Titel:
Prüfung der Voraussetzungen der Nebenintervention
Normenkette:
ZPO § 66 Abs. 1, § 70 Abs. 1
Leitsätze:
1. Tritt der Nebenintervenient einem Rechtsstreit zusammen mit der Berufungseinlegung bei, prüft das Gericht von Amts wegen, ob das rechtliche Interesse gem. § 70 Abs. 1 S. 2 ZPO dargelegt ist, da nur Prozessbeteiligte Berufung einlegen können. (Rn. 10 – 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Anforderungen für den Beitritt mit der Berufungseinlegung gelten auch für den Beitritt zusammen mit einem Einspruch gegen ein Versäumnisurteil. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufung, Nebenintervention, Streithelfer, rechtliches Interesse, Einspruch
Vorinstanz:
AG München, Urteil vom 30.11.2021 – 1292 C 1393/21 WEG
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 24.11.2022 – V ZB 29/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 40461
Tenor
Die Berufung des Streithelfers gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 30.11.2021, Aktenzeichen 1292 C 1393/21 WEG, wird verworfen.
Der Streithelfer hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.402,92 € festgesetzt.
Gründe
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Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt vom Beklagten als Eigentümer des Stellplatzes Nr. 80 die Zahlung von Wohngeld für die Zeit von Juli 2019 bis einschließlich Dezember 2019 in Höhe von insgesamt 228,00 €, für das Jahr 2020 in Höhe von 552,00 € und für das Jahr 2021 in Höhe von 504,00 € sowie die sich aus der Jahresabrechnung für 2019 ergebende Abrechnungsspitze in Höhe von 118,92 € jeweils nebst Zinsen.
2
Nachdem für den Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14.07.2021 niemand erschienen war, gab das Amtsgericht der Klage mit Versäumnisurteil vom 14.07.2021 statt und verurteilte den Beklagten, an die Klägerin 1.402,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 38,00 € seit 04.07.2019, 05.08.2019, 04.09.2019, 04.10.2019, 05.11.2019, 04.12.2019 sowie aus je 46,00 € seit 04.01.2020, 04.02.2020, 04.03.2020, 04.04.2020, 05.05.2020, 04.06.2020, 04.07.2020, 05.08.2020, 04.09.2020, 06.10.2020, 05.11.2020 sowie 04.12.2020, aus 118,92 € seit dem 04.07.2020, aus 42,00 € seit 07.01.2020 sowie aus 462,00 € seit dem 04.02.2021 zu bezahlen.
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Mit Schreiben vom 04.08.2021 erklärte X, dem Beklagten als Streithelfer beizutreten und für die von ihm unterstützte Hauptpartei gegen das Versäumnisurteil des Amtsgerichts München vom 14.07.2021 Einspruch einzulegen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 04.08.2021 verwiesen. Mit Beschluss vom 10.08.2021 forderte das Amtsgericht den Streithelfer auf, binnen zwei Wochen sein rechtliches Interesse gem. § 66 I ZPO darzulegen. Nachdem eine Reaktion hierauf nicht erfolgte, wies das Amtsgericht den Streithelfer mit Beschluss vom 14.10.2021 darauf hin, dass es die Nebenintervention mangels Darlegung eines rechtlichen Interesses für unzulässig hält.
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Mit Endurteil vom 30.11.2021 verwarf das Amtsgericht München den gegen das Versäumnisurteil vom 14.07.2021 eingelegten Einspruch gem. § 341 II ZPO als unzulässig. Wegen der Gründe wird auf die Urteilsgründe verwiesen.
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Gegen das Urteil hat der Streithelfer mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 03.01.2022 Berufung eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 03.12.2022 begründet hat.
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Der Streithelfer ist der Meinung, der von ihm eingelegte Einspruch gegen das Versäumnisurteil sei zulässig gewesen und hätte daher nicht durch das Amtsgericht als unzulässig verworfen werden dürfen. Ein formeller Antrag der Klägerin auf Zurückweisung des Streithelfers sei nie gestellt worden, insbesondere könne der Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung nicht als Antrag i. S. des § 71 I Satz 1 ZPO ausgelegt werden. Es habe auch weder eine mündliche Verhandlung über den (nicht gestellten) Zurückweisungsantrag stattgefunden noch sei ein (rechtsmittelfähiges) formelles Zwischenurteil gem. § 71 II ZPO ergangen. Eine amtswegige Prüfung des rechtlichen Interesses des Streithelfers finde nicht statt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 03.03.2022 Bezug genommen.
