Inhalt

FG Nürnberg, Urteil v. 27.09.2022 – 1 K 1595/20
Titel:

Besteuerung einer inländischen Betriebsstätte einer ungarischen Kapitalgesellschaft

Normenketten:
BsGaV § 32
AStG § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 5
Leitsatz:
Diese Vorschrift findet gemäß § 1 Abs. 5 AStG entsprechende Anwendung, wenn für eine Geschäftsbeziehung im Sinne des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 2 die Bedingungen, insbesondere die Verrechnungspreise, die der Aufteilung der Einkünfte zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte oder der Ermittlung der Einkünfte der inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens steuerlich zugrunde gelegt werden, nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen und dadurch die inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen gemindert oder die ausländischen Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen erhöht werden. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Außensteuer
Rechtsmittelinstanz:
BFH München vom -- – I R 45/22
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstellen:
EFG 2023, 527
LSK 2022, 41137
BeckRS 2022, 41137
IStR 2023, 211

Tenor

1. Unter Abänderung der angefochtenen Bescheide vom 12.04.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.11.2020 wird die Körperschaftsteuer für 2017 auf 2.034 € und der vortragsfähige Gewerbeverlust auf den 31.12.2017 mit 68.077 € festgestellt. Der Gewerbesteuermessbetrag für 2017 verbleibt bei 0 €.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
4. Das Urteil ist wegen der zu erstattenden Aufwendungen der Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Aufwendungen der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1
Streitig ist die Besteuerung der inländischen Betriebsstätte einer ungarischen Kapitalgesellschaft.
2
Die Klägerin ist eine im ungarischen Handelsregister eingetragene Kapitalgesellschaft ungarischen Rechts (Korlátolt Felelösségü Társaság - Kft. -), einer Gesellschaftsform, die der deutschen GmbH entspricht, mit Sitz und Geschäftsleitung in Ungarn. Sie unterhielt im Streitjahr 2017 in Deutschland eine Betriebsstätte und erbrachte Werkvertragsleistungen im Bereich der Montage. Aktenkundig sind Dienstleistungsverträge mit der Fa. X AG vom xx.xx.2009 sowie mit der Fa. Y GmbH vom xx.xx.2009. Zum 31.08.2020 erfolgte die Gewerbeabmeldung für die inländische Betriebsstätte.
3
Dem in der Körperschaftsteuererklärung für 2017 erklärten Gewinn folgte das Finanzamt im Rahmen des Veranlagungsverfahrens nicht. Unter Verweis auf § 32 BsGaV ging es hinsichtlich der inländischen Betriebsstätte von einer Routinebetriebsstätte aus und ermittelte den Gewinn 2017 in der Weise, dass es aus den Betriebsausgaben (Materialaufwand 84.662 €, Personalaufwand 911.892 € und sonstige betriebliche Aufwendungen 240.777 €) unter Ansatz eines Aufschlagsatzes von 10% einen Gewinn in Höhe von 123.733 € errechnete.
4
Diesen Gewinn legte das Finanzamt den Bescheiden vom 12.04.2019 für 2017 zugrunde.
5
Hiergegen legte die Klägerin am 29.04.2019 Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 24.11.2020 änderte das Finanzamt die Bescheide dahingehend ab, dass es den Aufschlagsatz auf 5% der Personalkosten (911.892 €) und sonstigen betrieblichen Aufwendungen (240.777 €) reduzierte und somit für 2017 einen Jahresüberschuss in Höhe von 57.633 € ansetzte; der Materialaufwand fand keine Berücksichtigung mehr. An der Einschätzung, dass es sich nach dem Gesamtbild der Betriebsstätte um eine Routinebetriebsstätte gehandelt habe, hielt das Finanzamt fest.
6
Die Körperschaftsteuer 2017 setzte das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung auf 8.644 € und den Gewerbesteuermessbetrag 2017 auf 0 € herab, den vortragsfähigen Gewerbeverlust stellte es auf den 31.12.2017 auf 24.009 € fest; im Übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück.
7
Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht am 22.12.2020 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie u.a. ausgeführt, der Anwendungsbereich des AStG sei nicht eröffnet, da die Klägerin keine Gewinne nach Ungarn verlagert habe.
8
Die Klägerin hat beantragt,
die angefochtenen Bescheide und die Einspruchsentscheidung vom 24.11.2020 dahingehend zu ändern, dass ein Gewinn aus Gewerbebetrieb von 13.565 € angesetzt wird.
9
Das Finanzamt hat unter Verweis auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung Klageabweisung beantragt.
10
Hilfsweise haben die Beteiligten für den Fall des Unterliegens die Zulassung der Revision beantragt.
11
Wegen der Einzelheiten wird auf die Finanzgerichtsakte, die dem Gericht vorliegenden Akten des Finanzamts und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 27.09.2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist begründet.
