Inhalt

LArbG Nürnberg, Beschluss v. 14.11.2022 – 1 TaBVGa 4/22
Titel:

Einstweilige Verfügung im Zusammenhang mit einem Aushang und Äußerungen eines freigestellten Betriebsratsmitgliedes

Normenketten:
BetrVG § 2 Abs. 1, § 78
ArbGG § 85 Abs. 2
Leitsätze:
1. Für eine Veröffentlichung eines Aushangs durch den Geschäftsführer und den Verwaltungsratsvorsitzenden der Komplementär-GmbH, ein Betriebsratsmitglied habe durch die Forderung nach einer hohen Abfindung das Vertrauen der Belegschaft und die Verantwortung gegenüber dieser missbraucht und dies stelle einen Verstoß gegen das Verbot der Begünstigung dar, besteht kein berechtigtes Interesse. Sie stellt einen Verstoß gegen das Verbot der Behinderung der Betriebsratsarbeit dar. Dasselbe gilt für entsprechende Äußerungen auf einer Betriebsversammlung. (Rn. 51 – 54)
2. Wird die Veröffentlichung durch Intranet, App und Aushang auch auf andere Betriebe erstreckt, stellt dies einen groben Verstoß gegen die vertrauensvolle Zusammenarbeit dar. (Rn. 48)
3. Wartet das Betriebsratsmitglied mit verschiedenen Anträgen - etwa demjenigen auf Widerruf solcher Äußerungen - nach einem abweisenden Beschluss des Arbeitsgerichts fast drei Monate, nach Zustellung mehr als zweieinhalb Monate, bis zur Begründung der Beschwerde, deren Begründungsfrist er sich hat verlängern lassen, ist in der Regel davon auszugehen, dass er selbst kein Eilbedürfnis für sein Begehren sieht. Dies gilt zumindest dann, wenn seit dem letzten Ereignis, das mit der begehrten Unterlassung oder dem begehrten Widerruf zu tun hat, zu diesem Zeitpunkt fast drei Monate vergangen sind. (Rn. 57)
Schlagworte:
Beschwerde, einstweilige Verfügung, Verfügungsgrund, Betriebsrat, Betriebsversammlung, Aushang, Veröffentlichung
Vorinstanz:
ArbG Bamberg, Beschluss vom 22.07.2022 – 3 BVGa 2/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 41002

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2.) hin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg, Kammer Coburg, vom 22.07.2022, Az. 3 BVGa 2/22, - soweit das Verfahren nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist - teilweise abgeändert:
1. Der Beteiligten zu 2.) wird untersagt, in der B. App, dem unternehmens- oder betriebsweit eingerichteten Intranet, in Aushängen, in Betriebsversammlungen oder sonst in der Betriebsöffentlichkeit zu erklären, ein freigestelltes Betriebsratsmitglied oder der Beteiligte zu 1.) habe für sein Ausscheiden eine Abfindung von 750.000,- oder 360.000,- Euro verlangt, dies sei als Missbrauch der Verantwortung gegenüber der Belegschaft und/oder als Verstoß gegen das Begünstigungsverbot und/oder als Versuch anzusehen, sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen.
2. Soweit das Arbeitsgericht der Beteiligten zu 2.) untersagt hat, den Aushang vom 10.06.2022 erneut zu veröffentlichen oder zu verbreiten, wird der Antrag abgewiesen.
3. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1. wird der Beteiligten zu 2.) ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000,- € angedroht.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde der Beteiligten zu 2.) zurückgewiesen.
III. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1.) wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten streiten im Wege einstweiliger Verfügung über Pflichten der Beteiligten zu 2.) bis 4.) im Zusammenhang mit einem Aushang und Äußerungen, die der Beteiligte zu 1.), freigestelltes Betriebsratsmitglied, als Behinderung der Betriebsratsarbeit ansieht.
2
Der Beteiligte zu 1.) ist ehemaliger Betriebsratsvorsitzender und nunmehr freigestelltes Betriebsratsmitglied im von der Beteiligten zu 2.) geführten Betrieb in C. Die Beteiligte zu 2.) führt weitere Betriebe in Ba., H. und W. mit jeweils eigenen Betriebsräten. Der Beteiligte zu 3.) ist einer der Gesellschafter der B. Gruppe und Geschäftsführer des Verwaltungsrats der Komplementär-Gesellschaft der Beteiligten zu 2.). Der Beteiligte zu 4.) ist geschäftsführender Direktor dieser Komplementär-Gesellschaft.
3
Mit Antrag vom 08.06.2022 stellte die Beteiligte zu 2.) beim Arbeitsgericht Bamberg Antrag auf Ausschluss des Beteiligten zu 1.) aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung seiner Pflichten. Das Verfahren ist noch nicht beendet.
4
Bei der Beteiligten zu 2.) existiert eine als „Freiwilligenprogramm“ bezeichnete Betriebsvereinbarung vom 06.11.2020, die der Beteiligte zu 1.) als damaliger Betriebsratsvorsitzender unterzeichnet hat. Diese sieht im Falle des freiwilligen Ausscheidens Abfindungen vor. Der Abfindungsbetrag ist - abgesehen von zusätzlicher Turboprämie und von bestimmten Sozialbausteinen - auf den Betrag von 250.000,- € gedeckelt.
