Titel:
Tagessatzhöhe, Wohnanschrift, Postsendungen, Tatmehrheit, Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse, Tatplan, Notwendige Auslagen, Zustellungsnachweis, Bitcoins, Tatbezeichnung, Wirkstoffgehalt, Gesamtgeldstrafe, Bestellung, Verschiedene Betäubungsmittel, Schuldangemessenheit, Rechtskräftige, Testkäufe, Freiheitsstrafe, Inaugenscheinnahme
Normenketten:
BtMG § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage I
BtMG § 3 Abs. 1 Nr. 1, 29 Abs. 1 Nr. 1
StGB § 22, § 23, § 53
Schlagworte:
Drogenhandel, Straftaten, Betäubungsmittel, Bestellungen, Postsendungen, Geständnis, Selbstständigkeit, Versuchter Erwerb von Betäubungsmitteln, Strafrahmen, Strafmilderung, Gesamtgeldstrafe, Kosten des Verfahrens
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 05.12.2022 – 207 StRR 335/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 40883
Tenor
1. Der Angeklagte ... B. geb. am ... M... schuldig des vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit versuchtem vorsätzlichen Erwerb von Betäubungsmitteln in 11 tatmehrheitlichen Fällen.
2. Der Angeklagte wird zu einer Gesamt-Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 15,00 € verurteilt. (Fall 4/6/7/8/10/12 je 20 Tagessätze; Fall 1/2/3/5 je 50 Tagessätze; Fall 11 90 Tagessätzen; Fall 9 120 Tagessätzen).
3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.
Entscheidungsgründe
1
Der am ... in M... geborene Angeklagte ist ledig Unterhaltsverpflichtungen bestehen keine. Der Angeklagte besuchte die Realschule und schloss diese mit der mittleren Reife ab, anschließend leistete er Zivildienst in der ambulanten Pflege und als Sanitäter. Er absolvierte bis 2004 eine Ausbildung in einem ... Autohaus, wo er in der Folge bis 2017 beschäftigt war. Dort wegen Betrugsvorwürfen gekündigt, arbeitete er anschließend in einem R.-Gebrauchtwagen-Autohaus. Zum 01.04.2020 machte er sich als Tankstellenpächter selbständig. Hierzu nahm er bei seiner Mutter ein Darlehen in Höhe von 80.000,– Euro auf. Wie viel ihm letztendlich monatlich verbleibt, ist derzeit noch nicht festzustellen. Bisher leistete er weder Einkommens-, noch Umsatzsteuer. Er selbst gibt an, dass er ca. 1.800,– Euro entnehme.
2
Der Vater des Angeklagten verstarb, als dieser 6 Jahre alt war an dessen ersten Schultag.
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Im Jahr 2021 unterzog sich der Angeklagte erfolgreich einem Drogenabstinenzprogramm beim TüV ....
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Der Angeklagte ist strafrechtlich bislang in Erscheinung getreten wie folgt:
1. 28.11.2003 AG MÜNCHEN (D2601) -911 CS 487 JS 135930/03 - Rechtskräftig seit 19.12.2003 Tatbezeich nung: Fahrlässige Trunkenheit im Verkeh Datum der (letzten) Tat: 31.08.2003
Angewendete Vorschriften: STGB § 316 ABS. 1, ABS. 2, § 69, § 69 A 45 Tagessätze zu je 15,00 EUR Geldstrafe.
Sperre für die Fahrerlaubnis bis 27.06.2004.
2. 16.05.2007 LG München I (D2600) – 3 Kls 369 Js 47966/06 – Rechtskräftig seit 16.05.2007
Tatbezeichnung: Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen
Datum der (letzten) Tat: 30.10.2006
Angewendete Vorschriften: StGB § 53, § 56, BtMG § 29 a Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 1 Abs. 1
2 Jahr(e) Freiheitsstrafe.
Bewährungszeit bis 15.05.2011.
Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher (gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach § 25 JArbSchG). Bewährungshelfer bestellt
Bewährungszeit verlängert bis 15.11.2011.