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Der Streithelfer beantragt,
Unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens wird die Sache an das AG München zurückverwiesen.
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Die Kammer hat den Parteien und dem Streithelfer mit Verfügung vom 21.03.2022 Hinweise erteilt. Hierzu hat der Streithelfer mit Schriftsatz vom 22.04.2022, auf den wegen des Inhalts Bezug genommen wird, Stellung genommen.
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Wie die Kammer bereits in dem von ihr am 21.03.2022 erteilten Hinweis ausgeführt hat, ist die Berufung unzulässig und war daher gem. § 522 I Satz 2, 3 ZPO zu verwerfen.
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1. Da die Berufung nur von Prozessbeteiligten eingelegt werden kann, hängt ihre Zulässigkeit im Falle der Einlegung durch einen Streithelfer, wie hier, davon ab, ob dieser rechtzeitig - spätestens mit Einlegung der Berufung (§ 66 II ZPO) - und wirksam dem Rechtsstreit beigetreten ist (vgl. BGH, Urteil vom 10.03.1994, Az: IX ZR 152/93, juris Rn 6; BGH, Urteil vom 16.01.1997, Az: I ZR 208/97, juris Rn 16; BGH, Beschluss vom 13.09.2018, Az: I ZB 100/17, BeckRS 2018, 26055, Rn 7). Soweit der Beitritt dabei mit der Einlegung der Berufung verbunden wird, was grundsätzlich zulässig ist (§§ 66 II, 70 I Satz 1 ZPO), muss er den inhaltlichen Anforderungen des § 70 I Satz 2 Nr. 1 bis 3 ZPO genügen. Beitritt und Berufung sind zwei selbständige Prozesshandlungen, deren Wirksamkeit je für sich gesondert zu beurteilen ist (vgl. BGH, Urteil vom 10.03.1994, Az: IX ZR 152/93, juris Rn 7, 8; BGH, Urteil vom 16.01.1997, Az: I ZR 208/94, juris Rn 16; BGH, Beschluss vom 13.09.2018, Az: I ZB 100/17, BeckRS 2018, 26055, Rn 8).
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2. Ein wirksamer Beitritt des Streithelfers zum Rechtsstreit ist jedoch weder mit der Einlegung der Berufung noch zuvor erfolgt. Die Beitrittserklärung des Streithelfers erfolgte bereits im Schreiben vom 04.08.2021, mit dem gegen das Versäumnisurteil des Amtsgerichts München vom 14.07.2021 Einspruch eingelegt wurde. Weder das Schreiben vom 04.08.2021 noch der Schriftsatz vom 03.01.2022, mit dem seitens des Streithelfers Berufung gegen das dem Beklagten am 03.12.2021 zugestellte Urteil des Amtsgerichts München vom 30.11.2021 eingelegt wurde, genügen jedoch den inhaltlichen Anforderungen des § 70 I Satz 2 Nr. 1 bis 3 ZPO.
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Gem. § 70 I Satz 2 ZPO muss ein Beitrittschriftsatz die Bezeichnung der Parteien - insbesondere derjenigen, auf deren Seite der Beitritt erfolgen soll - und des Rechtsstreits, an dem der Beitretende sich beteiligen will (Nr. 1), die bestimmte Angabe des Interesses, das dem Beitritt zugrunde liegt (Nr. 2) sowie die Erklärung des Beitritts enthalten (Nr. 3). An einer bestimmten Angabe des dem Beitritt zugrunde liegenden Interesses fehlt es indessen. Sie erfolgte weder im Schreiben vom 04.08.2021, noch in der Berufungsschrift vom 03.01.2022 und auch nicht danach.