5
Unter dem 10.06.2022 veröffentlichten die Beteiligten zu 3.) und 4.) einen von ihnen unterzeichneten Aushang, der an allen üblichen Aushangstellen in den Betriebsstätten in C., Ba., H. und W. sowie im Intranet der Beteiligten zu 2.) und in der sogenannten „B.-App“ zur Kenntnis gegeben wurde. Dieser Aushang (Anlage 1 zur Antragsschrift) hat folgenden Wortlaut:
6
Betriebsrat missbraucht Vertrauen
7
Die Geschäftsführung hat am 08.06.2022 beim Arbeitsgericht in Coburg den Ausschluss eines freigestellten Betriebsratsmitglieds wegen grober Verletzung seiner Pflichten beantragt. Der Betriebsrat hatte für sein eigenes Ausscheiden aus unserer Firma eine Abfindung in Höhe von 750.000 Euro verlangt, wogegen er selbst für unsere Mitarbeiter eine maximale Abfindung in Höhe von 250.000 Euro verhandelt hatte. Nach der Betriebsratswahl reduzierte er seine Forderung auf 360.000 Euro.
8
Wir sehen es als Missbrauch der Verantwortung gegenüber unserer Belegschaft an, wenn ein Betriebsrat aus seiner Stellung einen derartigen persönlichen Vorteil zu ziehen versucht und sich damit über die Interessen der von ihm vertretenen Belegschaft stellt.
9
Dieser Verstoß gegen das Verbot der Begünstigung lässt eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zum Wohle der Arbeitnehmer - wie es das Betriebsverfassungsgesetz im § 2 Abs. 1 verlangt - nach Meinung unserer Firmenleitung nicht zu.
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Gesellschafter und Geschäftsführer wünschen sich eine offene und ehrliche Zusammenarbeit mit Betriebsräten, die das Wohl der Mitarbeiter vor ihre eigenen Interessen stellen.
11
Mit seinem am 27.06.2022 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag selben Datums hat der Beteiligte zu 1.) geltend gemacht, mit dem Aushang und dessen Veröffentlichung werde er in seiner Tätigkeit als Betriebsratsmitglied benachteiligt. Der Belegschaft sei mit dem Bezug auf das „Verhandeln“ der Abfindung mit der Deckelung auf 250.000,- € jederzeit klar gewesen, dass er - der Beteiligte zu 1.) - mit dem Aushang gemeint gewesen sei. Zudem sei neben ihm nur noch ein weiteres Betriebsratsmitglied sowohl in der vorherigen Wahlperiode, in der die Betriebsvereinbarung abgeschlossen worden sei, als auch in der jetzigen Wahlperiode des Betriebsrats freigestellt. Die im Aushang behaupteten Äußerungen träfen nicht zu. Als er - der Beteiligte zu 1.) - angesprochen worden sei, dass er im Falle seiner Nicht-Wiederwahl in den Betriebsrat wohl das Freiwilligenprogramm in Anspruch nehmen müsse, habe er geäußert, dies werde er nicht machen, nicht einmal für 1,5 Millionen Abfindung. Am 06.05. habe ihn der Beteiligte zu 3.) zu einem Gespräch zitiert, in dem dieser geäußert habe, er solle sich gut überlegen, ob er nicht einen Aufhebungsvertrag annehmen wolle, ansonsten werde er - der Beteiligte zu 3.) - ihn in der Belegschaft diffamieren. Es gebe eine Aktennotiz des Geschäftsführers G., dass er - der Beteiligte zu 1.) - eine horrende Abfindungssumme für ein mögliches Ausscheiden gefordert habe. Am 25.05. habe sich der Beteiligte zu 3.) per Mail erkundigt, ob er - der Beteiligte zu 1.) - das Abfindungsangebot annehme. Dies habe er per Mail verneint.
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Der Beteiligte zu 1.) meint, mit der Veröffentlichung des Aushangs sei sein Ruf erheblich beschädigt worden. Der Beteiligte zu 3.) habe sich in einem Kommentar in der an die Intranet-Veröffentlichung angehängten Kommentarspalte enttäuscht gezeigt, dass der aktuelle Betriebsrat sich nicht vom ihm, dem Beteiligten zu 1.), distanziert habe (Anlage 11 zur Antragsschrift, Bl. 59 d.A.).
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Mit Schreiben seiner anwaltlichen Vertreter vom 17.06.2022 ließ der Beteiligte zu 1.) die Beteiligten zu 2.) bis 4.) auffordern, weitere derartige Aussagen zu unterlassen und diese zu widerrufen. Diese wiesen das Ansinnen zurück.
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Der Beteiligte zu 1.) hat vor dem Arbeitsgericht folgende Anträge gestellt:
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1. Den Antragsgegnern wird - auflösend bedingt bis zu einer seinem Antrag stattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts - aufgegeben, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß zu behaupten/behaupten zu lassen/zu verbreiten/verbreiten zu lassen, dass am 08.06.2022 beim Arbeitsgericht in Coburg der Ausschluss eines freigestellten Betriebsratsmitglieds wegen grober Verletzung seiner Pflichten beantragt worden ist.
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2. Den Antragsgegnern wird aufgegeben, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß zu behaupten/behaupten zu lassen/zu verbreiten/verbreiten zu lassen, dass ein freigestelltes Betriebsratsmitglied für sein Ausscheiden eine Abfindung in Höhe von 750.000 € verlangt habe, wogegen er selbst für seine Mitarbeiter eine maximale Abfindung von 250.000 € verhandelt habe, und dass er nach der Betriebsratswahl seine Forderung auf 360.000 € reduziert habe.
