Titel:
Verjährungsbeginn bei einem Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit
Normenketten:
BGB § 199
BGB § 648a (idF bis zum 31.12.2017)
Leitsätze:
Die Verjährung des Sicherungsanspruchs nach § 648a BGB aF beginnt nicht erst mit dem Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch erstmals geltend gemacht worden ist, sondern mit Ablauf des Tags der ersten Geltendmachung (analog § 604 Abs. 5, § 695 Satz 2 und § 696 Satz 3 BGB). (Rn. 39 – 46)
Bei dem Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit gem. § 648a BGB (idF bis zum 31.12.2017) handelt es sich um einen verhaltenen Anspruch. (Rn. 35 – 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bauhanderwerkersicherheit, verhaltener Anspruch, Verjährungsbeginn, Generalplanervertrag
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Endurteil vom 21.11.2023 – 9 U 301/23 Bau e
BGH Karlsruhe, Urteil vom 21.11.2024 – VII ZR 245/23
Fundstellen:
MDR 2023, 429
LSK 2022, 41353
BeckRS 2022, 41353
Tenor
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 4.318.313,55 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Stellung einer Sicherheit nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. für Honorar im Zusammenhang mit einem gekündigten Generalplanervertrag und dessen Nachträge in Anspruch.
2
Die Beklagten zu 1) und zu 2) sind Eigentümer nebeneinander gelegener Grundstücke in . Sie schlossen sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammen, die eine zeitgleiche, aufeinander bezogene Umnutzung und Umbebauung der beiden Grundstücke als Bauherrin in die Hand nahm, die Beklagte zu 3).
3
Am 12. Oktober 2015 schlossen die Parteien des Rechtsstreits einen Generalplanervertrag für die Baumaßnahme ab. Auftraggeber war die Beklagte zu 3). Gegenstand des Vertrags war eine umfassende Planung des Umbauvorhabens. Die bestehenden Büro- und Gewerbegebäude sollten in zwei Wohngebäude für Studenten und Auszubildende sowie anteilige gewerbliche Nutzung umgebaut werden.
4
Die Parteien vereinbarten unter Ziffer 3 des Vertrages (Anlage K3) eine „Stufenweise Beauftragung […]“ und legten vier Leistungsstufen fest, die jeweils einzeln und unabhängige voneinander abgerufen werden können sollten. Für jede Leistungsstufe vereinbarten die Parteien ein Pauschalhonorar (Ziffer 4 des Vertrages, Anlage K3). Insgesamt ergab sich - bei Abruf aller Leistungsstufen - ein mögliches Pauschalhonorar in Höhe von 3.240.000,00 Euro (Ziffer 4.1. des Vertrages, Anlage K3). Außerdem vereinbarten die Parteien in Ziffer 4.8 des Vertrages, Anlage K3, folgendes:
„4.8 Wenn auf Veranlassung des AG hinsichtlich Planung und/ oder Ausführung geänderte Leistungen durch den AN erforderlich werden, gilt in Hinblick auf die Vergütung das Folgende:
(a) Für wiederholte Grundleistungen, die nicht vom AN zu verantworten sind und bei denen sich die anrechenbaren Kosten oder Flächen nicht ändern (im Sinne des § 10 Abs. 2 HOAI), besteht - vorbehaltlich nachfolgender Ziffer 4.8 (b) - grundsätzlich ein zusätzlicher Vergütungsanspruch gem. Ziffer 4.7; dies gilt nicht für Fälle des Ziffer 4.3. letzter Satz. […]“
5
Am 12. Oktober 2017 wurde das von der Klägerin geplante Studentenwohnheim genehmigt.
6
Mit Nachtrag 1 vom 1. Dezember 2017 (Anlage K4) einigten sich die Parteien darauf, das ursprünglich einheitliche Bauvorhaben aufzuteilen in Bauabschnitt I und Bauabschnitt II. Bauabschnitt I betraf das Gebäude West, Bauabschnitt II das Gebäude Ost. Beginnend ab Leistungsstufe 2 wurden daher auch jeweils die Leistungsstufen unterteilt nach den Bauabschnitten/ Gebäuden vereinbart.
