Titel:
Verordnung über die Aufhebung von Schonzeiten, natürliche Verjüngung der standortgemäßen Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen (, Teilbarkeit der Verordnung, Schonzeiten-Aufhebung aus besonderen Gründen, insbesondere aus Gründen der Landeskultur und zur Vermeidung von übermäßigen Wildschäden, Bestimmtheit und Normenklarheit der Verordnung, Naturwaldflächen in der Verordnungskulisse, Maßnahmen zur Erhaltung von Natura2000-Gebieten, Frage erheblicher Störungen (insbesondere: Raufußhühner, Gams, Steinadler)
Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 2
BJagdG § 21 Abs. 1, Abs. 2, § 22 Abs. 1 S. 3
BayJG Art. 1 Abs. 2 Nr. 3, Art. 32 Abs. 2 S. 2, Art. 33 Abs. 3 Nr. 1
BayWaldG Art. 1 Abs. 2 Nr. 2, Art. 12a Abs. 2
Verordnung der Regierung von Oberbayern über die Änderung der Jagdzeiten für Schalenwild in den Sanierungsgebieten im Regierungsbezirk Oberbayern vom 22. Februar 2019 (OBABl. 2019 S. 40)
RL 79/409/EWG über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (Vogelschutz-Richtlinie ABl EG Nr. L 103 S. 1) Art. 2 ff.
RL 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie ABl EG Nr. L 206 S. 7) Art. 7
FFH-Richtlinie Art. 6 Abs. 2 ff.
Leitsätze:
1. Die Aufhebung von Schonzeiten zur Ermöglichung/Unterstützung der Schutzwaldsanierung kann auf Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG gestützt werden (Gründe der Landeskultur, Schutz vor übermäßigen Wildschäden, sonstiger besonderer Grund). (Rn. 181)
2. Eine Abgrenzung des Geltungsbereichs einer jagdlichen Verordnung, die bei dem jeweiligen Abschuss die Feststellung erlaubt, dass der Jagdausübungsberechtigte und das angesprochene Wild im Geltungsbereich stehen, genügt dem Bestimmtheitserfordernis. (Rn. 228 und 231)
3. Naturwaldflächen in den Verordnungsteilgebieten, die keine Schnittmenge mit Sanierungsflächen aufweisen, haben grundsätzlich keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verordnung. Eine fehlerhafte Naturwaldausweisung auf einer Sanierungsteilfläche hat auf diese keine direkte Auswirkung. (Rn. 239 und 242)
4. Die Jagd auf Schalenwild ist in Natura2000-Gebieten eine Gebietserhaltungsmaßnahme, die keiner Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie bedarf, wenn sie die natürliche Verjüngung der standortgemäßen Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen ermöglicht und gewährleistet, dass es nicht zu Störungen kommt, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele und den Schutzzweck maßgeblichen Bestimmungen führen können. (Rn. 249 – 250)
5. Nach dem Ergebnis des Verfahrens erfüllen die Abschusspläne, die streitgegenständliche Verordnung und auch die zur Schutzwaldsanierung gehörenden nichtjagdlichen Maßnahmen, derentwegen die Schalenwild-Jagd der Beigeladenen (Körperschaft des öffentlichen Rechts mit der Aufgabe, den Staatsforst zu verwalten) stattfindet, die in Leitsatz 4 genannten Voraussetzungen für Gebietserhaltungsmaßnahmen. (Rn. 222, 256, 274, 287 – 288 und 300 – 301)
6. Verstöße gegen wasserrechtliche oder tierschutzrechtliche Bestimmungen sind ebenfalls nicht zu erkennen. (Rn. 305 und 307)
Schlagworte:
Verordnung über die Aufhebung von Schonzeiten, natürliche Verjüngung der standortgemäßen Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen (, Teilbarkeit der Verordnung, Schonzeiten-Aufhebung aus besonderen Gründen, insbesondere aus Gründen der Landeskultur und zur Vermeidung von übermäßigen Wildschäden, Bestimmtheit und Normenklarheit der Verordnung, Naturwaldflächen in der Verordnungskulisse, Maßnahmen zur Erhaltung von Natura2000-Gebieten, Frage erheblicher Störungen (insbesondere: Raufußhühner, Gams, Steinadler)
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Urteil vom 07.11.2024 – 3 CN 1.23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 40267
Tenor
1. Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsteller dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Die Antragsteller richten sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen die am 22. Februar 2019 im Oberbayerischen Amtsblatt bekannt gemachte, zum 22. Februar 2019 in Kraft getretene und am 31. Juli 2024 außer Kraft tretende Verordnung über die Änderung der Jagdzeiten für Schalenwild in Sanierungsgebieten im Regierungsbezirk Oberbayern vom 22. Februar 2019.
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Die Antragsteller sind Inhaber des Eigenjagdreviers „Eschenlohe-Wengwies“, das in den Gemarkungen Ohlstadt und Eschenlohe (Landkreis Garmisch-Partenkirchen) liegt, der Hochwildhegegemeinschaft Werdenfels-Ost zugeordnet ist und ca. 1050 ha Fläche aufweist, die ganz überwiegend über 1000 Höhenmeter liegen und von denen ca. 850 ha in ihrem Miteigentum stehen. Angaben der zuständigen Forstbehörde zufolge umfasst das Eigenjagdrevier die nach Süd-Ost streichenden Berghänge des Osterfeuerbergs, die nach Süden exponierten Hänge von Hirschberg und Sattmannsberg und den Nord-Westhang des Simmetsbergs, ist es zu rund 95% bewaldet (bei einem Schutzwaldanteil von ca. 90%) und liegt es im Wildbacheinzugsgebiet der Eschenlaine. Die Antragsteller sind in diesem Eigenjagdrevier auch Jagdausübungsberechtigte.
3
Das Eigenjagdrevier grenzt mit seiner Ostseite zu einem Viertel an das Staatsjagdrevier Isarwinkel an, in dem die Beigeladene Maßnahmen zur Schutzwaldsanierung betreibt, und zu drei Vierteln an das Eigenjagdrevier Ohlstadt IV, dessen Fläche einen von Norden nach Süden sich verjüngenden Keil zwischen dem Eigenjagdrevier und dem Staatsjagdrevier bildet.
