Titel:
Zuwendungsrecht, Novemberhilfe, Antragsberechtigung (verneint), Verbundene Unternehmen, Stichtagsregelung zur Beurteilung der Zuwendungsvoraussetzungen
Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1
Richtlinie für die Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für November 2020 (Novemberhilfe)
Schlagworte:
Zuwendungsrecht, Novemberhilfe, Antragsberechtigung (verneint), Verbundene Unternehmen, Stichtagsregelung zur Beurteilung der Zuwendungsvoraussetzungen
Fundstelle:
BeckRS 2022, 40504
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin, die nach ihren Angaben im behördlichen Verfahren als Betreiberin von Spielautomaten tätig ist, begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Zuwendung im Rahmen der außerordentlichen Wirtschaftshilfe des Bundes für November 2020 (Novemberhilfe).
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Unter dem 8. Dezember 2020 beantragte die Klägerin über das einschlägige elektronische Antragsportal die Novemberhilfe als außerordentliche Wirtschaftshilfe der Bundesregierung (Az. …). Hinsichtlich der Branchenzugehörigkeit ist im Antrag „Spielhallen und Betrieb von Spielautomaten“ genannt. Als Grund der Antragstellung wurde eine direkte Betroffenheit angegeben, wonach die Antragstellerin aufgrund einer staatlichen Schließungsverordnung im November 2020 den Geschäftsbetrieb direkt einstellen musste. Der relevante Vergleichsumsatz im November 2019 wurde im Antrag mit 51.782,68 EUR beziffert. Unter anderem auf dieser Grundlage ergab sich im elektronischen Antrag eine voraussichtliche Höhe der Novemberhilfe von 35.090,61 EUR. Der Antrag wurde als Unternehmen eines Unternehmensverbunds gestellt; als insoweit verbundenes Unternehmen war die 1A Technologie Group GmbH angegeben.
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Mit Bescheid vom 9. Dezember 2020, geändert durch Bescheid vom 10. Januar 2021, gewährte die Beklagte eine Abschlagszahlung für die Novemberhilfe in Höhe von 17.545,31 EUR. Die Bewilligung der Abschlagszahlung erging dabei unter dem Vorbehalt der vollständigen Prüfung des Antrags und der endgültigen Festsetzung in einem Schlussbescheid.
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Im Rahmen des behördlichen Verfahrens richtete die Beklagte eine Reihe von Rückfragen zur Antragsberechtigung im Zusammenhang der Thematik der verbundenen Unternehmen sowie weiterer vorliegender Anträge dieser verbundenen Unternehmen an die Klägerin. Zunächst wurde hierzu bis März 2021 durch die Beteiligten der Ansatz verfolgt, die gestellten Anträge für die einzelnen Unternehmen des Verbunds durch Rücknahme oder Ablehnung einzelner Anträge - u.a. des hier streitgegenständlichen mit dem Az. … - zu konsolidieren und über eine Antragsänderung eines verbleibenden Antrags zu einer einmaligen und einheitlichen Antragstellung für den Unternehmensverbund zu gelangen. Mit Schreiben vom 28. April 2021 ließ die Klägerin sodann mitteilen, dass mit notarieller Urkunde vom gleichen Tage der Unternehmensverbund rückwirkend zum 1. Juli 2020 aufgelöst sei und u.a. der hier gegenständliche Antrag nunmehr als Antrag (nur) der Klägerin unabhängig vom Unternehmensverbund weiterverfolgt werde.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 19. August 2021 wurde der Antrag auf Gewährung einer Novemberhilfe abgelehnt (1.), der unter Vorbehalt der vollständigen Prüfung ergangene Bescheid vom 10. Januar 2021 über eine Abschlagszahlung auf die Novemberhilfe aufgehoben (2.), der zu erstattende Betrag auf 17.545,31 EUR festgesetzt und unter Fristsetzung für die Rückzahlung die Verzinslichkeit des Erstattungsbetrags anordnet (3. und 4.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die Klägerin Teil eines Unternehmensverbunds im Sinne der Zuwendungsrechtlinie sei und sie mithin als Einzelunternehmen nicht antragsberechtigt sei. Die rückwirkende Auflösung des Unternehmensverbunds sei unbeachtlich, da nach den FAQs zur Novemberhilfe auf das Datum des 27. Oktober 2020 abzustellen sei, zu diesem Zeitpunkt habe ein Unternehmensverbund vorgelegen. Für den weiteren Bewilligungsprozess sei für den Unternehmensverbund ein anderer Antrag bearbeitet und bewilligt worden.