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3. Den Antragsgegnern wird aufgegeben, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß zu behaupten/behaupten zu lassen/zu verbreiten/verbreiten zu lassen, dass ein freigestelltes Betriebsratsmitglied durch seine Forderung nach einer Abfindung seine Verantwortung gegenüber der Belegschaft missbraucht habe, da das Betriebsratsmitglied aus seiner Stellung einen persönlichen Vorteil zu ziehen versucht habe und sich damit über die Interessen der von ihm vertretenen Belegschaft gestellt habe.
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4. Den Antragsgegnern wird aufgegeben, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß zu behaupten/behaupten zu lassen/zu verbreiten/verbreiten zu lassen, dass ein freigestelltes Betriebsratsmitglied durch seine Forderung nach einer Abfindung gegen das Verbot der Begünstigung verstoßen habe.
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5. Den Antragsgegnern wird bei Meidung eines Zwangsgeldes, das in der Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufgegeben, den dieser Antragsschrift als Anlage 1 beigefügten Aushang mit der Überschrift „Betriebsrat missbraucht Vertrauen“ von sämtlichen Orten, an denen der Aushang veröffentlicht worden ist (insbesondere Intranet der Unternehmensgruppe „Bb.“, B. App, Betrieb C., Betrieb Ba., Betrieb W.) zu entfernen.
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6. Den Antragsgegnern wird bei Meidung eines Zwangsgeldes, das in der Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufgegeben, die Aussagen des dieser Antragsschrift als Anlage 1 beigefügten Aushangs (mit der Überschrift „Betriebsrat missbraucht Vertrauen“) und in den Antragsziffern 2 - 4 wiedergegebenen Aussagen als unwahr zu widerrufen und diesen Widerruf zu veröffentlichen, an sämtlichen Orten, an denen der Aushang veröffentlicht worden ist (insbesondere (auf der Startseite des) Intranets der Beteiligten zu 2.) „Bb.“, in der B. App und im Betrieb C.).
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7. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1 bis 4 wird den Beteiligten zu 2.), 3.) und 4.) ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,- € angedroht.
22
Die Beteiligten zu 2.) bis 4.) haben beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
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Die Beteiligten zu 2.) bis 4.) haben die Auffassung vertreten, die Anträge gegen die Beteiligten zu 3.) und 4.) seien unzulässig. Diese Beteiligten seien der Beteiligten zu 2.) zuzurechnen; es handle sich nicht um andere Arbeitnehmer oder außerbetriebliche Personen und Stellen im Sinne des § 78 BetrVG. Ebenso unzulässig sei der Antrag auf Abgabe eines Widerrufs im Rahmen des Verfahrens auf einstweilige Verfügung. Im Übrigen seien die Anträge unbegründet. Die Beteiligte zu 2.) habe ein berechtigtes Interesse daran, die Tatsache der Einleitung eines Verfahrens auf Ausschluss aus dem Betriebsrat und ihre eigene rechtliche Bewertung hierzu der Belegschaft mitzuteilen. Die wahrheitsgemäße Mitteilung über die Einleitung des Verfahrens stelle keine Behinderung der Betriebsratstätigkeit dar. Der Beteiligte zu 1.) habe ein entsprechendes Verlangen auf Zahlung einer entsprechenden Abfindung geäußert; er sehe dies offensichtlich als legitim an. Dann könne ihn der Vorwurf auch nicht in seiner Arbeit als Betriebsratsmitglied behindern. Der Beteiligte zu 1.) habe gegenüber dem Personalleiter sein Interesse an der Teilhabe am Abfindungsprogramm geäußert. In Gesprächen mit dem Direktor Dr. G. habe er eine Summe von 750.000,- € in den Raum gestellt, ab der eine Teilnahme am Abfindungsprogramm für ihn interessant wäre. Dr. G. sei hierauf nicht eingegangen. Am 13.04.2022 habe der Beteiligte zu 1.) den Direktor nochmals angesprochen und eine Summe von 360.000,- € zusätzlich zur Teilnahme an der Transfergesellschaft bzw. Freistellung bis zum Ende der Kündigungsfrist angesprochen. Er habe hierbei ausdrücklich auf das Abfindungsprogramm Future B. Bezug genommen. Dies sei vom Beteiligten zu 3.) als nicht akzeptable Besserstellung gegenüber allen anderen Mitarbeitern abgelehnt worden, weil das Programm auf eine Abfindungssumme von 250.000,- € begrenzt sei. Die entsprechende Mitteilung im Aushang sei also zutreffend, richte sich auch nicht gegen den Betriebsrat, sondern gegen ein namentlich nicht genanntes Mitglied des Gremiums; eine solche Mitteilung sei daher zulässig. Dies gelte erst recht für die Mitteilung einer rechtlichen Einschätzung. Diese sei weder falsch noch böswillig abwertend. Mangels Nennung des Namens sei auch keine „Prangerwirkung“, keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Beteiligten zu 1.) gegeben. Für einen gesonderten Anspruch auf Entfernung der Mitteilung bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Eine solche Verpflichtung sei in den gestellten Unterlassungsanträgen enthalten. Ein Anspruch auf Widerruf könne nicht im Wege einstweiliger Verfügung geltend gemacht werden, weil insoweit eine Vorwegnahme der Hauptsache vorliege. Im Falle des Unterliegens wäre die Beteiligte zu 2.) endgültig beschädigt. Die Beteiligten zu 2.) bis 4.) haben zur Glaubhaftmachung ihres Vortrags eingereichte eidesstattliche Versicherungen des Personalleiters I., des Geschäftsführers Dr. G. und des Beteiligten zu 3.) wie des Beteiligten zu 4.) vorgelegt.