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Der streitgegenständlichen Verordnung gingen zunächst Einzelverwaltungsakte zur Schonzeitverkürzung für zahlreiche Gebiete in Oberbayern und anschließend (zum Zwecke der Vereinheitlichung der Regelungen) vier Rechtsverordnungen mit im Wesentlichen gleichem Inhalt und identischer Zielsetzung voraus. Es handelte sich um folgende Verordnungen:
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1. Verordnung über die Aufhebung der Schonzeit für Schalenwild im Regierungsbezirk Oberbayern vom 27. Januar 2000 mit Geltung vom 15. Februar 2000 bis zum 1. August 2002.
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2. Verordnung über die Änderung der Jagdzeiten für Schalenwild in Sanierungsgebieten im Regierungsbezirk Oberbayern vom 21. Februar 2003 mit Geltung vom 8. März 2003 bis zum 1. August 2008.
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3. Verordnung über die Änderung der Jagdzeiten für Schalenwild in Sanierungsgebieten im Regierungsbezirk Oberbayern vom 9. Dezember 2008 mit Geltung vom 15. Dezember 2008 bis zum 14. Dezember 2013.
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4. Verordnung über die Änderung der Jagdzeiten für Schalenwild in Sanierungsgebieten im Regierungsbezirk Oberbayern vom 14. Februar 2014 mit Geltung vom 22. Februar 2014 bis zum 21. Februar 2019.
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Die mit Beschluss vom 21. August 2019 beigeladenen Bayerischen Staatsforsten haben mit am 16. Oktober 2018 bei der Regierung von Oberbayern eingegangenem Schreiben vom 15. Oktober 2018 den Erlass einer (auf Basis ihres Antrags inhaltlich unverändert mit der angepassten Flächenkulisse der Staatsjagdreviere) neuen Verordnung unter Vorlage von Formblättern beantragt. Zudem haben die Jagdgenossenschaft Ettal und die Privatwaldgemeinschaft Oberammergau die Verlängerung der Schonzeitaufhebung für die Gebiete Laber-Lichtenstätt und Laber (zusammen Verordnungsteilgebiet „Laber“) jeweils mit am 12. November 2018 bei der Regierung von Oberbayern eingegangenem Schreiben vom 22. Oktober 2018 unter Vorlage von Formblättern beantragt.
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Die Bayerischen Staatsforsten haben ihren Antrag wie folgt begründet:
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„Die Schutzwaldsanierung, deren Ziel die Wiederherstellung eines funktionstauglichen, naturnahen Schutzwaldes im Gebirge ist, stellt eine der gemeinsamen Schwerpunktaufgaben von Bayerischer Forstverwaltung (FoV) und den Bayerischen Staatsforsten (BaySF) dar. Mit hohem personellem und finanziellem Aufwand werden sich auflösende Altbestände und unbestockte Flächen mit standortgemäßen Baumarten so verjüngt, dass diese Flächen in Zukunft ihre oft vielfältigen Schutzfunktionenwieder erfüllen und zur Sicherung unserer Lebensgrundlagen beitragen können. Die Planung obliegt dabei der FoV, die konkrete Umsetzung der Planung liegt im Rahmen eines jährlichen Vertrages in der Verantwortung der BaySF
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1) Bedeutung der Verordnung über die Änderung der Jagdzeiten in Sanierungsgebieten im Regierungsbezirk Oberbayern (VO) für den Erhalt des Schutzwaldes
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Wie die Erfahrung aus über drei Jahrzehnten Schutzwaldsanierung zeigt, sind die Zielsetzungen unter den zumeist widrigen Standortsverhältnissen nur sehr langfristig - vielfach bedarf es hierzu mehrere Jahrzehnte - zu erreichen. Die Regulierung örtlich überhöhter Schalenwildbestände und deren zeitliche und räumliche Steuerung ist eine wichtige, oft sogar die entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Verjüngung der Flächen und deren weitere ungestörte Entwicklung. Die Verordnung über die Änderung der Jagdzeiten in Sanierungsgebieten im Regierungsbezirk Oberbayern (VO) vom 14. Februar 2014 hat sich als effizientes Instrument für diese Raum-Zeit-Steuerung des Wildes in den Sanierungsgebieten erwiesen. Diesbezüglich verweisen wir auch auf Urteil des BayVGH vom 11.12.2017 zu vorgenannter VO. Der Senat hat hier ausgeführt: „Die von der [BaySF] im Zuge der Beantragung des Verordnungserlasses beschriebene Strategie der letalen Vergrämung verfolgt das Ziel, das Schalenwild durch konzentrierte und punktuelle Bejagung von der Sanierungsfläche […] fernzuhalten. Auf diese Weise soll der Verbiss sowohl der natürlichen a/s auch der von der Forstverwaltung eingebrachten künstlichen Bergwaldverjüngung durch Schalenwild verhindert und dadurch ein gesunder und funktionsfähiger Schutzwald gewährleistet werden. […]“
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„Für den Senat besteht kein Anlass, die Geeignetheit der von der Beigeladenen verfolgten Jagdstrategie der Vergrämung grundsätzlich in Zweifel zu ziehen; […]"(Urteil BayVGH vom11.12.2017, Az.:19 N 14.1022, Randnummer 160)
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Durch die Angleichung der Jagdzeiten für die Schalenwildarten Gams-, Reh- und Rotwild und die Möglichkeit der ganzjährigen, letalen Vergrämung hat sich die Verbisssituation in zahlreichen Sanierungsgebieten deutlich verbessert, sodass die Verjüngung weitgehend ungestört aufwachsen und in angemessener Zeit die Schutzfunktionen übernehmen kann.