Strafe erlassen mit Wirkung vom 30.04.2012.
3. 13.08.2008 AG München (D2601) – 1112 Ds 388 Js 50630/07 –
Rechtskräftig seit 13.08.2008
Tatbezeichnung: Vors. Besitz einer verbotenen Waffe in 3 rechtl. zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit dem Umgang mit exlosionsgefährl. Stoffen
Datum der (letzten) Tat: 08.08.2007
Angewendete Vorschriften StGB § 52, WaffG § 52 Abs. 3 Nr. 1, 2 Abs. 3, SprengG § 40 Abs. 1 nr. 3, § 27
60 Tagessätze zu je 35,00 EUR Geldstrafe.
Anmerkung: Mitgeteilt unter dem abweichenden Geburtsnamen Melzl.
4. 04.09.2013 AG München (D2601) – 825 Cs 233 Js 165388/13 –
Rechtskräftig seit 26.09.2013
Tatbezeichnung: Sachbeschädigung
Datum der (letzten) Tat: 01.06.2013
Angewendete Vorschriften: StGB § 303 Abs. 1, § 303 c
40 Tagessätze zu je 30,00 EUR Geldstrafe.
5. 24.10.2017 AG Freising (D2412) – 7 Cs 304 Js 30768/17 –
Rechtskräftig seit 15.11.2017
Tatbezeichnung: Sachbeschädigung in Tatmehrheit mit Beleidigung Datum der (letzten) Tat: 20.09.2017
Angewendete Vorschriften: StGB § 303 Abs. 1, § 303 c, § 53, § 185, § 194 50 Tagessätze zu je 40,00 EUR Geldstrafe.
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1. Am 10.10.2019 bestellte der Angeklagte an einem unbekannten Ort, vermutlich von seiner Wohnanschrift in der B. aus, auf der D.-Plattform „Ap. Market und E. Market“ bei den anderweitig Verfolgten B., K. und B. 2 Gramm Kokain. Der anderweitig Verfolgte B. beauftragte K. und B. mittels Email mit der Versendung des Kokains, nachdem die Zahlung des Angeklagten zugleich mit dem Bestellvorgang per Mausklick in Bitcoin bezahlt worden war. Ob das Kokain beim Angeklagten ankam, ist nicht bekannt.
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2. Am 18.02.2020 bestellte der Angeklagte an einem unbekannten Ort, vermutlich von seiner Wohnanschrift in der B. aus, auf der D.-Plattform „A. Market und E. Market“ bei den anderweitig Verfolgten B., K. und B. 2 Gramm Kokain. Der anderweitig Verfolgte B. beauftragte K. und B. mittels Email mit der Versendung des Kokains, nachdem die Zahlung des Angeklagten zugleich mit dem Bestellvorgang per Mausklick in Bitcoin bezahlt worden war. Ob das Kokain beim Angeklagten ankam, ist nicht bekannt.
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3. Am 03.02.2020 bestellte der Angeklagte an einem unbekannten Ort, vermutlich von seiner Wohnanschrift in der B. in B. aus, auf der D.-Plattform „A. Market und E. Market“ bei den anderweitig Verfolgten B. K. und B. Gramm Kokain. Der Angeklagte bezahlte das Kokain mittels Mausklick im Moment der Bestellung per Bitcoin, der anderweitig Verfolgte B. beauftragte daraufhin K. und B. mittels Email mit der Versendung. Ob das Kokain beim Angeklagten ankam, ist nicht bekannt.
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4. Am 06.02.2020 bestellte der Angeklagte an einem unbekannten Ort, vermutlich von seiner Wohnanschrift in der B. aus, auf der D.-Plattform „A. Market und „E. Market“ bei den anderweitig Verfolgten B., K. und B. 5 Gramm Haschisch Der Angeklagte bezahlte das Haschisch im Moment der Bestellung per Mausklick mit Bitcoin. Der anderweitig Verfolgte B. beauftragte daraufhin K. und B. mittels Email mit der Versendung des Haschisch. Ob das Haschisch beim Angeklagten ankam, ist nicht bekannt.
