacht. Ein Anspruch des Klägers ist deshalb nur ausgeschlossen, wenn der Unfallschaden von ihm bzw. der mit ihm als Halter eine Haftungseinheit bildenden Fahrerin (vgl. BGH VersR 2006, 369) durch ein für den Beklagten zu 1 unabwendbares Ereignis (§ 17 Abs. 3 Satz 1 StVG) oder jedenfalls ganz überwiegend verursacht bzw. verschuldet wurde, so dass der Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 1 vernachlässigt werden kann (§ 17 Abs. 1, 2 StVG, § 254 Abs. 1 BGB). Dafür, dass die Betriebsgefahr des PKW des Klägers durch eine - ggf. schuldhafte - Fahrweise gegenüber der des PKW des Beklagten wesentlich erhöht war und dass die klägerische Fahrerin an dem Unfall ein Verschulden trifft, sind grundsätzlich die Beklagten darlegungs- und beweispflichtig (st. Rspr. BGH VersR 2007, 681). Im Übrigen ist der Kläger dafür, dass die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs durch einen - ggf. schuldhaften - Fahrfehler bzw. Sorgfaltsverstoß erhöht war und dass dessen Fahrer an dem Unfall ein Verschulden trifft, grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtig (st. Rspr. BGH VersR 2007, 681).
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2. In tatsächlicher Hinsicht ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme von folgendem Unfallhergang auszugehen:
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a) Der Beklagte zu 1 setzte sein am rechten Fahrbahnrand der G.Straße geparktes Fahrzeug wegen eines vor ihm parkenden Fahrzeugs zurück, um sodann vorwärts in die G.Straße hineinzufahren. Gleichzeitig bog die Zeugin F mit dem Kläger-Fahrzeug nach links in die G.Straße ein. Nachdem der Beklagte zu 1 sein Fahrzeug ca. 2 Fahrzeuglängen rückwärts bewegt hatte, wobei er den wegen der spitzwinkligen Einmündung kreisförmigen Bordstein verlassen und sein Fahrzeug in die Fahrbahnmitte der G.Straße manövriert hatte, bremste er bis zum Stillstand ab, wobei er ca. 5 m von der Sichtlinie der Einmündung entfernt zum Stehen kam. In diesem Moment fuhr das Kläger-Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von noch ca. 10 km/h in einem Winkel von ca. 40° auf das Beklagten-Fahrzeug auf.
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b) Dieser Hergang steht fest aufgrund der eigenen Angaben der beiden Fahrer und den Berechnungen des Sachverständigen. Dabei ist insbesondere hinsichtlich des Kollisionsortes von der Position auszugehen, in der das Kläger-Fahrzeug auf Abbildung 5/S. 7 des schriftlichen Gutachtens vom 09.03.2022 fotografiert ist. Insoweit hat die Fahrerin des Kläger-Fahrzeugs angegeben, ihr Fahrzeug dort angehalten und dann nicht mehr vorwärts oder rückwärts bewegt zu haben. Der Beklagte zu 1 hat die Kollisionsstelle zwar angegeben „etwa in dem Bereich, wo der helle Asphalt auf den dunklen Asphalt übergeht“, gleichzeitig aber auf Vorhalt des vorgenannten Fotos bestätigt, dass dieses die Endstellung des Kläger-Fahrzeugs nach der Kollision dokumentiert. Die Kollisionsstelle und -position lässt sich damit relativ präzise wie auf Abbildung 18 des Gutachtens vom 09.03.2022 im Luftbild dargestellt zugrunde legen.