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Der Beteiligte zu 1.) hat vorgetragen, der Beteiligte zu 3.) habe die im Aushang enthaltenen Äußerungen im Rahmen einer Betriebsversammlung am 18.07.2022 wiederholt und darauf verwiesen, dass die Vorwürfe den ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden beträfen. Damit sei er klar auch für die Belegschaft identifiziert. Der Sachvortrag der Beteiligten zu 2.) bis 4.) sei unzutreffend. Er habe allenfalls im Spaß Bemerkungen über die Höhe von Abfindungen gemacht. Darüber hinaus sei eine verbotene Begünstigung nicht erkennbar. Das Amtsenthebungsverfahren könne schon deswegen keinen Erfolg haben, weil eventuelle Äußerungen vor Beginn der Amtszeit des nunmehr amtierenden Betriebsrats abgegeben worden seien.
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Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 22.07.2022 wie folgt erkannt:
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1. Der Beteiligten zu 2.) wird bei Meidung eines Zwangsgeldes in Höhe von bis zu 10.000,00 € für jeden Tag der Zuwiderhandlung aufgegeben, den Aushang mit der Überschrift „Betriebsrat missbraucht Vertrauen“ von sämtlichen Orten, an welchen der Aushang veröffentlicht wurde (insbesondere Intranet der Unternehmensgruppe „Bb.“, B.-App, Betrieb C., Betrieb B., Betrieb …) zu entfernen.
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2. Der Beteiligten zu 2.) wird aufgegeben, eine erneute Veröffentlichung und/oder weitere Verbreitung des Aushangs vom 10.06.2022 oder eines wörtlich oder sinngemäß inhaltsgleichen Aushangs zu unterlassen. Dazu zählt auch eine mündliche Wiedergabe des Inhalts des Aushangs im Rahmen von Betriebsversammlungen oder von sonstigen betriebsöffentlichen Äußerungen.
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3. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 2. wird der Beteiligten zu 2.) ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000,00 € angedroht.
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4. Im Übrigen werden die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
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Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, die Anträge seien sämtlich zulässig, aber nur zum Teil begründet. Durch das Infoschreiben vom 10.06.2022 werde der Beteiligte zu 1.) in seiner Betriebsratstätigkeit behindert. Der Begriff der Behinderung sei weit zu verstehen; er umfasse jede unzulässige Erschwerung, Störung oder Verhinderung der Betriebsratstätigkeit. Diese könne auch durch eine Unterrichtung der Arbeitnehmer erfolgen, wenn diese in einer Art und Weise erfolge, die die Grundsätze der vertrauensvollen Zusammenarbeit missachte und die Betriebsratsmitglieder in einem unberechtigt negativen Licht erscheinen lasse. Diskreditierende Äußerungen über den Betriebsrat und seine Tätigkeit seien nicht durch die Meinungsfreiheit des Arbeitgebers gedeckt. Vorliegend könne dahinstehen, ob die Tatsachen, die im Schreiben vom 10.06.2022 aufgeführt würden, tatsächlich zutreffen. Hinsichtlich des Ausschlussantrages hätte ein knapper Hinweis genügt. Nicht notwendig gewesen sei das Hinzufügen von Wertungen. Auch wenn der Arbeitgeber sich eine feste Meinung zum Geschehen gebildet habe, müsse er Zurückhaltung hinsichtlich der Details und hinsichtlich von Wertungen üben und die gerichtliche Entscheidung abwarten. Hier seien Details über Aufhebungsgespräche genannt, die regelmäßig als vertraulich anzusehen seien. Die gesamte Formulierung lasse bei den Lesern den Eindruck entstehen, dass hier eine schwere Verfehlung eines Betriebsrats vorliege. Dies gehe über eine angemessene und sachliche Kommentierung weit hinaus. Daraus ergebe sich eine objektive Behinderung der Betriebsratstätigkeit. Der Beteiligten zu 2.) gehe es ersichtlich darum, eine Vorverurteilung des Beteiligten zu 1.) durch die Belegschaft schon vor der Entscheidung des Gerichts über den gestellten Ausschlussantrag zu erreichen. Der Umstand, dass der Beteiligte zu 1.) im Schreiben nicht namentlich genannt sei, ändere hieran nichts. Dies gelte umso mehr, als sich der Personenkreis auf nur zwei mögliche Betriebsratsmitglieder eingrenzen lasse und als der Beteiligte zu 2.) auf der Betriebsversammlung ausdrücklich klargestellt habe, dass es um den ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden, also erkennbar den Beteiligten zu 1.), gehe. Damit sei ein Entfernungsanspruch sowie ein Anspruch auf Unterlassung einer erneuten Veröffentlichung oder Verbreitung des Inhalts des Schreibens gegeben. Im Übrigen seien die Anträge zurückzuweisen. Ein Unterlassungsanspruch gegen die Beteiligten zu 3.) und 4.) sei nicht notwendig, weil diese erkennbar für den Arbeitgeber gehandelt hätten. Die Anträge gingen, soweit ihnen nicht stattgegeben worden sei, zu weit. Eine Unterlassung künftig erfolgender Behinderungshandlungen wäre nur angezeigt, wenn sie in allen künftig denkbaren Konstellationen und konkreten Ausgestaltungen auch als solche zu werten wären. Dies könne nicht für die Zukunft gesagt werden. Die bloße Information, deren Unterlassung in Ziff. 1 begehrt worden sei, sei als Erklärung wahrer Tatsachen nicht unzulässig. Ziff. 2 gehe zu weit, weil ein entsprechender Tatsachenvortrag zumindest im Gerichtsverfahren auf Ausschluss des Beteiligten zu 1.) nicht verboten werden könne. Ähnliches gelte für den in Ziff. 6 gestellten Antrag. Ob eine Verbreitung der Äußerungen wie in Ziff. 2, 3 und 4 begehrt, zu jedem Zeitpunkt und in jedem Kontext problematisch wäre, könne heute noch nicht mit ausreichender Sicherheit gesagt werden.
