Inhalt

VG München, Urteil v. 15.11.2022 – M 5 K 20.3819
Titel:

Anrechnung von Reisezeiten auf Arbeitszeit

Normenketten:
RL 2003/88/EG Art. 1, Art. 2
BayAZV § 7
BGB § 242
BayVV-BeamtR Abschn. 12, Nr. 1.2 S. 1
Leitsätze:
1. Zuvielarbeit im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt vor, wenn der Dienstherr einen Beamten auf der Grundlage einer rechtswidrig zu hoch festgesetzten regelmäßigen Arbeitszeit zum Dienst heranzieht oder ihn über die rechtmäßig festgesetzte regelmäßige Arbeitszeit hinaus in Anspruch nimmt, ohne dass die Voraussetzungen für die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit erfüllt sind. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die vom Bundesverwaltungsgericht für die Fälle einer rechtswidrigen Heranziehung zum Dienst entwickelten Grundsätze zu § 242 BGB können auf die Konstellation, in der ein Beamter die zur Erfüllung seiner Dienstgeschäfte notwendigen Termine selbst festlegt, nicht herangezogen werden; insbesondere ist der Beamte nicht schutzwürdig, wenn es ihm gleichsam möglich wäre, das Dienstgeschäft inklusive der Hin- und Rückfahrt während der Sollzeit zu absolvieren. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es liegt innerhalb des zulässigen Organisationsermessens des Dienstherrn und ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Dienstherr in Abschnitt 12, Nr. 1.2 Satz 1 der VV-BeamtR angeordnet hat, dass für Dienstreisen oder Dienstgänge außerhalb der für vollbeschäftigte Beamte geltenden Sollzeit die Reisezeit nur zu einem Drittel auf die tatsächlichen Stunden angerechnet und durch Freizeit auszugleichen ist. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
4. Es kann einem Beamten - ebenso wie einem Arbeitnehmer (vgl. BAG NZA 1992, 67 ff.) - aufgegeben werden, dass er auf Dienstreisen einen Dienstwagen selbst zum Ort des Dienstgeschäfts führt, ohne dass dies zwingend zur Folge hätte, dass das Führen des Kraftfahrzeugs zum Dienstgeschäft und/oder die Fahrzeiten zu Arbeitszeiten werden; vielmehr wird die reine Fahrtätigkeit wegen der gering erachteten Intensität der dienstlichen Inanspruchnahme in der Regel nicht als Dienst gewertet. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
5. Das Unionsrecht gebietet, dass Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie bei der Arbeitszeitgestaltung, insbesondere bei der Beachtung der wöchentlichen Mindestarbeitszeiten und täglichen Ruhezeiten für die Zwecke der Arbeitszeitrichtlinie vollumfänglich zu berücksichtigen ist, es gebietet jedoch keine Außerachtlassung einer pauschalierenden Regelung zur Gewährung von Freizeitausgleich von einem Drittel für die geltend gemachten Fahrzeiten. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gutschrift von Arbeitszeit, Fahrzeit als Arbeitszeit, Freizeitausgleich, Arbeitszeit, Reisezeiten, Anrechnung, Gutschrift, Arbeitszeitkonto, Zuvielarbeit, Sollzeit, Fahrtätigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2022, 40506

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.   

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt, geltend gemachte Reisezeiten nicht nur anteilig, sondern vollumfänglich auf die Arbeitszeit angerechnet und im Wege der Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto durch Freizeit ausgeglichen zu bekommen.
2
Der Kläger steht als Polizeihauptkommissar (Besoldungsgruppe A 11) in Diensten des Beklagten und ist bei dem Polizeipräsidium O. als Präsidialbeauftragter für das Hundewesen tätig. Als solcher besitzt der Kläger einen Diensthund. Ausweislich der allgemeinen Aufgabenbeschreibung ist der Präsidialbeauftragte für das Hundewesen der Fachberater für das Präsidium in allen zentralen Fragen des Diensthundewesens und dient sowohl als Bindeglied zwischen dem Präsidium und den drei Diensthundegruppen sowie der Zentralen Diensthundeschule H. … Seine Aufgaben umfassen im Einzelnen die Teilnahme an Dienstbesprechungen an der Zentralen Diensthundeschule, die Organisation und Mitwirkung beim Ankauf sowie der Ankaufsüberprüfung von Diensthunden, die Wertfestsetzung von beamteneigenen Diensthunden, die Mitwirkung an Ausmusterung und Verkauf von Diensthunden, die Koordination und Mitwirkung bei außergewöhnlichen Bestellungen sowie Ausrüstungsgegenständen wie Hundetransportboxen und Zwingern. Daneben koordiniert der Kläger Praxisfortbildungsseminare, Jahresleistungsprüfungen sowie praxisinterne Weiterbildungen und stellt die Beschickung von Fachlehrgängen sicher. Wesentliche Aufgabe ist es nach klägerischen Angaben, den Leistungsstand in den Diensthundegruppen im Bereich des Präsidiums sicherzustellen. Hierfür hält der Kläger ca. einmal wöchentlich eine Schulung an diesen Orten ab. Die Termine für Fortbildungen bei den Diensthundegruppen sind durch die Dienstpläne der jeweiligen Diensthundegruppen vorgegeben. Die Termine für Besprechungen und Fortbildungen vereinbart der Kläger in der Regel selbst vorab aus dem Präsidium. Daneben ist der Kläger als einziger Verantwortlicher im Bereich des Polizeipräsidiums O. für die Beschaffung von Diensthunden zuständig, die vier- bis sechsmal jährlich stattfindet. Der Kläger hat an seinem eigentlichen Dienstort im Polizeipräsidium ein Büro und verrichtet dort durchschnittlich ein- bis zweimal pro Woche Dienst.
3
In seiner Funktion als Präsidialbeauftragter für das Hundewesen wird dem Kläger als Selbstfahrer ein Dienst-Kfz zur Verfügung gestellt. Bei den Fahrten mit dem Dienstfahrzeug zu den Ausbildungsorten und zum Ankauf von Diensthunden stellt der Kläger seinen Funkstatus in der Regel nicht auf „einsatzbereit“, aber auf „im Dienst befindlich“. Es kommt selten vor, dass der Kläger während der Fahrt zu einem vereinbarten Termin am allgemeinen Einsatzgeschehen teilnehmen muss bzw. zu einem Einsatz gerufen wird.
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Am … September 2019 fuhr der Kläger von seinem privaten Wohnort zum Zweck des Ankaufs eines Diensthundes mit dem Dienst-Pkw zum Ankaufsort. Auf der Rückfahrt transportierte der Kläger einen angekauften Diensthund in der in seinem Dienst-Kfz fest installierten Transportbox und wurde von dem zukünftigen Hundeführer des angekauften Hundes begleitet. Der Kläger war von 8:54 Uhr bis 20:12 Uhr unterwegs. Der Arbeitssaldo betrug 11 Stunden 48 Minuten. Auf dem Zeitkonto schrieb der Beklagte 9 Stunden 40 Minuten gut. Für die Pflege des Diensthundes rechnete der Beklagte 1 Stunde an und zog eine halbstündige Pause ab. Die Reisezeit zwischen 17:00 Uhr bis 20:12 Uhr erkannte der Beklagte (nur) zu einem Drittel (1 Stunde 4 Minuten) an, die Reisezeit am Morgen wurde voll berücksichtigt.
