Titel:
Gesamtfreiheitsstrafe, Bundesanstalt für Arbeit, Kurze Freiheitsstrafe, Berufungshauptverhandlung, Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse, Bewährungszeit, Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt, Kostenentscheidung, Tatbezeichnung, Rechtsfolgenausspruch, Rechtskräftige, festgestellter Sachverhalt, Strafzumessung, Pflichtversicherungsgesetz, Tatmehrheit, Berufungsbeschränkung, Ratenzahlungsvereinbarung, Schuldangemessenheit, Berufung der Staatsanwaltschaft, Geldstrafe
Schlagworte:
Betrug, Pflichtversicherungsgesetz, Vorstrafen, Strafzumessung, Freiheitsstrafe, Bewährung, Kostenentscheidung, Verfahrensgang, Berufung, Persönliche Verhältnisse, Arbeitsverhältnis, Schulden, Strafmaß, Beihilfe zum Betrug, Körperverletzung, Diebstahl, Arbeitslosengeld-Betrug, Falsche Versicherungskennzeichen, Schadensersatz, Bewährungsstrafe
Vorinstanz:
AG Ingolstadt, Urteil vom 11.03.2021 – 1 Ds 23 Js 17581/20
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 13.12.2022 – 207 StRR 350/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 40881
Tenor
1. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Ingolstadt vom 11.03.2021 dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen Betrugs und fahrlässigem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Monaten 2 Wochen verurteilt wird.
2. Die weitergehenden Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft werden verworfen.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und seine Auslagen. Mehrkosten und notwendige Auslagen des Angeklagten, die durch die Berufung der Staatsanwaltschaft bedingt sind, trägt die Staatskasse.
Entscheidungsgründe
1
Am 11.03.2021 verurteilte das Amtsgericht Ingolstadt – Strafrichter – den Angeklagten wegen Betrugs in Tatmehrheit mit fahrlässigem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz. Dabei verhängte das Gericht wegen des Betrugs unter Einbeziehung einer Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts Ingolstadt vom 06.03.2020 eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten ohne Bewährung sowie wegen des Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz eine weitere Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 25,00 EUR.
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Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft eine auf das Strafmaß beschränkte Berufung form- und fristgerecht ein.
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Der Angeklagte legte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 11.03.2021, eingegangen beim Amtsgericht am gleichen Tag, eine auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung ein.
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Mit Schriftsatz vom 16.08.2021, eingegangen beim Landgericht Ingolstadt am gleichen Tag, beantragte der Verteidiger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einlegung einer unbeschränkten Berufung. Zugleich wurde eine unbeschränkte Berufung eingelegt.
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Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung einer unbeschränkten Berufung wurde durch Beschluss des Landgerichts Ingolstadt vom 05.07.2022 als unzulässig kostenpflichtig verworfen. Dieser Beschluss ist rechtskräftig, sodass es bei der auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Berufung des Angeklagten verbleibt.
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Die beiden, auf die Rechtsfolgenausspruch beschränkten Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft sind statthaft und zulässig gemäß §§ 312, 314, 318 StPO.
Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse
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Der in Ingolstadt geborene Angeklagte besuchte die Grund- und Hauptschule und schloss letztere mit dem normalen Hauptschulabschluss ab. Anschließend begann er eine Lehre als Straßenbauer und Pflasterer, welche er nach ca. zwei Jahren nach einem Unfall abbrechen musste. In der Folgezeit war der Angeklagte über verschiedene Zeitarbeitsfirmen, vorwiegend in der Produktion, beschäftigt. Insgesamt viermal war der Angeklagte arbeitslos.
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Der Angeklagte hat einen neun Jahre alten Sohn, der bei der Mutter des Angeklagten lebt. Der Angeklagte selbst ist aus der elterlichen Wohnung im Februar 2022 ausgezogen und bewohnt seither eine 1-Zimmer-Wohnung in Ingolstadt, für welche er monatlich ca. 500,00 EUR Miete zu zahlen hat.