7
Mit Nachtrag 2 vom 16. Mai 2018 rief die Beklagten zu 3) die Leistungsstufen 2 (a), 3 (a), und 4 (a) bezogen auf das Gebäude West ab. Außerdem vereinbarten die Parteien zusätzliche Honoraransprüche (Anlage K5). Die Planung sollte nunmehr auf die Errichtung eines Aparthotels angepasst bzw. geändert werden. Die Parteien waren sich einig, dass es sich hierbei um nicht unwesentliche Planungsänderungen handelte.
8
In der Folge stritten die Parteien vermehrt über die Bezahlung von seitens der Klägerin gestellten Abschlagsrechnungen und von ihr geltend gemachten Nachtragsforderungen.
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Am 15. Oktober 2018 forderte die Klägerin von der Beklagten zu 3) die Stellung einer Bauhandwerkersicherung gemäß § 648a BGB a.F. in Höhe von insgesamt 1.443.590,21 Euro. Die Klägerin setzte dazu eine Frist bis zum 29. Oktober 2018 (Anlage K6).
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Am 22. Oktober 2018 rügte die Beklagte zu 3) mit einem 49-seitigen Schreiben aus ihrer Sicht bestehende Vertragspflichtverstöße der Klägerin und forderte diese auf, binnen eines Tages die Verstöße zu beheben (Anlage B1).
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Mit Schreiben vom 26. Oktober 2018 bat die Beklagtenseite um einen Termin und Verlängerung der Frist zur Stellung der Sicherheit bis zum 5. November 2018 (Anlage K25). Die Fristverlängerung lehnte die Klägerin mit Schreiben vom 29. Oktober 2018 ab (Anlage K26).
12
Am 29. Oktober 2018 stellte die Beklagte zu 3) keine Sicherheit, sondern kündigte den Vertrag mit der Klägerin mit dem Betreff „fristlose Kündigung aus wichtigem Grund“ (Anlage K7).
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Die Klägerin ließ die Kündigung mit anwaltlichem Schreiben vom 31. Oktober 2018 zurückweisen und verwies gleichzeitig darauf, dass sie von einer freien Kündigung ausgehe. Außerdem forderte die Klägerin die Beklagte zu 3) auf, die Abnahme der erbrachten Leistungen bis zum 5. November 2018 zu erklären (Anlage K8). Die Beklagte zu 3) erklärte die Abnahme nicht.
14
Die Beklagte zu 3) stellte in der Folge beim Landgericht München I den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Herausgabe aller Pläne durch die Klagepartei. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen 8 O 17014/18 geführt. Im Anschluss an die dortige mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 2018, die die Prozessvertreter auch zu Gesprächen nutzten, haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
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Die Parteien sind sich einig darüber, dass die Beklagtenseite bislang 1.765.703,73 Euro an die Klägerin bezahlt hat.
16
Unter dem 14. Juni 2021 stellte die Klägerin Schlussrechnung (Anlage K9). Für erbrachte Leistungen machte sie Honorarforderungen in Höhe von insgesamt 5.033.730,73 Euro geltend, worauf sie die bereits geleisteten Zahlungen in Höhe von 1.765.703,73 Euro anrechnete. Sie forderte mithin für erbrachte Leistungen eine weitere Zahlung in Höhe von 3.268.027,01 Euro.
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Beruhend auf der Regelung des § 648 BGB machte die Klägerin außerdem Werklohn für nicht erbrachte Leistungen abzüglich ersparter Aufwendungen in Höhe von 657.512,58 Euro geltend. Insgesamt ergab sich damit eine Zahlungsforderung in Höhe von 3.925.739,59 Euro. Die Klägerin forderte die Beklagte zur Zahlung bis spätestens 14. Juli 2021 auf.