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Die Sicherung dieser Schutzfunktionen, v.a. des Objektschutzes gegen Lawinen, Steinschlag oder bei gefährlichen Wildbächen liegt im überwiegenden Interesse des Gemeinwohls und kann auf den betroffenen Flächen nur mit Hilfe der VO langfristig wiederhergestellt bzw. auf Dauer sichergestellt werden. Der 19. Senat des BayVGH hat hierzu zurecht festgestellt:
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„Der mit der Verordnung angestrebte Schutz des Bergwaldes stellt darüber hinaus einen besonderen Grund der Landeskultur i. S.d. § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG dar.“ (Urteil BayVGH vom 11.12.2017,Az.:19 N 14.1022, Randnummer 102).
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Demnach ist davon auszugeben, dass alleine der Schutz des Bergwaldes aus Gründen der Landeskultur, einen Rechtfertigungsgrund für eine letale Vergrämung darstellt. Der überwiegende Teil der beantragten VO-Fläche (ca. 75%) setzt sich aus Sanierungsgebieten mit den Flächenkategorien Priorität 2 (Objektschutzfunktion, Einzugsbereich gefährlicher Wildbäche) bzw. Priorität 1 (sehr hohe Objektschutzfunktion, Einzugsbereich besonders gefährlicher Wildbäche) zusammen. Bzgl. der Definition der in der Schutzwaldsanierung verwendeten Flächenkategorien und Prioritäten wird auf die Anlage f) verwiesen. Auf weiteren ca. 6.200 ha Fläche ist die Schonzeitaufhebung notwendig, um die dort bereits getätigten Investitionen in Millionenhöhe erfolgreich zu sichern.
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In zahlreichen Sanierungsgebieten sind über längere Zeit noch weitere Anstrengungen notwendig, um den Verbiss nachhaltig zu senken. Insbesondere steile, sonnseitig exponierte und demzufolge selbst im Winter oft schneefreie Schutzwaldlagen weisen nach wie vor häufig einen besonders hohen Verbissdruck auf, weil sie beliebte Einstandsgebiete, v.a. für das Gamswild, darstellen. Auf diesen Flächen steht das Wild, teils in hohen Konzentrationen, bis ins beginnende Frühjahr. Der Verbissschwerpunkt liegt, wie mit Fotofallen nachgewiesen wurde, in den Monaten März und April (entsprechende Unterlagen können bei Bedarf vorgelegt werden).
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Daneben gibt es lokale Besonderheiten, z.B. räumliche Nähe zu Wintergattern, wo Wild auf dem Weg zum Gatter oder auf dem Weg zu den Sommereinständen erhöhten Verbissdruck im Frühjahr in den umliegenden Sanierungsgebieten erzeugt. Hier wie dort muss die ergänzende Schwerpunktbejagung außerhalb der regulären Jagdzeiten im Rahmen der geltenden Abschusspläne weiter möglich sein.
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Darüber hinaus hat im oberbayerischen Hochgebirge der Orkan Kyrill im Januar 2007 für zahlreiche Kahlflächen gesorgt. Viele dieser Flächen sind Schutzwald und wurden damals von den Fachstellen für Schutzwaldmanagement aufgrund der Schäden durch den Orkan entweder in bestehende Sanierungsgebiete integriert oder als neue Sanierungsgebiete ausgewiesen. Als Beispiel sei das Sanierungsgebiet TS 27 Rottauer Tal genannt. Dort ist der Schutzwald aufgrund der Auswirkungen des Orkans mit nachfolgendem Borkenkäferbefall noch immer teilweise stark verlichtet, die Verjüngung leidet unter hohem Verbissdruck, der Fichtenaltbestand ist wenig vital. Der Schutzwald kann dort seine Objektschutzfunktion gegen Steinschlag und Lawinen für die Ortschaft Rottau nicht mehr ausreichend erfüllen.
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Im Gegenzug zur Neuaufnahme solcher Flächen werden andere Flächen, wie beispielsweise das Lattengebirge am Forstbetrieb Berchtesgaden aus der künftigen VO-Kulisse herausgenommen bzw.in ihrer Flächenausdehnung reduziert, weil deren positive Entwicklung dies zulässt.
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2) Vorgehen bei der Flächenauswahl und -ausformung
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Für die konkrete Flächenauswahl haben die Forstbetriebe zunächst ihre Kartensätze auf Vollständigkeit und Richtigkeit der Informationen hinsichtlich Sanierungsgebieten, Sanierungsflächen und VO-Flächen überprüft. Anschließend wurde auf Forstbetriebsebene (Leitungs-, Revierdienst und Berufsjäger) beurteilt, inwieweit die Schonzeitaufhebung für den Sanierungserfolg weiterhin notwendig ist oder in ihrem Umfang reduziert werden könnte bzw. ob zusätzliche Flächen aufgenommen werden müssen.
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Die entsprechenden Flächen wurden an den Forstbetrieben flächenscharf in das Geoinformationssystern der BaySF eingepflegt. Zusätzlich werden die Grenzen an nicht eindeutig sichtbaren Geländemarken mit entsprechenden Farb-Markierungen versehen. Damit sind die Flächen für jeden Jagdausübenden jederzeit im Gelände nachvollziehbar.
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In einem zweiten Schritt wurden die forstbetriebsweise aktualisierten Kartensätze und die Dokumentationsblätter mit der jeweils örtlich zuständigen Fachstelle für Schutzwaldmanagement und den jeweiligen Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) abgestimmt (siehe Anlage b) Dokumentationsblätter und Karten). Die Fachstellen haben dabei die bislang getätigten Maßnahmen und die in den nächsten Jahren geplanten Investitionen sowie die Einstufung der Sanierungsgebiete und Sanierungsflächen nach Prioritäten gemäß ihres Schutzzwecks bzw. ihrer Schutzfunktion vermerkt (siehe Anlage f) Priorisierung der Flächen).