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Der Angeklagte hat 700,00 EUR Schulden aus einem Handyvertrag. Darüber hinaus sind auch noch nicht alle Kosten aus vorangegangenen Strafverfahren erledigt.
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Nachdem der Angeklagte zuletzt mindestens seit Frühjahr 2021 arbeitslos war, war er im Juli 2022 als Detektiv tätig. Seit 10.08.2022 hat er eine Anstellung als Getränkewart in einem ... in .... Der Angeklagte hat nach eigenen Angaben einen unbefristeten Arbeitsvertrag, befindet sich derzeit aber noch in der Probezeit. Sein monatliches Entgelt bei der Fa. ... beträgt 2.400,00 EUR brutto.
11
Der Angeklagte ist bereits erheblich vorbestraft. Im Bundeszentralregister sind folgende Eintragungen enthalten:
12
1. 07.06.2010 AG Ingolstadt (D5701) -6 Ds 32 Js 6152/10 –
Rechtskräftig seit 07.06.2010
Tatbezeichnung: Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis
Datum der (letzten) Tat: 02.04.2010
Angewandte Vorschriften: StVG § 21 Abs. 1 Nr. 1, JGG § 15
Erbringung von Arbeitsleistungen.
13
2. 19.03.2012 AG Ingolstadt (D5701) -6 Ds 32 Js 1829/12 –
Rechtskräftig seit 27.03.2012
Tatbezeichnung: Nötigung in vier rechtlich zusammentreffenden Fällen
Datum der (letzten) Tat: 08.01.2012
Angewandte Vorschriften: StGB § 240 Abs. 1, Abs. 2, § 52, § 44, JGG § 15
Jugendarrest wegen Zuwiderhandlung gegen Auflagen: 4W.
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3. 23.01.2013 AG Ingolstadt (D5701) -6 Ls 11 Js 16654/12 –
Rechtskräftig seit 23.01.2013
Tatbezeichnung: Vors. unerlaubter Besitz rechtlich zusammentreffend mit unerlaubtem Führen einer Schusswaffe und versuchter Nötigung in Tatmehrheit mit Nötigung in Tatmehrheit mit falscher Verdächtigung
Datum der (letzten) Tat: 05.09.2012
Angewandte Vorschriften: StGB § 164 Abs. 1, § 25 Abs. 2, § 240 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, § 22, § 23, § 52, § 53, WaffG § 52 Abs. 3 Nr. 2 a, JGG § 21
Bewährungszeit 3 Jahr(e) .
Strafaussetzung widerrufen.
Bewährungshelfer bestellt bis: 01.09.2018.
Rest der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt bis 01.09.2018.
Bewährungszeit verlängert bis 01.09.2020.
Bewährungszeit verlängert bis 01.09.2021.
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Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zur Last:
1. Am 12.05.2012 begaben sich der Angeklagte und der anderweitig Verfolgte Manuel M. zur Dienststelle der Polizeiinspektion ..., um die anderweitig Verfolgte Jessica M. anzuzeigen. Hierbei gaben beide bewusst der Wahrheit zuwider an, dass die anderweitig Verfolgte Jessica M. mit einer Schere wissentlich und willentlich in die Brust des Angeklagten gestochen hätte, um ihn zu verletzen. Der Angeklagte und der anderweitig Verfolgte Manuel M. waren verärgert über die anderweitig Verfolgte Jessica M. und beabsichtigten damit, dass ein Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung gegen diese geführt wird. Aufgrund der Aussagen des Angeklagten und des anderweitig Verfolgten Manuel M. wurde seitens der Staatsanwaltschaft Ingolstadt zum 21.08.2012 Anklage auch wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung an das Amtsgericht Ingolstadt erhoben.
2. Am 05.09.2012 gegen 21.00 Uhr hatte der Angeklagte im Anwesen ... und den umgebenen öffentlichen Straßen in Ingolstadt, wie er wusste, ohne die erforderliche waffenrechtliche Erlaubnis eine geladene Schreckschuss-Pistole Marke Browning Mod. GPDA9 m. PTB-Zeichen u. Magazin, Seriennummer C...7 in Besitz und führte die Waffe außerhalb der eigenen Wohnung, Geschäftsräume oder des eigenen befriedeten Besitztums mit sich.