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Zeitgleich mit der Schlussrechnung, also ebenfalls am 14. Juni 2021, forderte die Klägerin die Beklagten erneut zur Stellung einer Sicherheit bis zum 28. Juni 2021 auf. Sie forderte die Sicherheit nur für die als erbracht abgerechneten Leistungen zuzüglich 10% für Nebenforderungen, mithin in Höhe eines Betrages von 3.594.000,00 Euro brutto (Anlage K14). Die Beklagtenseite leistete keine Sicherheit.
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Die Klägerin trägt vor, sie verlange nunmehr Sicherheit nur für den Vergütungsanteil, der auf erbrachte Leistungen entfalle. Für Nebenforderungen verlange sie zusätzlich 10% an Sicherheit.
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Sie trägt in Bezug auf die nicht erbrachten Leistungen und deren Abrechnung vor, dass ein anderweitiger Erwerb nicht möglich war.
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Soweit die Klägerin wiederholende Leistungen abrechnet, trägt sie vor, sie habe nach der Umstellung der Planung von einem Stundentenwohnheim auf ein Aparthotel sämtliche bereits vorher erbrachten Grundleistungen erneut erbringen müssen. Sie ist der Meinung, deswegen Anspruch auf eine gesonderte Vergütung dieser Leistungen zu haben.
22
Weiter trägt die Klägerin vor, die Parteien hätten gerade auch im Zusammenhang mit dem auf Herausgabe der Pläne geführten Vorprozess immer wieder eine Gesamteinigung angestrebt und entsprechende Gespräche angestoßen. Dabei seien der Natur der Sache nach alle Ansprüche der Parteien aus dem streitgegenständlichen Vertragsverhältnis verhandelt worden, mithin zwingend auch der hier streitgegenständliche Anspruch auf Sicherheit nach § 648a BGB a.F.
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Die Klägerin beantragt,
die Beklagten wie Gesamtschuldner zu verurteilen, der Klägerin für Honoraransprüche einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen der Klägerin aus dem Generalplanervertrag vom 12.10.2015 samt Nachträgen 01 vom 26.10./01.12.2017 und 02 vom 16.05.2018 beim Bauvorhaben der Beklagten „...“ bzw. „...“ in an der ... Sicherheit in Höhe von 4.318.313,55 Euro zu leisten nach ihrer Wahl durch
- Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren,
- Verpfändung von Forderungen, die in das Bundesschuldbuch oder in das Landesschuldbuch eines Landes eingetragen sind,
- Verpfändung beweglicher Sachen,
- Bestellung von Schiffshypotheken an Schiffen oder Schiffsbauwerken, die in einem deutschen Schiffsregister oder Schiffsbauregister eingetragen sind,
- Bestellung von Hypotheken an inländischen Grundstücken,
- Verpfändung von Forderungen, für die eine Hypothek an einem inländischen Grundstück besteht, oder durch Verpfändung von Grundschulden oder Rentenschulden an inländischen Grundstücken, oder auch
- eine Garantie oder ein sonstiges Zahlungsversprechen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzes zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder Kreditversicherers.
24
Die Beklagten beantragen,
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Die Beklagtenseite erhebt die Einrede der Verjährung. Sie meint dazu, hinsichtlich des Sicherungsverlangens nach § 648a BGB a.F. sei von einer taggenauen Berechnung der Verjährungsfrist auszugehen. Da die Klägerin erstmals am 15. Oktober 2018 Sicherheit verlangt habe, sei der Anspruch zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 21. November 2021 bereits verjährt gewesen.
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Verhandlungen der Parteien über den Sicherungsanspruch als solchen habe es nicht gegeben. Zwar habe die Klägerin im Rahmen der Bemühungen um eine Einigung der Parteien immer wieder auch diesen Anspruch erwähnt. Inhaltlich sei aber immer nur über die Hauptansprüche der Parteien gesprochen worden, insbesondere die Höhe einer möglichen Honorarforderung, die Herausgabe von Plänen und mögliche Schadenersatzansprüche. Über Modalitäten einer Sicherheitenstellung sei davon getrennt nicht gesprochen worden.
