VG München, Urteil v. 15.02.2022 – M 13L DK 19.5889

I. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

1

Gegenstand des Verfahrens ist eine Disziplinarklage des Klägers auf Entfernung des Beklagten als Studienrat aus dem Beamtenverhältnis wegen Besitzes kinder- und jugendpornographischer Bilder sowie eines Chats mit sexuell orientiertem Inhalt und Versenden von heimlich aufgenommenen Bildern seiner minderjährigen Schülerinnen.

2

1. Der am … … 1968 geborene Beklagte, Vater dreier Kinder und getrennt lebend, ist als Studienrat in der Besoldungsgruppe A13 Beamter auf Lebenszeit beim Kläger. Nach Erwerb der Befähigung zum Lehramt an Realschulen im Jahre 2004 war der Beklagte an der Realschule Z* …, nach Bestehen der Probezeit mit Wirkung vom 16. Februar 2007 unter Berufung als Beamter auf Lebenszeit als Realschullehrer, tätig. Hinsichtlich der Details seines Werdegangs sowie die bisherigen Beurteilungen mit dem Gesamtergebnis UB und Leistungsprämien in den Jahren 2006, 2009 und 2013 wird auf die Darstellung in der Disziplinarklage sowie die vorgelegte Personalakte und ein Persönlichkeitsbild vom 11. Juni 2018 Bezug genommen und von einer wiederholenden Darstellung abgesehen. Seit dem 16. Mai 2018 wurde dem Beklagten zunächst gemäß § 39 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) verboten, die Dienstgeschäfte auszuführen, seit 25. November 2019 ist er gemäß Art. 39 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) vorläufig des Dienstes enthoben und erhält seitdem um einen Einbehalt von 30% gekürzte Bezüge.

3

Mit seit 13. Mai 2019 rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 23. April 2019 - 06 Ds … … … - wurde der Beklagte zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Besitzes jugendpornographischer Schriften, der auch Gegenstand des vorliegenden Disziplinarverfahrens ist, verurteilt. Im Übrigen ist der Beklagte strafrechtlich und disziplinarisch nicht vorbelastet.

4

2. Nach Einleitung eines Disziplinarverfahrens durch die Landesanwaltschaft Bayern als Disziplinarbehörde gemäß Art. 19 BayDG am 23. Mai 2018 sowie Ausdehnung am 30. Januar 2019 gemäß Art. 21 BayDG und jeweils Aussetzung gemäß Art. 24 BayDG aufgrund des laufenden Strafverfahrens 430 Js 577/18 wurde der Beamte am 10. Oktober 2019 abschließend angehört. Eine Stellungnahme im Disziplinarverfahren unterblieb.

5

Daraufhin erhob der Kläger am 25. November 2019 Disziplinarklage zum Verwaltungsgericht München mit dem Ziel der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Disziplinarklage sowie die Ausführungen der Landesanwaltschaft Bayern in der mündlichen Verhandlung am 15. Februar 2022 Bezug genommen.

6

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

7

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Eine Klageerwiderung im schriftlichen Verfahren unterblieb. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte den ihm zur Last gelegten Sachverhalt sowohl hinsichtlich des Besitzes kinder- und jugendpornographischer Schriften als auch des in der Disziplinarklage dargestellten Chatverlaufs eingeräumt. Darüber hinaus hat er in der mündlichen Verhandlung Stellung genommen und insbesondere herausgestellt, sich in der virtuellen Welt wie in einem Strudel verloren zu haben. Es habe aber keine Gemeinsamkeiten zwischen der realen Welt und der virtuellen Welt gegeben. Im normalen Leben habe er das virtuelle Parallelleben vollkommen verdrängt. Ein sexuelles Interesse an den Bildern habe er nie gehabt, sondern sie abstoßend und ekelerregend empfunden. Er bereue seine Taten und sei davon überzeugt, auch heute noch ein guter Lehrer zu sein. Hinsichtlich der weiteren Angaben, insbesondere zur derzeitigen Lebenslage, wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

9

Im Übrigen wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die Disziplinarklage, sowie die vorgelegte Disziplinarakte der Landesanwaltschaft Bayern - LAB 4 DV … -, die vorgelegte Personalakte sowie die beigezogene Strafakte der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg 430 Js … inklusiver Sonderbände mit ITforensischem Gutachten vom … … 2018 von … OHG und den ermittelten Beweismitteln Bezug genommen.

10

Auf die Disziplinarklage des Klägers hin wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis gemäß Art. 11 BayDG erkannt.

11

1. Formelle Mängel des Disziplinarverfahrens sind weder i.S.v. Art. 53 Abs. 1 BayDG geltend gemacht noch von Amts wegen ersichtlich. Insbesondere ist dem Beklagten jeweils Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt worden.

