Titel:
Keine sittenwidrige Schädigung des Erwerbers eines Diesel-Fahrzeugs mit installierter Zykluserkennung
Normenketten:
Fahrzeugemissionen-VO Art. 5 Abs. 2
BGB § 826
Leitsatz:
Hat der beklagte Motorhersteller mehrere amtliche Auskünfte des KBA vorgelegt, denen übereinstimmend zu entnehmen ist, dass die Behörde umfangreiche Untersuchungen an Motoren der Baureihe EA 288 durchgeführt hat und dass dabei in keinem Fall eine unzulässige Abschalteinrichtung iSv Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) 715/2007 festgestellt werden konnte und auch die die in der Motorsteuerung installierte Zykluserkennung nicht als unzulässige Abschalteinrichtung wirke, erfolgt die gegenteilige Behauptung des Klägers "ins Blaue hinein". (Rn. 18 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatz, sittenwidrige Schädigung, Kfz-Motorhersteller, Dieselskandal, unzulässige Abschalteinrichtung, EA288, Prüfstandsbezogenheit, Zykluserkennung
Vorinstanz:
LG Kempten, Endurteil vom 03.06.2022 – 63 O 312/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 40293
Tenor
1. Der Antrag des Klägers, das Verfahren bis zur Entscheidung des BGH in dem Verfahren Via ZR 335/21 auszusetzen, wird abgelehnt.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 03.06.2022, Aktenzeichen 63 O 312/22, wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 41.715,52 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Kläger macht im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Dieselfahrzeugs Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte als Herstellerin des Fahrzeugmotors wegen behaupteter Abgasmanipulationen geltend.
2
Die Klagepartei erwarb am 16.11.2017 bei einem Autohändler einen Gebrauchtwagen der Marke Audi Q5 2.0 TDI mit einem seinerzeitigen Kilometerstand von 27.800 km zu einem Preis von 43.880,00 €. Das Fahrzeug, dessen Erstzulassung am 18.04.2016 erfolgt war, ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 288 ausgestattet, der der Schadstoffklasse Euro unterfällt und über einen SCR-Katalysator verfügt. Zur Finanzierung des Kaufpreises für das Fahrzeug schloss der Kläger einen Darlehensvertrag über einen Betrag von 41.096,95 ab.
3
Das Landgericht hat die im Hauptantrag auf Erstattung des Kaufpreises und der Kreditzinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs gerichtete Klage mit dem angegriffenen Urteil vom 03.06.2022 abgewiesen.
4
Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem landgerichtlichen Urteil wird Bezug genommen.
5
Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt der Kläger seinen Antrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren weiter. Er rügt im Wesentlichen, dass das Landgericht die Anforderungen an seine Darlegungslast überspannt habe. Für Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 09.08.2022 (Bl. 377/431) verwiesen.
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Der Kläger beantragt im Berufungsverfahren:
1. Das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu), Az. 63 O 312/22 vom 03.06.2022, zugestellt am 09.06.2022 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei € 41.715,52 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW Audi Q5 2,0 TDI, FIN:
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag unter Ziffer II. genannten PKW im Annahmeverzug befindet.
4. Die Beklagte wird verurteilt, der Klagepartei die durch die beauftragten der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.877,11 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
die Zurückweisung der Berufung.
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Hinsichtlich des Vortrags der Beklagten in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungserwiderung vom 05.09.2022 (Bl.434/500) Bezug genommen.
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Der Senat hat die Parteien mit Beschluss vom 22.09.2022 darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen (Bl. 501/507). Der Klägervertreter hat hierauf mit Schriftsatz vom 24.10.2022 erwidert (Bl. 513/514). Darin hat er beantragt, das Verfahren bis zur Entscheidung des BGH im dortigen Verfahren VIa 335/21 auszusetzen.