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Mit am 21. September 2021 eingegangenem Schriftsatz ließ die Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben.
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Sie beantragt sinngemäß zuletzt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. August 2021 zu verpflichten, der Klägerin die am 8. Dezember 2020 beantragte Novemberhilfe zu gewähren.
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Zur Begründung verwies die Klägerin maßgeblich auf den Umstand, dass der Unternehmensverbund rückwirkend zum 1. Juli 2020 aufgelöst worden sei, so dass bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung kein solcher mehr vorgelegen habe. Eine andere Annahme stelle eine Verletzung des Willkürverbots dar. Ferner seien im Ergebnis Anträge für die Klägerin sowohl als Teil des Unternehmensverbunds, als auch im Nachhinein als Einzelunternehmen gestellt worden, so dass - je nach Auffassung der Beklagten - jedenfalls in einer der Konstellationen die Zuwendung zu bewilligen gewesen sei. Im Übrigen sei durch die Beklagte im behördlichen Verfahren die Ablehnung des hier gegenständlichen Antrags zurückgenommen worden. Verwiesen wird ferner auf Ziff. 5.7 der FAQs zur Novemberhilfe, wonach Veränderungen in der Unternehmensstruktur berücksichtigt werden könnten.
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Die Beklagte beantragt
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Sie verteidigt den streitbefangenen Bescheid und verweist im Wesentlichen auf die auch auf der Zuwendungsrichtlinie fußende ständigen Zuwendungspraxis, nach der für verbundene Unternehmen nur ein Antrag für alle verbundenen Unternehmen insgesamt gestellt werden könne. Entscheidend sei nach Ziff. 5.7 der FAQs zur Novemberhilfe die Struktur des Unternehmens am Stichtag des 27. Oktober 2020. Zu diesem Zeitpunkt habe im konkreten Fall ein Unternehmensverbund vorgelegen, auf die juristisch rückwirkende Auflösung desselben komme es nach der Förderpraxis der Beklagten nicht an. Sinn und Zweck dieser Praxis sei die Vermeidung ungerechtfertigter Besserstellungen durch gewillkürte gesellschaftsrechtliche Konstrukte und Veränderungen, alleine darin liege ein mit Blick auf das Willkürverbot ausreichender Differenzierungsgrund.
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Mit Beschluss vom 29. Juni 2022 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Sie ist unbegründet.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte den von ihr geltend gemachten Anspruch, sinngemäß gerichtet auf Gewährung und Auszahlung der Novemberhilfe aufgrund ihres Zuwendungsantrags vom 8. Dezember 2020, nicht inne (§ 113 Abs. 5 VwGO). Vielmehr erweist sich der Ablehnungsbescheid vom 19. August 2021 als rechtmäßig (nachfolgend unter 1.). Auch hat die Klägerin keinen Anspruch auf Aufhebung der Rücknahme- und Rückforderungsanordnungen in Nrn. 2 bis 4 des streitbefangenen Bescheids vom 19. August 2021, da sich diese als rechtmäßig erweisen und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; dazu nachfolgend unter 2.).
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1. Eine Rechtsnorm, die einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinie im billigen Ermessen der Behörde unter Beachtung des Haushaltsrechts (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis.