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Am … Oktober 2019 hielt der Kläger eine Arbeitstagung von 7:30 Uhr bis 16:30 Uhr ab. Hierfür reiste der Kläger mit seinem Diensthund von seinem privaten Wohnsitz von 06:45 Uhr bis 7:30 Uhr im Dienst-Kfz zum Tagungsort an und von 16:30 Uhr bis 19:30 Uhr wieder ab. Der Arbeitssaldo betrug abzüglich der halbstündigen Pause und zuzüglich einer Pflegestunde für den Diensthund 13 Stunden 15 Minuten. Für diesen Tag schrieb der Beklagte 10 Stunden 45 Minuten auf dem Zeitkonto gut. Nach Berücksichtigung einer Dienstzeit von 9 Stunden plus der Pflegestunde für Diensthunde abzüglich der halbstündigen Pause rechnete der Dienstherr 1 Stunde 15 Minuten und damit ein Drittel der Fahrzeit des Klägers als Arbeitszeit an.
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Die Berechnung der geleisteten Arbeitszeiten erfolgt auf Grundlage der Dienstvereinbarung über die Gleitende Arbeitszeit für den Bereich des Polizeipräsidiums O. … (E1-1556; Stand: 2/2017).
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Erstmals wandte sich der Kläger im April 2020 an seinen Dienstherrn mit der Forderung, weitere 5 Stunden 10 Minuten auf seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben, korrigierte dies mit Schreiben vom … Mai 2020 auf 4 Stunden 38 Minuten. Dabei führte der Klägerbevollmächtigte aus, die in der Verwaltungspraxis übliche Anerkennung von Reisezeiten außerhalb der Sollarbeitszeit mit lediglich einem Drittel sei rechtswidrig. Reisezeit sei für den Selbstfahrer Arbeitszeit und als solche auf dem Arbeitszeitkonto voll gutzuschreiben.
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Mit dem Kläger am … Juli 2020 zugestellten Bescheid vom 21. Juli 2020 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung hieß es, gemäß IMS vom 23.4.2009 (IC5-0382) gälten Reisezeiten nicht als Arbeitszeiten. Reisezeiten außerhalb der täglichen Sollzeit seien zurecht nur mit einem Drittel der tatsächlichen Stunden anzurechnen. Die Sollzeit in der Gleitenden Arbeitszeit sei auf den Zeitraum Montag bis Freitag von 7:30 Uhr bis 16 Uhr festgelegt (Ziffer 3.1 der Dienstvereinbarung über die Gleitende Arbeitszeit beim PP O. …). Der Kläger sei in gleitender Dienstzeit gem. § 7 der Verordnung über die Arbeitszeit für den bayerischen öffentlichen Dienst/BayAzV tätig gewesen. Gemäß Anlage 1 zum IMS vom 23.4.2009 (IC5-0382-4, Nr. I 8) seien Beamte derjenigen Dienstart zuzuordnen, „in der der überwiegende Teil der Dienstleistung erfolgt“. Der Kläger habe in seiner Funktion als Präsidialbeauftragter Dienst im Rahmen der Gleitzeit verrichtet. In der Bayerischen Arbeitszeitverordnung fehle eine dem § 7a der Sächsischen Arbeitszeitverordnung entsprechende Regelung, nach welcher bei Dienstreisen die gesamte Dauer der Dienstgeschäfte, einschließlich der Reisetage, als Arbeitszeit gelte, sodass die angeführte Rechtsprechung des Sächsischen OVG nicht einschlägig sei.
9
Am 21. August 2020 hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom … Juli 2020 zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto des Klägers 4 Stunden 38 Minuten gutzuschreiben.
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Die vom Kläger durchgeführten Dienstgeschäfte beträfen den originären Kernbereich seiner beruflichen Tätigkeiten, namentlich die Auswahl, Überprüfung und auch Überführung von Diensthunden. Die Anfahrt zum Dienstort sei derart eng mit dem Kernbereich der klägerischen Aufgaben verbunden, dass sie als Arbeitszeit zu qualifizieren sei. Anders als die bundesrechtliche Regelung (§ 11 Abs. 1 Satz 3 AZV) schlössen weder das Bayerische Beamtengesetz/BayBG, noch die bayerische Arbeitszeitverordnung die Anerkennung von Reisezeit als Arbeitszeit aus. Daher sei jede dienstlich verursachte Inanspruchnahme des Beamten durch den Dienstherrn als Arbeitszeit zu werten. Jedenfalls ergebe sich unter Berücksichtigung der Unterscheidung zwischen Arbeitszeit und Ruhezeit in der Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG), dass die Reisezeit des Klägers als Arbeitszeit einzuordnen sei. Die Reisezeit falle unter die Definition von Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie, da der Dienstherr dem Kläger den Aufenthaltsort sowie die Aufenthaltsdauer vorgegeben habe, die Anreise zwingende Voraussetzung für die Durchführung des Dienstgeschäfts sei und der Kläger gerade nicht frei über seine Zeit verfügen oder eigenen Interessen nachgehen könne. Bereits das Sächsische OVG habe zum sächsischen Arbeitszeitrecht parallel gelagerte Tätigkeiten eines Dienstreisenden, der als Selbstfahrer mit einem Dienst-Kfz von dem dienstlichen Wohnsitz an den Ort der Verrichtung des Dienstgeschäfts fahre, als Arbeitszeit eingeordnet.
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Das Polizeipräsidium O. … hat für den Beklagten beantragt,
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die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
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Die Klage sei unbegründet, da die durchgeführten Buchungen im System BayZeit-Polizei der derzeit geltenden Regelungslage entsprächen. Der Widerspruchsbescheid vom … Juli 2020 sei rechtmäßig, sodass ein Anspruch auf Gutschrift von zusätzlichen Stunden nicht bestehe. Der Kläger habe den Grundsatz der zeitnahen vorherigen Geltendmachung verletzt, da er die Gutschrift erst rund sechs Monate nach der etwaigen Entstehung geltend gemacht habe. Die Reisezeit des Klägers sei keine Arbeitszeit, da der Kläger anders als Polizeibeamte bei Maßnahmen der Gefahrenabwehr keine ständige Erreichbarkeit verbunden mit der Pflicht zur sofortigen Dienstaufnahme sicherzustellen habe. Nach der Richtlinie RL 2003/88/EG in der Auslegung des EuGH sei eine quotierte Stundenschreibung für bestimmte Arten der Arbeitszeit - wie die Reisezeit - nicht ausgeschlossen. Die zitierte EuGH-Rechtsprechung (Az. C-266/14) sei nicht anwendbar, da es im vorliegenden Fall weder an einer festen Arbeitsstätte des Klägers fehle, noch der Dienstherr die Reihenfolge der vom Kläger wahrzunehmenden Termine kurzfristig ändern könne. Vielmehr könne der Kläger selbst die Route und die Art und Weise der Rückreise festlegen und müsse gerade nicht durchgehend erreichbar und einsatzbereit sein.
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Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichts- und Behördenakte sowie die Niederschrift vom 15. November 2022.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
17
Der Kläger hat keinen Anspruch auf volle Gutschrift der geltend gemachten Reisezeiten als Arbeitszeit einhergehend mit der Gewährung vollen Freizeitausgleichs; der im Vorfeld der allgemeinen Leistungsklage ergangene Widerspruchsbescheid vom … Juli 2020 ist rechtmäßig.
