Titel:
Erfolglose Klage gegen die Rücknahme einer Baugenehmigung für eine Hundeschule/Hundepension im Außenbereich
Normenketten:
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 S. 1 Nr. 7
BayVwVfG Art. 48
Leitsätze:
1. Zwar ist es – einzelfallabhängig – durchaus denkbar, dass die Nutzung eines Grundstücks für eine Hundeschule und Hundepension nachteilige Wirkungen auf die Umgebung, insbes. in der Form von Lärmimmissionen (Gebell) hervorrufen kann. Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist jedoch nicht jedes Vorhaben, das – wenn überhaupt – sinnvoll nur im Außenbereich errichtet werden kann, schon deshalb nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB im Außenbereich bevorzugt zuzulassen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dient das Vorhaben (hier: der Betrieb einer Hundeschule/Hundepension mit deren baulichen Anlagen) den individuellen gewerblichen Interessen der gegen die Rücknahme einer Baugenehmigung klagenden Betreiberin, den individuellen Interessen der Nutzer der Hundepension nach Versorgung ihres Tieres für Zeiträume eigener Verhinderung sowie, soweit es die Einrichtungen der Hundeschule betrifft, den individuellen Erholungs- und Freizeitinteressen der Hundehalter, die mit ihren Tieren an den Schulungen teilnehmen, besteht kein anzuerkennendes überwiegendes allgemeines Interesse an der Realisierung des Vorhabens im Außenbereich iSd § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
3. Mit der Versagung der Genehmigung nach § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 BauGB soll bereits "den Anfängen gewehrt" werden. Der Tatbestand des Befürchtens der Verfestigung einer Splittersiedlung setzt nicht voraus, dass – als Folge der Zulassung des insoweit öffentliche Belange beeinträchtigenden Vorhabens – ein uneingeschränkter Rechtsanspruch auf Zulassung weiterer Vorhaben entsteht. (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Hundeschule im Außenbereich, nicht privilegiert, Rücknahme einer Baugenehmigung, Ermessenserwägung, Hundeschule, Hundepension, Außenbereich, Baurecht, Baugenehmigung, Rücknahme, anzuerkennendes überwiegendes allgemeines Interesse, Splittersiedlung, bevorzugte Zulassung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 08.05.2024 – 9 ZB 22.2205
Fundstelle:
BeckRS 2022, 41307
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen der Beigeladenen zu 1) bis 3) und 6).
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt im vorliegenden Verfahren die Aufhebung eines Rücknahmebescheids, mit welchem die Baugenehmigung für die „Einzäunung des Trainingsgeländes für Hundeschule, Hundepension und Assistenzhunde-Ausbildung“ auf dem Grundstück Fl.Nr. …7/2 der Gemarkung G. … von jetzt an mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen wurde.
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Mit Bescheid vom 18. November 2014 erteilte das Landratsamt M. der Klägerin eine Baugenehmigung für die „Einzäunung des Trainingsgeländes für Hundeschule, Hundepension und Assistenzhunde-Ausbildung“ auf dem Grundstück Fl.Nr. …7/2 der Gemarkung G. … Mit weiterem Bescheid vom 25. April 2018 ergänzte das Landratsamt den ursprünglichen Baugenehmigungsbescheid vom 18. November 2014 dahingehend, dass Trainingszeiten auf Montag bis Samstag von 15:00 Uhr bis maximal 19:00 Uhr festgesetzt wurden und die Größe der Trainingsgruppe auf vier Hunde begrenzt wurde.
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Die hiergegen von der Klägerin erhobene Klage war erfolgreich. Das Verwaltungsgericht hob mit Urteil vom 6. November 2018 unter dem Az. W 4 K 18.705 den Bescheid des Landratsamts M. vom 25. April 2018 auf. Zur Begründung wurde insbesondere dargelegt, dass der Bescheid vom 25. April 2018 schon deshalb rechtswidrig sei, weil die zugrundeliegende Baugenehmigung vom 18. November 2014 als Hauptverwaltungsakt ihrerseits mangels hinreichender Bestimmtheit rechtswidrig sei. Der Genehmigung vom 18. November 2014 lasse sich auch i.V.m. den zugrundeliegenden Unterlagen nicht entnehmen, was überhaupt genehmigt worden sei. Es sei nicht erkennbar, ob lediglich die Einzäunung oder aber auch der Betrieb der Hundeschule genehmigt sei. Auch hinsichtlich der Hundepension und der Assistenzhunde-Ausbildung sei die Lage unklar. Damit regele die Baugenehmigung nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit den Genehmigungsinhalt, womit u.a. die von der Anlage ausgehenden Umweltauswirkungen nicht ermittelbar seien, was nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Nachbarrechte problematisch erscheine.