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1.1 Der Norm- und der mit ihm insoweit gleichzusetzende Richtliniengeber (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2018 - 10 C 1/17 - juris Rn. 18; U.v. 24.4.1987 - 7 C 24.85 - juris Rn. 12) ist zunächst bei der Entscheidung darüber, welcher Personenkreis durch freiwillige finanzielle Zuwendungen des Staates gefördert werden soll, weitgehend frei. Zwar darf der Staat seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht willkürlich verteilen. Subventionen müssen sich vielmehr gemeinwohlbezogen rechtfertigen lassen, sollen sie vor dem Gleichheitssatz Bestand haben. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen jedoch dem Norm- und Richtliniengeber in sehr weitem Umfang zu Gebote; solange die Regelung sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, kann sie verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden (stRspr; vgl. z.B. BVerfG, U.v. 20.4.2004 - 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99 - juris Rn. 61; ebenso etwa Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 255).
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Sind die Fördervoraussetzungen - wie hier - zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere einschlägige Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht - wie Gesetze oder Rechtsverordnungen - gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Grundsatz der Gleichbehandlung entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (aktuell z.B. BayVGH, B.v. 3.8.2022 - 22 ZB 22.1151 - juris Rn. 17; B.v. 31.3.2022 - 6 ZB 21.2933 - juris Rn. 7; B.v. 8.11.2021 - 6 ZB 21.2023 - juris Rn. 6; vgl. ferner BVerwG, U.v. 16.6.2015 - 10 C 15.14 - juris Rn. 24; B.v. 11.11.2008 - 7 B 38.08 - juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - juris Rn. 26 m.w.N.; B.v. 9.3.2020 - 6 ZB 18.2102 - juris Rn. 9; VG München, U.v. 5.7.2021 - M 31 K 21.1483 - juris Rn. 23).
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Nur entsprechend den vorgenannten Grundsätzen kann ein Anspruch auf Förderung im Einzelfall bestehen. Im Vorwort der hier einschlägigen Richtlinie des Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie für die Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für November 2020 (Novemberhilfe - BayMBl. 2020, Nr. 680 vom 24.11.2020, zuletzt geändert mit Bekanntmachung vom 21.12.2021, BayMBl. 2022 Nr. 26) wird im Übrigen auch ausdrücklich klargestellt, dass die Novemberhilfe im Rahmen der vom Bund zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel als Billigkeitsleistung ohne Rechtsanspruch nach pflichtgemäßem Ermessen gewährt wird.
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1.2 Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die beantragte Zuwendung, weil sie keine Antragsberechtigung besitzt. Zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass es der Klägerin als gemäß der ständigen Vollzugspraxis der Beklagten zu Nr. 2.6 der Zuwendungsrichtlinie verbundenes Unternehmen an der Antragsberechtigung fehlt (vgl. hierzu etwa VG München, U.v. 15.9.2021 - M 31 K 21.110 - juris Rn. 20 ff.; zu den Programmen der Corona-Soforthilfe VG München, U.v. 14.7.2021 - M 31 K 21.2307 - juris Rn. 23 ff.), bzw. jedenfalls im Sinne der Nr. 2.6 Satz 2 der Zuwendungsrichtlinie ein (gesonderter) Antrag für sie nicht gestellt werden konnte.
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Nach dem im Wesentlichen zwischen den Beteiligten unstrittigen Geschehensablauf handelte es sich bei der Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung um ein verbundenes Unternehmen, konkret ein Tochterunternehmen der 1A Technologie GmbH (vgl. Bl. 36 f. der Behördenakte). Dies ergibt sich bereits aus den Angaben der Klägerin im Förderverfahren, insbesondere im Rahmen der Antragstellung (Bl. 1 der Behördenakte) sowie nach der eingehenden Darstellung durch die Steuerberaterin der Klägerin (Bl. 36 f. der Behördenakte). Hiervon geht auch die Beklagte auf Grundlage der Nr. 2.6 Satz 1 i.V.m. Fußnote 10 der Zuwendungsrichtlinie und ihrer hierzu bestehenden Vollzugspraxis aus. Dass hierbei die sachlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Unternehmensverbunds in diesem Sinne zunächst bestanden, trifft für den hier vorliegenden Fall eines Mutter- und mehrerer Tochterunternehmen, von denen eines die Klägerin war, ohne weiteres zu und ist zwischen den Beteiligten im Grundsatz auch nicht streitig. Mit notarieller Urkunde vom 28. April 2021 (Anlage K 2 zum Klageschriftsatz vom 20.9.2021, auch Bl. 44 ff. der Behördenakte) erfolgte sodann u.a. eine Rückabtretung von Geschäftsanteilen, die letztlich zur rückwirkenden Auflösung des Unternehmensverbunds zum 1. Juli 2020 führte.