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Anschließend wurden die entsprechenden Kartensätze mit den jeweiligen Kreisgruppen des Landesjagdverbandes, den zuständigen unteren Naturschutz- und unteren Jagdbehörden diskutiert. Überwiegend war man sich einig, dass der Erlass einer neuen VO mit den beabsichtigten Flächenanpassungen nach Ablauf der Geltungsdauer im Februar 2019 nachvollziehbar und gerechtfertigt ist. Nach Rücksprache unserer Forstbetriebe haben die BJV-Kreisgruppen Rosenheim, Traunstein, Berchtesgaden und Bad Tölz den forstbetrieblichen Planungen zugestimmt. Die Kreisgruppen Miesbach und Garmisch-Partenkirchen stimmen mit dem geplanten Vorgehen grundsätzlich überein, sehen die Notwendigkeit der VO aber lediglich bei Flächen mit Priorität 1 (eigene Definition des BJV; Objekt- bzw. Personenschutz).
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Die abgestimmten Vorschläge der Forstbetriebe für die neue Flächenausformung der VO-Kulisse wurden auf den Karten dergestalt festgehalten, dass diese die ursprüngliche Kulisse mit den Flächenzugängen und -abgängen abbilden (siehe Anlage b) Dokumentationsblätter und Karten). Zudem wurde eine landkreis- bzw. forstbetriebsweise Flächenbilanz (Anlage a)) erstellt. Die überarbeiteten Karten und die Dokumentationsformblätter stellen wir Ihnen als Grundlage für die neu zu erlassende VO zur Verfügung. Wir sind davon überzeugt, dass mit der engen Abstimmung vor Ort zwischen den Forstbetrieben, den unteren Jagdbehörden, den Kreisgruppen des BJV und dem amtlichen Naturschutz sowie einem weiterhin transparenten Verfahren eine höchstmögliche Akzeptanz für die neue Flächenkulisse erreicht werden kann.
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Bei der Flächenauswahl wurde besonders darauf geachtet, dass auch die Lebensraumansprüche des Gamswildes in den Planungen berücksichtigt werden. So haben unsere Auswertungen ergeben, dass die neuen VO-Gebiete nur etwa 38% sonnseitige Lagen und damit bevorzugte Wintereinstände des Gamswildes umfassen (siehe Anlage d) Übersichtskarte „Sonnseitige Lagen“). Die übrigen 62% der Flächen liegen auf schattseitigen Lagen, die im Winter nur sporadisch von Gamswild aufgesucht werden. Diese Anteile spiegeln fast exakt die Flächenverteilung für das gesamte Wuchsgebiet 15 „Bayerische Alpen“ wieder. So wird sichergestellt, dass dem Gamswild weiterhin ausreichend Winterlebensräume und Ausweichflächen zur Verfügung stehen. Im Vergleich zur aktuellen VO der Regierung von Oberbayern vom 14. Februar 2014 hat die Gesamtfläche der nun beantragten VO-Gebiete um 3.815 ha bzw. 13% abgenommen (siehe Anlage a) Tabellarische Flächenbilanz). Die neue VO-Fläche würde ca. 16% der Regie-Jagdfläche im Hochgebirge umfassen. Weitere Änderungen an der Abgrenzung der VO-Gebiete resultieren aus jagdlichen Erfahrungen der Vergangenheit, so können manche Teilflächen außerhalb der Jagdzeiten aufgrund von Lawinengefahr und Gelände nicht durchgehend bejagt werden und wurden daher aus der Antrags-Kulisse genommen. In einigen Fällen wurden die Grenzen der VO-Gebiete auch geringfügig geändert, um sie an markante, in der Natur erkennbare oder natürliche Grenzverläufe, wie beispielsweise Bachläufe, Bergkämme, Steige oder Forststraßen anzupassen.
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3) Berücksichtigung naturschutzfachlicher Belange
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Der Erlass der beantragten VO steht im Einklang mit den Vorschriften zum Gebiets- und Artenschutz und erfüllt die Anforderungen die mit Natura-2000 Gebieten verbunden sind. Um dies auch in der Umsetzung zu garantieren, erfolgt die Bejagung auf den VO-Flächen grundsätzlich nur durch Beschäftigte der BaySF, denen die sensiblen Raufußhuhnbiotope (Überwinterungs-, Balz-, Brut- und Aufzuchtgebiete) bekannt sind. Besonders zuverlässige, erfahrene, effiziente und ortskundige, private Jäger können im Einzelfall, nach einer intensiven Einweisung in die speziellen örtlichen jagd-, forst- und naturschutzrelevanten Verhältnisse der jeweiligen VO-Flächen ebenfalls mit Vergrämungsabschüssen betraut werden.
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Die Bejagung berücksichtigt insgesamt die Anforderungen des Raufußhuhn- und Steinadlerschutzes. In den Kerngebieten der Raufußhühner wird im Hochwinter (Überwinterungszeit) nicht gejagt. Die Balzplätze der Raufußhühner sind bekannt und werden bei der Umsetzung der VO berücksichtigt. Auch im Frühsommer, während der Aufzuchtzeit konzentriert sich die Bejagung im Rahmen der Schonzeitaufhebung auf andere Bereiche ohne Raufußhuhnvorkommen. Ab Februar werden Gebiete mit besetzten Steinadlerhorsten von der Jagd ausgenommen. Dies gilt über die Brutzeit hinweg bis zum Verlassen der Bruthorste (siehe beiliegende Anlage c) Arbeitsanweisung - Bestimmungen der BaySF für die Jagdausübung im Rahmen der VO).