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Bereits unter dem 18. Februar 2018 hatte die Klägerin die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Hundetherapiezentrums auf den Grundstücken Fl.Nrn. …7/5, …7/2, …6/2 und …6/1 der Gemarkung G. … beantragt. Mit Beschluss vom 13. November 2018 verweigerte der Markt G. … sein gemeindliches Einvernehmen zu diesem Bauantrag.
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Unter dem 14. August 2019 lehnte das Landratsamt M. den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Hundetherapiezentrums ab (Ziffer 1). Die mit Bescheid des Landratsamts M. vom 18. November 2014 erteilte Baugenehmigung für die Einzäunung des Trainingsgeländes für Hundeschule, Hundepension und Assistenzhunde-Ausbildung auf dem Grundstück Fl.Nr. …7/2 der Gemarkung G. … wurde mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen (Ziffer 2). Die Klägerin wurde verpflichtet, innerhalb von drei Monaten ab Bestandskraft der Verpflichtung aus Ziffer 2 des Bescheids die Nutzung aus der Baugenehmigung vom 18. November 2014 einzustellen und sämtliche in Ausnutzung der Baugenehmigung vom 18. November 2014 errichteten baulichen Anlagen zu beseitigen. Dies betreffe vor allem die vorhandene Einzäunung des Trainingsgeländes sowie die errichtete Flutlichtanlage (Ziffer 3). Falls die Klägerin die Verpflichtung aus der Ziffer 3 des Bescheids nicht fristgemäß erfülle, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer 4).
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Hundetherapiezentrums abgelehnt werde, da sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 35 Abs. 2 BauGB richte. Das Vorhaben beeinträchtige allerdings öffentliche Belange, wie die natürliche Eigenart der Landschaft. Schließlich sei die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung zu befürchten. Die Rücknahme der Baugenehmigung basiere auf Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG, die Nutzungsuntersagung und die Beseitigungsanordnung auf Art. 76 Sätze 1 und 2 BayBO.
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Unter dem 19. September 2019 ließ die Klägerin hiergegen Klage erheben und beantragte mit Schreiben vom 24. November 2020 im vorliegenden Verfahren,
den Bescheid zur Zurücknahme der mit Bescheid des Landratsamts M. vom 18. November 2014 erteilten Baugenehmigung für die Einzäunung des Trainingsgeländes für Hundeschule, Hundepension und Assistenzhunde-Ausbildung auf dem Grundstück Fl.Nr. …7/2 der Gemarkung G. … aufzuheben (Ziffer II des Ausgangsbescheids).
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die damals erteilte Baugenehmigung nicht rechtswidrig gewesen sei. Selbst wenn man von einer rechtswidrig erteilten Baugenehmigung ausgehe, so sei die Zurücknahme zumindest ermessensfehlerhaft. Es lägen ein Ermessensdefizit und ein Ermessensfehlgebrauch vor.
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Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2021 beantragte der Beklagte,
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Zur Begründung wurde ausgeführt, die Rücknahme der Baugenehmigung erfolge auf der Grundlage von Art. 48 BayVwVfG. Ermessenfehler seitens des Landratsamts M. lägen nicht vor. Das Landratsamt habe nachvollziehbar schutzwürdige nachbarliche Interessen höher gewichtet, als einen Vertrauensschutz der Klägerin.
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Bereits mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2020 beantragte der Beigeladenenvertreter zu 1) bis 3) und 6),
12
Am 22. März 2022 hat die Kammer einen Augenschein durchgeführt.
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Auf das Protokoll und die in diesem Zusammenhang gefertigten Bilder wird Bezug genommen.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage, über die ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, da die Beteiligten auf deren Durchführung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO) hat keinen Erfolg.