13
Die Bestimmungen der BsGaV kommen nicht zur Anwendung, da deren Anwendungsbereich im Streitfall nicht eröffnet ist.
14
Die BsGaV ist eine Rechtsverordnung i.S. des Art. 80 GG, zu dessen Erlass das Bundesministerium der Finanzen gemäß § 1 Abs. 6 AStG ermächtigt wurde. Mit der Rechtsverordnung sind Einzelheiten des Fremdvergleichsgrundsatzes im Sinne der Absätze 1, 3 bis 3c und 5 des § 1 AStG und Einzelheiten zu dessen einheitlicher Anwendung geregelt und werden Grundsätze zur Bestimmung des Dotationskapitals im Sinne des Absatzes 5 Satz 3 Nr. 4 festgelegt.
15
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG gilt: Werden Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus einer Geschäftsbeziehung zum Ausland mit einer ihm nahestehenden Person dadurch gemindert, dass er seiner Einkünfteermittlung andere Bedingungen, insbesondere Preise (Verrechnungspreise), zugrunde legt, als sie voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten (Fremdvergleichsgrundsatz), sind seine Einkünfte unbeschadet anderer Vorschriften so anzusetzen, wie sie unter den zwischen voneinander unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären.
16
Diese Vorschrift findet gemäß § 1 Abs. 5 AStG entsprechende Anwendung, wenn für eine Geschäftsbeziehung im Sinne des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 2 die Bedingungen, insbesondere die Verrechnungspreise, die der Aufteilung der Einkünfte zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte oder der Ermittlung der Einkünfte der inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens steuerlich zugrunde gelegt werden, nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen und dadurch die inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen gemindert oder die ausländischen Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen erhöht werden. Zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes ist eine Betriebsstätte wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln, es sei denn, die Zugehörigkeit der Betriebsstätte zum Unternehmen erfordert eine andere Behandlung.
17
Die Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG sind im Streitfall insofern nicht erfüllt, als insbesondere keine Verrechnungspreisproblematik vorliegt. Für das Gericht sind keine Anhaltspunkte ersichtlich und solche wurden vom Finanzamt auch nicht vorgetragen, dass die Leistungsbeziehungen zwischen der ungarischen Muttergesellschaft und der inländischen Betriebsstätte als Besteuerungssubjekt überhöht abgerechnet worden wären oder in anderer Weise einem Drittvergleich nicht standhalten würden. Soweit die inländische Betriebsstätte Zahlungen an das Mutterhaus leistete (z.B. Zahlungen an die ungarische Sozialkasse), handelte es sich im Streitjahr um bloße Kostenerstattungen, die der Niederlassung ohne Aufschlag weiterberechnet worden waren.
18
Insbesondere folgt das Gericht nicht der Auffassung des Finanzamts, wonach in Bezug auf die Leistungsbeziehungen zwischen der ungarischen Muttergesellschaft und der inländischen Betriebsstätte ggf. fiktive Aufschlagsätze zum Ansatz kommen müssten. Eine solche Sachbehandlung ist den Vorschriften des AStG nicht zu entnehmen.
19
Da der Anwendungsbereich der einschlägigen Vorschriften des AStG mithin im Streitfall nicht gegeben ist, kommt auch eine Anwendung der BsGaV nicht in Betracht.
20
Dem Klageantrag der Klägerin ist somit zu folgen. Der rechnerischen Ermittlung des Gewinns 2017 (13.565 €), die die Klägerin ihrem Klageantrag zu Grunde gelegt hat, hat das Finanzamt nicht widersprochen.
Berechnung:
Körperschaftsteuer 2017:
Einkünfte aus Gewerbebetrieb: 13.565 €
Körperschaftsteuer (15%) 2.034 €
vortragsfähiger Gewerbeverlust auf den 31.12.2017 Verlust auf den 31.12.2016 81.642 €
abzgl. Gewinn 2017 -13.565 € vortragsfähiger Gewerbeverlust 68.077 €
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Die Kosten des Klageverfahrens hat das Finanzamt zu tragen, da die Klägerin mit ihrer Klage Erfolg hat (§ 135 Abs. 1 FGO).
22
Die Zuziehung der Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt, da diese das Verfahren in sachdienlicher Weise gefördert hat (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).
23
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten der Klägerin sowie die Abwendungsbefugnis, der von Amts wegen zu erfolgen hat, ergibt sich aus den §§ 151 Abs. 1 Satz 1 FGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
24
Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr.1 FGO zugelassen, da bislang noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob die Berechnungen nach § 1 Abs. 5 AStG in Verbindung mit der BsGaV Vorrang haben vor einer Gewinnermittlung, in der keine Verrechnungen mit dem Mutterhaus vorliegen.