27
Die Beklagte trägt weiter vor, wegen bestehender Planungsmängel stünden Schadenersatzforderungen in Höhe von 2.156.995,62 Euro brutto im Raum.
28
Jedenfalls seien alle erbrachten Leistungen bereits durch die geleisteten Zahlungen abgegolten. Soweit die Klägerin weitere Leistungen als erbracht abrechne, seien diese nicht erbracht. Auch hätten sich die Planungsleistungen nicht als werterhöhend im Bau verwirklicht, da sie größtenteils unbrauchbar gewesen seien. Insbesondere sei die Umplanung von Studentenwohnheim auf Aparthotel nicht dahingehend zu verstehen, dass eine komplette Wiederholung der Planungsleistungen erforderlich geworden sei. Die Abrechnung der Klägerin auf dieser Grundlage sei daher sachlich unzutreffend.
29
Die Beklagtenseite ist der Auffassung, eine Sicherheit nach § 648a BGB a.F. könne nur für vereinbarte Vergütungsanteile verlangt werden. Dies sei vorliegend im Hinblick auf die Rechnungsanteile, die nicht mit einem Vertrag unterlegt seien, nicht gegeben. Eine Sicherheit nach § 648a BGB a.F. sei daher schon insoweit ausgeschlossen.
30
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen und den dabei geäußerten Rechtsauffassungen wird auf die gewechselten Schriftsätze und die dabei vorgelegten Anlagen verwiesen.
31
Die Klage ist unter dem 21. November 2021 erhoben und der Beklagtenseite am 29. bzw. 30. Dezember 2021 zugestellt worden.
32
Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2022 (Sitzungsniederschrift Blatt 90/94 der Akten), mit Beschluss vom 22. Juli 2022 (Blatt 110/112 der Akten) und in der mündlichen Verhandlung vom 17. November 2022 (Sitzungsniederschrift Blatt 185/187 der Akten) auf ihre vorläufige Rechtsauffassung zum Sach- und Streitstand hingewiesen.
Entscheidungsgründe
33
Die zulässige Klage ist unbegründet, da die von der Beklagtenseite erhobene Einrede der Verjährung greift.
34
Der der Klägerin zustehende Anspruch gegen die Beklagten auf Stellung einer Sicherheit gemäß § 648a BGB a.F. war bereits vor Klageerhebung verjährt und ist daher nicht mehr durchsetzbar.
35
I. Bei dem Anspruch nach § 648a BGB a.F. handelt es sich um einen verhaltenen Anspruch (ausführlich dazu: Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. März 2021, Az. VII ZR 94/20, Rn 22 ff.).
36
Ein verhaltener Anspruch liegt vor, wenn der Schuldner die Leistung nicht bewirken darf, bevor der Gläubiger sie verlangt (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 3. August 2017, Az. VII ZR 32/17, Rn. 23). Außerdem können die Entstehung des Anspruchs und das Verlangen des Gläubigers nach der Leistung zeitlich auseinanderfallen.
37
Beide Merkmale treffen auf den Anspruch aus § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. zu. Denn es steht nach Vertragsschluss im Belieben des Unternehmers, wann und ob er den Anspruch geltend macht. Er kann die Sicherheit bis zum Wegfall seines Sicherungsbedürfnisses grundsätzlich jederzeit und unabhängig von einer etwaigen Abnahme seiner Leistungen oder bestehenden (Nach-)Erfüllungsansprüchen des Bestellers verlangen (vgl. § 648a Abs. 1 Satz 3 BGB a.F.). Der Besteller hingegen darf die Leistung ohne ein entsprechendes Verlangen des Unternehmers nicht von sich aus im Sinne von § 362 Abs. 1 BGB bewirken. Denn nach § 648a Abs. 3 Satz 1 BGB a.F. hat der Unternehmer dem Besteller die üblichen Kosten der Sicherheitsleistung bis zu einem Höchstsatz von 2% des zu sichernden Betrags pro Jahr zu erstatten und er würde im Falle einer aufgedrängten Sicherheit einer entsprechenden Belastung ausgesetzt. Außerdem liegt es am Unternehmer, die Höhe der zu leistenden Sicherheit zu bestimmen.