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Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist - nach Abtrennung der übrigen Anordnungen - Ziffer II des streitgegenständlichen Bescheids vom 14. August 2019. Mit dieser Verfügung hat der Beklagte die mit Bescheid des Landratsamts M. vom 18. November 2014 erteilte Baugenehmigung für die „Einzäunung des Trainingsgeländes für Hundeschule, Hundepension und Assistenzhunde-Ausbildung“ auf dem Grundstück Fl.Nr. …7/2 der Gemarkung G. … von jetzt an mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen. Die Klägerin begehrt die Aufhebung dieser Regelung.
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Die von ihr aus diesem Grund erhobene Anfechtungsklage ist zwar zulässig, aber unbegründet. Die Verfügung des Beklagten, d.h. die Rücknahme des Baugenehmigungsbescheids des Landratsamts M. vom 18. November 2014, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Rechtliche Grundlage für den Rücknahmebescheid ist Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG. Nach dieser Vorschrift kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Begünstigende Verwaltungsakte, wozu auch die hier in Rede stehende Baugenehmigung gehört, dürfen nur unter den Einschränkungen des § 48 Abs. 2 bis 4 BayVwVfG zurückgenommen werden (Art. 48 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG).
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage sind vorliegend gegeben. Die Baugenehmigung vom 18. November 2014 ist rechtswidrig, denn ihrer Erteilung standen - und stehen auch heute noch - öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO).
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Wie das Verwaltungsgericht Würzburg in seinem Urteil vom 6. November 2018 im Verfahren W 4 K 18.705 rechtskräftig festgestellt hat, verstößt die vom Landratsamt M. mit Bescheid vom 18. November 2014 erteilte Baugenehmigung für die „Einzäunung des Trainingsgeländes für Hundeschule, Hundepension und Assistenzhunde-Ausbildung“ auf dem Grundstück Fl.Nr. …7/2 der Gemarkung G. … jedenfalls gegen den auch in Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG normierten Bestimmtheitsgrundsatz.
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Das Verwaltungsgericht hat in dem besagten Urteil hierzu ausgeführt:
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Die Baugenehmigung vom 18. November 2014 ist aufgrund mangelnder Bestimmtheit gemäß Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG rechtswidrig. Eine Baugenehmigung muss Inhalt, Reichweite und Umfang der genehmigten Nutzung eindeutig erkennen lassen, damit die mit dem Bescheid getroffene Regelung für die Beteiligten des Verfahrens nachvollziehbar und eindeutig ist. Diesem Erfordernis ist genügt, wenn die mit dem Bescheid getroffene Regelung für die Beteiligten des Verfahrens - gegebenenfalls nach Auslegung - eindeutig zu erkennen und damit einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich ist (BVerwG, U.v. 22.1.1993 - 8 C 57/91 - juris). Daran fehlt es hier.
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Es lässt sich der Genehmigung vom 18. November 2014 auch in Verbindung mit den zugrunde liegenden Unterlagen nicht entnehmen, was im Einzelnen genehmigt ist. So bezieht sich die Genehmigung auf das Vorhaben „Einzäunung des Trainingsgeländes für Hundeschule, Hundepension und Assistenzhunde-Ausbildung“. Aus dieser Umschreibung lässt sich schon nicht erkennen, ob lediglich die Einzäunung oder auch der Betrieb genehmigt ist. Darüber hinaus steht nicht fest, inwieweit und in welchem Umfang neben der Hundeschule eine Hundepension bzw. die Assistenzhunde-Ausbildung von der Klägerin betrieben werden darf. Sie selbst hat in ihren E-Mails aus dem Jahr 2014 angegeben, dass die Hundepension erst Wichtigkeit erlangt, wenn sie die Hundeschule in zwei bis drei Jahren hauptberuflich betreibt. Inwieweit damit ein Verzicht der Klägerin auf den Betrieb einer Hundepension zu sehen ist, bleibt im Unklaren. Ein solcher Verzicht findet sich wohl nicht in den E-Mails aus den Jahren 2014. Zuletzt ist nochmals darauf hinzuweisen, dass in den E-Mails vom 29. Oktober 2014 und vom 3. November 2014, wie bereits unter Ziffer 2.1. dargelegt, ein Betriebskonzept, welches den Inhalt der Baugenehmigung im Sinne des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG präzisiert, von der Klägerin nicht vorgelegt wurde. Zeiten und Umfang der Hundeausbildung bzw. Hundeschule bleiben unklar. Damit regelt die Baugenehmigung vom 18. November 2014 nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit den Genehmigungsinhalt, womit u.a. die von der Anlage ausgehenden Umweltauswirkungen (vgl. v.a. hinsichtlich der Lärmemissionen) nicht ermittelbar sind, was nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Nachbarrechte problematisch erscheint.