Diese Waffe richtete er in oben genannten Anwesen zweimal kurz hintereinander gegen die Schläfe der Geschädigten M., um diese dazu zu bewegen, den Weg freizugeben. Die Geschädigte M. kam dem jedoch nicht nach, so dass der Angeklagte sie letztendlich unter Einsatz unmittelbaren Zwangs zur Seite schob.
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4. 09.12.2013 AG Neuburg/Donau (D5702) -1 Ds 41 Js 7957/13 –
Rechtskräftig seit 02.06.2014
Tatbezeichnung: Vorsätzl. Körperverletzung sowie Bedrohung und Beleidigung
Datum der (letzten) Tat: 24.03.2013
Angewandte Vorschriften: StGB § 223 Abs. 1, § 230 Abs. 1, § 241 Abs. 1, § 185, § 194, § 53
7 Monat(e) Freiheitsstrafe.
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Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zur Last:
1. Am 24.03.2013 gegen 19.12 Uhr verletzte der Angeklagte vor dem Mutter-Kind-Wohnheim, ..., die Geschädigte J2. M., indem er die Geschädigte ohne rechtfertigenden oder entschuldigenden Grund mindestens fünfmal mit der Faust schlug. Dabei schlug er der Geschädigten auch mindestens einmal mit der Faust in das Gesicht. Ferner nahm er die Geschädigte im Laufe der Auseinandersetzung auch in den Schwitzkasten.
Hierdurch erlitt die Geschädigte, wie vom Angeklagten zumindest vorhergesehen und billigend in Kauf genommen, eine blutende Wunde an der Oberlippe, leichte Kopfschmerzen sowie Schmerzen am Kiefer.
Strafantrag wurde form- und fristgerecht am 25.03.2013 von der Geschädigten gestellt.
Die Staatsanwaltschaft hält wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.
2. Am 12.03.2013 um 3.43 Uhr sandte der Angeklagte der Geschädigten M. eine SMS mit den Worten: „und ich versprich dir eins ich schwöre auf dein Kind wenn ich dich in diese Tage irgendwo seh bring ich dich um und ich schwöre auf meine Familie … und jetzt beete jeden Tag das du mich nicht sihst“
3. Am 24.03.2013 gegen 21.00 Uhr beleidigte der Angeklagte die Geschädigte M., indem er ihr eine SMS mit den Worten „Hure“ und „Miststück“ sandte, um hierdurch seine Missachtung auszudrücken.
Strafantrag wieder auch hier form- und fristgerecht am 25.03.2013 von der Geschädigten gestellt.
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5. 26.11.2014 AG Ingolstadt (D5701) -8 Ls 12 Js 4245/14 –
Rechtskräftig seit 26.11.2014
Tatbezeichnung: Körperverletzung sowie Computerbetrug in 3 Fällen Datum der (letzten)
Angewandte Vorschriften: StGB § 223 Abs. 1, § 55, § 53, § 263 a Abs. 1
10 Monat(e) Freiheitsstrafe.
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 09.12.2013+1 Ds 41 Js 7957/13+D5702+AG Neuburg a. d. Donau.
Anmerkung zur Gesamtstrafenbildung: Auf die Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten wurde erkannt wegen Körperverletzung unter Einbeziehung der Entscheidung vom 09.12.2013. … Wegen der übrigen Straftaten wurde eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr ausgesprochen. Strafrest zur Bewährung ausgesetzt bis 01.09.2019.
Bewährungshelfer bestellt bis 01.09.2018.
Bewährungszeit verlängert bis: 01.09.2020. Bewährungszeit verlängert bis 01.09.2021..
Bewährungshelfer bestellt bis: 01.09.2018.
Strafrest zur Bewährung ausgesetzt bis 01.09.2019.
Ausgesetzt durch: 17.08.2015+1 NöStVK 205/15+D2130+StVK Augsburg, Zw. Nördlingen.