31
Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist dem Beteiligten zu 1.) ausweislich des Empfangsbekenntnisses seiner anwaltlichen Prozessvertreter am 02.08.2022, den Beteiligten zu 2.) bis 4.) am 26.07.2022 zugestellt worden. Der anwaltliche Prozessvertreter der Beteiligten zu 2.) hat namens und im Auftrag dieser mit Schreiben vom 03.08.2022, eingegangen beim Landesarbeitsgericht am selben Tag, Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt. Er hat diese Beschwerde mit Schriftsatz vom 26.09.2022, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am selben Tag, begründet. Die anwaltlichen Vertreter des Beteiligten zu 1.) haben namens ihres Mandanten mit am 26.08.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz selben Datums Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt. Sie haben mit am 26.09.2022 eingegangenem Schriftsatz selben Datums beantragt, die Frist zur Beschwerdebegründung bis 18.10.2022 zu verlängern. Diesem Verlängerungsantrag wurde stattgegeben. Ihre Beschwerdebegründung vom 18.10.2022 ist am selben Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangen.
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Zur Begründung ihrer Beschwerde trägt die Beteiligte zu 2.) vor, für den in Ziff. 1 tenorierten Beschluss des Arbeitsgerichts auf Entfernung des Aushangs bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Der Aushang sei in Papierform, im Intranet wie in der B.-App bereits am 24.06.2022 wieder entfernt worden. Die Aufgabe der Unterlassung einer wörtlichen oder sinngemäßen Wiedergabe stehe im Widerspruch zur Begründung des Beschlusses. Dies entspreche in wesentlichen Teilen der Abweisung der in Ziff. 1, 2, 3 und 4 gestellten Anträge. Die Behauptung der dort enthaltenen Tatsachen sei zulässig.
33
Der Beteiligte zu 1.) hat zur Begründung seiner Beschwerde vorgetragen, er könne verlangen, dass auch die Beteiligten zu 2.) bis 4.) entsprechende Äußerungen unterließen. Zudem sei einzig ein Widerruf geeignet, die entstandene Rufbeeinträchtigung zu begrenzen und die Behinderung der Betriebsratsarbeit nicht fortbestehen zu lassen. Die Pflicht zur Unterlassung von Wiederholungen genüge hierfür nicht. Mit der Leistungsverfügung könne zur Abwehr schwerwiegender Nachteile wie vorwiegend auch die Befriedigung des Anspruchs geltend machen. Es bestehe Dringlichkeit. Bei einem Abwarten eines rechtskräftigen Hauptsacheverfahrens hätten sich die streitgegenständlichen Behauptungen derart in den Köpfen der Belegschaft verfestigt, dass die entstandene Rufbeschädigung nicht mehr zu beheben sei.
34
Die Beteiligten zu 1.) und 2.) haben in der Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht klargestellt, dass der Aushang im nunmehrigen Zeitpunkt in keiner Form mehr veröffentlicht sei, und das Verfahren, soweit das Arbeitsgericht in Ziff. 1 die Entfernung des Aushangs angeordnet habe, übereinstimmend für erledigt erklärt.
35
Die Beteiligte zu 2.) hat zuletzt beantragt,
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2.) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg vom 22.07.2022 - Az. 3 BVGa 2/22 - aufgehoben und die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung insgesamt abgewiesen.
36
Der Beteiligte zu 1.) hat beantragt,
Der Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg, Kammer Coburg, vom 22.07.2022 zum Aktenzeichen 3 BVGa 2/22 wird abgeändert, soweit er den Antrag des Beteiligten zu 1.) zurückgewiesen hat.
37
Er hat weiter beantragt,
die Beschwerde der Beteiligten zu 2.) zurückzuweisen.
38
Die Beteiligten zu 2.) bis 4.) haben beantragt,
die Beschwerde des Beteiligten zu 1.) zurückzuweisen.
39
Die Beteiligten zu 2.) bis 4.) sind der Auffassung, die Antragstellung des Beteiligten zu 1.) in der Beschwerde sei zu unbestimmt; ihr könne nicht entnommen werden, in welchem Umfang der angefochtene Beschluss abgeändert werden solle. Dies gelte umso mehr, als das Arbeitsgericht eine eigene Regelung getroffen habe, die so nicht vom Beteiligten zu 1.) beantragt gewesen sei. Es sei nicht klar, ob der Beteiligte zu 1.) die getroffene Regelung akzeptiere. Unabhängig hiervon bestehe keine Eilbedürftigkeit für die Anträge, soweit das Arbeitsgericht ihnen nicht gefolgt sei. Die Vertreter des Beteiligten zu 1.) hätten die Frist zu Beschwerdebegründung nicht nur voll ausgenutzt, sondern sie verlängern lassen. Sie hätten damit gezeigt, dass das für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Eilbedürfnis nicht oder nicht mehr gegeben sei. Der Anspruch auf Widerruf sei im Verfahren der einstweiligen Verfügung nicht durchsetzbar. Die bloße Information über eine wahre Tatsache könne nicht untersagt werden. Dasselbe gelte für Werturteile, von deren Zutreffen die Beteiligten überzeugt seien. Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten dürften auch mit harten Bandagen ausgefochten werden.