38
Schließlich weist der Anspruch auf Sicherheit nach § 648a BGB a.F. die für verhaltene Ansprüche typische Variabilität auf: Die Einschätzung des Unternehmers dahingehend, ob er ein Bedürfnis auf Sicherheit im konkreten Fall sieht, kann sich im Verlauf des auf Dauer angelegten Bauvertrages ändern, z.B. wenn sich die wirtschaftliche Lage des Bestellers während des laufenden Baus verschlechtert.
39
II. Der Lauf der Verjährungsfrist wird für verhaltene Ansprüche durch die erstmalige Geltendmachung durch den Gläubiger in Gang gesetzt (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 4. Mai 2017, Az. I ZR 113/16, Rn. 22 f.).
40
Der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes hat keine allgemeine Verjährungsregelung für verhaltene Ansprüche geschaffen, sondern im Hinblick auf deren Ausnahmecharakter den Verjährungsbeginn einzelner, von ihm als verhalten identifizierter Ansprüche einer gesonderten Regelung zugeführt (z.B. § 604 Abs. 5, § 695 Satz 2 und § 696 Satz 3 BGB). Dadurch sollten unbillige Verkürzungen von Verjährungsläufen vermieden werden (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 258 und 269). Diese Intention des Gesetzgebers ist auf weitere, als verhaltene Ansprüche zu qualifizierende Ansprüche zu erstrecken, auch auf den hier zu prüfenden Anspruch nach § 648a BGB a.F. (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. März 2021, Az. VII ZR 94/20, Rn. 26)
41
III. Der Lauf der Verjährung für den hier streitgegenständlichen Sicherungsanspruch nach § 648a BGB a.F. begann mit Zugang dessen erstmaliger Geltendmachung durch die Klägerin vom 15. Oktober 2018 (Anlage K6).
42
1. Für den Lauf der Verjährung ist nicht das Ende des Kalenderjahres, in dem der Anspruch geltend gemacht wurde, sondern taggenau der Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs bestimmend. Insoweit greift eine Gesamtanalogie zu den Vorschriften des § 604 Abs. 5, § 695 Satz 2 und § 696 Satz 3 BGB.
43
a) Die Regelung des § 199 Abs. 1 BGB findet auf verhaltene Ansprüche keine Anwendung. Wie bereits dargestellt, hat der Gesetzgeber für verhaltene Ansprüche, soweit er sie als solche erkannt hat, jeweils Ausnahmen zu § 199 Abs. 1 BGB normiert und gesonderte Regelungen zum Beginn des Verjährungslaufs getroffen. Diese Regelungen (siehe z.B. § 604 Abs. 5, § 695 Satz 2 und § 696 Satz 3 BGB) stellen für den Beginn des Verjährungslaufs sämtlich auf den Moment ab, in dem der Anspruch vom Gläubiger erstmals geltend gemacht wird.
44
Die Intention des Gesetzgebers ist damit klar erkennbar: für die von ihm erkannten verhaltenen Ansprüche soll das Risiko einer Anspruchsverjährung während des noch laufenden Dauervertrages eingedämmt werden. Der Lauf der Verjährung beginnt damit nicht mit Abschluss des Vertrages und Entstehung des Anspruchs, sondern erst dann, wenn der Anspruch geltend gemacht wird.