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Erweist sich die Baugenehmigung vom 18. November 2014 mithin als rechtswidrig, kommt grundsätzlich ihre Rücknahme unter den Voraussetzungen des Art. 48 BayVwVfG in Betracht.
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Insoweit hat die Kammer nach § 114 Satz 2 VwGO zu prüfen, ob der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder die Behörde von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.
26
Der Beklagte hat vorliegend das ihm gemäß Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG eingeräumte Rücknahmeermessen korrekt ausgeübt. Einen Ermessensfehler im vorgenannten Sinn vermag die Kammer nicht festzustellen.
27
Zunächst ist allerdings festzuhalten, dass die Kammer entgegen der teilweise in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassung davon ausgeht, dass auch in den Fällen des Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG, d.h. in Fällen, bei denen es um die Rücknahme von Verwaltungsakten geht, die nicht eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewähren oder hierfür Voraussetzung sind (Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG), Vertrauensschutzgesichtspunkte zu Gunsten des von der Rücknahmeentscheidung Betroffenen bei der Ermessensausübung nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG zu berücksichtigen sind (vgl. zum Ganzen Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 48 Rn. 137, m.w.N.).
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Für die Frage, ob die Behörde von der Möglichkeit der Rücknahme Gebrauch machen will, kann es nämlich wegen der Rechtsfolge des Art. 48 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG von Bedeutung sein, ob der Begünstigte in schutzwürdiger Weise auf dem Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und ihm dadurch Vermögensnachteile entstanden sind (vgl. BVerwG, B.v. 7.11.2000 - 8 B 137/00 - NvWZ-RR 2001, S. 198; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 8.6.2000 - 2 SN 15.00 - BRS 63 Nr.183).
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Selbst bei Anwendung des Art. 50 BayVwVfG, der die Geltung des Art. 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 bis 4 BayVwVfG ausschließt, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben und dadurch den Widerspruch oder der Klage abgeholfen wird, ist im Rahmen der nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG unverändert gebotenen Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, in welcher Weise der Bauherr auf den Bestand vertraut und hierbei bereits Belastungen auf sich genommen hat. Der Gesetzgeber ist in Art. 50 BayVwVfG nur von der „regelhaften“ Beurteilung des Vertrauens nach Art. 48 Abs. 2 bis 4 BayVwVfG abgerückt. Er hat aber die Behörde nicht davon befreit, die Umstände des Einzelfalls im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen (zum Ganzen vgl. BVerwG, B.v. 10.2.1994 - 4 B 26/94 - NVwZ 1994, S. 896 zu Art. 48 und 50 BayVwVfG).
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Auch wenn demnach schutzwürdiges Vertrauen in Fällen des Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG - anders als in den Fällen des Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG - die Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsaktes nicht von vornherein ausschließt und es insoweit bei der freien Rücknehmbarkeit nach pflichtgemäßem Ermessen bleibt, ist die Berücksichtigung der Vertrauensschutzaspekte - wie die Berücksichtigung sämtlicher wesentlicher Gesichtspunkte - im Rahmen der Ermessensentscheidung nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG gleichwohl auch verfassungsrechtlich geboten. Der Vertrauensschutz hat aus rechtsstaatlicher Sicht einen hohen Stellenwert für die Rechtsordnung. Gerade der Schutz der im Vertrauen auf den Bestand eines Verwaltungsakts getroffenen Dispositionen, wofür die Ausnutzung einer Baugenehmigung ein typisches Beispiel ist, ist regelmäßig ein gewichtiger Gesichtspunkt, der gegen eine Rücknahme des Verwaltungsakts sprechen kann. Zudem ist nicht selten das Interesse des von der Rücknahme Betroffenen vorrangig auf die Erhaltung des Bestands und nicht nur auf bloßen Geldersatz gerichtet, so dass sich ein etwaiges schutzwürdiges Vertrauen durch die Zuerkennung finanzieller Ausgleichsansprüche nicht immer angemessen kompensieren lässt.