40
Der Beteiligte zu 1.) ist der Auffassung, ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anträge sei schon deswegen gegeben, weil der Beteiligte zu 3.) die Behauptungen auf der Betriebsversammlung vom 18.07.2022 wiederholt habe. Der Aushang sei auch nach dem Abhängen noch ein wichtiges Thema in der Belegschaft gewesen. Die Auffassung, die Eilbedürftigkeit sei schon wegen der Verlängerung der Begründungsfrist entfallen, sei mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar; die Prozessvertreterin habe die Frist wegen Krankheit und Arbeitsüberlastung verlängern lassen müssen.
41
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Darstellung der Gründe im arbeitsgerichtlichen Beschluss, die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Niederschrift der Anhörung vom 14.11.2022 Bezug genommen.
II.
42
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht beim Landesarbeitsgericht eingereichte Beschwerde der Beteiligten zu 2.) ist - soweit der Gegenstand nicht erledigt ist - zum Teil begründet. Die zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 1.) ist dagegen unbegründet.
43
1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2.) richtet sich nunmehr gegen die ihr gegenüber aufgegebene Verpflichtung, eine erneute Veröffentlichung oder Verbreitung des Aushangs zu unterlassen und auch die Wiedergabe des Inhalts im Rahmen von Betriebsversammlungen und sonstigen betriebsöffentlichen Äußerungen zu unterlassen. Diese Verpflichtung war zum Teil aufzuheben, zum anderen Teil zu präzisieren.
44
a. Anhaltspunkte dafür, dass die Beteiligte zu 2.), der der Aushang der Beteiligten zu 3.) und 4.) in ihren Betrieben, im Intranet und in der B…-App zuzurechnen ist, diesen oder einen inhaltsgleichen Aushang erneut veröffentlichen würde, sieht die Beschwerdekammer nicht. Die Aushänge waren von vornherein mit einem Abnahme- bzw. Herausnahmedatum versehen. Die Entfernung dieser Aushänge ist erfolgt. Anhaltspunkte für eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich solcher Aushänge sind weder vorgetragen noch aus den Umständen erkennbar. Einer entsprechenden Untersagung bedarf es daher nicht. Insoweit ist ein Bedürfnis für ein Verbot daher nicht erkennbar. Dies gilt unabhängig davon, dass eine so gestaltete Unterlassung vom Beteiligten zu 1.) nicht ausdrücklich beantragt war. Zwar konnte das Gericht zur Sicherung des Anspruchs auch ohne ausdrücklichen Antrag bestimmte Maßnahmen anordnen. Für die in Ziff. 2 Satz 1 des arbeitsgerichtlichen Beschlusses der Beteiligten zu 2.) auferlegte Unterlassungsverpflichtung besteht allerdings kein Bedürfnis.
45
b. Zutreffend hat die Beteiligte zu 2.) erkannt, dass das Arbeitsgericht in Satz 2 der Ziff. 2 des Beschlusses letztlich einen Teil desjenigen verfügt hat, was der Beteiligte zu 1.) in den Anträgen Ziff. 1 bis Ziff. 4 der Antragsschrift verlangt hatte. Die Beschwerdekammer hält dies der Sache nach für gerechtfertigt - insoweit geht es aber nicht um den Aushang selbst, sondern um den Inhalt der dort enthaltenen Aussagen. Erkennbar ging es dem Arbeitsgericht darum, die Wiederholung dieser Inhalte zu untersagen. Die betreffende Untersagung ist im Wesentlichen veranlasst. Die Beschwerdekammer hält es allerdings für erforderlich, die zu untersagenden Äußerungen schon im Tenor des Beschlusses klarzustellen.
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c. Ein entsprechender Anspruchsgrund besteht nur zum Teil für die bloße Äußerung, die Geschäftsführung habe den Ausschluss des freigestellten Betriebsratsmitglieds beim Arbeitsgericht beantragt. Soweit der Verfügungsanspruch gegeben ist, fehlt es allerdings am Verfügungsgrund.
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aa. Die Äußerung über den gestellten Ausschlussantrag stellt zunächst eine zutreffende Tatsachenbehauptung dar. In der genannten Form - ohne die Erläuterung weiterer Hintergründe - bewirkt diese Information der Belegschaft im betrieblichen Aushang oder auf der Betriebsversammlung noch keine Behinderung der Betriebsratsarbeit. Auch der Belegschaft wird bewusst sein, dass allein das Stellen eines solchen Antrags nicht bedeutet, dass ein solcher Verstoß wirklich gegeben ist. Ein Schlechtmachen des Beteiligten zu 1.) ist in der bloßen Information über den Ausschlussantrag nicht zu erkennen. Soweit die Äußerung nicht außerhalb des Betriebs verbreitet worden ist, entspricht eine solche Information den nachvollziehbaren berechtigten Interessen des Arbeitgebers. Diese Information für sich kann daher auch nicht untersagt werden.