45
Dieser Rechtsgedanke ist im Wege einer Gesamtanalogie auch auf den verhaltenen Anspruch des § 648 a BGB a.F. zu erstrecken. Bei Bauverträgen handelt es sich ebenfalls um Dauerverträge (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Mai 1996, Az. VII ZR 254/94), das beschriebene Risiko der Verjährung des verhaltenen Anspruchs auf Sicherheit während des noch laufenden Baus besteht. Anhaltspunkte, warum für diesen verhaltenen Anspruch abweichend zur Verjährungsregelung für sonstige verhaltene Ansprüche auf das Ende des Kalenderjahres, in dem der Anspruch geltend gemacht wurde, abzustellen ist, sind nicht ersichtlich. Soll die Intention des Gesetzgebers, unbillige Härten für den Verjährungslauf von verhaltenen Ansprüchen zu vermeiden, gleichmäßig umgesetzt werden, spricht vielmehr alles dafür, den Verjährungslauf für alle verhaltenen Ansprüche gleichermaßen taggenau mit der erstmaligen Geltendmachung beginnen zu lassen.
46
b) Etwas anderes kann dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. März 2021, Az. VII ZR 94/20, auch nicht entnommen werden. Es war für die dortige Entscheidung im Ergebnis nicht entscheidend, ob von einer taggenauen Berechnung des Verjährungslaufs auszugehen ist oder nicht. Deswegen hat sich der Bundesgerichtshof dazu auch explizit nicht geäußert (siehe dort, juris, Rn. 27). Soweit Kommentierungen diesem Urteil andere Aussagen entnehmen (z.B. Retzlaff in Grüneberg, 82. Auflage, 2023, § 650f, Rn. 14) vermag die Kammer dem rein aus der Lektüre des zitierten Urteils des Bundesgerichtshofs nicht zu folgen.
47
2. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin den hier streitgegenständlichen Sicherungsanspruch nach § 648a BGB a.F. gegenüber der Beklagtenseite erstmalig mit Schreiben vom 15. Oktober 2018 geltend gemacht hat.
48
Die Beklagtenseite geht von einem Zugang des Schreibens vom 15. Oktober 2018 noch am 15. Oktober 2018 aus, einen späteren Zugang hat die Klägerin nicht dargetan. Es ist damit von einem Beginn des Laufs der Verjährung mit Ablauf des 15. Oktober 2018 auszugehen.
49
IV. Die Verjährungsfrist für den Anspruch nach § 648a BGB a.F. beträgt 3 Jahre, § 195 BGB.
50
V. Der Ablauf der Verjährungsfrist für den hier streitgegenständlichen Sicherungsanspruch nach § 648a BGB a.F. ist zum 16. Oktober 2021, spätestens zum 20. Oktober 2021 eingetreten.
51
1. Der Vortrag der Klägerin zu einer Hemmung des Ablaufs der Verjährung durch laufende Verhandlungen im Rahmen von Gesprächen zwischen den Parteien beziehungsweise ihrer anwaltlichen Vertreter ist nicht ausreichend konkret, um für den hier streitgegenständlichen Anspruch auf Sicherung nach § 648a BGB a.F. von einem konkreten Hemmungszeitraum ausgehen zu können.
52
Nach den Hinweisen der Kammer zu ihrer Beurteilung der Verjährungslage hat die Klägerin vorgetragen, die Parteien hätten sich - auch in dem erledigten Vorprozess zur Herausgabe von Planungsunterlagen - immer wieder „über alles“ unterhalten. Explizit im Rahmen der Verhandlung im Vorprozess vom 19. Dezember 2018 hätten die Parteien die Herausgabe von Unterlagen und ein weiteres Hinarbeiten auf eine Einigung aller Streitfragen vereinbart.
53
Dieser Vortrag reicht angesichts des Bestreitens der Beklagtenseite, dass von den Verhandlungen auch der Sicherungsanspruch nach § 648a BGB a.F. umfasst war, nicht aus. Die - insoweit weitgehend übereinstimmenden - Schilderungen der damaligen und teilweise auch heutigen anwaltlichen Vertreter der Parteien geben im Kern wieder, dass die Parteien sowohl über ausstehendes Honorar als auch über die Herausgabe von Plänen stritten. Das (gekündigte) Vertragsverhältnis zwischen den Parteien sollte insgesamt geeint und abgeschlossen werden. Die Beklagtenseite macht geltend, dass im Rahmen der beabsichtigten Verhandlung auf Einigung aller Streitpunkte nach ihrem Verständnis damit eine endgültige Bereinigung auch der Honorarfrage angestrebt wurde. Da eine etwaige Einigung in Bezug auf das ausstehende Honorar den Sicherungsanspruch erledigt hätte, wurde aus ihrer Sicht daher nicht auch abtrennbar über den Sicherungsanspruch verhandelt.