31
Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Grundsätze hat der Beklagte deshalb auch ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin in den Bestand der Baugenehmigung bejaht, das schutzwürdige nachbarliche Interesse zu Recht aber höher gewichtet als einen Vertrauensschutz der Klägerin. Denn im Rahmen der Ermessensausübung sind auch die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Anders ausgedrückt: Die öffentlichen und nachbarlichen Interessen an der Beseitigung des Verwaltungsakts sind mit dem schutzwürdigen Interesse des Begünstigten, insbesondere also des Bauherrn, an der Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts abzuwägen. Dabei ist es unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden, wenn die Behörde - unabhängig von einem etwaigen Ausgleichsanspruch des Bauherrn (Art. 48 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG) - dem im öffentlichen Interesse liegenden Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und den nachbarlichen Interessen den Vorrang einräumt gegenüber dem Vertrauen auf die ins Werk gesetzte Baugenehmigung (vgl. VGH Baden-Württemberg, U.v. 29.7.2005 - 5 S 2372/03 - BauR 06, 975; BVerwG, B.v. 10.10.2005 - 4 B 60.05 - BauR 06, 481).
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Vorliegend hat der Beklagte zweifelsohne erkannt, dass eine Rücknahme der Baugenehmigung mit erheblichen Nachteilen für die Klägerin verbunden ist. Er hat aber den öffentlichen und nachbarlichen Interessen an der Beseitigung der Baugenehmigung mehr Gewicht eingeräumt, weil es dieser an der erforderlichen Bestimmtheit fehle. Mit der Baugenehmigung vom 18. November 2014 seien die von der Anlage ausgehenden Umweltauswirkungen nicht ermittelbar. Etwaige Anordnungen im Vollzug könnten nicht auf die Baugenehmigung gestützt werden. Im Hinblick auf Nachbarrechte sei ein solcher Zustand nicht dauerhaft hinnehmbar. Zwar komme die von der Klägerin vorgelegte Schallimmissionsprognose zu dem Ergebnis, dass die Hundeschule ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Nachbarschaft betrieben werden könne, allerdings spiegelten sich die in der Schallimmissionsprognose zugrunde gelegten Betriebsabläufe nicht in der Baugenehmigung vom 18. November 2014 wieder. Auf der Grundlage der Baugenehmigung könne somit in deren Vollzug nicht sichergestellt werden, dass die Hundeschule, so wie in der Schallimmissionsprognose angenommen, auch tatsächlich betrieben werde. Aus dem gleichen Grund seien die vorgelegten Stellungnahmen von Kunden der Klägerin nicht geeignet von einem aus Lärmschutzgesichtspunkten unbedenklichen Betrieb auszugehen. Ein entsprechendes Betreiberverhalten sei durch die unbestimmte Baugenehmigung rechtlich nicht sicherzustellen.
33
Diese Erwägungen des Beklagten sind seitens der Kammer nicht zu beanstanden und rechtfertigen es zweifellos, den Vertrauensschutz der Klägerin trotz der obigen Ausführungen weniger zu gewichten bzw. den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und den nachbarlichen Interessen mehr Gewicht einzuräumen.
34
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem ausführlichen Vortrag des Klägervertreters in seinen diversen Schriftsätzen. Soweit dort von einem Ermessensdefizit und einer Ermessensfehleinschätzung die Rede ist, weil übersehen worden sei, dass eine Teilrücknahme oder nachträgliche Auflagen-/Nebenbestimmungen in Betracht kämen, wird zunächst schon verkannt, dass die Baugenehmigung vom 18. November 2014 rechtswidrig war und dies, worauf das Verwaltungsgericht schon in seinem Urteil vom 6. November 2018 im Verfahren W 4 K 18.705 hingewiesen hat, zwingend zur Rechtswidrigkeit nachträglicher Nebenbestimmungen führt.
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Doch selbst für den Fall, dass die Baugenehmigung vom 18. November 2014 dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprochen hätte, wäre sie rechtswidrig, weil das Vorhaben, wie der Augenscheinstermin offensichtlich ergeben hat, eindeutig im Außenbereich liegt und dort planungsrechtlich unzulässig ist.