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Auf Grundlage der sowohl schriftsätzlich als auch in der mündlichen Verhandlung dargelegten ständigen Vollzugspraxis der Beklagten, die insbesondere in Nr. 5.7 der FAQs zur November- und Dezemberhilfe Niederschlag gefunden hat, ist bei Änderungen der Struktur eines Unternehmens der tatsächliche Stand am 27. Oktober 2020 ausschlaggebend. Auf dieser Grundlage geht die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid davon aus, dass die spätere, wenn auch rechtlich rückwirkende Auflösung des Unternehmensverbunds nicht zu berücksichtigen ist und die Klägerin im Rahmen der Zuwendungsgewährung nach wie vor als verbundenes Unternehmen zu betrachten ist.
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Es verstößt weder gegen das Willkürverbot noch gegen den Zweck der Zuwendungsrichtlinie noch gegen sonstiges einschlägiges materielles Recht, wenn die Beklagte in ihrer ständigen Vollzugspraxis nachträgliche, auch rechtlich rückwirkende Veränderungen an der Unternehmensstruktur nicht berücksichtigt, wie sie hier inmitten stehen. Zu Recht weist die Beklagte insoweit darauf hin, dass die Wahl einer bestimmten Unternehmensstruktur bzw. die Vornahme entsprechender Veränderungen unternehmerische Entscheidungen darstellen, die sich - zumal in einem „Massenverfahren“ wie dem vorliegenden - einer Einzelfallbewertung und Überprüfung durch die Zuwendungsbehörde entziehen. Insbesondere um im Zusammenhang der Corona-Hilfsprogramme ungerechtfertigte Besserstellungen von Unternehmen oder Unternehmensteilen durch gesellschaftsrechtliche Veränderungen zu vermeiden, ist es daher eine sachbezogene und damit willkürfreie Herangehensweise, hinsichtlich der für die Zuwendungsgewährung relevanten Struktur eines Unternehmens eine Stichtagsregelung anzuwenden und insbesondere nachträgliche Anpassungen und Veränderungen aus der zuwendungsrechtlichen Betrachtung auszuschließen (vgl. zur Anwendung von Stichtagsregelungen im Bereich des Zuwendungsrechts etwa BayVGH, B.v. 3.8.2022 - 22 ZB 22.1151 - juris Rn. 22; B.v. 14.9.2020 - 6 ZB 20.1652 - juris Rn. 11).
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Soll die Stichtagsregelung die ihr zugedachte Funktion einer Vereinfachung und dem Gleichheitssatz entsprechenden Zuwendungsgewährung erfüllen, ist es naheliegend und letztlich auch erforderlich, bei ihrer Anwendung den jeweiligen tatsächlichen Stand am Stichtag in den Blick zu nehmen und rechtlich rückwirkende Veränderungen nicht zu berücksichtigen. Andernfalls wäre gerade die auszuschließende Möglichkeit gewillkürter Anpassungen eröffnet.