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Dass das Beklagten-Fahrzeug praktisch erst unmittelbar mit der Kollision zum Stillstand kam, folgt aus den Angaben des Beklagten zu 1, der den Abstand zwischen seinem zum Stehen kommen und der Kollision nur als Augenblick „vielleicht nicht einmal eine Sekunde“ beschrieb. Dies stimmt mit den Berechnungen des Sachverständigen überein, der zwar keinerlei Anhaltspunkte für eine Rückwärtsbewegung des Beklagten-Fahrzeugs sieht, allerdings eine minimale Restgeschwindigkeit im Moment der Kollision auch nicht ausschließen kann. Jedenfalls ist bei dieser Lage der den Beklagten obliegende Beweis für eine längere Stillstandsdauer des Beklagten-Fahrzeugs nicht geführt.
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Soweit die Fahrerin des Kläger-Fahrzeugs angegeben hat, dass ihrer (bewussten oder unbewussten) Wahrnehmung nach der Beklagte zu 1 gegen ihr angehaltenes Fahrzeug gestoßen sei, ist dies durch die Analyse des Sachverständigen zu den fehlenden Verschiebungen in Querrichtung im Schadensbild des Kläger-Fahrzeugs widerlegt. Unter Berücksichtigung der Toleranzen zum Ausgangspunkt des Beklagten-Fahrzeugs hat dieses für die zurückgelegte Strecke von ca. 7,5 bis knapp 9 m unter Ansatz einer durchschnittlichen rückwärtigen Beschleunigung und Abbremsung einen Zeitraum von ca. 4 Sekunden (3,7-4,3) benötigt.
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3. Bei dieser Sachlage ist von einer überwiegenden Haftung der Beklagten zu 75% auszugehen.
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a) Da der Schaden vorliegend durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht wurde (§ 17 Abs. 1, 2 StVG), hängt im Verhältnis der Fahrzeugführer zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Die Abwägung ist aufgrund aller festgestellten, das heißt unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, die sich auf den Unfall ausgewirkt haben. In erster Linie ist hierbei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben. Ein Faktor bei der Abwägung ist dabei das beiderseitige Verschulden (st. Rspr. zuletzt BGH, Urteil vom 8. März 2022 - VI ZR 1308/20 m.w.N.). Dabei dürfen nur feststehende Umstände berücksichtigt werden, die sich erwiesenermaßen auf den Unfall ausgewirkt haben (BGH r+s 2017, 93; BGH VersR 1995, 357 m.w.N.).
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b) Der Beklagte zu 1 hat durch sein Verhalten sowohl gegen § 9 Abs. 5 StVO als auch § 10 Satz 1 StVO verstoßen.
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(1) Demnach muss derjenige, der ein Fahrzeug führt sowohl beim Rückwärtsfahren, als auch beim Anfahren vom Fahrbahnrand eine Gefährdung anderer ausschließen; erforderlichenfalls muss er sich einweisen lassen.
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Der Fahrer muss sich dabei nicht nur zu Beginn seiner Rückwärtsfahrt, sondern auch währenddessen ständig davon überzeugen, dass anderen Personen im Straßenverkehr durch sein Verhalten kein Schaden droht. Nur überblickbarer und mit Gewissheit freier Raum darf rückwärts befahren werden (OLG Düsseldorf r+s 2018, 270). „Anderer Verkehrsteilnehmer“ ist dabei grundsätzlich jede Person, die sich selbst verkehrserheblich verhält, das heißt körperlich und unmittelbar auf den Ablauf eines Verkehrsvorgangs einwirkt (vgl. Senatsurteil vom 15. Mai 2018 - VI ZR 231/17, VersR 2018, 957 Rn. 12 zu § 9 Abs. 5, § 10 Satz 1 StVO; BGH, Urteil vom 8. März 2022 - VI ZR 1308/20). Hierzu gehört damit auch das Kläger-Fahrzeug, unabhängig davon, ab welchem Zeitpunkt es zusammen mit dem rückwärtsfahrenden Beklagten-Fahrzeug dieselbe (Gaismannshof-) Straße befuhr. Auch dem Kläger-Fahrzeug gegenüber schuldete der Beklagte zu 1 die gebotene äußerste Sorgfalt. Die auf der Straße fahrenden Fahrzeuge haben gegenüber dem vom Fahrbahnrand an- und in die Straße einfahrenden Verkehr Vorrang (BGH, Urteil vom 8. März 2022 - VI ZR 1308/20). Dafür, dass das Fahrzeug den Beklagten zu 1 vor dem Einlenken in die G.Straße noch überhaupt nicht wahrnehmbar gewesen wäre, bieten die Weg-Zeit-Verhältnisse keinerlei Anhaltspunkt.