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5. Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt vor dem 17.08.2020 bestellte der Angeklagte von einer unbekannten Person, vermutlich im D., an einem unbekannten Ort, vermutlich von seiner Wohnanschrift in der B. aus, 1,7 Gramm Kokaingemisch auf den Namen des Fantasieunternehmens „D... GmbH“.
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Entgegen dem Tatplan des Angeklagten konnte die Postsendung jedoch sichergestellt werden, bevor sie in dessen Besitz gelangte.
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6. Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt, jedoch wenige Tage vor dem 16.02.2021, bestellte der Angeklagte von einer unbekannten Person, vermutlich im D., an einem unbekannten Ort, vermutlich von seiner Wohnanschrift in der B. aus, 3,12 Gramm Amphetamin auf den Namen des Fantasieunternehmens „D... GmbH“.
12
Entgegen dem Tatplan des Angeklagten konnte die Postsendung jedoch sichergestellt werden, bevor sie in dessen Besitz gelangte.
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7. Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt, jedoch wenige Tage vor dem 19.02.2021, bestellte der Angeklagte von einer unbekannten Person, vermutlich im D., an einem unbekannten Ort, vermutlich von seiner Wohnanschrift in der B. aus, 2,24 Gramm Amphetamin auf den Namen des Fantasieunternehmens „D... GmbH“.
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Entgegen dem Tatplan des Angeklagten konnte die Postsendung jedoch sichergestellt werden, bevor sie in dessen Besitz gelangte.
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8. Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt, jedoch wenige Tage vor dem 23.02.2021, bestellte der Angeklagte von einer unbekannten Person, vermutlich im D., an einem unbekannten Ort, vermutlich von seiner Wohnanschrift in der W... aus, 2,60 Gramm Amphetamin.
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Entgegen dem Tatplan des Angeklagten konnte die Postsendung jedoch sichergestellt werden, bevor sie in dessen Besitz gelangte.
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9. Am 22.02.2021 bestellte der Angeklagte, vermutlich von seiner Wohnanschrift in der B., aus von den anderweitig Verfolgten U... und K. auf der D.-Plattform „D...“ 2,3 Gramm Kokaingemisch. Das Betäubungsmittel hatte mindestens einen Wirkstoffgehalt von 80 % Kokainhydrochlorid. Das Kokain wurde wenige Tage später, nämlich am 23.02.2021, wie vom Angeklagten beabsichtigt, an seine o.g. Anschrift geliefert.
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10. Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt, jedoch wenige Tage vor dem 26.02.2021, bestellte der Angeklagte von einer unbekannten Person mit dem Pseudonym J. Kl., M...-weg ..., ... K., vermutlich im D., an einem unbekannten Ort, vermutlich von seiner Wohnanschrift in der B. aus, 3,92 Gramm Amphetamin. Als Bestellernamen gab er hierbei den eigens erfundenen Namen „A. F.“ an.
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Entgegen dem Tatplan des Angeklagten konnte die Postsendung jedoch sichergestellt werden, bevor es in dessen Besitz gelangte.
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11. Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt, jedoch wenige Tage vor dem 03.03.2021, bestellte der Angeklagte von einer unbekannten Person, vermutlich im D., an einem unbekannten Ort, vermutlich von seiner Wohnanschrift in der ... aus, 10,29 Gramm Amphetamin. Als Bestellernamen gab er hierbei den eigens erfundenen Namen „A. F.“ an.
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Entgegen dem Tatplan des Angeklagten konnte die Postsendung jedoch sichergestellt werden, bevor sie in dessen Besitz gelangte.
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12. Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt, jedoch wenige Tage vor dem 03.03.2021, bestellte der Angeklagte von einer unbekannten Person, vermutlich im D., an einem unbekannten Ort, vermutlich von seiner Wohnanschrift in der ... aus, 2,09 Gramm Amphetamin auf den Namen des Fantasieunternehmens „D... GmbH“.