36
Die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden Privilegierungstatbestands des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB liegen nicht vor. Die Bestimmung stellt einen Auffangtatbestand für diejenigen Vorhaben dar, die auf einen Standort im Außenbereich angewiesen sind. Danach ist ein Vorhaben im Außenbereich nur privilegiert zulässig, wenn es wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkungen auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll.
37
Zwar ist es - einzelfallabhängig - durchaus denkbar, dass die Nutzung eines Grundstücks für eine Hundeschule und Hundepension nachteilige Wirkungen auf die Umgebung, insbesondere in der Form von Lärmimmissionen (Gebell) hervorrufen kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch nicht jedes Vorhaben, das - wenn überhaupt - sinnvoll nur im Außenbereich errichtet werden kann, schon deshalb nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB im Außenbereich bevorzugt zuzulassen. Erforderlich ist vielmehr eine rechtliche Wertung, ob es im Sinne dieser Vorschrift auch zugelassen werden „soll“ (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 4. Juli 1991 - 4 B 109/91 - juris Rn 4 = Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 274, und vom 23. November 1995 - 4 B 209/95 - juris Rn 3 = Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 315).
38
Das ist nicht der Fall, wenn es zur Erfüllung einer an sich außenbereichsadäquaten Funktion nicht erforderlich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. November 1995 - 4 B 209/95 - juris Rn 3 = Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 315; OVG NRW, Urteil vom 15. Februar 2013 - 10 A 237/11 - juris Rn 27 = BauR 2013, 1246).
39
In Anwendung dieser Grundsätze fehlte es bereits im Jahr 2014 an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass das Vorhaben auf Verhältnisse angewiesen ist, die typischerweise im Außenbereich anzutreffen sind. Es ist nicht ersichtlich, dass für einen derartigen Betrieb keine anderen geeigneten Flächen insbesondere im Innenbereich zu finden sind. Insoweit dürfte eine Fläche im Innenbereich bereits dann geeignet sein, wenn ihre Umgebung gegen die von einer Hundeschule vorliegenden Ausmaßes ausgehenden Lärmimmissionen unempfindlich ist und Dritte durch bauliche Vorrichtungen vor Belästigung oder Gefahren durch die dort freilaufenden Hunde geschützt werden können (vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Februar 2013 - 10 A 237/11 - juris Rn 29 = BauR 2013, 1246).
40
Unabhängig davon sind nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB nur solche Vorhaben privilegiert, die über eine individuelle und die Allgemeinheit ausschließende Nutzung des Außenbereichs hinausgehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Februar 2009 - 7 B 46/08 - juris Rn 8).
41
Am Merkmal des „Sollens“ im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB fehlt es daher immer dann, wenn gegenüber dem allgemeinen Bedürfnis nach Erholung in der freien Natur, dem der Außenbereich unter anderem dient, individuelle Interessen oder Freizeit- und Erholungswünsche bevorzugt werden sollen. Ob, in welchem Umfang und zu welchen Zwecken Anlagen zur Freizeitgestaltung im Außenbereich geschaffen werden sollen, ist Sache der planenden Gemeinde (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 4. Juli 1991 - 4 B 109/91 - juris Rn 4 = Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 274, und vom 9. Mai 2012 - 4 B 10/12 - juris Rn 7 = BauR 2012, 1360; OVG NRW, Urteil vom 15. Februar 2013 - 10 A 237/11 - juris Rn 31 = BauR 2013, 1246).
42
Dementsprechend fallen Hundesportplätze, die der Erholung und Freizeitgestaltung eines bestimmten Personenkreises dienen, grundsätzlich nicht unter den Privilegierungstatbestand (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 4. Juli 1991 - 4 B 109/91 - juris Rn 4 = Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 274; OVG NRW, Urteil vom 15. Februar 2013 - 10 A 237/11 - juris Rn 33 = BauR 2013, 1246).
43
Auch das Vorhaben der Klägerin ist danach nicht privilegiert. Ein anzuerkennendes überwiegendes allgemeines Interesse an der Realisierung des Vorhabens im Außenbereich besteht nicht. Vielmehr dient das Vorhaben den individuellen gewerblichen Interessen der Klägerin, den individuellen Interessen der Nutzer der Hundepension nach Versorgung ihres Tieres für Zeiträume eigener Verhinderung sowie, soweit es die Einrichtungen der Hundeschule betrifft, den individuellen Erholungs- und Freizeitinteressen der Hundehalter, die mit ihren Tieren an den Schulungen teilnehmen.