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Der Antrag, das Verfahren in analoger Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO bis zur Entscheidung des BGH im dort anhängigen Verfahren VIa 335/21 auszusetzen, war mangels Vorgreiflichkeit jener Entscheidung für das hiesige Verfahren abzulehnen. Dass der BGH seine Rechtsprechung zu der Frage, ob Art. 5 der VO (EG) 715/2007 ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB ist, im Lichte der erwarteten EuGH-Entscheidung in der Rechtssache C-100/21 in einer Weise ändern wird, die sich ggf. auch auf Verfahren gegen die Beklagte wegen behaupteter Abgasmanipulationen am Motor der Baureihe EA 288 auswirken würde, lässt sich aus den im Hinweisbeschluss des Senats vom 22.09.2022 unter Ziffer II. 3 bzw. aus den nachfolgend unter III 1 b) erläuterten Gründen ausschließen.
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Die Berufung des Klägers war gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht geboten ist.
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1) Zur offensichtlichen Aussichtslosigkeit der Berufung wird auf den vorausgegangenen Hinweisbeschluss vom 22.09.2022 (Bl. 501/507) Bezug genommen. Die Gegenerklärung der Klagepartei vom 24.10.22 (Bl. 513/515) enthält im Wesentlichen den Aussetzungsantrag und gibt zu einer abweichenden Bewertung keinen Anlass. Im Einzelnen:
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a. Ein Anspruch des Klägers aus §§ 826, 31 BGB besteht nicht.
14
Wie im Hinweisbeschluss unter II. 1) ausgeführt, würde die Annahme eines objektiv sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten voraussetzen, dass in Fahrzeugen des vom Kläger erworbenen Typs eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut wurde und die Verantwortlichen der Beklagten sich dessen bewusst waren, sie den darin liegenden Gesetzesverstoß aber billigend in Kauf nahmen, um die Erteilung der Typgenehmigung durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zu erschleichen.
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Der Kläger hat seiner diesbezüglichen Darlegungslast nicht genügt.
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(1) Soweit der Kläger vorträgt, die in dem Motor seines Fahrzeugs implementierte Erkennung des Prüfstandes anhand von Fahrkurven bewirke wie beim Vorgängermotor der Baureihe EA 189, dass der Stickstoffausstoß im Prüfstandbetrieb optimiert werde, während es im realen Fahrbetrieb auf der Straße aufgrund einer Reduzierung bzw. gar einer Abschaltung der Abgasrückführung sowie durch eine Verringerung der AdBlue-Zufuhr zu einem erheblichen Anstieg der Stickstoffemissionen komme, indizierte das tatsächliche Vorhandensein einer solchen prüfstandbezogenen Abschalteinrichtung zwar eine arglistige Täuschung der Genehmigungsbehörde durch die Beklagte (BGH, Beschluss vom 29.09.2021, VII ZR 126/21).
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Das diesbezügliche Vorbringen ist allerdings unbeachtlich, weil es „ins Blaue hinein“ erfolgt. Zwar darf eine Partei auch von ihr nur vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen hat. Ein auf Vermutungen gestützter Sachvortrag ist allerdings unbeachtlich, wenn eine Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; sie liegt erst dann vor, wenn für eine Behauptung jeder tatsächliche Anhaltspunkt fehlt (BGH, a. a. O.).