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(2) Für einen Verstoß des Beklagten zu 1 gegen § 9 Abs. 5 StVO spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins, wenn - wie hier - der Unfall in einem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Rückwärtsfahren steht (OLG München NZV 2014, 416; KG NZV 2009, 393; OLG Brandenburg Schaden-Praxis 2007, 316; vgl. auch BGH r+s 2017, 93). Gleiches gilt bei einer entsprechenden Kollision beim Anfahren vom Fahrbahnrand (BGH 20.9.2011 - VI ZR 282/10; OLG Saarbrücken 14.3.2019 - 4 U 112/17).
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Dabei ist das Ein-/Anfahren erst dann beendet, wenn sich das Fahrzeug endgültig in den fließenden Verkehr eingeordnet hat und jede Auswirkung des Anfahrvorganges auf das weitere Verkehrsgeschehen ausgeschlossen ist (OLG Hamm 27.3.2015 - 11 U 44/14). Entsprechend scheitert die Annahme eines Anscheinsbeweises beim Rückwärts- bzw. Einfahren in den fließenden Verkehr nicht daran, dass der rückwärts Einfahrende sein Fahrzeug vor der Kollision zum Stehen gebracht hat. Die derart einschränkende Rechtsprechung des BGH (z.B. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 - VI ZR 6/15 -, juris) gilt erkennbar lediglich für die besondere Situation auf Parkplätzen, d.h. eben gerade nicht im fließenden Verkehr (dies fehlerhaft verkennend OLG Hamm, Beschluss vom 24. September 2021 - I-9 U 73/21 -, juris; ablehnend deshalb folgerichtig Scholten ZfSch 2022, 250). „Hier kann aus der Tatsache, dass der Rückwärts-Fahrende sein Fahrzeug noch kurz vor dem Zusammenstoß zum Stehen gebracht hat, nicht gefolgert werden, dass er den hohen Sorgfaltsanforderungen des § 9 Abs. 5 StVO gerecht geworden ist. Denn der fließende Verkehr muss nicht so fahren, dass er sein Fahrzeug jederzeit vor einem Hindernis zum Stehen bringen kann. Vielmehr darf er darauf vertrauen, dass niemand mit seinem Fahrzeug seinen Fahrweg quert oder beeinträchtigt. Ob es dem Störer dann noch gelingt, sein Fahrzeug vor der Kollision zum Stehen zu bringen, spielt keine Rolle. Auch wenn dies festgestellt werden kann, so spricht doch alles dafür, dass sein Fahrmanöver unfallursächlich war und er den Vorrang des fließenden Verkehrs nicht beachtet, zumindest dessen Gefährdung nicht ausgeschlossen hat.“ (Scholten aaO).
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(3) Dass der Beklagte zu 1 seinen Pflichten beim Rückwärtsfahren und dann beim Hineinbewegen in die Fahrbahnmitte der G.Straße seinen Sorgfaltspflichten nicht nachgekommen ist und das Kläger-Fahrzeug übersehen hat, hat er im Übrigen selbst eingeräumt: Demnach habe er zwar in alle drei Spiegel geschaut, letztlich gleichwohl das Kläger-Fahrzeug „erst mit dem Schlag wahrgenommen“. Er habe „auch keinen Plan, von welcher Seite der hergekommen ist“. Er habe sein Fahrzeug zum Stehen gebracht und dann habe es auch schon gekracht. Der Abstand zwischen dem zum Stehenkommen und dem Krachen sei nur ein Augenblick gewesen, vielleicht nicht einmal eine Sekunde.