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Unabhängig davon ist dem Zuwendungs- und Richtliniengeber bzw. der Zuwendungsbehörde ohne Verstoß gegen den Gleichheitssatz auch ein bestimmtes Maß an Typisierung zuzugestehen. Der Gesetzgeber ist bei der Ordnung von Massenerscheinungen berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf er grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen Gleichheitsgebote zu verstoßen (vgl. zuletzt etwa BVerfG, B.v. 29.1.2019 - 2 BvC 62/14 - juris Rn. 47 m.w.N.; zum Ganzen auch Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 3 Rn. 98 f.). Gleiches gilt im Wesentlichen auch für die Bindung der Verwaltung im Bereich einer Zuwendungsgewährung (vgl. etwa VG München, U.v. 6.7.2021 - M 31 K 20.6548 - juris Rn. 38). Der Zuwendungsgeber ist daher nicht gehindert, den Förderungsgegenstand nach sachgerechten Kriterien auch typisierend einzugrenzen und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Dies umso mehr deswegen, weil ihm - wie bereits ausgeführt - sachbezogene Gesichtspunkte dabei in einem sehr weiten Umfang an die Hand gegeben sind. Auch vor diesem Hintergrund begegnet es keinen Bedenken, wenn die Beklagte zur Bestimmung des relevanten Sachverhalts für ihre Zuwendungsgewährung auf den tatsächlichen Stand zu einem bestimmten Datum abstellt und nachträgliche, insbesondere rückwirkende Veränderungen der tatsächlichen Grundlagen - hier der Unternehmensstruktur - nicht berücksichtigt. Dabei handelt es sich nicht, wie durch den Klägerbevollmächtigten schriftsätzlich vorgetragen, um das Ergebnis einer Auslegung der Zuwendungsrichtlinie. Vielmehr wird hinsichtlich des für die Zuwendungsgewährung relevanten Sachverhalts auf die tatsächliche Sachlage zu einem bestimmten Zeitpunkt abgestellt.
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Mit der rückwirkenden Auflösung des Unternehmensverbunds zum 1. Juli 2020 mag, wie klägerseits vorgetragen, der Unternehmensverbund rechtlich auch mit Wirkung zum relevanten Stichtag am 27. Oktober 2020 aufgelöst worden sein. Indes ist dieser rein tatsächlich erst zum 28. April 2021 eingetretene Umstand nach der ausgeführten und nicht zu beanstandenden Zuwendungspraxis der Beklagten bei der Entscheidung über die Zuwendungsgewährung nicht (mehr) zu berücksichtigen. Im Einklang mit dieser ständigen Zuwendungspraxis geht die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid in nicht zu beanstandender Weise davon aus, dass die Klägerin für die Entscheidung über die Zuwendungsgewährung als Teil eines Unternehmensverbunds zu betrachten ist und damit eine gesonderte Antragstellung durch sie nicht möglich ist (Nr. 2.6 Satz 2 der Zuwendungsrichtlinie) bzw. ihr die Antragsberechtigung fehlt.
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Nichts anderes ergibt sich aus Nr. 5.7 der FAQs zu Novemberhilfe, auf die der Klägerbevollmächtigte schriftsätzlich abhebt. Dort ist in Absatz 2 Bezug genommen auf Unternehmen, die zwar vor dem 30. September 2020 gegründet, aber nach diesem Stichtag verkauft/umgewandelt/aufgespalten wurden. Zwar behandelt dieser Abschnitt der FAQs in der Tat die Berücksichtigung von Änderungen in der Unternehmensstruktur, gibt allerdings ersichtlich Maßgaben für die Antragstellung in den dort genannten Fällen und lässt nicht in allgemeiner Weise die Berücksichtigung nachträglicher, zumal rückwirkender Änderungen nach Antragstellung zu, worauf auch der Bevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat.