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Entgegen dem Tatplan des Angeklagten konnte die Postsendung jedoch sichergestellt werden, bevor sie in dessen Besitz gelangte.
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Das Betäubungsmittel hatte jeweils mindestens einen Wirkstoffgehalt von 10 % Amphetaminbase, 5 % THC bzw. 20 % Kokainhydrochlorid, soweit zuvor nicht anders angegeben.
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Wie der Angeklagte wusste, besaß er jeweils nicht die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis.
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Der Sachverhalt unter II. steht fest aufgrund des Geständnisses des Angeklagten, der über seinen Verteidiger einräumte, die in Ziffer 5, 6, 7, 8, 10, 11, 12 bezeichneten Taten begangen zu haben.
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Sein Geständnis wird gestützt
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bezüglich Ziffer 5 durch die in Augenschein genommenen Lichtbilder (Bl. 3 bis 6 d.A.), dem Rauschgiftvortest (Bl. 7 d.A.), sowie dem verlesenen Handelsregisterauszug, aus dem sich ergibt, dass eine „D... GmbH“ nicht eingetragen ist.
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bezüglich Ziffer 7 durch die Inaugenscheinnahme der Lichtbilder zur Beschlagnahme am 19.02.2021 (Bl. 150/153 d.A.)
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bezüglich Ziffern 11/12 durch die Inaugenscheinnahme der Lichtbilder (Bl 154/155 d.A.).
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Auf die Lichtbilder wird jeweils wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO ausdrücklich Bezug genommen.
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Zu den Taten in Ziffer 1–4 und 9 machte der Angeklagte keine Angaben.
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Die versuchten Erwerbstaten Ziffer 1 bis 4 können dem Angeklagten durch die Angaben des Zeugen KHK S... [xxx]nachgewiesen werden, der die Ermittlungen gegen die Tätergruppe „Combi“ um die anderweitig Verfolgen B., K. und ... schilderte. Der Zeuge gab insoweit an, dass man bei den anderweitig Verfolgten B., K. und ... Testkäufe gemacht habe. Diese seien immer so abgelaufen, dass das Betäubungsmittel bei der Bestellung mit Bitcoin unmittelbar mit einem Klick bezahlt werden musste. Es seien mehrere Protonmail-Postfächer festgestellt und ausgewertet worden, unter anderem auch das Protonmail-Postfach o....com: Dort befanden sich 78 E-Mails von B., der der Chef der Gruppe gewesen sei, in denen die Bestellungen nach Namen, Anschrift und Art und Menge der bestellten BtM zusammengefasst worden seien und an die Verpacker mit dem Auftrag zur Versendung gesendet worden seien. Hier habe man für die Tattage die vier Bestellungen eines „As. F.“ in der B. feststellen können.
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Über 100 Sicherstellungen sowie eigene 8 Testkäufe hätten die Bestelldokumentation der Tätergruppe bestätigt, so auch den Umstand, dass die Betäubungsmittel für die Versendungsaufträge vorhanden und die Bestellungen bezahlt worden seien Man habe aber nicht alle über 2.500 Bestellungen daraufhin überprüfen können, auch die verfahrensgegenständlichen Bestellungen haben man diesbezüglich nicht überprüfen können, da diese nicht sichergestellt worden seien. Dem ... lätten bei seiner Festnahme mehrere tausend Bitcoins zur Verfügung gestanden.
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Die gesicherten Textdateien wurden auf der asservierten CD in Augenschein genommen und verlesen und bestätigen die Bestellungen des Angeklagten Ziffer 1–4 unter dem Pseudonym „As. F.“ an den jeweiligen Tattagen mit der o.g. Adresse.
