Inhalt

VGH München, Beschluss v. 22.12.2022 – 8 BV 22.2392
Titel:

Wasserrechtliche Gestattung für den Einbau und Betrieb einer automatischen Rechenreinigungsanlage für ein Wasserkraftwerk

Normenketten:
WHG § 32 Abs. 1 S. 1
VwGO § 161 Abs. 2 S. 1
Leitsatz:
Verbleibt Schwemmgut auch während des Reinigungsvorgangs in dem Gewässer und wird es durch die Anlage nur "durchgeleitet", kann es mangels "Entnahme" in das Gewässer auch nicht (wieder) eingebracht werden iSd § 32 Abs. 1 S. 1 WHG. Dies gilt jedenfalls dann, wenn keine Pflicht zur Entnahme der festen Stoffe besteht. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kostenentscheidung nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen hinsichtlich des Berufungsverfahrens, Verbot des (Wieder-)Einbringens von Schwemmgut in ein Gewässer durch eine automatische Rechenanlage eines Wasserkraftwerks, Kostenentscheidung nach Billigkeit, Wasserkraftwerk, Rechenreinigungsanlage, Einbau, Gestattung, Versagungsgrund, feste Stoffe, oberirdische Gewässer, Einbringung, Schwemmgut, Fließgewässer, Reinigungsvorgang, übereinstimmende Erledigungserklärungen, Berufungsverfahren, Kostenentscheidung, Erfolgsaussichten
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 06.05.2019 – Au 9 K 17.1591
Fundstelle:
BeckRS 2022, 40285

Tenor

I. Das Berufungsverfahren wird eingestellt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

1
Das Berufungsverfahren ist in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, weil es durch die Erledigungserklärungen der Hauptbeteiligten beendet worden ist. Eine Zustimmung der Beigeladenen ist nicht erforderlich (BVerwG, U.v. 15.11.1991 - 4 C 27.90 - NVwZ-RR 1992, 276 Rn 23; BayVGH, B.v. 28.9.2016 - 15 CE 16.1374 - juris Rn. 9; Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 161 Rn. 14). Die Beschränkung der Erledigungserklärungen auf das Rechtsmittel der Berufung ist rechtlich zulässig. Infolge der Beschränkung der Erledigungserklärungen hat das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 6. Mai 2019 weiterhin Bestand (vgl. BVerwG, B.v. 22.4.1994 - 9 C 456.93 - NVwZ 1995, 372 = juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 9.2.2010 - 1 B 09.2946 - juris Rn. 5; B.v. 24.4.2019 - 8 ZB 18.32096 - juris Rn. 1 m.w.N).
2
Über die Kosten des Verfahrens ist nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 VwGO). In der Regel entspricht es billigem Ermessen, gemäß dem Grundsatz des § 154 Abs. 1 VwGO dem Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der ohne die Erledigung in dem Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre. Dabei sind für die notwendige überschlägige Überprüfung des Streitstoffs aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit weitere Sachverhaltsermittlungen und Beweiserhebungen nicht mehr geboten und schwierige Rechtsfragen nicht mehr zu klären (vgl. BVerwG, B.v. 24.2.2017 - 2 C 6.16 - juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 19.6.2018 - 22 CS 18.781 - juris Rn. 4; SaarlOVG, B.v. 25.9.2019 - 2 B 255/19 - juris Rn. 1 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 161 Rn. 15).
3
Danach im erscheint es vorliegenden Fall billig, die Kosten der Klägerin aufzuerlegen, weil die Berufung mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg gehabt hätte.
4
Zwar bestehen Bedenken gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, der beantragten wasserrechtlichen Gestattung für den Einbau und Betrieb einer automatischen Rechenreinigungsanlage für das von der Klägerin betriebene Wasserkraftwerk stehe der Versagungsgrund des § 32 Abs. 1 Satz 1 WHG entgegen. Nach dieser Bestimmung dürfen feste Stoffe in ein oberirdisches Gewässer nicht eingebracht werden, um sich ihrer zu entledigen. Das Verbot des § 32 Abs. 1 Satz 1 WHG gilt auch für Stoffe, die sich vor ihrer Entnahme bereits im Gewässer befunden haben, wie etwa das Schwemmgut in Fließgewässern, das - wie in dem streitgegenständlichen Verfahren - als Rechengut in dem Gewässer vor den Turbinen einer Wasserkraftanlage zu deren Schutz aufgefangen und wieder in das Unterwasser zurückbefördert wird (vgl. BVerwG, U.v. 13.7.1979 - 4 C 10.76 - VerwRspr 1980, 423/425 - beck-online; B.v. 27.1.1997 - 11 B 1.97 - juris Rn. 2 jeweils zu § 26 WHG a.F.; BayVGH, U.v. 8.12.1987 - 8 B 85 A. 940 - S. 7); unerheblich ist dabei, ob das entnommene Rechengut manuell oder automatisch in das Gewässer zurückbefördert wird (vgl. Czychowski/Reinhardt, Wasserhaushaltsgesetz, 12. Aufl. 2019, § 32 Rn. 9 m.w.N.). Voraussetzung ist in diesem Fall jedoch, dass das aufgefangene Schwemmgut zunächst aus dem Wasser entnommen wird, bevor es in das Gewässer (wieder) eingebracht wird (vgl. BVerwG, U.v. 13.7.1979 - 4 C 10.76 - a.a.O.; zum Begriff des „Entnehmens“ vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 3 WHG). Verbleibt das Schwemmgut dagegen auch während des Reinigungsvorgangs in dem Gewässer und wird es durch die Anlage nur „durchgeleitet“, was nach Auffassung des Verwaltungsgerichts hier offenbar der Fall war (vgl. Urteilsabdruck Rn. 24, 31), kann es mangels „Entnahme“ in das Gewässer auch nicht im (wieder) eingebracht werden Sinn des § 32 Abs. 1 Satz 1 WHG. Dies gilt jedenfalls dann, wenn keine Pflicht zur Entnahme der festen Stoffe besteht (vgl. BayVGH, U.v. 8.12.1987 - 8 B 85 A. 940 - S. 7; Rossi in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG AbwAG, Stand Febr. 2022, § 32 Rn. 16).
5
Dennoch wäre die Berufung voraussichtlich zurückgewiesen worden, weil sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts wohl jedenfalls im Ergebnis als zutreffend erwiesen hätte (§ 144 Abs. 4 VwGO entsprechend). Der Klägerin fehlte nämlich für die begehrte Gestattung das Sachbescheidungsinteresse, weil der Antrag vom 31. Mai 2017 aus den im Schriftsatz der Landesanwaltschaft Bayern vom 27. Mai 2020 dargestellten Gründen nicht den Anforderungen des Art. 67 Abs. 2 Satz 2 BayWG in Verbindung mit der Verordnung über Pläne und Beilagen in wasserrechtlichen Verfahren (WPBV) vom 13. März 2000 (GVBl 2000, 156) entsprach und deshalb nicht hinreichend bestimmt war.
6
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden für erstattungsfähig erklärt, weil diese einen Antrag gestellt und sich damit dem Risiko ausgesetzt haben, selbst Kosten auferlegt zu bekommen (§ 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO).
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 51.1 des Streitwertkatalogs über die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (NVwZ 2004, 1327).
8
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 VwGO).