Bewährungszeit verlängert bis 01.09.2020.
Bewährungszeit verlängert bis 01.09.2021.
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Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zur Last:
1. Am 29.10.2013 gegen 0.45 Uhr hielt sich der Angeklagte auf dem Gelände der Shell-Tankstelle an der G2. straße ... in Ingolstadt auf. Dabei kam es zu einer zunächst verbalen und dann handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen ihm und dem anderweitig Verfolgten Robert B3., in dessen Verlauf die beiden wechselseitig aufeinander einschlugen und B3. schließlich am Boden zu liegen kam.
Der Angeklagte trat nun einmal auf den am Boden liegenden Geschädigten mit dem beschuhten Fuß ein, wobei er ihn vermutlich im Bereich des Oberkörpers traf. Dadurch erlitt der anderweitig Verfolgte und Geschädigte B2. zumindest Schmerzen im Bereich des Oberkörpers. Wie der Angeklagte wusste, geschah die Tat ohne rechtfertigenden oder entschuldigenden Grund.
2. Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt zwischen dem 04.11.2013 und dem 10.12.2013 nahm die anderweitig Verfolgte Jessica M. die EC-Karte und die auf einem Zettel notierte entsprechende PIN-Nummer der Geschädigten J3. R. aus der Wohnung der Geschädigten in der S1. straße ... in ... I1. unberechtigt an sich. Mit der EC-Karte und mit der PIN-Nummer und dem Wissen, dass die anderweitig Verfolgte M. unberechtigt Besitz an EC-Karte und PIN-Nummer erlangt hatte, hob der Angeklagte zu drei verschiedenen Gelegenheiten ebenfalls unberechtigt jeweils 1.000,00 EUR von dem Konto der Geschädigten R. ab. Dabei wusste er, dass er jeweils keinen Anspruch auf diese Summen hatte. Der Geschädigten R. entstand dadurch ein Schaden in Höhe von 3.000,00 EUR. Im einzelnen handelte es sich um folgende Abhebungen:
a) Am 10.12.2013 um 12.49 Uhr vom Geldautomaten in der S2. straße in Ingolstadt-F3..
b) Am 12.12.2013 um 13.08 Uhr vom Geldautomaten in der K. Straße in Ingolstadt-R3..
c) Am 13.12.2013 um 13.25 Uhr vom Geldautomaten in der I2. Straße in ... M3..
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6. 20.06.2017 AG Ingolstadt (D5701) -1 Ds 27 Js 2996/17 –
Rechtskräftig seit 14.06.2018 Tatbezeichnung: Körperverletzung
Datum der (letzten) Tat: 01.01.2017
Angewandte Vorschriften: StGB § 223 Abs. 1, § 230 Abs. 1
200 Tagessätze zu je 25,00 EUR Geldstrafe.
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Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zur Last:
Am 01.01.2017 gegen 04.00 Uhr schlug der Angeklagte in der Gaststätte ..., ... in Ingolstadt, dem Geschädigten B3. zumindest einmal mit der Faust ins Gesicht. Dadurch erlitt der Geschädigte, wie vom Angeklagten zumindest vorhergesehen und billigend in Kauf genommen, neben Schmerzen insbesondere ein Hämatom am Auge.
Die Staatsanwaltschaft hält wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.
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7. 06.03.2020 AG Ingolstadt (D5701) -1 Cs 23 Js 3634/20 –
Rechtskräftig seit 25.03.2020
Tatbezeichnung: Diebstahl
Datum der (letzten) Tat: 11.01.2020
Angewandte Vorschriften: StGB § 242 Abs. 1, § 73 c
40 Tagessätze zu je 40,00 EUR Geldstrafe.
Verfall oder Einziehung von Taterträgen.