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Soweit der Klägerbevollmächtigte weiterhin auf einen im Nachhinein, wohl nach der am 28. April 2021 erfolgten Rückabwicklung gestellten Antrag für die Klägerin als Einzelunternehmen (...) verweist, der auf die tatsächliche Situation auch im Sinne der angenommenen Rechtsauffassung der Beklagten abstelle, führt auch dies nicht weiter. Bereits grundsätzlich ist dieser Antrag nicht streitgegenständlich, ferner wäre trotz späterer Antragstellung fraglich, ob nach der ständigen Zuwendungspraxis der Beklagten auch insoweit die oben erörterte Stichtagsregelung in Nr. 5.7 der FAQs greifen würde. Dies ist indes nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
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Für den Schluss auf eine willkürliche Fassung oder Handhabung der Förderrichtlinie und der darauf aufbauenden Förderpraxis bestehen mithin keine Anhaltspunkte. Die Klägerin wird nicht anders behandelt als andere Antragstellerinnen und Antragsteller, die ebenfalls zum Stichtag des 27. Oktober 2020 Teil eines Unternehmensverbunds waren und damit nicht gefördert wurden. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte in vergleichbaren Zuwendungsfällen anders verfahren wäre, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Erwägung, angesichts der durch die Novemberhilfe bezweckten Sicherung der wirtschaftlichen Existenz von Unternehmen (vgl. Nr. 1 Satz 3 der Zuwendungsrichtlinie) die relevanten wirtschaftlichen Einheiten insgesamt in den Blick zu nehmen und dementsprechend wirtschaftlich oder rechtlich voneinander abhängige unternehmerische Einheiten nicht als gesondert antragsberechtigt anzusehen, stellt einen vertretbaren sachlichen Grund für die Verneinung der Förderberechtigung der Klägerin dar (vgl. auch VG München, U.v. 10.8.2022 - M 31 K 21.6137 - Rn. 23, zur Veröffentlichung in juris vorgesehen; U.v. 15.9.2021 - M 31 K 21.110 - juris Rn. 20 ff.).
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1.3 Am vorstehend gefundenen Ergebnis ändert es nichts, dass die jeweiligen Unternehmen - und so auch die Klägerin - nach dem Vortrag des Klägerbevollmächtigten durch die Rückabwicklung vom 28. April 2021 steuerlich nicht als Verbund, sondern als Einzelunternehmen zu betrachten seien.
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Der allgemeine Gleichheitssatz enthält kein verfassungsrechtliches Gebot, ähnliche Sachverhalte in verschiedenen Ordnungsbereichen gleich zu regeln, sondern fordert im Gegenteil eine jeweils sachbereichsbezogene Regelung (BVerwG, U.v. 14.3.2018 - 10 C 1/17 - juris - Rn. 23). Steuerliche Vorschriften enthalten keine Aussage zu staatlichen Zuwendungen, namentlich dahingehend, dass dem Zuwendungs- und Richtliniengeber und der mit dem Vollzug beliehenen Beklagten nach Nr. 2.6 der Zuwendungsrichtlinie ein bestimmtes Verständnis des Begriffs des „verbundenen Unternehmens“ geboten wäre oder eine bestimmte Sachverhaltsbetrachtung zwingend wäre. Wie bereits ausgeführt, ist es dem Richtlinien- und Zuwendungsgeber im Rahmen seines weiten Ermessens bei der Ausgestaltung der Förderung im Rahmen der Novemberhilfe aus sachbezogenen Überlegungen heraus erlaubt, der Prüfung der Zuwendungsvoraussetzungen die tatsächliche Unternehmensstruktur an einem bestimmten Stichtag zugrunde zu legen.
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1.4 Schließlich ist die Ablehnung des hier streitgegenständlichen Antrags … durch die Beklagte auch nicht zurückgenommen worden. Die durch den Klägerbevollmächtigten in diesem Sinne schriftsätzlich hervorgehobene Aussage, wonach die Ablehnung des Antrags … zurückgenommen werde (Schriftsatz vom 19.11.2021, Seite 4 unten) stammt nicht von der Beklagten. Wie in der mündlichen Verhandlung erörtert und anhand der vorliegenden Behördenakte nachvollzogen, wurde die Äußerung durch die Steuerberaterin der Klägerin am 24. Februar 2021 als Teil einer Antwort im Antragsportal getätigt (Bl. 29 der Behördenakte). Im Übrigen existierte weder zu diesem Zeitpunkt, noch, wie durch den Klägerbevollmächtigten als Zeitpunkt der Aussage angegeben, am 6. März 2021 eine Ablehnung des Antrags … Diese erfolgte erst mit hier streitgegenständlichem Bescheid vom 19. August 2021. Insofern erschiene eine „Rücknahme der Ablehnung“ durch die Beklagte zum Zeitpunkt der getätigten Aussage auch nicht plausibel. Ebenso wenig kann zu diesem Zeitpunkt, wie durch den Klägerbevollmächtigten schriftsätzlich angenommen, die Bewilligung der Novemberhilfe damit rechtskräftig erfolgt sein, da eine solche noch nicht vorlag. Gewährt war zu diesem Zeitpunkt lediglich eine Abschlagszahlung für die Novemberhilfe (Bescheide vom 9.12.2020 und 10.1.2021).