48
bb. Anderes gilt für die Veröffentlichung dieses Umstands außerhalb des Betriebes - also in der B.-App oder dem über den Betrieb hinaus einsehbaren Intranet oder in den Betrieben Ba., H. und W. Hierfür bestand von vornherein kein Bedürfnis und keine Erforderlichkeit. Auch die Beteiligte zu 2.) hat ein betriebliches Interesse, warum sie andere Betriebe in die Auseinandersetzung mit dem Beteiligten zu 1.) hineingezogen hat, nicht benannt. Die nicht von demjenigen Betriebsrat, in dem der Beteiligte zu 1.) gewählt ist, repräsentierten Belegschaften haben mit dem Verfahren nichts zu tun. Insoweit besteht die Pflicht der Beteiligten zu 2.), dafür zu sorgen, dass solche Informationen nicht außerhalb des Betriebs verbreitet werden. Dies ergibt sich zwar nicht schon aus § 78 BetrVG - die Betriebsratsarbeit des Beteiligten zu 1.) ist auf seinen Betrieb beschränkt. Es ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass die Meinung über ihn bei außerhalb der von seinem Gremium repräsentierten Belegschaften Einfluss auf seine Arbeit haben könnten. Die Verpflichtung ergibt sich aber aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG). Dazu gehört auch, den Betriebspartner nicht gegenüber - nicht am direkten betriebsverfassungsrechtlichen Verhältnis beteiligten - Dritten schlecht zu machen und Persönlichkeitsrechtsverletzungen von Betriebsratsmitgliedern zu unterlassen. Dritten gegenüber dürfen auch wahre Tatsachen nicht veröffentlicht werden, jedenfalls soweit ein besonderes Bedürfnis hierfür nicht besteht. Ein solches ist in keiner Weise erkennbar. Ein Verfügungsanspruch würde insoweit bestehen.
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cc. Die Beschwerdekammer sieht insoweit allerdings keine Wiederholungsgefahr und damit kein Rechtsschutzbedürfnis, zumindest keinen Verfügungsgrund. Der Beteiligte zu 3.) hat die Äußerung bei der Betriebsversammlung wiederholt, also in einem die Betriebsöffentlichkeit nicht überschreitenden Raum. Anhaltspunkte dafür, dass erneut andere in die Auseinandersetzung einbezogen und ihnen gegenüber entsprechende Darstellungen erfolgen würden, sind weder vorgetragen noch aus den Umständen erkennbar. Daher besteht kein Anlass, der Beteiligten zu 2.) aufzugeben, dafür zu sorgen, dass Aushänge in anderen Betrieben, in der B.-App oder im Intranet - soweit es über die Betriebsstätte C. hinaus zugänglich ist - hinsichtlich dieser Erklärung zu untersagen. Mit solchen Äußerungen ist nicht mehr zu rechnen.
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d. Ein Anspruchsgrund besteht jedoch dafür, Äußerungen in der B.-App, im Intranet, in Aushängen, in Betriebsversammlungen oder sonst in der Betriebsöffentlichkeit zu untersagen, ein freigestelltes Betriebsratsmitglied oder der Beteiligte zu 1.) habe für sein Ausscheiden eine Abfindung von 750.000,- € oder 360.000,- € verlangt, dies sei als Missbrauch der Verantwortung gegenüber der Belegschaft und/oder als Verstoße gegen das Begünstigungsverbot und/oder als Versuch anzusehen, sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen.
51
aa. Soweit diese Äußerungen außerhalb des Betriebes C. verbreitet wurden, wird auf die obigen Darlegungen Bezug genommen. Hierfür ist keinerlei Bedürfnis zu erkennen.
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bb. Soweit die Äußerungen intern oder auch in der Betriebsversammlung gemacht wurden, hätte die Beteiligte zu 2.) dies unterbinden müssen. Derartige Äußerungen waren, selbst wenn der Beteiligte zu 1.) die behaupteten Erklärungen im Gespräch mit dem Personalleiter, den Geschäftsführern oder auch dem Beteiligten zu 3.) abgegeben haben sollte, für alle Beteiligten erkennbar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Die Beteiligten zu 2.) bis 4.) hätten solche Äußerungen als vertraulich ansehen müssen. Es ist schon im Ansatz kein Bedürfnis erkennbar, welches es rechtfertigen würde, die Betriebsöffentlichkeit über derartige gegenüber Personalleiter, Geschäftsführern oder Verwaltungsratsvorsitzendem getätigte Äußerungen, die allein das Arbeitsverhältnis des Beteiligten zu 1.) und dessen mögliche Auflösung betreffen, zu unterrichten. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.
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cc. Dies gilt auch dann, wenn die Behauptungen über Angaben des Beteiligten zu 1.) zutreffend waren. Selbst dann war es nicht veranlasst, die Belegschaft oder gar Außenstehende über solche Äußerungen zu informieren. Hierfür hätte es eines berechtigten Interesses bedurft. Dies ist in keiner Weise erkennbar. In der vorliegenden Form sind die Äußerungen geeignet, den Beteiligten zu 1.) gegenüber der Belegschaft schlechtzumachen, ohne dass ein berechtigtes Bedürfnis der Beteiligten zu 2.) bis 4.) hierfür besteht. Ein solches Verhalten ist dem Arbeitgeber im Hinblick auf den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit untersagt. Solche Äußerungen stellen, wenn kein berechtigtes Interesse erkennbar ist, eine Beeinträchtigung der Amtsführung des Betriebsratsmitglieds dar; dieses wird gegenüber der Belegschaft ohne Grund „schlechtgemacht“, dessen Betriebsratstätigkeit wird erschwert. Es ist zu erwarten, dass das Betriebsratsmitglied in Rechtfertigungsdruck gerät und dass das Vertrauen der Belegschaft und damit dessen Amtsführung beschädigt wird. Ein solches Verhalten stellt eine Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds nach § 78 BetrVG dar (vgl. schon BAG v. 19.07.1995, 7 ABR 60/94; BAG v. 12.11.1997, 7 ABR 14/97, jeweils zitiert nach juris).