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Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zur Last:
Am 11.01.2020 gegen 22.30 Uhr entwendeten Sie in den Geschäftsräumen der Firma A. T. Pizza in der M4. Straße ..., ... I1., die Geldbörse mit einer darin befindlichen Krankenversicherungskarte, einer Kreditkarte und drei Debitkarten sowie 300,00 EUR Bargeld im Wert von 350,00 EUR des Geschädigten W2. N., um diese für sich zu behalten, obwohl Sie wussten, dass Sie hierauf keinen Anspruch hatten.
Strafantrag wurde form- und fristgerecht gestellt.
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Die gegen den Angeklagten verhängte Geldstrafe aus dieser Verurteilung ist mittlerweile vollständig bezahlt.
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Die zur Bewährung ausgesetzten Reststrafen aus den Verurteilungen BZR Nr. 3 und BZR Nr. 5 betragen zusammen rund 9 Monate.
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Aufgrund der beidseitigen Berufungsbeschränkung steht folgender, durch das Amtsgericht Ingolstadt in erster Instanz festgestellter Sachverhalt rechtskräftig fest:
1) Der Angeklagte bezog seit 06.07.2019 von der Agentur für Arbeit I., ... I1. Arbeitslosengeld I.
Entgegen der dem Angeklagten bekannten Verpflichtung teilte er der Agentur für Arbeit nicht unverzüglich mit, dass er in der Zeit vom 26.10.2019 bis 19.11.2019 bei I.K. H2. GmbH, Z. straße ..., I1. gearbeitet hatte, mit der Folge, dass ihm – seiner Absicht entsprechend – für den Zeitraum vom 27.10.2019 bis 19.11.2019 Leistungen in Höhe von insgesamt 690,25 EUR bewilligt und ausbezahlt wurden, auf die er, wie er wusste, keinen Anspruch mehr hatte. Die letzte Zahlung erfolgte am 30.11.2019.
Um diesen Betrag wurde Bundesagentur für Arbeit geschädigt, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf nahm.
2) Der Angeklagte fuhr am 23.01.2021 gegen 19.50 Uhr auf dem öffentlichen U. Weg, Höhe Hausnummer ..., ... I1. mit einem haftpflichtversicherungspflichtigen Kleinkraftrad, obwohl für das Fahrzeug kein Haftpflichtversicherungsvertrag abgeschlossen war. Es war ein nicht gültiges Versicherungskennzeichen „...“ aus dem Jahr 2019 angebracht.
Dies hätte der Angeklagte wissen können und müssen.
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Ergänzend hierzu hat die Kammer aufgrund der Berufungshauptverhandlung folgende weiteren Feststellungen getroffen:
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Wegen der Aufnahme einer Beschäftigung in dem verfahrensgegenständlichen Zeitraum vom 26.10.2019 bis 19.11.2019 wurde an den Angeklagten durch die Bundesanstalt für Arbeit bzw. das Jobcenter ein Betrag in Höhe von 690.95 EUR ausbezahlt. In dieser Höhe ist die Bundesanstalt für Arbeit durch die Nichtanzeige geschädigt. Daneben hatte die Bundesanstalt für Arbeit weitere (nicht durch die gegenständliche Nichtanzeige bedingte) Forderungen gegen den Angeklagten in Höhe von 120,16 EUR, weil der Angeklagte von 01.10.2019 bis 25.10.2019 Nebeneinnahmen nicht angezeigt hatte. Weitere unberechtigte Zahlungen an den Angeklagten stehen ferner im Zeitraum vom 20.11.2019 bis 30.11.2019 erfolgt, weil der Angeklagte zwar seine Arbeit nicht mehr fortgeführt, jedoch auch seine Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt nicht angezeigt hatte.
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Der Angeklagte traf mit der Bundesanstalt für Arbeit eine Vereinbarung, wonach ihm nachgelassen wurde, seine gesamten Rückstände in monatlichen Raten zu je 30,00 EUR zu bezahlen. Auf diese Vereinbarung hin leistete der Angeklagte am 06.01.2021 und am 03.03.2021 jeweils einen Betrag in Höhe von 30,00 EUR an die Bundesanstalt für Arbeit. Seither sind keine Zahlungen des Angeklagten zur Reduzierung der Rückforderungen der Bundesanstalt für Arbeit mehr erfolgt. Gegenwärtig beläuft sich der Rückstand des Angeklagten bei der Bundesanstalt für Arbeit auf 1.036,60 EUR.