18
Der auf die Gutschrift weiterer 4 Stunden 48 Minuten als Arbeitszeit auf dem Arbeitszeitkonto gerichtete Klageantrag ist entsprechend dem Rechtsschutzziel (§ 88 VwGO) dahingehend auszulegen, dass der Kläger diese Stunden nicht nur auf dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben, sondern auch als Freizeit ausgeglichen haben will. Das Vorbringen des Klägers beschränkt sich zwar auf die Gutschrift weiterer Arbeitszeit auf dem Arbeitszeitkonto. Nach dem maßgeblichen Arbeitszeitkonzept, das durch Verwaltungsvorschriften vorgegeben ist, ist die Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto untrennbar mit der Frage des Freizeitausgleichs verbunden. Es hat entweder eine volle Anrechnung der Fahrzeit auf die Arbeitszeit und ein voller Freizeitausgleich zu erfolgen, oder die Arbeitszeit und der damit zusammenhängende Freizeitausgleich werden anteilig gewährt (vgl. Abschnitt 12, Nr. 1.1 Satz 3 und Nr. 1.2 Satz 1 der Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht/VV-BeamtR). Da mit der Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto zwingend die Gewährung von Freizeitausgleich einhergeht, ist das Begehren dahingehend zu verstehen, dass der Kläger neben der rein formalen Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto auch gleichzeitig einen vollen Freizeitausgleich für die geleisteten Reisezeiten begehrt.
19
1. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Anrechnung der Reisezeit in vollem Umfang als Arbeitszeit nicht unter dem Gesichtspunkt des beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruchs unter analoger Anwendung des in § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches/BGB verankerten Grundsatzes von Treu und Glauben zu. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der beamtenrechtliche Ausgleichsanspruch bislang nur im Hinblick auf Fragen der Arbeitszeit in solchen Fällen anerkannt worden, in denen der Beamte rechtswidrig Zuvielarbeit geleistet hat. Zuvielarbeit im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt vor, wenn der Dienstherr einen Beamten auf der Grundlage einer rechtswidrig zu hoch festgesetzten regelmäßigen Arbeitszeit zum Dienst heranzieht oder ihn über die rechtmäßig festgesetzte regelmäßige Arbeitszeit hinaus in Anspruch nimmt, ohne dass die Voraussetzungen für die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit erfüllt sind (st. Rspr, vgl. nur BVerwG, U.v. 20.9.2018 - 2 C 45.17 - BVerwGE 163, 129, juris Rn. 13 und U.v. 17.11.2016 - 2 C 22.15 - juris Rn. 25, jeweils mit zahlreichen Nachweisen). Dem vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Anspruch aus Treu und Glauben liegt dabei die Rechtswidrigkeit der Inanspruchnahme konstituierend zu Grunde (vgl. HessVGH, B.v. 20.3.2014 - 1 A 2408/13.Z - n.v.; OVG NRW, U.v. 15.9.2020 - 6 A 2634/18 -NWVBl 2021, 69, juris Rn. 65).
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Eine solche den Regelungen der Arbeitszeit widersprechende, rechtswidrige vom Dienstherrn ausgehende Inanspruchnahme des Beamten über die zulässige Arbeitszeit hinaus ist nicht erkennbar. Ausweislich der Bayerischen Arbeitszeitverordnung, die auch für den Kläger Anwendung findet, beträgt die regelmäßige Arbeitszeit 40 Stunden in der Woche (§ 2 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Arbeitszeit für den bayerischen öffentlichen Dienst/BayAZV). Die Arbeitszeit wird dabei gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 BayAZV über elektronische Zeiterfassungsgeräte erfasst. Werden die täglichen Sollzeiten überschritten, soll ein Ausgleich innerhalb des Abrechnungszeitraums stattfinden (§ 7 Abs. 5 Satz 1 BayAZV). Anhaltspunkte für Zuvielarbeit bzw. eine Überschreitung der unionsrechtlichen Höchstarbeitszeit sind weder vorgetragen, noch sonst aus den Umständen ersichtlich.
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Auch ist nicht ersichtlich, dass der Dienstherr die reguläre Arbeitszeit durch Dienstpläne rechtswidrig festgesetzt hätte. Denn der Kläger hat dargelegt, dass er in seiner Termingestaltung frei ist und er die Termine für Fortbildungen und Tagungen in der Regel selbst vorab aus seinem Büro im Polizeipräsidium festlegt. Lediglich für die wöchentlichen Fortbildungen der Diensthundegruppen habe er die Dienstpläne der Dienstgruppen zu berücksichtigen. Dem Kläger wäre es mithin freigestanden, nach der Besichtigung des Diensthundes am … September 2019 nicht sofort nach Hause zu fahren, sondern den Rückweg innerhalb der Sollzeit des nächsten Tages anzutreten. In diesem Fall wäre der Dienstherr verpflichtet gewesen, dem Kläger die volle Reisezeit als Arbeitszeit gutzuschreiben. Gleiches gilt für die Zeitgestaltung mit Blick auf die Arbeitstagung am … Oktober 2019. Der Kläger hat vorgetragen, hinsichtlich der Festlegung des Beginns der konkreten Arbeitstagung nicht durch vom Dienstherrn festgesetzte Dienstpläne gebunden gewesen zu sein. Auch hätte der Kläger durch das Verschieben der Rückfahrt auf den nächsten Arbeitstag vermeiden können, dass die Rückfahrt außerhalb des Zeitrahmens der Sollzeit fällt und damit eine volle Berücksichtigung der Fahrzeit als Arbeitszeit bewirken können.
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Die vom Bundesverwaltungsgericht für die Fälle einer rechtswidrigen Heranziehung zum Dienst entwickelten Grundsätze zu § 242 BGB können auf die vorliegende Konstellation, in der der Kläger die zur Erfüllung seiner Dienstgeschäfte notwendigen Termine selbst festlegt, nicht herangezogen werden. Denn es sind sachliche Gründe ersichtlich, um zwischen den Konstellationen zu differenzieren. Insbesondere ist der Beamte nicht schutzwürdig, wenn es ihm gleichsam möglich wäre, das Dienstgeschäft inklusive der Hin- und Rückfahrt während der Sollzeit zu absolvieren. Der Beamte durfte aufgrund der klaren Verwaltungsvorschriften und der Verwaltungspraxis auch nicht darauf vertrauen, dass der Dienstherr für die außerhalb der Sollzeit angefallenen Fahrzeiten einen vollständigen Ausgleich schaffen werde.
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2. Auch auf Grundlage des in den Verwaltungsvorschriften des Beamtenrechts näher konkretisierten Freizeitausgleichs wegen Inanspruchnahme durch Reisezeiten kann der Kläger keinen Anspruch auf Anrechnung der geleisteten Fahrzeiten in vollem Umfang als Arbeitszeit ableiten.
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Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Gewährung von Freizeitausgleich für geleistete Fahrzeiten im Verhältnis 1:1 aus Abschnitt 12, Nr. 1.1 Satz 1, Satz 3 VV-BeamtR liegen nicht vor. Denn die Reisezeiten fielen außerhalb der täglichen Sollzeit an.