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dd. In diesem Umfang besteht auch der vom Arbeitsgericht bejahte Verfügungsgrund. Der Beteiligte zu 3.), der der Beteiligten zu 2.) aufgrund seiner Stellung zurechenbar ist, hat derartige Äußerungen in der Kommentarspalte im Intranet und auch in der Betriebsversammlung wiederholt. Die Vertreter der Beteiligten zu 2.) haben dies nicht unterbunden. Es besteht die Gefahr, dass er oder andere Vertreter der Beteiligten zu 2.) auf ihrer Meinung beharren und diese erneut an die Betriebsöffentlichkeit bringen. Dieser Gefahr ist durch die Unterlassungsverpflichtung, verbunden mit der Androhung eines entsprechenden Ordnungsgeldes, zu begegnen. Insoweit ist die Beschwerde der Beteiligten zu 2.) unbegründet, so dass sie - mit der Klarstellung im Tenor - zurückzuweisen ist.
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2. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1.) ist, soweit der Streit nicht erledigt ist, in vollem Umfang unbegründet.
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a. Zwar hält die Beschwerdekammer die Beschwerdeanträge für ausreichend bestimmt, obwohl in der Beschwerde Sachanträge nicht ausdrücklich gestellt sind. Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2.) bis 4.) möchte der Beteiligte zu 1.), der die Abänderung nur begehrt, soweit die Anträge abgewiesen waren, erkennbar die Verpflichtungen, die das Arbeitsgericht ausgesprochen hat, bestehen lassen. Dies betrifft auch die in Ziff. 2 des Beschlusses tenorierten Untersagungspflichten, obwohl der Beteiligte zu 1.) diese in dieser exakten Form ursprünglich nicht begehrt hatte. Zwar fehlen ausdrücklich eigene Sachanträge über die begehrte Aufhebung des Beschlusses hinaus. Es ist aber der Begründung der Beschwerde zu entnehmen, dass der Beteiligte zu 1.) offenbar weiterhin all dasjenige tenoriert haben möchte, was er auch erstinstanzlich begehrt hatte, soweit es ihm nicht schon durch das Arbeitsgericht zugesprochen wurde.
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b. Hinsichtlich der Anträge des Beteiligten zu 1.) fehlt es allerdings, soweit sie nunmehr erneut in der Beschwerde geltend gemacht werden, am Eilbedürfnis. Der Beteiligte zu 1.) hat sein diesbezügliches Begehren erst in der Beschwerdebegründung vom 18.10.2022 geltend gemacht - obwohl seinen anwaltlichen Prozessvertretern der Beschluss des Arbeitsgerichts bereits am 02.08.2022 zugestellt worden ist. Er hat damit deutlich mehr als zwei Monate zugewartet, bis er die entsprechenden Anträge erneut gestellt hat. Er hat damit selbst zum Ausdruck gebracht, dass seinem Begehren die Eilbedürftigkeit, die in einem Verfahren auf einstweilige Verfügung gegeben sein muss, fehlt (einhellige Auffassung, vgl. zuletzt LAG Rheinland-Pfalz v. 15.11.2021, 3 SaGa 4/21; OLG München v. 22.02.2022, 7 W 186/22; KG Berlin v. 11.05.2021, 8 U 1153/20; OLG Hamburg v. 21.03.2019, 3 U 105/18, jeweils zitiert nach juris; Drescher in Münchener Kommentar zur ZPO, § 935 Rn. 22; Becker in Anders/Gehle, ZPO, § 940 Rn. 6). Im Zeitpunkt der Beschwerdebegründung waren die Aushänge mehr als vier Monate in der Öffentlichkeit, die Äußerungen in der Betriebsversammlung drei Monate alt, der Beschluss des Arbeitsgerichts fast drei Monate. Eine besondere Eilbedürftigkeit bestand offenbar für den Beteiligten zu 1.) für die Ansprüche, soweit sie abgewiesen wurden, nicht. Der Beschwerdekammer erschließt sich nicht, warum nach einem so langen Zeitraum nicht bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zugewartet werden kann.
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c. Unabhängig hiervon ist auch der jeweilige Verfügungsanspruch problematisch. Zum einen ist der Beteiligte zu 4.) als Geschäftsführer unzweifelhaft für die Beteiligte zu 2.) aufgetreten. Damit ist zweifelhaft, warum und inwieweit sowohl die Beteiligte zu 2.) als auch der Beteiligte zu 4.) mit denselben Ansprüchen konfrontiert werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Beteiligten bisher bestimmte Äußerungen hätten „behaupten lassen“ oder „verbreiten lassen“, sieht die Beschwerdekammer in keiner Weise - insofern fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für eine entsprechende Untersagungsverpflichtung. Auch kann kaum ein Widerruf von Tatsachenbehauptungen verlangt werden, wenn solche Tatsachen zutreffend wiedergegeben waren. Fraglich ist, ob auch der Widerruf von Wertungen verlangt werden kann - eher käme hier ein Recht auf die Veröffentlichung einer Gegendarstellung durch den Beteiligten zu 1.) in Betracht. Fraglich ist auch, ob ein Widerruf von einer Person verlangt werden kann, die die Behauptungen selbst nicht aufgestellt hat. Auf all das kommt es jedoch angesichts der fehlenden Eilbedürftigkeit für das vorliegende Verfahren, das auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtet ist, nicht an.