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Dass der Beklagte zu 1 bei gehöriger Aufmerksamkeit und ausreichendem Blick nach hinten das in die G.Straße abbiegende Kläger-Fahrzeug hätte sehen können - genauso wie für die Fahrerin F das Beklagten-Fahrzeug grundsätzlich erkennbar war (dazu sogleich) - erschließt sich ohne weiteres aus den Überblicksfotografien von der Unfallstelle (vgl. auch S. 5 des Gutachtens vom 10.06.2022; Gerichtsakte S. 112). Hätte der Beklagte zu 1 ordnungsgemäß Rückschau gehalten, dann hätte er indes sein Fahrzeug - wenn nicht schon überhaupt nicht ohne Einweiser in Bewegung gesetzt, so doch zumindest - so rechtzeitig wieder zum Stillstand gebracht, dass dieses nicht in die Gegenfahrbahn der G.Straße hineingeragt hätte. Denn dass diese in jedem Fall vom Kläger-Fahrzeug befahren werden musste, um an am rechten Fahrbahnrand parkenden Fahrzeugen vorbeizufahren, war für den Beklagten zu 1 ohne weiteres erkennbar.
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Dass er sich entscheidend Richtung Fahrbahnmitte und damit in die Fahrlinie des Kläger-Fahrzeugs begeben hat, folgt sowohl aus der Variante, bei der der Kollisionsort im Bereich der Teernaht liegt, als auch dann, wenn man die fotografisch dokumentierte Stellung des Kläger-Fahrzeugs als die Kollisionsstelle zugrunde legt. Ausgehend vom durch das Schadensbild feststehenden Kollisionswinkel hätte andernfalls (d.h. wenn man nicht von einem Einfahren des Beklagten-Fahrzeugs Richtung Fahrbahnmitte bzw. auf die Gegenfahrbahn ausginge) das Kläger-Fahrzeug über den Gehweg auf das Beklagten-Fahrzeug auffahren müssen - ein Unfallhergang, der von keinem der Beteiligten so geschildert wurde.
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Dass auf dieser Grundlage die Kollision für den Beklagten zu 1 nicht unabwendbar im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG war, bedarf keiner umfangreicheren Ausführungen. Der Beklagte zu 1 hätte die Kollision schon dadurch vermeiden können, dass er sein Fahrzeug nur gerade so weit rückwärts setzte, dass ihm ein nach vorne Wegfahren um das vor ihm parkende Fahrzeug herum möglich war und dies auch nur, indem er sich eng am rechten Bordsteinrand hielt, ohne (unnötigerweise) sein Fahrzeug in die Fahrbahnmitte bzw. auf die Gegenfahrbahn zu lenken.
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c) Auf Seiten des Klägers ist eine Erhöhung der Betriebsgefahr durch eine verzögerte Reaktion der Fahrerin F zu berücksichtigen.
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Trotz des grundsätzlichen Vorrangs des fließenden Verkehrs hat nämlich auch dieser auf den Ein- oder Anfahrenden im Rahmen des § 1 StVO Rücksicht zu nehmen und eine mäßige Behinderung hinzunehmen. Der sich im fließenden Verkehr bewegende Vorfahrtsberechtigte darf allerdings, sofern nicht Anzeichen für eine bestehende Verletzung seines Vorrangs sprechen, darauf vertrauen, dass der Einfahrende sein Vorrecht beachten wird (BGH, Urteil vom 8. März 2022 - VI ZR 1308/20). Der fließende Verkehr darf seine ungehinderte Weiterfahrt aber nicht erzwingen (§ 11 Abs. 3 StVO) und muss das Ein- oder Anfahren gegebenenfalls durch Verringern seiner Geschwindigkeit erleichtern, da ansonsten im Stadtverkehr jedes Ein- oder Anfahren zum Erliegen käme (BGH, Urteil vom 8. März 2022 - VI ZR 1308/20).