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Das Gericht hat auf diesem Hintergrund keinen Zweifel, dass der Angeklagte die jeweiligen Betäubungsmittel bestellt und bezahlt und aus seiner Sicht alles Erforderliche getan hatte, um die Betäubungsmittel zu erwerben. Dabei liegt auch nicht nur eine straflose Vorbereitungshandlung vor, da die Versendung von B. bereits gegenüber seinen Mittätern beauftragt war, wie sich aus den gesicherten Mails ergibt. Der Angeklagte war im hiesigen Fall zum Kauf vorbehaltlos entschlossen. Zwischen ihm und dem Verkäufer wurde nicht nur ein Kaufvertrag durch den Click auf der Plattform geschlossen, sondern vom Angeklagten hinsichtlich der Kaufpreiszahlung unmittelbar erfüllt. Es wurden auch die Modalitäten vereinbart, wie der Angeklagte in den Besitz des Rauschgifts gelangen sollte, nämlich durch Postversand (BayObLG, Beschluss vom 25.04.1994 – 4 St RR 48/94, NJW 1994, 2164). Die unmittelbare Gefährdung des geschützten Rechtsguts setzte in dem Moment ein, in dem der Versandauftrag des B. an seine „Versandabteilung“ erteilt wurde, denn zur Überzeugung des Gerichts führte diese Auftragserteilung nach dem vom Zeugen S... geschilderten üblichen und ungestörten Fortgang der Dinge nach der Vorstellung beider Vertragspartner zur Verpackung des bereits vorhandenen Betäubungsmittels und Einlieferung bei der Post.
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Dass es sich bei dem Pseudonym „As. F.“ um eines des Angeklagten handelt, ergibt sich aus den Angaben der Zeugin B., der Briefzustellerin, die von den wechselnden Namensschildern auf dem Briefkasten berichtet, wie sie sich auch aus dem Lichtbild (Bl. 25 der Akte) ergeben, auf dem sich sowohl das Bestellpseudonym der GmbH als auch das Bestellpseudonym „A. Fischer“ zu lesen ist. Auf Bl. 25 der Akte wird wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen. Im übrigen räumte der Angeklagte durch sein Geständnis in Bezug auf Ziffer 5, 6, 7, 10, 11, 12 die Verwendung von Pseudonymen, insbesondere auch „A. Fischer“ ein.
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Der Fall 9 kann dem Angeklagten nachgewiesen werden durch die Angaben des Zeugen KHK B., der die Ermittlungen zum „Dark Market“ und die anderweitig Verfolgten U... und K. schilderte. Letztere habe man als die Täter hinter einem „Vendor“ für Betäubungsmittel feststellen können; zunächst habe man Briefsendungen, die diese in großem Umfang aufgegeben hätten, beschlagnahmt; nachdem sich in zwei Sendungen am 11.02.2021 Kokain und Marihuana befanden hätten – die restlichen 15 hätte man noch nicht geöffnet – hätte man am 10.03.2021 alle 32 Sendungen beschlagnahmt und geöffnet, alle enthielten Betäubungsmittel. Es sei am 11.03.2021 auch zur Verhaftung der beiden U... und des K. gekommen und deren Räumlichkeiten durchsucht worden. Dabei seien Hefte mit handschriftlicher Buchführung über die Bestellungen sowie ein Computer und ein USB-Stick gefunden worden, auf dem die Initialen von Käufern und Sendungsnummern vorhanden gewesen seien. Ebenso habe man neben Verpackungsmaterialien auch verschiedenste Betäubungsmittel wie 30 kg Marihuana, Opium und Kokain und MDMA gefunden sowie auch fertig zum Versand vorbereitete Versandtaschen.
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Die ausgedruckte Textdatei bezüglich des Angeklagten (Anlage 7 zu Protokoll) von dem ausgewerteten USB-Stick wurde verlesen und bestätigt die Bestellung des Angeklagten am 22.02.2021. Bei W handelt es sich nach Angaben des Zeugen B. in der von den Tätern verwendeten Systematik der Abkürzungen um Kokain. Die diesbezüglichen Lichtbilder (Bl. 188 bis 190 der Akte) wurden in Augenschein genommen, auf diese wird wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO ausdrücklich Bezug genommen.