44
Als sonstiges Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB würden nach alldem, selbst bei festgestellter Bestimmtheit, öffentliche Belange beeinträchtigt, so dass das Vorhaben gemäß § 35 Abs. 2 und 3 BauGB planungsrechtlich unzulässig gewesen wäre.
45
Die Nutzungen der baulichen Anlagen auf den besagten Flächen widersprechen den Darstellungen des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB), der das Grundstück als „Fläche für die Landwirtschaft“ darstellt.
46
Der Flächennutzungsplan ist so lange als öffentlicher Belang beachtlich, wie seine Darstellungen durch die gegebene Situation bestätigt und erhärtet werden. Die Darstellungen des Flächennutzungsplans sind immer nur als Unterstützung und einleuchtende Fortschreibung bestimmter tatsächlicher Gegebenheiten geeignet, zum Vorliegen eines beeinträchtigenden Belangs beizutragen. Auf die tatsächlichen Gegebenheiten abzustellen bedeutet aber nicht, dass der Flächennutzungsplan nur dann ein beachtlicher öffentlicher Belang ist, wenn seine Darstellungen mit der tatsächlichen Situation übereinstimmen, denn dann liefe seine Erwähnung als öffentlicher Belang weitgehend leer. Vielmehr gilt, dass der Flächennutzungsplan nur dort nicht mehr maßgeblich sein kann, wo seine Darstellungen den besonderen örtlichen Verhältnissen nicht mehr gerecht werden können, weil sie etwa durch die zwischenzeitliche Entwicklung überholt sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. April 1997 - 4 B 11.97 - juris Rn 18 = BauR 1997, 616; OVG NRW, Urteile vom 13. November 2009 - 7 A 1236/08 - und vom 15. Februar 2013 - 10 A 237/11 - juris Rn 42 = BauR 2013, 1246).
47
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine landwirtschaftliche Nutzung der Grundstücke nicht (mehr) in Betracht kommt, gibt es nicht. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Grundstücke zuletzt tatsächlich landwirtschaftlich genutzt worden sind und ob die Klägerin selbst sie für einen landwirtschaftlichen Betrieb sinnvoll nutzen könnte.
48
Die zur Genehmigung gestellten baulichen Anlagen sind auch nicht begünstigt nach § 35 Abs. 4 Nr. 1 BauGB. Nach dieser Vorschrift kann bestimmten Vorhaben ein Widerspruch zum Flächennutzungsplan nicht entgegengehalten werden. Das Vorhaben der Klägerin erfüllt die Voraussetzungen einer solchen Teilprivilegierung jedoch nicht. Auf die Ausführungen des Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid wird Bezug genommen.
49
Die Vorhaben beeinträchtigen auch öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB. Nach dieser Vorschrift liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vor, wenn Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet wird.
50
Wie der Beklagte vorliegend zu Recht dargelegt hat und auch der Augenscheinstermin offenbart hat, beeinträchtigt die „Einzäunung des Trainingsgeländes für Hundeschule, Hundepension und Assistenzhunde-Ausbildung“ die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert. Die natürliche Eigenart der Landschaft im Außenbereich wird geprägt durch die naturgemäße, der Landschaft entsprechende Bodennutzung und durch ihre Funktion als Erholungslandschaft für die Allgemeinheit (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 27. Januar 1967 - 4 C 33/65 - juris Rn 32 = BVerwGE 26, 111; Urteil vom 25. Januar 1985 - 4 C 28/81 - juris Rn 8 f = BauR 1985, 427, NVwZ 1985, 747). Das im Jahr 2014 zur Genehmigung gestellte und vom Landratsamt auch genehmigte Vorhaben entspricht dieser Nutzung und Funktion des Außenbereichs offensichtlich nicht. Als wesensfremde Nutzung bildet es in der Landschaft einen Fremdkörper. Ausweislich des Augenscheintermins und des von der Kammer herangezogenen und insoweit eindeutigen Kartenmaterials stellt sich die Umgebung des Vorhabengrundstücks ausschließlich als freie Fläche oder Fläche für die Landwirtschaft dar.