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Nach den Verwaltungsvorschriften zum Bayerischen Beamtengesetz (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 13.7.2009, FMBl. 2009, 190, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 17.9.2021, BayMBl Nr. 718, ber. Nr. 728/VV-BeamtR) gelten Reisezeiten nicht als Arbeitszeiten, es sei denn, dass während der Reisezeiten vorgeschriebener Dienst zu verrichten ist (Abschnitt 12, Nr. 1.1 Satz 1 VV-BeamtR). Eine volle Anrechnung von Reisezeiten auf die Sollzeit findet nur für Reisezeiten statt, die in die für vollbeschäftigte Beamte geltende Sollzeit oder tägliche Arbeitszeit fallen (Abschnitt 12, Nr. 1.1 Satz 3 VV-BeamtR). Für Dienstreisen oder Dienstgänge außerhalb der für vollbeschäftigte Beamte geltenden Sollzeit oder täglichen Arbeitszeit wird Reisezeit zu einem Drittel durch Freizeit ausgeglichen (Abschnitt 12, Nr. 1.2 Satz 1 VV-BeamtR). Dieser Umfang erhöht sich auf zwei Drittel, wenn Beamte durch Reisezeiten an Samstagen, Sonntagen oder gesetzlichen Feiertagen in Anspruch genommen werden (Abschnitt 12, Nr. 1.2 Satz 2 VV-BeamtR).
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Da der Kläger seinen Dienst in der gleitenden Arbeitszeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 BayAzV ableistet, ist die Sollzeit - in Abgrenzung zur bei der festen Arbeitszeit im Sinne des § 8 BayAZV maßgeblichen täglichen Arbeitszeit - entscheidend für die Frage der Gewährung eines Freizeitausgleichs wegen Reisezeit nach Abschnitt 12 der Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (VV-BeamtR).
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Die in den Verwaltungsvorschriften in Bezug genommene Sollzeit ist in Nr. 3.1 der Dienstvereinbarung über die Gleitende Arbeitszeit für den Bereich des Polizeipräsidiums O. … (E1-1556; Stand: 2/2017) auf den Zeitraum von Montag bis Freitag von 7:30 Uhr bis 16:00 Uhr festgelegt.
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Da die vom Kläger geltend gemachten Reisezeiten außerhalb der vereinbarten Sollzeit und nicht am Wochenende oder an Feiertagen liegen, kommt ein Ausgleichsanspruch, der ein Drittel der Reisezeit übersteigt, auf Grundlage der Verwaltungsvorschriften nicht in Betracht.
29
3. Es liegt innerhalb des zulässigen Organisationsermessens des Dienstherrn und ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Dienstherr in Abschnitt 12, Nr. 1.2 Satz 1 der VV-BeamtR angeordnet hat, dass für Dienstreisen oder Dienstgänge außerhalb der für vollbeschäftigte Beamte geltenden Sollzeit die Reisezeit nur zu einem Drittel auf die tatsächlichen Stunden angerechnet und durch Freizeit auszugleichen ist. Diese Regelung unterliegt mit Blick auf die nationale höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Begriff der Arbeitszeit keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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Die konkrete Fahrtätigkeit ist vor dem Hintergrund des Tätigkeitsprofils des Klägers nicht so prägend, dass die Drittelregelung zur Anerkennung von Reisezeit als Arbeitszeit im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Arbeitszeit grob sachwidrig wäre. Die Fahrzeiten des Klägers sind nicht als Dienst im arbeitszeitrechtlichen Sinn anzusehen, weil sie weder dem Kernbereich der Aufgabenwahrnehmung des Klägers unterfallen, noch den Kläger in derselben Weise in seiner Aufmerksamkeit und Dispositionsfreiheit in Anspruch nehmen wie bei den ihm sonst obliegenden Dienstverrichtungen (vgl. BVerwG, U.v. 29.1.1987 - BVerwG 2 C 14.85 - Buchholz 323 § 72 BBG Nr. 28, juris Rn. 18).
31
Mit dem Bundesverwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass nicht jede Inanspruchnahme des Beamten durch den Dienstherrn Dienst im arbeitszeitrechtlichen Sinne ist. Es muss sich vielmehr nach Inhalt und Intensität der Beanspruchung um vorgeschriebenen Dienst handeln. Ob dies der Fall ist, richtet sich - vom Inhalt der Tätigkeit gesehen - danach, welches funktionelle Amt dem Beamten übertragen ist und welche Tätigkeit er im zu beurteilenden Zeitraum konkret zu erbringen hat. Nur eine solche dienstlich verursachte Inanspruchnahme, die zum Bereich der von dem Beamten wahrzunehmenden Aufgaben des ihm übertragenen Amtes gehört oder ihn jedenfalls im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Dienstaufgaben nach den besonderen Umständen des Einzelfalles in seiner Aufmerksamkeit und Dispositionsfreiheit so erheblich in Anspruch nimmt, dass sie den ihm obliegenden Dienstverrichtungen gleich zu achten ist, kommt als Dienst im arbeitszeitrechtlichen Sinne in Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 27.5.1982 - 2 C 49.80 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 21, juris Rn. 10; BVerwG, U.v. 29.1.1987 - 2 C 14.85 - Buchholz 323 § 72 BBG Nr. 28, juris Rn. 18; so auch die obergerichtliche Rechtsprechung: OVG NW, B.v. 8.5.2013 - 1 A 1434/11 - juris Rn. 16; OVG RhPf, U.v. 18.11.2005 - 10 A 10727/05 - IÖD 2006, 62, juris Rn. 21; NdsOVG, U.v. 9.12.2008 - 5 LC 293/06 - juris Rn. 36 ff.).
32
Nach höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung kann einem Beamten - ebenso wie einem Arbeitnehmer (vgl. BAG, U.v. 29. 8. 1991 - 6 AZR 593/88 - NZA 1992, 67 ff., juris Rn. 16 ff.) - aufgegeben werden, dass er auf Dienstreisen einen Dienstwagen selbst zum Ort des Dienstgeschäfts führt, ohne dass dies zwingend zur Folge hätte, dass das Führen des Kraftfahrzeugs zum Dienstgeschäft und/oder die Fahrzeiten zu Arbeitszeiten werden. Vielmehr wird die reine Fahrtätigkeit wegen der gering erachteten Intensität der dienstlichen Inanspruchnahme in der Regel nicht als Dienst gewertet (BVerwG, U.v. 27. 5. 1982 - 2 C 49.80 - ZBR 1983, 126, juris Rn. 10 ff.; U.v. 29.1.1987 - 2 C 14.85 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 28, juris Rn. 18 f.; OVG NW, B.v. 8.5.2013 - 1 A 1434/11 - juris Rn. 16 ff.; OVG RhPf, U.v. 18.11.2005 - 10 A 10727/05 - IÖD 2006, 62, juris Rn. 21; anders zur abweichenden sächsischen Rechtslage: SächsOVG, U.v. 10.12.2019 - 2 A 971/18 - juris Rn. 26 f.; abweichend zu § 11 AZV (Bund): VG Köln, U.v. 1.12.2014 - 9 K 1451/12 - juris Rn. 27).