18
Im vorliegenden Fall besteht indes auch unter Berücksichtigung der klägerischen Ausführungen in der Berufungsinstanz keinerlei greifbarer Anhalt dafür, dass die Zykluserkennung - wie vom Kläger behauptet - als unzulässige Abschalteinrichtung genutzt wird. Denn die Beklagte hat mehrere amtliche Auskünfte des KBA vorgelegt, denen übereinstimmend zu entnehmen ist, dass die Behörde umfangreiche Untersuchungen an Motoren der Baureihe EA 288 (sowohl der Schadstoffklasse Euro 5 als auch der hier einschlägigen Schadstoffklasse Euro 6) durchgeführt hat und dabei in keinem Fall eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) 715/2007 festgestellt werden konnte. Speziell für Fahrzeuge mit Motoren jener Baureihe, die - wie der Pkw des Klägers - der Schadstoffklasse Euro 6 unterfallen und mit einem SCR-Katalysator ausgestattet sind, folgt dies aus einer Auskunft des KBA vom 25.01.2021. Danach weist die Motorsteuerung des Fahrzeugs zwar in der Tat die aus anderen Fahrzeugen der Beklagten bekannte Erkennung des Fahrprofils des gesetzlichen Typprüfzyklus (NEFZ) auf. Die daraus resultierenden Umschaltungen wirken bei diesem Motor allerdings nicht als unzulässige Abschalteinrichtung: Die Fahrkurvenerkennung führe dazu, dass im Rahmen der Typprüfung in einen eigenen Betriebsmodus umgeschaltet werde, eine Verringerung der Raten der Abgasrückführung könne dabei aber durch die Abgasnachbehandlung (also durch den SCR-Katalysator) kompensiert werden. Bei einer Betrachtung des gesamten Emissionskontrollsystems blieben die Schadstoffemissionen unterhalb der Grenzwerte. Prüfungen des KBA hätten ergeben, dass auch bei Deaktivierung der Fahrkurvenfunktion die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten werden. Demgemäß handele es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung.
19
Da somit die Behörde, die die Typgenehmigung erteilt hat, nach eigenen Untersuchungen des Fahrzeugs zu der Erkenntnis gelangt ist, dass die in der Motorsteuerung installierte Zykluserkennung nicht grenzwertrelevant ist, ist die gegenteilige Behauptung des Klägers, die gesetzlichen Grenzwerte würden lediglich auf dem Prüfstand eingehalten, im realen Fahrbetrieb dagegen deutlich überschritten, als im oben erläuterten Sinne unbeachtliches Vorbringen „ins Blaue hinein“ anzusehen.
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Soweit sich die Klagepartei auf ein Urteil des OLG Naumburg vom 09.04.2021 bezieht, mit dem eine Haftung der Beklagten wegen der sog. Fahrkurvenerkennung bejaht wurde (Az.: 8 U 68/20), ist darauf hinzuweisen, dass der dortige Senat seine diesbezügliche Rechtsprechung zwischenzeitlich ausdrücklich aufgegeben hat (OLG Naumburg, Urteile vom 10. Dezember 2021 - 8 U 63/21, juris Rn. 11; vom 16. Dezember 2021 - 8 U 36/21, juris Rn. 16; vom 17. Dezember 2021 - 8 U 1/21, juris Rn. 61; 8 U 11/21, juris Rn. 60; 8 U 54/21, juris Rn. 67; 8 U 58/21, juris Rn. 67).
21
(2) Der Umstand, dass die Abgasrückführung in dem Fahrzeug des Klägers umgebungstemperaturabhängig gesteuert wird und in bestimmten Temperaturbereichen nicht mehr voll funktionsfähig ist (Thermofenster), reicht unabhängig davon, ob die Einrichtung in ihrer konkreten Ausgestaltung als unzulässig i.S.v Art. 5 Abs. 2 der VO (EG) 715/2007 zu qualifizieren ist, für die Annahme eines sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten i.S.v. § 826 BGB nicht aus (zu der von der Klagepartei insoweit postulierten Haftung der Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB sogleich nachfolgend unter 3.). Denn aus dem klägerischen Sachvortrag ergeben sich keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass den handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems bewusst war, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und sie den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20, juris Rn. 16).