51
Diese natürliche Eigenart der Landschaft weist in der Umgebung auch keine Einbrüche auf, die eine beeinträchtigende Wirkung des Vorhabens in Frage stellen könnten (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24. August 1979 - 4 C 8/78 - juris Rn 16 = BauR 1980, 49).
52
Die in der Umgebung vorhandenen Gebäude sind mit der natürlichen Eigenart der Landschaft vereinbar. Sie sind jeweils privilegierten Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 1 BauGB zuzuordnen bzw. fügen sich gemäß § 34 Abs. 1 BauGB ein.
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Schließlich ist die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung zu befürchten und damit der öffentliche Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB beeinträchtigt. Als bauliche Anlagen, die eine Splittersiedlung im Außenbereich begründen oder erweitern können, kommen nicht nur Wohngebäude, sondern auch andere bauliche Anlagen in Betracht (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 1998 - 4 C 10/97 - juris Rn 17 = BVerwGE 106, 228; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 29. Januar 2013 - 6 K 2898/11 - juris Rn 27).
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Mit der Versagung der Genehmigung nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB soll bereits „den Anfängen gewehrt“ werden. Der Tatbestand des Befürchtens der Verfestigung einer Splittersiedlung setzt nicht voraus, dass - als Folge der Zulassung des insoweit öffentliche Belange beeinträchtigenden Vorhabens - ein uneingeschränkter Rechtsanspruch auf Zulassung weiterer Vorhaben entsteht. Es genügt, dass die Gründe, die weiteren Vorhaben entgegengehalten werden könnten, an Überzeugungskraft einbüßen würden, wenn das jetzt beantragte Vorhaben nicht aus eben den Gründen (Verfestigung einer Splittersiedlung) versagt würde, mit der Genehmigung also ein sog. Berufungsfall geschaffen würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. September 1999 - 4 B 27/99 - juris Rn 6 = BauR 2000, 1173-1174).
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Die im Jahr 2014 zur Genehmigung gestellten und vom Landratsamt M. auch genehmigten baulichen Anlagen erfüllen diese Voraussetzungen. In der Umgebung des Vorhabengrundstücks befand sich, wie der Augenscheinstermin eindeutig ergeben hat, bisher lediglich im Norden Bebauung. Die in Rede stehenden baulichen Anlagen würden die Bebauung weiter nach Süden bzw. Südosten verschieben und sind daher geeignet, eine Vorbildfunktion für weitere Gebäude mit gewerblicher oder reiner Wohnnutzung im bisher nicht bebauten Außenbereich zu entfalten.
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Die Rücknahme ist auch nicht gemäß Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG wegen Ablaufs der Jahresfrist ausgeschlossen.
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Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG findet Anwendung, wenn die Behörde nachträglich erkennt, dass sie den beim Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts vollständig bekannten Sachverhalt unzureichend berücksichtigt oder unrichtig gewürdigt und deswegen rechtswidrig entschieden hat. Die Frist beginnt zu laufen, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die für die Rücknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind (vgl. BVerwG, B.v. 19.12.1984 - GrSen 1/84, GrSen 2/84 - BVerwGE 70, 356 - juris). Es handelt sich bei der Frist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG mithin um eine reine Entscheidungsfrist, die erst beginnt, wenn bei objektiver Betrachtung keine Notwendigkeit mehr für eine weitere Aufklärung besteht. Daher beginnt die Frist in der Regel erst nach Abschluss eines erforderlichen Anhörungsverfahrens (Kopp/Ramsauer, VwVfG, a.a.O., § 48 Rn. 154), in welchem vor allem auch die für die Ermessensentscheidung erheblichen Tatsachen ermittelt werden.
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Demnach begann die Jahresfrist erst mit Abschluss des Anhörungsverfahrens, also am 23. Juli 2019, nachdem die Klägerin die ihr gebotene Möglichkeit zur Stellungnahme mit Schriftsatz vom 22. Juli 2019 wahrgenommen hat. Der Erlass des Rücknahmebescheids am 14. August 2019 liegt daher innerhalb der Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG.
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Da der Bescheid vom 14. August 2019 somit in Ziffer 2 rechtmäßig ist, war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO abzuweisen. Es entsprach der Billigkeit, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, die einen Antrag gestellt haben, da diese sich durch die Antragstellung an dem Kostenrisiko beteiligt haben.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.