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Bei den geltend gemachten Stunden handelt es sich um Fahrzeiten zu Orten, an denen der Kläger als Präsidialbeauftragter für das Hundewesen dienstliche Verrichtungen in Form der Abhaltung von Tagungen und der Sichtung von Hunden, die potentiell als Diensthunde in Betracht kommen, vorzunehmen hat. Die An- und Rückfahrt zum Ort der auswärtigen Dienstverrichtung ist grundsätzlich sowohl nach den Verwaltungsvorschriften, als auch nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht als Dienst im Sinne des Arbeitszeitrechts einzuordnen. Dies folgt aus dem geringen Grad der dienstlichen Inanspruchnahme während der Reisezeiten (vgl. BVerwG, U.v. 27. 5. 1982 - 2 C 49.80 - ZBR 1983, 126, juris Rn. 10 ff.; U.v. 29.1.1987 - 2 C 14.85 - juris Rn. 18 f.; OVG NW, B.v. 8.5.2013 - 1 A 1434/11 - juris Rn. 16 ff.; OVG RhPf, U.v. 18.11.2005 - 10 A 10727/05 - juris Rn. 21).
34
Das Bundesverwaltungsgericht hat beispielsweise für einen Kriminalkommissar, der dienstliche Verrichtungen wie Rauschgifteinsätze, Ermittlungstätigkeiten vorzunehmen bzw. an Gerichtsverhandlungen teilzunehmen hatte und hierfür mit dem dienstlich zur Verfügung gestellten Kraftfahrzeug zu den Orten der Dienstverrichtung angereist ist, entschieden, dass die Fahrten selbst dann nicht als Arbeitszeit zu werten sind, wenn während ihrer Dauer durch Einschaltung des Funkgeräts einfache Funkbereitschaft zu halten war, so dass jederzeit Einsatzbefehle des Dienstherrn an den Kläger erteilt werden konnten (vgl. BVerwG, U.v. 27.5.1982 - 2 C 49/80 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 21, juris Rn. 12 mwN.). Übertragen auf den vorliegenden Fall, in dem nach klägerischen Angaben der Funkstatus während der Fahrt im Regelfall auf „nicht einsatzbereit“, aber „im Dienst befindlich“ eingestellt ist und regelmäßig nicht mit einer Inanspruchnahme durch den Dienstherrn - beispielsweise durch die Teilnahme am normalen Einsatzgeschehen - zu rechnen ist, sind die Fahrzeiten erst recht nicht als Arbeitszeiten anzuerkennen.
35
Eine andere rechtliche Bewertung greift hier auch nicht deshalb Platz, weil vergleichbare Fahrtzeiten, soweit sie während der regelmäßigen Dienstzeit anfallen, auf die Arbeitszeit voll angerechnet werden. Insoweit lässt der Dienstherr Reisezeiten als volle Erfüllung der geschuldeten Arbeitszeit gelten, soweit sie innerhalb der allgemeinen Dienstzeit bzw. Sollzeit liegen (vgl. Abschnitt 12, Nr. 1.1, Satz 3 VV-BeamtR). Soweit die nicht zum Kern des Aufgabenbereichs des Klägers zählende Fahrzeit voll als Arbeitszeit angerechnet wird, wenn diese innerhalb der allgemeinen Dienstzeit bzw. Sollzeit liegt, folgt hieraus keine Verpflichtung, entsprechend auch bei Fahrzeiten außerhalt der regelmäßigen Dienstzeit zu verfahren. Insofern mag sich die volle Anrechnung von Reisezeiten während der allgemeinen Dienstzeit bzw. Sollzeit als verwaltungsvereinfachende, dem Beamten entgegenkommende Verfahrensweise darstellen. Daraus folgt aber keine Verpflichtung zu einer entsprechenden Handhabung für Reisezeiten, die außerhalb der allgemeinen Dienstzeit bzw. Sollzeit liegen. Es ist deshalb keinesfalls willkürlich, wenn als abgeltungsfähige Mehrarbeit nur eine solche außerhalb der regelmäßigen Dienstzeit liegende, dienstlich verursachte Inanspruchnahme zählt, die zum Kernbereich der vorgeschriebenen Dienstpflichten gehört oder den Beamten in einer inhaltlich der Dienstverrichtung gleichzuachtenden Weise belastet (vgl. BVerwG, U.v. 27.5.1982 - 2 C 49/80 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 21, juris Rn. 13).
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Bei den Fahrten des Präsidialbeauftragten für das Hundewesen zu Orten, an denen er dienstliche Aufgaben zu erfüllen hat, handelt es sich generell weder um Verrichtungen, die unmittelbar zum Inhalt des ihm übertragenen Amtes gehören, noch um eine sonstige Inanspruchnahme, die nach ihrer Nähe zum Dienst und dem Grad der Belastung, die von ihr auf den Beamten ausgeht, als Dienst gewertet werden kann. Die Fahrt zu dem Ort der Erbringung des Dienstgeschäfts ist vielmehr als bloße Hilfs- bzw. Vorbereitungstätigkeit einzuordnen.
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So ist bereits zweifelhaft, ob die eigentliche Tätigkeit des Abhaltens von Tagungen und der Sichtung potentieller Diensthunde in den Kernbereich der Aufgabenwahrnehmung des Klägers gehört. Ausweislich der allgemeinen Aufgabenbeschreibung des Präsidialbeauftragten für das Hundewesen gehört zu seinem Aufgabenbereich unter anderem die Organisation und Mitwirkung beim Ankauf sowie der Ankaufsüberprüfung von Diensthunden. Auch wenn der Kläger für den Bereich des Polizeipräsidiums O. … der einzig verantwortliche Ankäufer von Diensthunden ist, ist die hierfür erforderliche Fahrtätigkeit nicht so prägend, als dass sie selbst eine Kerntätigkeit seines konkreten Amts darstellt. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, findet eine solche Ankaufsüberprüfung lediglich vier bis fünfmal jährlich statt. Nach den klägerischen Angaben besteht dessen Aufgabe im Wesentlichen darin, den Leistungsstand in den Diensthundegruppen im Präsidiumsbereich sicherzustellen. Die Veranstaltung von Tagungen mag die Tätigkeit des Klägers abrunden; das gehört aber nicht zum geschilderten Kernbereich der Sicherstellung des Leistungsstandes der Diensthundegruppen. Wenn bereits zweifelhaft ist, ob die Verrichtung des Dienstgeschäfts in den Kernbereich der klägerischen Aufgabenwahrnehmung fällt, ist es wenig überzeugend, die Fahrtätigkeiten als solche zu den Dienstverrichtungen als unmittelbar zum Amt des Beamten gehörig und den Kernbereich des Amtes betreffend anzusehen. Gleiches gilt für die Abhaltung einer Tagung im Bereich Hundewesen. Auch diese Aufgabe ist eine von vielen Aufgaben des Klägers und fällt nicht in den soeben dargestellten Kernbereich der klägerischen Aufgaben.