54
Diese Interpretation des Verhandlungsinhaltes zwischen den Parteien kann durch den Klagevortrag nicht widerlegt werden. Auch die hierzu vorgelegten Unterlagen, insbesondere aus dem Austausch zum Vorprozess, belegen nur, dass die Parteien im Rahmen der Verhandlung über den Honoraranspruch zwar z.B. über Fälligkeitsfragen im Zusammenhang mit der ausstehenden Sicherung oder die Frage der Kostentragung nach Erledigung des Vorprozesses diskutiert haben. Eine Verhandlung über den Sicherungsanspruch als solchen und dessen Modalitäten kann den Unterlagen aber sämtlich nicht entnommen werden.
55
Soweit auf Klageseite eventuell einseitig die Vorstellung bestand, man verhandle auch über Sicherungsansprüche, führt dies nicht dazu, dass wegen dieser (einseitigen) Vorstellung auch von konkret darauf bezogenen zweiseitigen Verhandlungen ausgegangen werden kann. Denn für Verhandlungen ist es notwendig, dass beide Verhandlungspartner übereinstimmend von konkret zu verhandelnden Streitfragen ausgehen. Dies ist jedoch in Bezug auf den streitgegenständlichen Sicherungsanspruch nicht ausreichend dargetan, da die Beklagte einen schlüssigen, möglichen anderen Verhandlungshorizont ihrerseits angibt.
56
2. Auch die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen, insbesondere das Schreiben der Beklagtenseite vom 26. Oktober 2018 (Anlage K25) und der Telefonvermerk vom 12. Dezember 2018 (Anlage K27) belegen eine mögliche Verhandlung über den Sicherungsanspruch allenfalls für insgesamt vier Tage.
57
a) Die Kammer kann den genannten Unterlagen schon keinen Inhalt entnehmen, der einer zwischen den Parteien offenen Verhandlung subsumiert werden könnte. Denn aus beiden Unterlagen ergibt sich jeweils nur eine einseitige Bitte der Beklagtenseite, ohne dass dieser nachfolgend entsprochen worden wäre.
58
Im Schreiben vom 26. Oktober 2018 bittet die Beklagtenseite um Fristverlängerung zur Stellung einer Sicherheit. Diese wurde umgehend abgelehnt, wie sich der Antwort der Klageseite vom 29. Oktober 2018 (Anlage K26) entnehmen lässt.
59
Bei dem Telefongespräch zwischen den anwaltlichen Vertretern vom 11. Dezember 2018 hat die Klageseite ausweislich deren eigenen Telefonvermerks vom 12. Dezember 2018 (Anlage K27) eine Einigung vor dem anstehenden Gerichtstermin im Vorprozess abgelehnt.
60
b) Selbst wenn diese von der Kammer als einseitige Bitte der Beklagtenseite gewertete Äußerung als Verhandlungsofferte zu werten wäre, wären etwaige Verhandlungen durch die Ablehnung der Klageseite jedenfalls diesbezüglich immer beendet.
61
Es bliebe damit ein möglicher Verhandlungszeitraum von 3 Tagen zwischen dem 26. Oktober 2018 und dem 29. Oktober 2018 sowie einem weiteren Tag am 11. Dezember 2018. Mithin insgesamt allenfalls 4 Tage, die als Unterbrechung des Ablaufs der Verjährung gewertet werden könnten.
62
VI. Die vorliegende Klage vom 25. November 2021, eingegangen am selben Tag bei Gericht, ist nach Ablauf der Verjährung erhoben worden. Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung hat damit Erfolg.
63
I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
64
II. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.