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Abschließend möchten wir nochmals betonen, dass die aktuelle VO sich gut bewährt und einen entscheidenden Beitrag zum Gelingen der Schutzwaldsanierungsmaßnahmen geleistet hat. Sie hat Klarheit und Transparenz geschaffen, einheitliche Verhältnisse im gesamten VO-Gebiet hergestellt und die unterschiedlichen Bejagungszeiten auf Reh-, Rot- und Gamswild harmonisiert. Die im Rahmen der VO getätigten Abschüsse liegen beim Rehwild in der Größenordnung von rund 4,5%, beim Rotwild bei rund 2% und beim Gamswild bei etwa 17% der jeweiligen Gesamtstrecke im Hochgebirge (Zeitraum Jagdjahre 2013/14 bis 2017/18). Diese Zahlen belegen einerseits, dass die Forstbetriebe verantwortungsvoll mit den durch die VO eröffneten Möglichkeiten umgehen. Sie belegen andererseits aber auch die Notwendigkeit des Erlasses einer entsprechenden VO für die Zukunft. Bei den Besprechungen zu den vorgeschlagenen VO-Gebieten zeigte sich, dass für den Erlass einer neuen Verordnung über die Änderung der Jagdzeiten in Sanierungsgebieten im Regierungsbezirk Oberbayern ein durchaus hohes Maß an Akzeptanz besteht. Wir bitten daher, auf der Basis unseres Antrags die neue VO inhaltlich unverändert mit der angepassten Flächenkulisse zu erlassen.“
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Der Verordnungsentwurf samt Unterlagen wurde in den oberbayerischen Landratsämtern (untere Jagdbehörden) Bad Tölz-Wolfratshausen, Berchtesgadener Land, Garmisch-Partenkirchen, Miesbach, Rosenheim und Traunstein in der Zeit vom 29. Oktober bis 25. November 2018 öffentlich ausgelegt. Zusätzlich wurde der Bayerische Jagdverband (mit der Bitte die Kreisgruppen zu informieren), der Bayerische Bauernverband sowie der Bayerische Waldbesitzerverband mit Schreiben vom 18. Oktober 2018 elektronisch unter Übersendung der vollständigen Antragsunterlagen in elektronischer Form informiert und um Stellungnahme bis 16. November 2018 gebeten.
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Im Verfahren zum Erlass der streitgegenständlichen Verordnung haben die Antragsteller - soweit ersichtlich - keine Einwendungen erhoben. Stellungnahmen erfolgten vom Antragsteller im Verfahren 19 N 19.1368, dem Bayerischen Bauernverband, dem Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern (VLAB), der Deutschen Wildtier Stiftung, dem Ökologischen Jagdverband Bayern e.V. (ÖJV), dem Deutschen Tierschutzbund - Landesverband Bayern e.V., dem Verein zum Schutz der Bergwelt e.V., der Arbeitsgemeinschaft naturgemäße Waldwirtschaft (ANW) - Landesgruppe Bayern, dem Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV) dem Bayerischen Waldbesitzerverband e.V., der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald - Landesverband Bayern e.V., dem BUND - Naturschutz in Bayern e.V. (Kreisgruppen Garmisch-Partenkirchen, Bad Tölz-Wolfratshausen, Berchtesgadener Land, Miesbach, Rosenheim, Traunstein) sowie dem Amt für Landwirtschaft und Forsten Weilheim i.OB. Unter anderem nahmen auch der Landesverband Bayern - Bayerischer Jagdverband e.V. (mit dem auch am 7.1.2019 eine Besprechung stattgefunden hat) und die Kreisgruppen Miesbach, Garmisch-Partenkirchen, Bad Tölz und Weilheim Stellung.
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Die ebenfalls beteiligte höhere Naturschutzbehörde hat in einer Stellungnahme vom 21. Dezember 2018 insbesondere ausgeführt, es sei ihr auf der Basis der vorliegenden Unterlagen und ad hoc verfügbaren Daten nicht möglich, innerhalb der für diese Stellungnahme gesetzten Frist eine einzelflächenbezogene Einschätzung des Konfliktpotentials in Bezug auf den Gebiets- und Artenschutz für die einzelnen Verordnungsflächen vorzunehmen. Im zur Verfügung stehenden Zeitrahmen sei jedoch zumindest eine überschlägige Sichtung des umfangreichen Materials möglich. Es sei offensichtlich, dass sich auch der Geltungsbereich der geplanten Verordnung zumindest in Teilen auf Vogelschutzgebiete und Gebiete mit besonderer Bedeutung bezogen auf bestimmte Vogelarten (insbesondere Raufußhühner) erstrecke, in denen Konflikte mit den Erhaltungszielen der Vogelschutzgebiete und mit dem besonderen Artenschutz nicht von vornherein ausgeschlossen werden könnten. Vor dem Hintergrund, dass es sich zum Teil bei den Verordnungsflächen auch um Kerngebiete besonders störungssensibler Raufußhühner handle, könnten erhebliche Beeinträchtigungen der von der geplanten Verordnung mehrfach betroffenen Natura2000-Gebiete, sowohl durch den eigentlichen Abschuss aber auch und wahrscheinlich vor allem durch den häufigen Begang der Flächen, nicht ohne eine flächenscharfe Prüfung ausgeschlossen werden. Die erforderliche naturschutzfachliche Ermittlung und Bewertung der Auswirkungen auf störungssensible Arten sowie gegebenenfalls die Abwägung mit gegenläufigen Belangen sei jedoch nur auf der Basis geeigneter Unterlagen möglich. Dazu gehörten neben einer nachvollziehbaren, auf ihren Schutzwaldcharakter bezogenen Priorisierung der einzelnen Verordnungsflächen auch eine auf aktuellen Erkenntnissen