22
Zu bedenken ist insofern, dass aus Art. 5 Abs. 2 Satz lit a) der VO (EG) 715/2007 folgt, dass das Verbot von Abschalteinrichtungen unter anderem durchbrochen ist, soweit der konkrete Mechanismus „notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung (…) zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten“. Inwieweit sog. Thermofenster dieser Regelung unterfallen, war jedenfalls bei Erteilung der Typgenehmigung für den hier in Rede stehenden Fahrzeugtyp (laut Zulassungsbescheinigung erfolgte diese am 10.07.2015), nicht unzweifelhaft und eindeutig: Noch im Jahr 2016 wurde in dem Bericht der von der damaligen Bundesregierung eingesetzten „Untersuchungskommission Volkswagen“ ausgeführt, dass die Berufung auf den Motorschutz auch im Hinblick auf das sog. „Ausrampen“ im Rahmen von Thermofenstern die Verwendung von Abschalteinrichtungen rechtfertigen könne, wenn von Seiten der Hersteller nachvollziehbar dargestellt werde, dass ohne die Verwendung einer solchen Einrichtung dem Motor Schaden drohe, sei dieser auch noch so gering. Die Interpretation der Beklagten und anderer Automobilhersteller zur Zulässigkeit von Thermofenstern unter dem Aspekt des Motorschutzes wurde damit von offizieller Seite gebilligt und war damit zu jener Zeit jedenfalls nicht unvertretbar (vgl. OLG München, Urteil vom 14.04.2021 - 15 U 3584/20).
23
Vor diesem Hintergrund ergibt sich auch aus der Behauptung der Klagepartei, das KBA sei im Typgenehmigungsverfahren nicht bzw. nur unvollständig über die konkrete Ausgestaltung des Thermofensters unterrichtet worden, kein Indiz dafür, dass die handelnden Personen der Beklagten in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden und sie dies gegenüber dem KBA verschleiern wollten. Eine Pflicht zur genauen Beschreibung der Emissionsstrategien wurde ohnehin erst mit der Verordnung (EU) 2016/646 der Kommission vom 20.04.2016 (ABl. L vom 26.04.2016, 1 ff.) eingeführt, also nach Erteilung der Typgenehmigung für Fahrzeuge des hier in Rede stehenden Typs.
24
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17.12.2020, nach dem der Ausnahmetatbestand des Art.5 Abs. 2 Satz 2 lit a) eng auszulegen ist, erging erst nach Erlass der Typgenehmigung für den hier in Rede stehenden Fahrzeugtyp, gibt also für ein Bewusstsein der Beklagten, das darin verbaute Thermofenster sei unzulässig, nichts her.
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b. Die geltend gemachten Ansprüche lassen sich auch nicht auf § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV bzw. i.V.m. Art. 5 der VO (EG) 715/2007 stützen.
26
Wie in dem Hinweisbeschluss des Senats vom 17.10.2022 unter II. 3) erläutert, liegt das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Schutzbereich der §§ 6 I, 27 I EG-FGV (BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19). Art. 5 der VO (EG) 715/2007 stellt ebenfalls kein Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB dar (vgl. BGH VI ZR 5/20, Rn 12).
27
Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen im klägerischen Schriftsatz vom 24.10.2022 erscheint es angesichts dessen, dass der BGH in ständiger Rechtsprechung darauf hinweist, dass nur die nationalen Gerichte berufen und in der Lage sind, die betreffenden EU-Vorschriften unter das Konzept einer drittschützenden Norm zu subsumieren (BGH, Beschluss vom 04.05.2022, VII ZR 565/21 BeckRS 2022, 11994, Rn. 3; BGH, Beschluss vom 22.04.2022, VII ZR 720/21, BeckRS 2022, 12628, Rn. 13), ausgeschlossen, dass die ausstehenden Entscheidungen des EuGH in der dort anhängigen Rechtssache C-100/21 eine Änderung der zitierten BGH-Rechtsprechung nach sich ziehen werden.