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Dass die Sendung an den Angeklagten zugestellt wurde, ergibt sich aus der Inaugenscheinnahme und der Verlesung der Postzustellnachweise (Anlage 6 zu Protokoll), die Sendungsnummer der Textdatei stimmt mit der auf dem Zustellnachweis überein. Der hohe Wirkstoffgehalt ergibt sich aus dem verlesenen Untersuchungsbericht (Bl. 226 d.A.) bezüglich Kokain, das in mehreren Sendungen sichergestellt wurde. Das Kokain in den sichergestellten Sendungen wies dabei durchgehend einen Wirkstoffgehalt von über 80 % auf. Auch aus den Kundenbewertungen, so der Zeuge B. sei hervorgegangen, dass die Qualität gleichbleibend gut war. Den anderweitig verfolgten U... und K. [xxx]ei es wohl auch um ihren guten Ruf gegangen.
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Nach alldem hat das Gericht keine Zweifel daran, dass der Angeklagte in allen Fällen, außer im Fall Ziffer 9, zumindest versucht hat, die jeweils angegebenen Betäubungsmittel zu erwerben. Im Fall 9 ist von einem vollendeten Erwerb auszugehen, da insofern die Zustellung durch den Zustellnachweis zur Überzeugung des Gerichts feststeht.
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Die Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen beruhen auf den Angaben des Angeklagten, an denen zu zweifeln das Gericht keine Veranlassung hatte, der Verlesung des Bundeszentralregisterauszugs und des Abschlussberichts des TüV ... nebst der Befunde der Urinkontrollen (Anlagen 1–2), die eine Betäubungsmittelabstinenz des Angeklagten im Zeitraum vom 23.06.2021 bis 22.12.2021 belegen.
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Der Angeklagte hat sich daher des vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln sowie 11 tatmehrheitlicher Fälle des versuchten vorsätzlichen Erwerbs von Betäubungsmitteln gemäß §§ 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage III zum BtMG, 3 Abs. 1 Nr. 1, 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, 22, 23, 53 StGB strafbar gemacht.
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Der Strafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG sieht Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe vor. Zugunsten des Angeklagten spricht in den Fällen 5, 6, 7, 8, 10, 11, 12 sein Geständnis. Zu seinen Lasten muss die hohe Frequenz an Bestellungen gehen, die allerdings dem Umstand geschuldet ist, dass das bestellte Betäubungsmittel aufgrund von Beschlagnahmen und Sicherstellungen nicht ankam. Zu seinen Lasten muss gehen, dass bis auf im Fall Ziff. 4 harte Drogen bestellt wurden, im Fall Ziff. 9 sogar Kokain mit einem hohen Wirkstoffgehalt. In allen Fällen spricht zugunsten des Angeklagten, dass die Betäubungsmittel zum Eigenkonsum bestellt wurden, zu seinen Lasten jeweils, dass er bereits vielfach und auch einschlägig in Erscheinung getreten ist, wobei die einschlägige Straftat schon länger zurückliegt. Eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 22, 23 49 StPO hinsichtlich der Versuchstaten war nicht angezeigt, gleichwohl wurde der Umstand, dass es lediglich beim Versuch geblieben ist, erheblich strafmildernd berücksichtigt.
42
Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hielt das Gericht für die Fälle Ziffer 4, 6, 7, 8, 10, 12 je 20 Tagessätze, für die Fälle 1, 2, 3, 5 je 50 Tagessätze, für den Fall Ziffer 11 90 Tagessätze und für den Fall 9 120 Tagessätze für tat- und schuldangemessen.
43
Nach nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände, zu seinen Gunsten insbesondere des engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs, der auch dem Umstand geschuldet ist, dass die Betäubungsmittel nicht ankamen, und des Umstands, dass der Angeklagte tätig Einsicht zeigte, indem er sich nunmehr bislang erfolgreich einem Abstinenzprogramm unterzog, zu seinen Lasten seiner früheren, auch einschlägigen Straffälligkeit, hielt das Gericht eine Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zur tat- und schuldangemessen.
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Gemäß der wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten war die Tagessatzhöhe auf 15,– Euro festzusetzen § 40 StGB.
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Gemäß § 465 StPO trägt der Angeklagte als Verurteilter die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.