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Dabei ist zwar zunächst davon auszugehen, dass die Fahrerin des Kläger-Fahrzeugs das Beklagten-Fahrzeug über einen Zeitraum von ca. vier Sekunden und damit wohl noch vor Einleiten ihres Linksabbiege-Manövers als (am rechten Fahrbahnrand) rückwärts fahrend hätte wahrnehmen können. Zu beachten ist allerdings, dass die Fahrerin F in dem Moment der ersten Wahrnehmung des rückwärts anfahrenden Beklagten-Fahrzeugs auf dieses noch nicht reagieren musste - wovon allerdings sowohl die Beklagten, als auch der Sachverständige auszugehen scheinen (Gutachten vom 10.06.2022 S. 4). Zu diesem Zeitpunkt stellte das Beklagten-Fahrzeug am rechten Fahrbahnrand für die Fahrerin des Kläger-Fahrzeugs noch keinerlei Hindernis dar und es war auch (noch) nicht abzusehen, dass es zwingend zu einem werden würde. Die Fahrerin F durfte also zu diesem Zeitpunkt noch auf ein (im Übrigen) sorgfaltsgerechtes Verhalten des Beklagten zu 1 vertrauen und musste nicht vorhersehen, dass das Beklagten-Fahrzeug im weiteren Verlauf seiner Rückwärtsfahrt in ihre Fahrlinie kreuzen würde.
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Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Fahrerin des Kläger-Fahrzeugs zwar nicht in die G.Straße hätte einbiegen dürfen, wenn für sie absehbar gewesen wäre, dass sie wegen eines dort befindlichen Hindernisses die Hauptstraße nicht vollständig hätte räumen können. Dass eine solche Situation gegeben war, kann allerdings selbst unter Zugrundelegen der Grenzbetrachtungen des Sachverständigen zu den Weg-Zeit-Verhältnissen ausgeschlossen werden. Unabhängig davon war die Fahrerin F gehalten, ihr Linksabbieger-Manöver jedenfalls so zügig zu gestalten, dass sie den ihrerseits obliegenden Anforderungen nach § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO gerecht würde, nämlich den ihr entgegenkommenden vorfahrtsberechtigten Verkehr nicht zu behindern. All das musste umgekehrt aber auch der Beklagte zu 1 in Rechnung stellen, sodass es umso weniger nachvollziehbar erscheint, dass er sein Fahrzeug vom Bordstein weg in die Fahrlinie von in die G.Straße einbiegenden Fahrzeugen lenkte.
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d) Im Zuge der konkreten Abwägung ist im Ausgangspunkt der gleichzeitige Verstoß des Beklagten zu 1 gegen seine Kardinalpflichten beim Rückwärtsfahren und Anfahren vom Fahrbahnrand zu sehen. In der Regel ist angesichts der Schwere dieser Verstöße in einer solchen Ausgangslage von der vollen Haftung des Rückwärts- und Anfahrenden auszugehen (vgl. OLG München 14.2.2014 - 10 U 2815/13; OLG Köln 13.7.2011 - 5 U 26/11; BGH 18.12.1962 - VI ZR 39/62).
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Der Streitfall weist allerdings die Besonderheit auf, dass es für die Fahrerin des Kläger-Fahrzeugs noch möglich gewesen wäre, nach Erkennen des sich in ihre Fahrlinie bewegenden Beklagten-Fahrzeugs rechtzeitig durch Abbremsen die Kollision zu vermeiden (§ 1 Abs. 2 StVO). Unter Bezugnahme auf die vorstehenden Ausführungen ist dieser Verstoß allerdings als deutlich geringer einzustufen. Die Fahrerin F musste zum einen für den vorrangigen Gegenverkehr die Hauptstraße räumen und konnte bis ca. zwei Sekunden vor der Kollision darauf vertrauen, dass der Beklagte zu 1 weiterhin am rechten Bordsteinrand entlang rückwärtsfahren und sich eben nicht - unnötiger Weise - in ihre Fahrspur bewegen würde.