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1. Die Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen beruhen auf den eigenen, glaubhaften Angaben des Angeklagten.
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2. Die Vorstrafen des Angeklagten hat die Kammer durch Verlesung des Auszugs aus dem Bundeszentralregister vom 12.07.2022 festgestellt. Soweit bei den einzelnen Verurteilungen jeweils der festgestellte Sachverhalt wiedergegeben ist, beruht dies auf einer auszugsweisen Verlesung aus den jeweiligen Verurteilungen. Bei der Eintragung Ziffer 7. hat die Kammer durch Verlesung einer aktuellen Vollstreckungsübersicht der Staatsanwaltschaft Ingolstadt festgestellt, dass die Geldstrafe im Verfahren 23 Js 3634/20 bereits vollständig bezahlt ist. Die Feststellungen zur Höhe der noch offenen Reststrafen beruhen auf den eigenen glaubhaften Angaben des Angeklagten.
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3. Die ergänzenden Feststellungen zum Sachverhalt beruhen auf den Angaben der Zeugin P1. P2., an deren Glaubhaftigkeit die Kammer keinen Anlass zu zweifeln hat.
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Der Schuldspruch Betrug in Tatmehrheit mit fahrlässigen Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz steht aufgrund der beiderseitigen Berufungsbeschränkung bereits rechtskräftig fest.
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Zugunsten des Angeklagten sprach sein bereits in erster Instanz abgelegtes Geständnis. Für den Angeklagten sprach darüber hinaus, dass die Taten bereits lange zurück liegen und ferner die lange Verfahrensdauer. Bei Ziffer 2. des Sachverhalts liegt lediglich ein fahrlässiger Verstoß vor. Schließlich hat die Kammer auch berücksichtigt, dass der Angeklagte am 06.01.2021 und am 03.03.2021 jeweils 30,00 EUR an die Bundesagentur für Arbeit zurückgezahlt hat.
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Zulasten des Angeklagten wertete die Kammer insbesondere seine zahlreichen, teilweise auch einschlägigen Vorahndungen. Hinzu kam, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt unter zweifach offener Reststrafenbewährung stand. Bei dem Betrug (Ziffer 1. der Anklage) handelt es sich bereits um die dritte vorsätzliche Straftat in offener Bewährung.
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Ausgehend vom Strafrahmen des § 263 abs. 1 StGB, welcher Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorsieht, erschien der Strafkammer unter Abwägung der oben angeführten Gesichtspunkte die Verhängung einer Freiheitsstrafe von drei Monaten tat- und schuldangemessen.
37
Angesichts der Vorstrafen des Angeklagten und angesichts der zweifachen offenen Bewährung sowie des Umstands, dass es sich hier bereits um die dritte vorsätzliche Straftat innerhalb einer laufenden Bewährung handelt, erschien der Strafkammer im Rahmen der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe im Sinn des § 47 Abs. 1 StGB unerlässlich.
38
Bei der Strafzumessung für den fahrlässigen Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz hat die Kammer den Strafrahmen des § 6 Abs. 2 Pflichtversicherungsgesetz, welcher Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen oder Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten vorsieht, zugrunde gelegt. Innerhalb dieses Strafrahmens erschien der Kammer für den fahrlässigen Verstoß die Verhängung einer Geldstrafe trotz der offenen Bewährung ausreichend. Nach Auffassung der Kammer ist eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen tat und schuldangemessen. Ausgehend von den derzeitigen Einkommensverhältnissen des Angeklagten war die Tagessatzhöhe auf 40,00 EUR festzusetzen. Insoweit ist die Kammer davon ausgegangen, dass von dem Angeklagten behaupteten Bruttoentgelt in Höhe von 2.400,00 EUR mindestens ein Drittel Abzüge für Steuern und Sozialversicherungsabgaben hat. Berücksichtigt man zusätzlich die Unterhaltspflicht für den neunjährigen Sohn, so verbleibt ein Nettoverdienst in Höhe von mindestens 1.200,00 EUR, die die Kammer für die Festsetzung der Tagessatzhöhe zugrunde gelegt hat.