38
Es ist zudem nicht ersichtlich, dass die Aufmerksamkeit des Klägers bei der Fahrt von und zu einer Arbeitstagung bzw. einem Hundezüchter so erheblich eingeschränkt wäre, dass die Fahrtätigkeit mit der Dienstverrichtung gleichzustellen wäre. Die Fahrzeit entspricht gerade nicht dem Volldienst in Form der Abhaltung einer Arbeitstagung bzw. der Sichtung von Hunden für den potentiellen Einsatz als Diensthund. In diesem Zusammenhang hat der Kläger bei Transport des Diensthundes keine wesentlichen zusätzlichen dienstlichen Aufgaben über den Transport hinaus wahrzunehmen, die dessen Aufmerksamkeit in erheblichem Maße einschränken würden. So hat der Kläger dargelegt, dass sich ein erfahrener Diensthund in der Transportbox für Hunde befindet, ohne dass während der Fahrt zusätzliche Aufgaben übernommen werden müssten. Bei Transport eines jungen Diensthundes vom Ankaufsort kümmert sich der jeweils anwesende künftige Diensthundeführer um den zu transportierenden Hund. Im Übrigen anerkennt der Dienstherr für die Erschwernis, die sich aus der Besonderheit des Transports eines Diensthundes ergibt, eine Pflegestunde für Diensthunde, die voll auf die Arbeitszeit angerechnet wird und die in pauschalierter Weise etwaige zusätzliche Belastungen, die die Pflege des Hundes betreffen, ausgleicht. Über die notwendige Pflege des Hundes hinaus, die über die Pflegestunde abgegolten wird, ist der Diensthund als reines Arbeitsmittel zu betrachten.
39
Auch sind die Fahrten des Klägers nicht mit den Reisezeiten geschlossener Einsätze oder Einzeleinsätzen des Polizeivollzugsdienstes zu vergleichen, für die der Erlass des Innenministeriums vom 23.4.2009 (K5-0382, Nr. II G 1.) regelt, dass Dienstreisezeiten voll als Arbeitszeit anerkannt werden. Denn der Kläger war nicht zur Abwehr bestehender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Rahmen geschlossener Einsätze bzw. Einzeleinsätze im Polizeivollzugsdienst tätig, sondern verrichtete Dienst als Präsidialbeauftragter für das Hundewesen. Die Umstände sind im Hinblick auf das Überraschungsmoment, die Eilbedürftigkeit und das Fahren mit Funkkontakt im Polizeivollzugsdienst andere.
40
Auch unter Berücksichtigung der in der obergerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Differenzierung nach der objektiven Funktion der jeweiligen Fahrt sind die maßgeblichen Fahrzeiten nicht als Dienstgeschäft bzw. Arbeitszeit einzuordnen. Die Fahrt ist dann kein Dienstgeschäft und die Fahrzeit lediglich Reisezeit, wenn bei natürlicher Betrachtung der Transport allein des fahrenden Beamten zur Örtlichkeit eines Dienstgeschäfts im Vordergrund steht (vgl. NdsOVG, U.v. 9.12.2008 - 5 LC 293/06 - juris Rn. 39).
41
Bei den geltend gemachten Fahrten steht bei natürlicher Betrachtung der Transport des fahrenden Beamten zur Örtlichkeit eines Dienstgeschäfts im Vordergrund (vgl. NdsOVG, U.v. 9.12.2008 - 5 LC 293/06 - juris Rn. 39). Am Ort des Dienstgeschäfts sollte der Kläger eine Tagung im Bereich Hundewesen abhalten und Hunde für den späteren Einsatz als Diensthund besichtigen. Hierfür hat er sich an den Ort des Dienstgeschäfts zu verbringen. Die Fahrt dient gerade nicht der Überführung des Dienstfahrzeugs zum Dienstort. Auch die Tatsache, dass sich im klägerischen Dienstfahrzeug eine festinstallierte Transportbox befindet, die den Transport von Hunden ermöglicht, macht das Dienstkraftfahrzeug noch nicht zu einem potentiell nicht austauschbaren Transportmittel (vgl. NdsOVG, U.v. 9.12.2008 - 5 LC 293/06 - juris Rn. 39).
42
4. Die Drittelregelung für die Anerkennung und den Freizeitausgleich von Reisezeiten außerhalb der Sollzeit begegnet auch keinen zur Unanwendbarkeit der Verwaltungsvorschrift führenden unionsrechtlichen Bedenken.
43
Das Unionsrecht und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung des Arbeitszeitbegriffs in Artikel 2 der RL 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl EG Nr. L 299 S. 9; im Folgenden: Arbeitszeitrichtlinie) gebieten keine Auslegung dahingehend, dass Reisezeiten stets in vollem Umfang auf dem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben und durch Freizeit auszugleichen wären. Selbst wenn die Fahrzeit des Klägers als Arbeitszeit im Sinne der Arbeitszeitrichtlinie zu verstehen wäre, steht die RL 2003/88/EG nicht der Anwendung von Vorschriften des innerstaatlichen Rechts, wonach Fahrzeiten nur anteilig durch Freizeit ausgeglichen werden, entgegen.
44
a) Nach Artikel 2 RL 2003/88/EG ist Arbeitszeit jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Nach Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie bezeichnet der Begriff „Ruhezeit“ jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit. Diesem Maßstab folgend unterscheidet der Europäische Gerichtshof zwischen Arbeitszeit und Ruhezeit und lässt für die Zwecke der Anwendung der Richtlinie für Zwischenkategorien keinen Raum, sodass Reisezeit daher entweder als Arbeit- oder als Ruhezeit einzustufen ist. Die Begriffe „Arbeitszeit“ und „Ruhezeit“ sind unionsrechtliche Begriffe, die anhand objektiver Merkmale unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und des Zwecks der RL 2003/88 zu bestimmen sind. Denn nur eine solche autonome Auslegung kann die volle Wirksamkeit der Richtlinie und eine einheitliche Anwendung der genannten Begriffe in sämtlichen Mitgliedstaaten sicherstellen (vgl. in diesem Sinne EuGH, U.v. 9.9.2003 - C-151/02 - ECLI:EU:C:2003:437, Rn. 58; U.v. 9.3.2021 - C-344/19 - ECLI:EU:C:2021:182, Rn. 30).
45
Diesen Maßstab anwendend ist jedenfalls zweifelhaft, ob der Kläger während der Reisezeit nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet.
46
Der EuGH hat Reisezeiten bereits als Arbeitszeit im Sinne der RL 2003/88/EG qualifiziert. So hat er festgestellt, dass bei einem Arbeitnehmer, der keinen festen Arbeitsort mehr hat und vom Wohnort zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück zum Wohnort fährt, davon auszugehen ist, dass er während dieser Fahrt arbeitet. Begründet wurde dies damit, dass die Fahrten untrennbar zum Wesen eines Arbeitnehmers gehören, der keinen festen oder gewöhnlichen Arbeitsort hat, so dass der Arbeitsort solcher Arbeitnehmer nicht auf die Orte beschränkt werden kann, an denen sie bei den Kunden ihres Arbeitgebers physisch tätig werden (EuGH, U.v. 10.9.2015 - C-266/14 - ECLI:EU:C:2015:578, Rn. 43; dem folgend: VG Köln, U.v. 23.11.2020 - 15 K 11402/17 - juris Rn. 23 ff.).