basierende Beurteilung der naturschutzfachlichen Bedeutung jeder einzelnen Verordnungsfläche. Maßgeblich für die Bewertung der Störwirkungen seien neben der Bedeutung des jeweiligen Gebiets für die betreffenden Arten vor allem das Ausmaß der tatsächlichen Störungen. Diese seien durch gezielte Vergrämungs- und Sondierungsbegänge wahrscheinlich viel höher als es die Zahlen der tatsächlich dokumentierten Abschüsse wiedergäben. Nähere Angaben hierzu ließen sich jedoch den Antragsunterlagen nicht entnehmen; insbesondere seien die in den Formblättern im Abschnitt „Beteiligung des Naturschutzes“ enthaltenen Angaben nach überschlägiger Durchsicht nicht ausreichend. Für eine ausreichende Bewertung der naturschutzrelevanten Auswirkungen der geplanten Verordnung durch die höhere Naturschutzbehörde seien in den Formblättern und Karten des Beigeladenen zu den einzelnen Verordnungsgebieten folgende Angaben grundsätzlich erforderlich: kartographische Darstellung der relevanten naturschutzfachlichen Betroffenheiten, insbesondere der im Umgriff der einzelnen Verordnungsflächen vorhandenen Kernlebensräume für Auer- und Birkhühner (soweit die entsprechenden Daten trotz Ausschöpfens der unten genannten Informationsquellen nicht zu übermitteln seien, könne die Darstellung bei diesen Gebieten in Abstimmung mit der höheren Naturschutzbehörde in anderer Weise erfolgen); Angaben zur geplanten Vorgehensweise bei der Vergrämung (insbesondere Anzahl der Begänge, mögliche Routen der Begänge, Art und Weise der Begänge <mit oder ohne Hund>, Art der angestrebten Jagd <Bewegungsjagd mit Hunden oder Ansitzjagd>); verbindliche Aussagen zu den Vorkehrungen, die getroffen werden, um Störungen zu vermeiden (insbesondere zeitliche und räumliche Beschränkungen, für die Jagdausübung insgesamt oder für bestimmte Maßnahmen). Die Entwürfe der Formblätter und Karten seien von der Beigeladenen unter Heranziehung aller vorhandenen Informationen zu erstellen und mit der höheren Naturschutzbehörde abzustimmen. Die höhere Naturschutzbehörde gehe nach derzeitiger Einschätzung davon aus, dass es mit der beschriebenen Vorgehensweise jedenfalls in der Regel möglich sein sollte, erhebliche Beeinträchtigungen der Natura2000-Gebiete und artenschutzrechtliche Verbotstatbestände zu vermeiden, und dass deshalb aus naturschutzrechtlicher Sicht keine Notwendigkeit für eine eingehende flächenbezogene Bewertung der Notwendigkeit und Dringlichkeit der Schutzwaldsanierung bestehe. Vor diesem Hintergrund werde davon abgesehen, in dieser Stellungnahme auch auf die für eine Abwägung relevanten Aspekte, insbesondere die Priorisierung der Sanierungsflächen, einzugehen. Sollte sich für einzelne Verordnungsgebiete die Notwendigkeit ergeben, die Belange des Gebiets- und Artenschutzes gegen andere Belange abzuwägen, bleibe eine entsprechende ergänzende Stellungnahme vorbehalten. Für den Steinadler als geschützte Art und Erhaltungszielart in mehreren Vogelschutzgebieten könnten sich negative Auswirkungen nicht nur aus Störungen, sondern auch aus der Gefahr einer Bleivergiftung durch die Nahrungsaufnahme ergeben. Aus Sicht der höheren Naturschutzbehörde könnte insoweit eine erhebliche Beeinträchtigung der von der Schonzeitaufhebung betroffenen Steinadlervorkommen durch die Verwendung bleifreier Munition in den Wintermonaten vermieden werden. Vor dem Hintergrund der knappen Zeit bis zum geplanten Erlass der neuen Verordnung erscheine eine entsprechende Ausarbeitung und Abstimmung der erforderlichen Unterlagen weder für die Beigeladene noch für die zuständigen Behörden leistbar. Daher rege die höhere Naturschutzbehörde an, als Übergangslösung die Anlage c) „Bestimmungen der Bayerischen Staatsforsten (BaySF) für die Jagdausübung im Rahmen der Verordnung über die Änderung der Jagdzeiten für Schalenwild in Sanierungsgebieten im Regierungsbezirk Oberbayern“ anzupassen. Ein entsprechender Vorschlag sei der Stellungnahme beigefügt (insbesondere wurde die Ergänzung angeregt, dass in den für den Schutz der Raufußhühner besonders relevanten Bereichen folgende Einschränkungen gälten: „15.12. bis 15.4 keine jagdlichen Aktivitäten und keine nichtletalen Vergrämungsaktivitäten“ und „15.04. bis 15.07 keine störungsintensiven jagdlichen Aktivitäten, insbesondere keine Bewegungsjagden mit Hunden; einzelne punktuelle Jagdereignisse an Tagen ohne kühl-feuchte oder regnerische Witterung wären als tolerabel einzuschätzen“). Dieser stelle als Zwischenlösung bis zur Erstellung geeigneter Unterlagen durch die Beigeladene einen aus Sicht der höheren Naturschutzbehörde fachlich und rechtlich noch vertretbaren Weg dar, um für einen begrenzten Zeitraum nachhaltige negative Auswirkungen auf die störungssensiblen Arten zu verhindern, ohne in diesem Zeitraum auf die Verkürzung der Schonzeit weitgehend oder vollständig zu verzichten.
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Den Behördenakten ist zu entnehmen, dass am 22. Januar 2019 eine Besprechung von Vertretern der höheren Jagdbehörde mit Vertretern der höheren Naturschutzbehörde stattgefunden hat.