12

2. Dem Beklagten liegt folgender Sachverhalt zur Last:

13

a) „Zum Zeitpunkt der [strafrechtlichen] Durchsuchung am 10.04.2018 um 06:35 Uhr war der [Beklagte] in seiner Wohnung […] wissentlich und willentlich im Besitz von mindestens 78 unterschiedlichen kinderpornographischen Bild- und mindestens 4 unterschiedlichen kinderpornographischen Videodateien, sowie im Besitz von mindestens 33 unterschiedlichen jugendpornographischen Bild- und mindestens 2 unterschiedlichen Videodateien, welche der [Beklagte] auf dem Computer „Ready4“ und der externen Festplatte „WD“ mit 500 GB Speicher gespeichert hatte, wobei

14

- 37 hiervon die Vornahme sexueller Handlungen von Erwachsenen an Kindern unter vierzehn Jahren oder sexuelle Handlungen der Kinder an sich selbst durch Einführen von Gegenständen in die Körperöffnungen (vaginal, anal und oral) (hiervon 34 Bilddateien und 3 Videodateien),

15

- 10 hiervon die Vornähme sexueller Handlungen zwischen Kindern untereinander (alles Bilddateien)

16

- 35 hiervon das Darstellen von sexuell aufreizenden Posen von Kindern unter vierzehn Jahren durch die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung oder die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes (hiervon 34 Bilder und 1 Videodatei),

17

- 7 hiervon sexuelle Handlungen von, an oder vor einer vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alten Person (alles Bilddateien),

18

- 28 hiervon die Wiedergabe einer ganz oder teilweise unbekleideten vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alten Person in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung (hiervon 26 Bild und 2 Videodateien), zeigten.“

19

Dieser - zitierte - Sachverhalt steht fest aufgrund der tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 23. April 2019 - 06 Ds 430 … … -, rechtskräftig seit 13. Mai 2019, die gemäß Art. 25 Abs. 1 BayDG im Disziplinarverfahren Bindungswirkung entfalten und vom Beklagten auch eingeräumt wurden.

20

b) (1) Im Rahmen eines Chats, vermutlich über das Chat-Portal Chatstep unter dem Namen „leon“ beteiligte sich der Beklagte u.a. wie folgt:

„wie jung magst du

so ab 10 und du?

Nah dran ich sage soblat titen zu erkennen sind sind sie alt genug

ja teenygören machen mich megageil

nein, das ist eindeutig zu jung

o. k. manchmal finde ich so ne klkeine mit 10 auch schon sausexy

geil so junge“

21

(2) Mit dem PC-Tower Ready4 des Beklagten wurde auch das Messenger-Programm Skype genutzt. Es wurden 1.365 Nachrichten aus dem Zeitraum 30.05.2016 bis 27.03.2018 gespeichert. Der genutzte Skype-Name lautete „…“. Der Großteil der Chat-Nachrichten stammt aus Chats mit dem Chat-Partner „…“. Dies betrifft 1.337 Nachrichten aus dem Zeitraum 22.02.2018 bis 27.03.2018.

22

Auszugsweise lautete der Chat wie folgt:

„Eingehend 04.03.2018 8:19 Das Häschen ist doch U 16 oder?

Ausgehend 04.03.2018 16:03 Ohja war sie 11 is sie gewesen

Eingehend 10.03.2018 22:14 Ich weiß nicht ob du das aushältst.“

Das Bild ist auch schon 2 Jahre alt (14)

Aber gezeigt hab ichs dir bisher nicht

Eingehend 19.03.2018 5:34 Im Sommer? Jungtitteneinblicke…

Da darf ich gar nicht dran denken

Eingehend 19.03.2018 5:36 Z.b. 12jährige Apfelbrüstchen unterm

bauchfrei Top ohne BH

Eingehend 22.03.2018 19:19 Sie ist glaub ich 11!!!

Ausgehend 22.03.2018 19:27 6 klasse diese Tittchen kenne ich

23

Aus den Chat-Nachrichten geht zudem hervor, dass beide Chat-Partner sogenannte Spy-Bilder und -Videos angefertigt und getauscht haben. Spy-Bilder und -Videos sind Aufnahmen, die versteckt aufgenommen wurden, ohne dass die abgebildeten Personen es bemerkt haben. Ausgehend von den Chat-Nachrichten befanden sich auch Spy-Bilder und -Videos von den Schülerinnen des Beklagten darunter.

24

Hinweise aus den Chats sind z.B.:

Richtung

Zeit (UTC)

Nachricht

Ausgehend

26.02.2018