39
Aus den beiden Einzelstrafen hat die Kammer unter nochmaliger Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände unter Erhöhung der Freiheitsstrafe von drei Monaten eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet. Hierbei ist im Wege eines Härteausgleichs auch eingeflossen, dass die Geldstrafe vom 06.03.2020 ursprünglich gesamtstrafenfähig gewesen wäre und wegen Vollstreckung nicht mehr einbezogen werden kann.
40
Die Kammer hat bei der Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe ferner das dem Angeklagten drohende Gesamtstrafübel (vgl. BGH Beschluss vom 09.09.2020 – 2 StR 281/20) berücksichtigt. Der Angeklagte hat aufgrund der gegenständlichen Verurteilung voraussichtlich mit dem Widerruf der beiden, bereits zweimal verlängerten Reststrafenbewährungen in Höhe von zusammen rund 9 Monaten zu rechnen. Es droht ihm also neben der gegenständlichen Vollzugsstrafen ein weiterer Strafvollzug von rund 9 Monaten. Dies hat die Kammer bei der Strafzumessung bedacht und bei der Festsetzung der Strafhöhe berücksichtigt.
41
Insgesamt erschien der Kammer daher eine
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Monaten zwei Wochen
tat- und schuldangemessen.
42
Die gegen den Angeklagten verhängte Gesamtfreiheitsstrafe kann nicht zur Bewährung ausgesetzt werden.
43
Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr ist gemäß § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung auszusetzen, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich die Verurteilung als solche zu einer hinreichenden Warnung dienen lässt und dass er künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
44
Im vorliegenden Fall sprechen gegen die Annahme einer günstigen Sozialprognose bereits die zahlreichen, teilweise einschlägigen Vorahndungen und insbesondere auch der Umstand, dass der Angeklagte die verfahrensgegenständlichen Taten während des Laufs von zwei offenen Reststrafenbewährungen begangen hat, welche wegen vorsätzlicher Straftaten in der Bewähungszeit bereits zweimal verlängert worden sind. Gleichwohl hat dies den Angeklagten nicht von der Begehung der verfahrensgegenständlichen Straftaten abgehalten. Auch die vom Angeklagten angeblich angestrebte Schadenswiedergutmachung hat der Angeklagte nicht ernst genommen. Die Kammer verkennt nicht, dass der Angeklagte mit der Bundesagentur für Arbeit eine Ratenzahlungsvereinbarung zur Rückführung der Rückstände getroffen und zur Erfüllung dieser Vereinbarung zunächst am 06.01.2021 und am 03.03.2021 jeweils 30,00 EUR zur Rückführung dieser Schulden geleistet hat. Nach dem erstinstanzlichen Urteil am 11.03.2021 hat der Angeklagte diese Rückführung jedoch eingestellt und behauptet nunmehr, dass er aufgrund der bei der Fa. ... am 10.08.2022 – also sechs Tage vor der Berufungshauptverhandlung – aufgenommenen Tätigkeit vorhabe, den Schaden zurückzuführen. Die Kammer konnte sich von der Ernstlichkeit dieses Vorhabens nicht mit der erforderlichen Sicherheit überzeugen. Vielmehr drängt sich der Verdacht auf, dass der Angeklagte unmittelbar vor der Berufungshauptverhandlung sich eine Arbeit gesucht hat, um in der Berufungshauptverhandlung einen besseren Eindruck zu machen.
45
Angesichts des wiederholten Bewährungsversagens und der übrigen angeführten Umstände ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass beim Angeklagten keine günstige Sozialprognose besteht. Allein der Umstand, dass der Arbeitsamtsbetrug bereits mehr als zwei Jahre zurück liegt, reicht nach Überzeugung der Kammer hierfür nicht aus.
46
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.