38
Die streitgegenständliche Verordnung über die Änderung der Jagdzeiten für Schalenwild in Sanierungsgebieten im Regierungsbezirk Oberbayern vom 22. Februar 2019 wurde am 22. Februar 2019 im Oberbayerischen Amtsblatt bekannt gemacht und hat folgenden Inhalt:
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In den in § 2 bezeichneten Gebieten darf die Jagd im Rahmen der geltenden Abschussplanung abweichend von den gesetzlichen Schonzeiten wie folgt ausgeübt werden:
41
Hirsche Klasse III vom 1. Februar bis 31. Juli
42
Kälber vom 1. Februar bis 31. März
43
Schmaltiere vom 1. April bis 31. Mai
45
Gamswild vom 16. Dezember bis 31. Januar
46
Böcke, Jährlinge und weibliches Gamswild bis zwei Jahre
47
vom 1. Februar bis 31. Juli;
48
Kitze vom 1. Februar bis 31. März
50
Böcke vom 16. Oktober bis 30. April
51
Kitze vom 16. Januar bis 31. März
52
Schmalrehe vom 16. Januar bis 31. Januar und vom 1. April
54
Geißen vom 16. Januar bis 31. Januar
55
(1) Die in § 1 geregelte Schonzeitaufhebung gilt für die in den Verordnungskarten (Maßstab 1 : 25 000) dargestellten Flächen folgender Sanierungs- bzw. Gefährdungsgebiete:
56
1. Im Landkreis Berchtesgadener Land:
75
2. Im Landkreis Traunstein:
95
Schneiderhanggraben-Nord
96
Schneiderhanggraben-Süd
105
3. Im Landkreis Rosenheim:
110
4. Im Landkreis Miesbach:
122
5. Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen:
132
Wasserberge (einschließlich Teilfläche im Landkreis Miesbach)
133
6. Im Landkreis Garmisch-Partenkirchen:
134
Enning, Bereich Hirschbichl
135
Enning, Bereich Reschberg
144
Kienjoch, Bereich Windstierl
153
(2) Diese Gebiete sind als gerasterte Flächen in 5 Kartenblättern, Maßstab 1 : 200 000, und, abgegrenzt durch rote Linien, in 25 Karten, Maßstab 1 : 25 000, jeweils ausgefertigt durch die Regierung von Oberbayern, eingetragen. Die Karten im Maßstab 1 : 200 000 werden als Bestandteil dieser Verordnung (Anlage, Blatt 1 - 5) veröffentlicht und dienen zur Orientierung über die Lage der Gebiete im Regierungsbezirk Oberbayern. Die Karten im Maßstab 1 : 25 000 werden als Bestandteil der Verordnung bei der Regierung von Oberbayern archivmäßig verwahrt und sind während der Dienststunden (Montag bis Donnerstag von 9:00 Uhr bis 12:00 Uhr und von 13:00 Uhr bis 15:00 Uhr, Freitag von 8:00 Uhr bis 12:00 Uhr) allgemein zugänglich. Sie werden außerdem bei den zuständigen Landratsämtern (untere Jagdbehörden) hinterlegt und können dort während der üblichen Dienststunden eingesehen werden. In Zweifelsfällen über den genauen Geltungsbereich der Verordnung sind die archivmäßig verwahrten Karten, Maßstab 1 : 25 000 (Innenseite der roten Linien), maßgebend.
154
Diese Verordnung tritt am 22. Februar 2019 in Kraft; sie tritt am 31. Juli 2024 außer Kraft.“
155
Mit Schriftsatz vom 31. Januar 2020 haben die Antragsteller einen Normenkontrollantrag gegen die streitgegenständliche Verordnung gestellt und diesen nach gewährter Akteneinsicht im August 2019 (erst) - nach Aufforderung durch den Senat mit gerichtlichem Schreiben vom 27. November 2020 - mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2020 begründet. Zur Begründung ihres Antrags tragen die Antragsteller - unter Verweis auf ihr Vorbringen in den Verfahren 19 N 18.497 und 19 N 19.1625 (zu den Vorgängerverordnungen) sowie auf das Vorbringen in dem Parallelverfahren 19 N 19.1368 (und in den betreffenden Eilverfahren) einer Naturschutzvereinigung gegen die streitgegenständliche Verordnung - insbesondere vor, der Antrag sei zulässig. Die Rechtsverordnung sei von der zugrunde gelegten Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt. Besondere Gründe für eine Schonzeitverkürzung lägen nicht vor. Im Rahmen des Verordnungserlasses habe keine (ordnungsgemäße) Beteiligung der Naturschutzverwaltung stattgefunden. Des Weiteren verstoße die Rechtsverordnung auch gegen höherrangiges Recht. Sie sei zu unbestimmt, verstoße gegen die Grundsätze der Normenklarheit, der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Rechtsstaatlichkeit sowie gegen das Rechtsstaatsprinzip. Sie verstoße gegen Art. 12a Abs. 2 BayWaldG und Art. 14 Abs. 1 GG sowie Art. 103 Abs. 1 BV. Weitere Verstöße ergäben sich aus dem Europarecht, namentlich der Vogelschutzrichtlinie 79/409/EWG und der FFH-RL 92/43/EWG, sowie dem Tierschutz aus Art. 20 a GG. Auch den Schutzvorgaben und Wertungen des Art. 141 Abs. 1 Satz 3 BV trage die Verordnung nicht Rechnung. Außerdem sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus mehreren Gründen nicht gewahrt.
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Die Antragsteller halten die Verordnung aus einer Vielzahl von Gründen für formell und materiell rechtswidrig. Die von der Ermächtigungsgrundlage des Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG geforderten „besonderen Gründe“ seien nicht gegeben. Der Verordnungsgeber verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip, weil er für den Inhalt der Verordnung nicht die gesetzliche Ermächtigung in Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG zum Maßstab genommen habe, sondern sich vielmehr durchgängig bei den von ihm vorgenommenen Verfahrenschritten sowie in den Stellungnahmen zu allen Einwendungen grundsätzlich auf die Ausführungen im durch das Bundesverwaltungsgericht aufgehobene Senatsurteil vom 11. Dezember 2017 in der Sache 19 N 14.1022 stütze. Der Begriff der „Landeskultur“ habe in ganz Bayern den vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten (gleichen) Inhalt. Da die landeskulturellen Belange bereits im Rahmen des Abschussplanverfahrens berücksichtigt würden, könnten - wenn die Landeskultur weitergehend Grundlage für die Anordnung einer Ausnahme von der bundes- bzw. landesrechtlich geregelten Schonzeit für Schalenwild sei - nur „besondere Gründe der Landeskultur“ einen derartigen Eingriff rechtfertigen. Soweit der Antragsgegner als besonderer und landesspezifischer Grund der Landeskultur auf das Schutzwaldsanierungsprogramm abstelle, habe er für kein Gebiet geprüft, ob es sich dabei um