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Diese Konstellation des Außendienstmitarbeiters, der keine feste oder regelmäßige Arbeitsstätte hat und ständig erreichbar und dienstbereit sein muss, unterscheidet sich in maßgeblicher Weise von der vorliegenden. Denn der Kläger hat dargelegt, dass ihm ein fester Arbeitsplatz im Polizeipräsidium zur Verfügung steht. Dort befindet er sich in der Regel an ein bis zwei Tagen in der Woche. Es ist daher nicht ausgeschlossen, den Arbeitsort auf die Orte zu beschränken, an denen der Kläger physisch tätig wird. Physisch tätig wird der Kläger erst am jeweiligen Ort der Fortbildung bzw. der Diensthundesichtung. Auch das Element der ständigen Erreichbarkeit ist nicht in gleicher Weise gegeben. Während der Außendienstmitarbeiter im angeführten EuGH-Urteil andauernd erreichbar sein musste, um die Anweisungen des Arbeitgebers, die Kundenreihenfolge zu ändern oder Termine zu streichen oder hinzuzufügen, entgegenzunehmen und umzusetzen, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass eine solche ständige Erreichbarkeit während der Fahrzeiten zu den genannten Dienstverrichtungen nicht sicherzustellen ist. Hierfür spricht auch die Tatsache, dass der Funkstatus des Klägers während dieser Fahrten im Regelfall auf „nicht einsatzbereit“ eingestellt ist und mit einer Inanspruchnahme durch den Dienstherrn im Wege der Aufforderung, sich am normalen Einsatzgeschehen zu beteiligen, regelmäßig nicht zu rechnen ist. Es ist nach der Auslegung der Arbeitszeitrichtlinie durch den EuGH daher gerade nicht zwingend, anzunehmen, dass der Kläger während seiner Fahrzeit auch Tätigkeiten ausübt oder Aufgaben für den Dienstherrn wahrnimmt.
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Zudem ist zweifelhaft, ob der Kläger dem Dienstherrn während der Hin- und Rückfahrt „zur Verfügung steht“. Ein Arbeitnehmer steht nur dann seinem Arbeitgeber zur Verfügung, wenn er sich in einer Lage befindet, in der er rechtlich verpflichtet ist, den Anweisungen seines Arbeitgebers Folge zu leisten und seine Tätigkeit für ihn auszuüben (EuGH, U.v. 10.9.2015 - C-266/14 - ECLI:EU:C:2015:578, Rn. 36). Dagegen spricht es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs dafür, dass der betrachtete Zeitraum keine Arbeitszeit im Sinne der RL 2003/88 ist, wenn die Arbeitnehmer ohne größere Zwänge über ihre Zeit verfügen und ihren eigenen Interessen nachgehen können (vgl. in diesem Sinne EuGH, U.v. 3.10.2000 - C-303/98 - ECLI:EU:C:2000:528, Rn. 50). Der EuGH bejahte die Voraussetzung des „Zurverfügungstehens“ beispielsweise für den Außendienstmitarbeiter, dessen Arbeitgeber die Kundenreihenfolge ändern oder einen Termin streichen oder hinzufügen kann oder vom Arbeitnehmer verlangen kann, bei der Fahrt am Tagesende zur eigenen Wohnung - falls notwendig - einen zusätzlichen Kunden aufzusuchen. Ausweislich seines Vortrags während der mündlichen Verhandlung steht es dem Kläger gerade frei, wann und auf welcher Route er zum Dienstort anreist oder die Rückreise antritt, sodass er während dieser Zeit gerade nicht ähnlich wie ein Außendienstmitarbeiter der Organisationsbefugnis des Dienstherrn unterworfen ist.
49
Im Übrigen ist der Rechtsprechung des EuGH zu Bereitschaftszeiten zu entnehmen, dass für die Qualifizierung als Arbeitszeit ein gewisser Intensitätsgrad der Beeinträchtigung im Sinne einer Erheblichkeitsschwelle zu überschreiten ist. Nach dem EuGH fallen unter den Begriff „Arbeitszeit“ im Sinne der RL 2003/88 sämtliche Bereitschaftszeiten, während deren dem Arbeitnehmer Einschränkungen von solcher Art auferlegt werden, dass sie seine Möglichkeit, während der Bereitschaftszeiten die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen. Umgekehrt stellt, wenn die dem Arbeitnehmer während einer bestimmten Bereitschaftszeit auferlegten Einschränkungen keinen solchen Intensitätsgrad erreichen und es ihm erlauben, über seine Zeit zu verfügen und sich ohne größere Einschränkungen seinen eigenen Interessen zu widmen, nur die Zeit, die auf die gegebenenfalls während eines solchen Zeitraums tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung entfällt, „Arbeitszeit“ für die Zwecke der Anwendung der RL 2003/88 dar (EuGH, U.v. 10.9.2015 - C-266/14 - ECLI:EU:C:2015:578, Rn. 37 f.). Auch wenn es vorliegend nicht um Bereitschaftssondern um Reisezeiten geht, so kann dieses Argumentationsmuster auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Der Kläger ist während der Reisezeiten nicht in ganz erheblicher Weise in seiner Zeitgestaltung beeinträchtigt. Denn es steht ihm frei, die Fahrt nach seiner Entscheidung jederzeit zu unterbrechen und auch die äußeren Rahmenbedingungen der Fahrt nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Eine Hinzuziehung zum allgemeinen Dienstgeschehen durch den Dienstherrn ist, was dem klägerischen Vortrag in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen ist, sehr selten.
50
b) Selbst wenn die Reisezeiten unter den Begriff der Arbeitszeit im Sinne der RL 2003/88 zu fassen wären, steht die Richtlinie jedenfalls nicht der Anwendung von Vorschriften des innerstaatlichen Rechts, wonach Fahrzeiten nur anteilig im Wege des Freizeitausgleichs abgegolten werden, entgegen.
51
Die nationalen Gerichte haben ebenso wie die Verwaltungsorgane nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs das Unionsrecht in vollem Umfang anzuwenden und die Rechte, die dieses dem Einzelnen einräumt, zu schützen, indem sie entgegenstehende Vorschriften des innerstaatlichen Rechts gegebenenfalls unangewendet lassen (vgl. EuGH, U.v. 14.10.2010 - C-243/09 - ECLI:EU:C:2010:609, Rn. 63; U.v. 25.11.2010 - C-429/09 - ECLI:EU:C:2010:717, Rn. 40; U.v. 7.9.2017 - C-174/16 - ECLI:EU:C:2017:637, Rn. 70).
52
Die geltend gemachten Fahrzeiten sind nicht als Arbeitszeit im Verhältnis 1:1 auszugleichen. Das Unionsrecht gebietet, dass Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie bei der Arbeitszeitgestaltung, insbesondere bei der Beachtung der wöchentlichen Mindestarbeitszeiten und täglichen Ruhezeiten für die Zwecke der Arbeitszeitrichtlinie vollumfänglich zu berücksichtigen ist. Das Unionsrecht gebietet jedoch keine Außerachtlassung einer pauschalierenden Regelung zur Gewährung von Freizeitausgleich von einem Drittel für die geltend gemachten Fahrzeiten. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die praktische Wirksamkeit der mit der Richtlinie gewährten Rechte zum wirksamen Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer durch diesen pauschalierenden Freizeitausgleich im Einzelfall beeinträchtigt wäre bzw. dass eine Einhaltung der wöchentlichen Höchstarbeitszeiten nicht realisiert werden könnte (vgl. NdsOVG, U.v. 18.6.2007 - 5 LC 225/04 - NdsVBl 2007, 295, juris Rn. 70 ff.; OVG NW, U.v. 15.9.2020 - 6 A 2634/18 - DVBl 2021, 275, juris Rn. 92; zum Freizeitausgleich für Feuerwehrbeamte wegen Bereitschaftsdienst siehe OVG Bremen, B.v. 29.5.2008 - 2 B 182/08 - juris Rn. 23 und OVG NW, U.v. 7.5.2009 - 1 A 2652/07 - ZBR 2009, 352, juris Rn. 124).