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Soweit von Seiten des Streithelfers eingewandt wird, eine Prüfung der Einhaltung der inhaltlichen Anforderungen des § 70 I Satz 2 Nr. 1 bis 3 ZPO hätte nicht von Amts wegen, sondern nur auf Rüge zu erfolgen, die hier aber nicht erhoben worden sei, trifft dies, wie vorstehend dargelegt, jedenfalls dann, wenn der Beitritt mit der Einlegung der Berufung verbunden wird, nicht zu. Richtig ist allerdings, dass bei der (bloßen) formellen Prüfung des § 70 I Satz 2 ZPO unter Berücksichtigung des Zwecks der Vorschrift, den Parteien den Beitrittsgrund klarzumachen, keine überzogenen Anforderungen an die Darlegung des rechtlichen Interesses am Beitritt zum Rechtsstreit zu stellen sind. Es genügt daher der Hinweis auf eine vorausgegangene Streitverkündung, ebenso, dass sich das Interesse des Streithelfers am Ausgang des Rechtsstreits aus den Feststellungen im angegriffenen Urteil ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 16.01.1997, Az: I ZR 208/94, juris Rn 17; BGH, Beschluss vom 11.05.2000, Az: I ZB 26/99, juris Rn 8; BGH, Beschluss vom 13.09.2018, BeckRS 2018, 26055, Rn 11; Schultes in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl., Rn 5 zu § 70 ZPO). Beides ist hier jedoch nicht der Fall. Weder wurde dem Streithelfer seitens einer der Parteien der Streit verkündet, noch lässt sich ein rechtliches Interesse des Streithelfers am Ausgang des Rechtsstreits aus den Gründen des angegriffenen Urteils vom 30.11.2021, noch aus dem Versäumnisurteil vom 14.07.2021 oder der Antragsbegründung der Klägerin vom 28.02.2021 nebst Klageerweiterung vom 10.03.2021 entnehmen. Lediglich der als Anlage K 1 zur Akte gereichte Einzelwirtschaftsplan betreffend das Jahr 2019 für den „TG-Stellplatz -MFP D 65 ol“ mit Datum 05.04.2018 und der als Anlage K 3 zur Akte gereichte Einzelwirtschaftsplan betreffend das Jahr 2020 für den „TG-Stellplatz -MFP D 65 ol“ mit Datum 06.06.2019 ist an einen, allerdings mit anderer Anschrift als die vom Streithelfer angegebene, adressiert. Worauf das beruht und in welcher Beziehung der Streithelfer zu den Parteien des Rechtsstreits und zu dem streitgegenständlichen Stellplatz Nr. 80 steht, lässt sich der Akte jedoch in keiner Weise entnehmen. Daher ist ein rechtliches Interesse des Streithelfers am Ausgang des Rechtsstreits auch unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Akte nicht ansatzweise erkennbar und dargelegt worden, so dass die Beitrittserklärung des Streithelfers auch nicht die - geringen - formellen Anforderungen des § 70 I Satz 2 ZPO erfüllt.
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Ein wirksamer Beitritt ist auch nicht bereits zuvor mit Schreiben des Streithelfers vom 04.08.2021 erfolgt. Da der Streithelfer mit diesem Schreiben zugleich den Rechtsbehelf des Einspruchs gegen das am 14.07.2021 ergangene Versäumnisurteil eingelegt hat, gelten für die Beitrittserklärung vom 04.08.2021 die zuvor dargelegten Anforderungen an einen Beitritt, der mit der Einlegung der Berufung verbunden wird, entsprechend. Die Beitrittserklärung vom 04.08.2021 wäre daher nur dann wirksam gewesen und es hätte der mit der Beitrittserklärung verbundene Einspruch das Verfahren gem. § 342 ZPO nur dann in die Lage zurückversetzen können, wenn die Beitrittserklärung den inhaltlichen Anforderungen des § 70 I Satz 2 Nr. 1 bis 3 ZPO genügt hätte. Das war indessen, wie dargelegt, nicht der Fall.
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3. Eine nachträgliche Beseitigung des Mangels der Beitrittsschrift oder eine Heilung gem. § 295 ZPO, die grundsätzlich für möglich gehalten werden (vgl. dazu Dressler in BeckOK zur ZPO, 44. Edition, Stand 01.03.2022, Rn 5 zu § 70 ZPO; Althammer in Zöller, 34. Aufl., Rn 2 zu § 70 ZPO), kommen vorliegend nicht in Betracht, da, wie vorstehend ausgeführt, ein wirksamer Beitritt spätestens mit Einlegung des Rechtsmittels erfolgt sein muss und dieses andernfalls unzulässig ist, damit den Eintritt der Rechtskraft des Urteils nicht gem. § 705 Satz 2 ZPO hemmen kann.
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1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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1. Der Streitwert für das Berufungsverfahren richtet sich gemäß §§ 47, 48 GKG i.V. mit § 3 ZPO nach der Höhe der vom Amtsgericht zugesprochenen Forderung.