28
Der Senat hat in seinem Hinweisbeschluss ausführlich erläutert, weshalb auch die Schlussanträge des Generalanwalts Rantos vom 02.06.2022 in der Rechtssache C-100/21 eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung des BGH für Fälle der vorliegenden Art nicht erwarten lassen. Soweit in jenen Schlussanträgen die Auffassung vertreten wurde, dass Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der RL 2007/46 dahin auszulegen seien, dass sie die Interessen eines individuellen Erwerbers eines Kraftfahrzeugs schützen, insbesondere das Interesse, kein Fahrzeug zu erwerben, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestattet ist (vgl. Schlussantrag vom 02.06.2022 - C-100/21, ECLI:ECLI:EU:C:2022:420 Rn. 50), hat der Generalanwalt dabei Fälle im Blick, in denen „eine EG-Typgenehmigung erwirkt worden (ist), ohne dass die Genehmigungsbehörde vom Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 715/2007 etwas wusste“ und das Fahrzeug „daher nach Art. 26 Abs. 1 der RL 2007/46 nicht zugelassen werden oder Gegenstand eines Weiterverkaufs sein“ könnte (a. a. O. Rn 48). Im vorliegenden Fall fehlt es unter Zugrundelegung der Auskunft des KBA vom 25.01.2021 bereits an jedem Anhaltspunkt dafür, dass die Typgenehmigung nur deshalb erteilt wurde, weil der Genehmigungsbehörde für die Genehmigungserteilung wesentliche Umstände unbekannt waren. Vielmehr ergibt sich daraus, dass Fahrzeuge des in Rede stehenden Typs keine unzulässige Abschalteinrichtung aufweisen. Demgemäß droht dem Kläger auch weder eine Betriebsstilllegung noch ein Weiterveräußerungsverbot.
29
Selbst wenn der BGH seine Rechtsprechung zur Frage der drittschützenden Wirkung von Art. 5 Abs. 2 der VO (EG) 715/2007 aufgrund der ausstehenden Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-100/21 ändern sollte, würde ein hierauf gestützter Anspruch des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB jedenfalls daran scheitern, dass ein dafür vorausgesetztes Verschulden der Beklagten für den vom Kläger geltend gemachten Schaden nicht ursächlich gewesen wäre: Zwar genügt für einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB - anders als für einen solchen aus § 826 BGB - fahrlässiges Handeln des Anspruchsgegners. Unabhängig davon, ob sich ein solcher Fahrlässigkeitsvorwurf darauf stützen ließe, dass die Beklagte vor Erteilung der Typgenehmigung die Zykluserkennung bzw. die konkrete Ausgestaltung des Thermofensters gegenüber dem KBA noch nicht offengelegt hatte, ist der Auskunft der Behörde vom 25.01.2021 zweifelsfrei zu entnehmen, dass sie die Typgenehmigung auch dann erteilt hätte, wenn dies geschehen wäre. Denn aus der Auskunft ergibt sich, dass das KBA die Zykluserkennung in der in Motoren der Baureihe EA 288 implementierten Form für zulässig hält und auch im Übrigen keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt hat.
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2) Die weiteren Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs .2 ZPO liegen nach einstimmiger Überzeugung des Senats ebenfalls vor.
31
Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Denn der Fall wirft keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und die deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren. Die für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erheblichen Rechtsfragen sind durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt.
32
Eine Entscheidung durch Urteil ist auch weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs .2 Nr. 3 ZPO). Der BGH hat in zahlreichen Parallelverfahren, in denen Erwerber von Fahrzeugen mit Motoren der Baureihe EA 288 die Beklagte wegen behaupteter Abgasmanipulationen auf Schadenersatz in Anspruch nahmen, Zurückweisungen von Berufungen gegen klageabweisende Urteile gebilligt (vgl. neben zahlreichen dem Senat bekannten, allerdings unveröffentlichter Verwerfungen von Nichtzulassungsbeschwerden: BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2022 - VIa ZR 303/21; BGH, Beschluss vom 21. März 2022 - VIa ZR 334/21).
33
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO und die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren auf §§ 47, 48 GKG. gez.