53
Bereits aus dem Wortlaut von Art. 1 der RL 2003/88/EG geht hervor, dass die Richtlinie sich auf die Aufstellung von Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung im Hinblick auf tägliche Ruhezeiten, Ruhepausen, wöchentliche Ruhezeiten, wöchentliche Höchstarbeitszeit, Jahresurlaub sowie Aspekte der Nacht- und Schichtarbeit und des Arbeitsrhythmus beschränkt. Durch die Arbeitszeitrichtlinie werden Mindestvorschriften festgelegt, die dazu bestimmt sind, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer durch eine Angleichung namentlich der innerstaatlichen Arbeitszeitvorschriften zu verbessern. Diese Harmonisierung der Arbeitszeitgestaltung auf der Ebene der Union durch Gewährung von - u. a. täglichen und wöchentlichen - Mindestruhezeiten und angemessenen Ruhepausen sowie die Festlegung einer Obergrenze für die wöchentliche Arbeitszeit soll einen besseren Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer gewährleisten (vgl. EuGH, U.v. 5.10.2004 - C-397/01 - ECLI:EU:C:2004:584, Rn. 76 und 91; U.v. 1.12.2005 - C-14/04 - ECLI:EU:C:2005:728, Rn. 40 f.; U.v. 7.9.2006 - C-484/04 - ECLI:EU:C:2006:526, Rn. 35 f.; U.v. 14.10.2010 - C-243/09 - ECLI:EU:C:2010:609, Rn. 32; U.v. 25.11.2010 - C-429/09 - ECLI:EU:C:2010:717, Rn. 43).
54
Zu diesen Schutzzwecken der RL 2003/88/EG steht die Verwaltungspraxis des Freizeitausgleichs zu einem Drittel der tatsächlichen Reisezeit in keinem Widerspruch.
55
Entscheidend ist, dass der von der Richtlinie verfolgte Mindestschutz auch bei einem anteiligen Ausgleich gewährleistet ist und insoweit kein Europarechtsverstoß feststellbar ist. Die Beachtung der europarechtlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden/Woche und damit die Freihaltung der Freizeit hat der Dienstherr nach § 2 Abs. 4 Satz 1 Verordnung über die Arbeitszeit für den bayerischen öffentlichen Dienst (Bayerische Arbeitszeitverordnung - BayAZV) sicherzustellen. Es ist weder vorgetragen, noch ersichtlich, dass der Kläger durch den nicht vorgenommenen vollen Ausgleich von Reisezeit als Arbeitszeit mehr als die in der Arbeitszeitrichtlinie festgelegte Zahl an Wochenstunden arbeiten müsste oder im System BayZeit die Einhaltung der täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeiten nicht realisiert werden könnte. Vielmehr steht es dem Kläger gerade frei, die Reisezeit auf einen anderen Arbeitstag zu verschieben, um einer potentiellen Arbeitszeitüberschreitung vorzubeugen.
56
Im Übrigen unterliegt die Art und Weise der Abgeltung von Arbeitszeit nicht der RL 2003/88, sondern den einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts. Insoweit hat der EuGH klargestellt, dass der Anwendungsbereich der Arbeitszeitrichtlinie sich schon aus kompetenzrechtlichen Gründen nicht auf Fragen der Vergütung oder des Schadensersatzes erstreckt (Art. 153 Abs. 5 AEUV; vgl. EuGH, B.v. 11.1.2007 - C-437/05 - ECLI:EU:C:2007:23, Rn. 32; U.v. 25.11.2010 - C-429/09 - ECLI:EU:C:2010:717, Rn. 44; BVerwG, U.v. 17.11.2016 - 2 C 23.15 - BVerwGE 156, 262, juris Rn. 20.; BAG, U.v. 5.6.2003 - 6 AZR 114/02 - ZTR 2004, 137, juris Rn. 60). Dies ergibt sich bereits aus Zielsetzung und Wortlaut der Richtlinie (vgl. zur Vorgängerrichtlinie EuGH, U.v. 1.12.2005 - C-14/04 - ECLI:EU:C:2005:728, Rn. 38), die insbesondere die Frage von Freizeitausgleich nicht ausdrücklich regelt, sondern dazu gerade schweigt (vgl. OVG NW, U.v. 7.5.2009 - 1 A 2652/07 - ZBR 2009, 352, juris Rn. 122 ff.).
57
In diesem Zusammenhang ist in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass das Unionsrecht eine Differenzierung zwischen verschiedenen Formen von Arbeitszeit außerhalb der von ihm geregelten Zusammenhänge im nationalen Recht nicht ausschließt. Der deutsche Gesetzgeber darf beispielsweise Bereitschaftsdienst und Volldienst in unterschiedlicher Weise vergüten oder unterschiedlichen Freizeitausgleich gewähren (OVG NW, U.v. 15.9.2020 - 6 A 2634/18 - DVBl 2021, 275, juris Rn. 108; NdsOVG, U.v. 18.6.2007 - 5 LC 225/04 - NdsVBl 2007, 295, juris Rn. 72; OVG NW, U.v. 7.5.2009 - 1 A 2652/07 - ZBR 2009, 352, juris Rn. 124; EuGH, B.v. 11.1.2007 - C-437/05 - ECLI:EU:C:2007:23, Rn. 32, 35; U.v. 9.3.2021 - C-344/19 -ECLI:EU:C:2021:182, Rn. 58).
58
Die Kammer sieht es nicht als sachwidrig an, die geltend gemachten Fahrzeiten zu einem Drittel für die Berechnung des Freizeitausgleichs zum Ansatz zu bringen (vgl. OVG Bremen, B.v. 29.5.2008 - 2 B 182/08 - juris Rn. 25). Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass für Dienstreisen, die nicht an der Dienststelle, sondern an der Wohnung angetreten werden, höchstens die Reisezeit zu berücksichtigen ist, die bei einem hypothetischen Beginn der Fahrt an der Dienststelle angefallen wäre (vgl. Abschnitt 12, Nr. 1.3 Satz 4 VV-BeamtR). Da der Kläger von seinem privaten Wohnsitz zu den jeweiligen Dienstorten gefahren ist, wäre gegebenenfalls nicht die volle Fahrzeit zu berücksichtigen, sondern jedenfalls der Anteil herauszurechnen, der überschießend durch die Fahrt vom Wohnort zum Dienstort statt von der Dienststelle zum Dienstort angefallen wäre. Eine pauschalierende Gewährung von Freizeitausgleich für Fahrzeiten außerhalb der Sollzeit erscheint daher nicht unangemessen.
59
Im Übrigen erscheint es unter Einhaltung der Wortlautgrenze (noch) möglich, die Verwaltungsvorschrift richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass Arbeitszeit im Sinne der Verwaltungsvorschriften nur die durch Freizeit abgeltungsfähige Arbeitszeit meint und hierin keine Aussage zur Anerkennung von Reisezeit für die Einhaltung der in der Arbeitszeitrichtlinie niedergelegten Regelungen zur wöchentlichen Höchstarbeitszeit und der täglichen Ruhezeit getroffen werden sollte.
60
4. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung/ZPO.