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2. Der angefochtene Bescheid vom 19. August 2021 ist auch insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), als die Beklagte darin die Aufhebung des Bescheids vom 10. Januar 2021 über eine Abschlagszahlung auf die Novemberhilfe (Ziff. 2) und die Erstattung der gewährten Abschlagszahlung i.H.v. 17.545,31 Euro (Ziff. 3) sowie deren Verzinsung (Ziff. 4) angeordnet hat.
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2.1 Es kann offenbleiben, ob als Rechtsgrundlage für die Rücknahme der mit Bescheid vom 10. Januar 2021 gewährten Abschlagszahlung Art. 48 BayVwVfG herangezogen werden kann, wofür einiges spricht und wovon die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids ausgeht. Denn es handelt sich vorliegend offensichtlich um die Konstellation einer lediglich vorläufigen bzw. vorbehaltlichen Bewilligung einer Abschlagszahlung (vgl. hierzu grundsätzlich BVerwG, U.v. 14.4.1983 - 3 C 8.82 - juris Rn. 33; ferner etwa VG Bayreuth, GB v. 20.6.2022 - B 8 K 21.1024 - juris Rn. 59 ff.; VG München, U.v. 16.12.2021 - M 31 K 21.3624 - juris Rn. 58 m.w.N.). Gemäß Ziff. 3 des die Abschlagszahlung gewährenden Bescheids vom 10. Januar 2021 erging die Bewilligung ausdrücklich unter dem Vorbehalt der vollständigen Prüfung des Antrags und der endgültigen Festsetzung in einem Schlussbescheid. Hierauf nimmt ferner der Tenor des streitgegenständlichen Bescheids vom 19. August 2021 ausdrücklich Bezug. Grundsätzlich ist nach den Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 157 BGB zu erforschen, wie der Adressat einen Verwaltungsakt unter Berücksichtigung der ihm bekannten oder erkennbaren Umstände bei objektiver Auslegung verstehen musste. Aus der Sicht eines objektiven Empfängers stellt sich der Bescheid über eine Abschlagszahlung als vorläufiger Zuwendungsbescheid dar (vgl. BVerwG, U.v. 15.3.2017 - 10 C 1/16 - juris Rn. 14 f.).
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In diesem Fall einer vorbehaltlichen Regelung bzw. eines Schlussbescheids ist eine Rücknahme nach Art. 48 BayVwVfG nicht erforderlich bzw. findet diese Vorschrift keine Anwendung. Vielmehr wird die vorläufige Gewährung der Abschlagszahlung durch den endgültigen, hier streitgegenständlichen Ablehnungsbescheid ersetzt und erledigt. Der Bewilligungsbescheid ist lediglich die Grundlage für die vorläufig geleistete Abschlagszahlung; hierin erschöpft sich seine Rechtswirkung. Demgegenüber kommt dem angefochtenen Bescheid in dieser Hinsicht der Charakter eines Schlussbescheids mit dem Regelungsgehalt zu, die beantragte Novemberhilfe (endgültig) abzulehnen und die sich hieraus angesichts der erfolgten Abschlagszahlung ergebende Überzahlung nebst Zinsen zurückzufordern (vgl. BVerwG, U.v. 14.4.1983 - 3 C 8.82 - juris Rn. 34; U.v. 15.3.2017 - 10 C 1/16 - juris Rn. 16; ferner etwa VG München, U.v. 16.12.2021 - M 31 K 21.3624 - juris Rn. 58; VG Düsseldorf, U.v. 12.12.2014 - 13 K 430/13 - juris Rn. 42).