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Nach Ansicht des Vorsitzenden kommt das deutliche Überwiegen des maßgeblichen Verursachungsbeitrags des Beklagten zu 1, nämlich sein Fahrzeug nicht nur über eine nicht in dieser Länge erforderliche Strecke rückwärtsgefahren, sondern es auch vom rechten Bordsteinrand weg in die Fahrspur des Kläger-Fahrzeugs gesteuert zu haben, in der zugrunde zu legenden Haftung von 75% angemessen zum Ausdruck.
II. Zur Schadenshöhe:
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1. Wertminderung in Höhe von 300 €, Sachverständigenkosten von 916,78 € sowie Unterstützungskosten in Höhe von 148,75 € sowie unfallbedingte Kleinausgaben in Höhe von 25 € sind zwischen den Parteien der Höhe nach nicht im Streit.
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2. Reparaturkosten kann der Kläger in Höhe von 4.447,14 € in Ansatz bringen. Der Kläger, der seinen Schaden fiktiv geltend macht, kann von den Beklagten auf die günstigere freie Werkstatt verwiesen werden.
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a) Die vom Kläger gewählte fiktive Abrechnung geht grundsätzlich auf Ersatz der üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt, die ein vom Geschädigten eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat, seien diese auch höher als in einer „freien“ Werkstatt (BGH r+s 2019, 114; BGH r+s 2015, 420; BGH r+s 2013, 358; BGH r+s 2010, 34), dies unabhängig davon, ob der Geschädigte den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt (BGH r+s 2019, 114; BGH r+s 2013, 358). Allerdings ist unter Umständen ein Verweis des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen anderen markengebundenen oder „freien“ Fachwerkstatt möglich, wenn der Schädiger darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen (BGH r+s 2019, 114; BGH r+s 2015, 420; BGH r+s 2014, 98; BGH r+s 2013, 358 m.w.N.). Dieser Verweis ist noch im Rechtsstreit möglich, soweit dem nicht prozessuale Gründe, wie die Verspätungsvorschriften, entgegenstehen (BGH r+s 2014, 476; BGH r+s 2013, 358).
37
b) Dass die von den Beklagten benannte Verweisungswerkstatt P. die Reparatur fachgerecht durchführen könnte, wird seitens des Klägers nicht infrage gestellt.
38
c) Sonstige Gründe, die die Reparatur bei der Fa. P. dem Kläger unzumutbar machen würden (vgl. BGH r+s 2010, 348; BGH r+s 2010, 34), sind nicht ersichtlich.
39
Unzumutbar ist eine Reparatur in einer „freien“ Fachwerkstatt für den Geschädigten nach der st. Rspr. des BGH zwar im Allgemeinen dann, wenn das beschädigte Fahrzeug im Unfallzeitpunkt nicht älter als drei Jahre war. Aber auch bei Fahrzeugen, die - wie im Streitfall das Kläger-Fahrzeug - älter sind als drei Jahre, kann es für den Geschädigten unzumutbar sein, sich auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Zwar spielen bei diesen Fahrzeugen anders als bei neuen oder neuwertigen Fahrzeugen Gesichtspunkte wie die Erschwernis einer Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten, einer Herstellergarantie oder von Kulanzleistungen regelmäßig keine Rolle mehr. Aber auch bei älteren Fahrzeugen kann die Frage Bedeutung haben, wo das Fahrzeug regelmäßig gewartet, „scheckheftgepflegt“ oder gegebenenfalls nach einem Unfall repariert worden ist. Es besteht bei einem großen Teil des Publikums die Einschätzung, dass bei einer (regelmäßigen) Wartung und Reparatur eines Fahrzeugs in einer markengebundenen Fachwerkstatt eine höhere Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese ordnungsgemäß und fachgerecht erfolgt ist. In diesem Zusammenhang kann es dem Geschädigten unzumutbar sein, sich auf eine günstigere gleichwertige und ohne Weiteres zugängliche Reparaturmöglichkeit in einer freien Fachwerkstatt verweisen zu lassen, wenn er - zum Beispiel unter Vorlage des „Scheckhefts“, der Rechnungen oder durch Mitteilung der Reparatur- bzw. Wartungstermine - konkret darlegt, dass er sein Fahrzeug bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen und dies vom Schädiger nicht widerlegt wird. Für die Beurteilung der Unzumutbarkeit kommt es nicht auf die subjektive Sicht des Geschädigten an (zu allem BGH r+s 2017, 216 m.w.N.).