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Kommt ein Gericht zu dem Ergebnis, ein Bescheid sei zu Unrecht auf eine nicht tragfähige - oder wie hier: weniger nahe liegende - Rechtsgrundlage gestützt worden, ist es gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch verpflichtet zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Bescheid mit Blick auf sonstige Rechtsgrundlagen aufrechterhalten werden kann (vgl. rechtsgrundsätzlich BVerwG, B.v. 29.7.2019 - 2 B 19/18 - juris Rn. 24; U.v. 19.8.1988 - 8 C 29/87 - juris; U.v. 31.3.2010 - 8 C 12/09 - juris Rn. 16; ebenso BayVGH, U.v. 23.7.2020 - 14 B 18.1472 - juris Rn. 29; VG München, U.v. 12.5.2021 - M 31 K 15.2119 - juris Rn. 56; U.v. 3.8.2017 - M 2 K 16.3853 - juris Rn. 18; Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, Rn. 7a zu § 47). Bei einer solchen Konstellation bedarf es keiner (richterlichen) Umdeutung, so dass die Aufrechterhaltung des Bescheides auch nicht davon abhängt, ob die Voraussetzungen für eine Umdeutung nach Art. 47 BayVwVfG erfüllt sind. So liegt der Fall hier. Der Regelungsgehalt des angegriffenen Bescheids bleibt unverändert, wenn die Aufhebung der gewährten Abschlagszahlung in zutreffender Weise als Schlussbescheid unter endgültiger Ablehnung der Novemberhilfe anstelle einer Rücknahme des Bescheids über eine Abschlagszahlung angesehen wird, zumal der Tenor des streitgegenständlichen (Aufhebungs-)Bescheids, wie ausgeführt, ohnehin auf den Vorbehalt der vollständigen Prüfung im gewährenden Bescheid Bezug nimmt.
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Erforderlich sind zudem auch keine anderen oder zusätzlichen als die im streitgegenständlichen Bescheid vorgenommen Ermessenserwägungen, zumal das Verständnis als lediglich die vorläufige Gewährung der Abschlagszahlung ersetzender Schlussbescheid zu deutlich weniger anspruchsvollen Voraussetzungen für die getroffene Regelung führt. Schließlich entspricht dies auch der Absicht der Beklagten; auch die Rechtsfolgen erweisen sich für die Klägerin endlich nicht als ungünstiger (vgl. in ähnlicher Konstellation VG München, U.v. 12.5.2021 - M 31 K 15.2119 - juris Rn. 56).
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2.2 Die Verpflichtung zur Erstattung der nach endgültiger Ablehnung der Novemberhilfe durch den streitgegenständlichen Bescheid rechtsgrundlos erfolgten Abschlagszahlung i.H.v. 17.545,31- Euro folgt aus Art. 49a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG (analog). Der in Form einer vorläufigen Regelung ergangene Bescheid über eine Abschlagszahlung vom 10. Januar 2021 hat wie ausgeführt gemäß Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG seine Rechtswirkung dadurch verloren, dass er durch die streitgegenständliche endgültige Ablehnung ersetzt wurde. Wird ein Verwaltungsakt, der eine Zuwendung zunächst nur vorläufig bewilligt hat, rückwirkend durch einen anderen Verwaltungsakt ersetzt, der die Zuwendung in geringerer Höhe festsetzt, oder wie hier gänzlich ablehnt, so gelten nach herrschender Auffassung die Erstattungsvorschriften des Art. 49a Abs. 1 und 3 BayVwVfG entsprechend (BayVGH, U.v. 10.11.2021 - 4 B 20.1961 - juris Rn. 18, 28; unter Bezugnahme auf BVerwG, U.v. 11.5.2016 - 10 C 8/15 - juris Rn. 11; U.v. 19.11.2009 - 3 C 7/09 - juris Rn. 24; vgl. jüngst etwa auch VG Bayreuth, GB v. 20.6.2022 - B 8 K 21.1024 - juris Rn. 69).
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Gegen die ferner angeordnete Verzinsung bei Zahlungsverzug bestehen keine Bedenken, zumal mit dieser Regelung ohnehin von der auf Grundlage des Art. 49a Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG möglichen Verzinsung zum Teil abgesehen wurde.
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Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.