40
Der Kläger hat durch Vorlage der digitalen Servicehistorie zwar belegt, dass sein am 02.03.2016 erstzugelassenes Fahrzeug jeweils im Februar 2017, 2018, 2019 und März 2020 bei Mercedes-Benz zum regelmäßigen Service war. Unstreitig war allerdings der für März 2021 oder einem Kilometerstand von 65.356 km vorgesehene nächste Kundendienst am Unfalltag bzw. auch bei Vorlage des Servicehefts mit Schriftsatz vom 12.11.2021 (noch) nicht durchgeführt.
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Der Hinweis des Klägers darauf, dass aufgrund der coronabedingten geringen Laufleistung von nur 7.233 km seit dem letzten Service die Service-Intervall-Anzeige im Fahrzeug keine Fälligkeit angezeigt habe, weswegen ein entsprechender Service nicht erforderlich gewesen sei, verfängt nicht. Darauf, ob diese Erwägungen aus Kfztechnischen Gründen zutreffend sind, kommt es nicht an. Maßgebend ist alleine die Frage der Zumutbarkeit der Verweisung auf eine günstigere Vergleichswerkstatt. Jene begründet sich nach der Rechtsprechung des BGH damit, dass ein regelmäßig (!) in einer Fachwerkstatt gewartetes Fahrzeug bei potentiellen Käufern einen höheren Wert genießt (BGH, Urteil vom 7. Februar 2017 - VI ZR 182/16 -, juris Rn. 8). Werden die Vorgaben des Herstellers für die regelmäßige Wartung, sei es hinsichtlich Laufzeit oder Laufleistung, jedoch nicht eingehalten bzw. - wie im Streitfall mit vier bzw. gar acht Monaten - nicht unwesentlich überschritten, so rechtfertigt sich die vorgenannte Erwartung nicht und dem Geschädigten ist eine Verweisung zumutbar.
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Im Übrigen ist der Kläger, der durch Vorlage einer Reparaturbestätigung die tatsächliche Reparatur seines Fahrzeugs belegt hat, dem Hinweis der Beklagten auf eine Durchführung dieser Reparatur in Eigenregie nicht entgegengetreten. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die Reparatur des Unfallschadens gerade nicht in einer markengebundenen Fachwerkstatt erfolgt ist. Eine Verweisung ist aber nur dann unzumutbar, wenn der Geschädigte „sein Fahrzeug bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen“ (BGH aaO; Hervorhebung nicht im Original). Der Geschädigte kann sich nicht auf die Unzumutbarkeit einer Reparatur in einer vom Schädiger benannten freien Fachwerkstatt berufen, wenn er das beschädigte Fahrzeug selbst instandgesetzt hat. Dies gilt auch dann, wenn er das Fahrzeug vor dem Unfall regelmäßig in einer markengebundenen Werkstatt hat warten lassen (OLG Köln, Beschluss vom 9. Januar 2017 - I-5 U 81/16 -, juris).
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d) Dass die Reparatur in der damit zumutbaren Verweisungswerkstatt für einen Gesamtbetrag von 4.447,14 € netto durchgeführt werden kann, hat der Kläger nicht bestritten. Diesen Betrag kann der Kläger deshalb als erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB in Ansatz bringen.
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3. Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung kann der Kläger für 3 Tage zu je 59 €, insgesamt also 177 € in Ansatz bringen.
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a) Voraussetzung für die Anerkennung eines gewohnheitsrechtlich anerkannten Anspruchs auf Nutzungsausfallentschädigung (st. Rspr. z.B. BGH BGHZ 217, 218) ist, dass der Geschädigte seinen Wagen während der Reparaturzeit benutzen wollte und hierzu auch in der Lage war; es muss also eine fühlbare Nutzungsbeeinträchtigung bestehen, die bei vorhandenem Nutzungswillen und hypothetischer Nutzungsmöglichkeit zu bejahen ist (BGH NJW 1966, 1260).
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Seinen Nutzungswillen hat der Kläger durch die tatsächlich durchgeführte Reparatur seines Fahrzeugs hinreichend dokumentiert.
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b) Die Dauer des Nutzungsentzugs kann der Kläger mit drei Tagen in Ansatz bringen.
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Verlangt der Kläger den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag (fiktiv) auf Basis eines Sachverständigengutachtens, das eine bestimmte Art einer ordnungsgemäßen Reparatur vorsieht, so kann er Ersatz grundsätzlich nur für die erforderliche Dauer dieser Reparatur beanspruchen (BGH, Urteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02, VersR 2004, 1575 zu Mietwagenkosten). Unstreitig ist diese nach dem Schadensgutachten mit drei Tagen in Ansatz zu bringen. Nach diesem Gutachten stand dem Kläger das Fahrzeug auch bis zum (planbaren) Beginn der Reparatur zur Verfügung. Im Schadensgutachten des Sachverständigen Schenk vom 20.07.2021 heißt es auf S. 3 unter „Verkehrssicherheit nach Schadenereignis: Das Fahrzeug war zum Besichtigungszeitpunkt fahrbereit.“. Eine etwaige Überlegungszeit (vgl. BGH r+s 2013, 203) - wollte man diese in dem streitgegenständlich gegebenen klaren Reparaturfall überhaupt zubilligen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. Oktober 2018 - 1 U 162/17 -, juris Rn. 66) - würde deshalb keinen über die eigentliche Reparaturdauer hinausgehenden Ausfall bedeuten.
49
c) Da das Fahrzeug des Klägers zum Unfallzeitpunkt bereits mehr als fünf Jahre alt war, ist hinsichtlich der Höhe des zu schätzenden Ausfallbetrages der mit dem höheren Alter verbundenen Veränderung des Nutzungswerts Rechnung zu tragen. Dies kann dadurch geschehen, dass bei mehr als fünf Jahre alten Fahrzeugen eine Herabstufung um eine Gruppe erfolgt (vgl. OLG Düsseldorf NJW 2012, 2044; OLG Saarbrücken BeckRS 2008, 1338; OLG Hamm r+s 1996, 357). Dem insoweit durch die Beklagten vorgetragenen (reduzierten) Tagessatz von 59 € ist der Kläger nicht entgegengetreten.
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4. Ausgehend von einem grundsätzlich ersatzfähigen Gesamtschaden in Höhe von 6.014,67 € kann der Kläger deshalb auf Basis einer Quote von 75% Zahlung von 4.511,00 € verlangen.
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5. Der Kläger hat zudem Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlich erforderlich gewordenen Rechtsanwaltskosten. Ausgehend von einem berechtigten Gegenstandswert in Höhe von insgesamt 4511,00 €, ergibt sich unter Ansatz einer 1,3 Gebühr zuzüglich Kostenpauschale und Mehrwertsteuer ein Betrag in Höhe von insgesamt 540,50 €.
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6. Der Kläger hat schließlich Anspruch auf Verzinsung seiner berechtigten Schadensersatzforderungen. Der Zinsanspruch beruht dem Grunde nach auf § 286 Abs. 1 Satz 2, der Höhe nach auf § 288 Abs. 1 BGB.
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B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 2 ZPO.