Schutzwald handle, der sanierungsbedürftig und sanierungsfähig sei bzw. inwieweit die streitgegenständliche Verordnung insoweit einen messbaren Beitrag leisten könnte und müsste. Zu keiner Sanierungsfläche sei eine Rückfrage an die Forstverwaltung gestellt worden. Es wäre zu erwarten und für eine sachgerechte Entscheidung erforderlich gewesen, dass der Antragsgegner zu auf forstfachliche Fragen bezogenen Einwendungen die Stellungnahme der Fachbehörde einhole und diese in seinen Entscheidungsprozess einbeziehe. Dies sei jedoch nicht in nachvollziehbarer Weise geschehen. Weder ließen sich die Inhalte und Ergebnisse der behaupteten „enge[n] Abstimmung mit dem StMELF und den BaySF“ aus dem Verwaltungsunterlagen (siehe Blatt 372 der Verwaltungsakten) erkennen noch welche Erwägungen in diesem Zusammenhang für die Entscheidung des Verordnungsgebers von Bedeutung gewesen seien. Es sei nicht hinterfragt worden, warum außerhalb der Verordnungsteilgebiete liegende Sanierungsflächen nicht in die Verordnung einbezogen worden seien. Bezüglich Flächen, auf denen z.B. Pflanzenmaßnahmen erst geplant seien, lägen keine „besonderen Gründe“ vor. Die Vornahme einer Erstaufforstung könne keinen besonderen Grund im Sinne der Ermächtigungsnorm darstellen. Eine Gleichsetzung von Bergwald und Schutzwald sei objektiv nicht gerechtfertigt. Bewerte man die Umsetzung des Schutzwaldsanierungsprogramms als eine Ausnahmesituation i.S.d. Art. 33 Abs. 3 BayJG, könne es nur um Schutz-, und nicht um Bergwald gehen. Das Verordnungsgebiet Kienjoch gehe im südlichen Bereich über das Sanierungsgebiet hinaus - womit dies ebenfalls nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt sei. Die Einbeziehung von Flächen, die nicht in einem Sanierungsgebiet lägen und bei denen der Antragsgegner nicht einmal gewusst habe und wisse, ob dort Schutzwald stocke, überschreite die Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung. Die vom Antragsgegner vorgelegte Tabelle bezüglich Wiederaufforstungen und Erstaufforstungen in den Verordnungsteilgebieten sei jedenfalls unter Berücksichtigung der von der Beigeladenen erstellten Formblätter zur Beschreibung der Verordnungsteilgebiete widersprüchlich. Der Antragsgegner behaupte, im Rahmen der Schutzwaldsanierung würden funktionsgestörte und sanierungsnotwendige Schutzwälder nach Art. 10 Abs. 1 BayWaldG aller Waldbesitzarten im Bayerischen Alpenraum erfasst und die erforderlichen Maßnahmen festgelegt. Eine Verbindung zu den vorliegend erheblichen Tatsachen- und Rechtsfragen gebe es nicht und werde vom Antragsgegner auch nicht geltend gemacht. Der Antragsgegner habe die Angemessenheit und Geeignetheit der von der Beigeladenen vorgesehenen „Sanierungsmaßnahmen“ nicht überprüft. Er habe nicht die von der Beigeladenen behauptete Schadenssituation thematisiert. Der Antragsgegner wisse weder, ob die Sanierungsflächen überhaupt als Schutzwald im Schutzwaldverzeichnis eingetragen seien. Der Antragsgegner habe keine Kenntnisse über die Schadensbelastung der Sanierungsflächen durch Wildverbiss. Der Antragsgegner habe sich im Verwaltungsverfahren vor Erlass der streitgegenständlichen Verordnung mit der Feststellung des Sachverhalts ebenso wenig beschäftigt wie mit der Frage, ob die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für den Erlass einer Ausnahmeregelung gem. Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG vorliegen. Ein besonderer Grund i.S.d. Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG könne überhaupt nur vorliegen könne, wenn die Schutzwaldsanierungsmaßnahme nach naturschutzfachlichen Gesichtspunkten in einem Natura2000-Gebiet zulässig sei. Einen besonderen Grund gemäß Art. 33 Abs. 2 Nr. 1 BayJG gebe es für Naturwaldflächen nicht. Die Ausweisung von Flächen als Naturwald nach Art. 12a Abs. 2 BayWaldG schließe aus, dass diese Flächen zugleich von der Schonzeitaufhebungsverordnung erfasst sein könnten. Der gesetzlich legitimierte Schutzzweck des Naturwaldes gehe als die höherrangige Norm einer verwaltungsbehördlichen Verordnung vor. Das im gerichtlichen Verfahren vorgelegte und nicht rechtlich verbindliche Kartenmaterial („Natura 2000-Gebiete“ und „Naturwaldflächen“) enthalte Fehlbezeichnungen (bzgl. Verordnungsgebiete Eschenlaine, Deiningbach und Fahrenberg). Es passe mit der tabellarischen Auflistung nicht zusammen. Es bleibe die Frage, wie zuverlässig die Daten insgesamt seien. Die behaupteten „massiven“ Schäden, die bei einer Aussetzung des Vollzugs der streitgegenständlichen Verordnung eintreten würden, seien lediglich eine Vermutung des Beigeladenen. Es werde die nicht nachvollziehbar belegte Behauptung der „örtlich überhöhten Schalenwildbestände“ in den Raum gestellt. Mangels auf wissenschaftlich anerkannten Methoden beruhenden Bestandsermittlungen - das gelte für alle Schalenwildarten - werde auf die Streckenergebnisse abgestellt. Diese gäben indes keine Auskunft dazu, welcher Wildbestand nach Abschluss einer Jagdperiode noch vorhanden sei und wie dessen geschlechter- und altersklassenmäßige Zusammensetzung aussehe. Hiermit hätten sich weder der Antragsgegner noch der Beigeladene auseinandergesetzt.
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Die Rechtsverordnung sei aus mehreren Gründen unbestimmt, widersprüchlich und verstoße gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Der Verordnungsinhalt sei nicht in sich rechtsklar lesbar. Weder aus dem Textteil noch aus den Karten sei erkennbar, ob - und wenn ja welche - Schonzeitaufhebungsflächen dem Schutzregime als Naturwald unterlägen. Für den aufmerksamen Beobachter werde nicht hinreichend deutlich, wo die Grenzen des jeweiligen Verordnungsgebietes verliefen. Es sei nicht erkennbar, um welches der in der Verordnung aufgezählten Gebiete es sich handle (keine Angaben des Namens oder der SG-Nummer und keine Legende; den zuständigen Forstbetrieb könne man anhand des Landkreises nur vermuten). Es erfordere die Normenklarheit, dass die Grenzen für Jedermann deutlich würden. Die beschriebenen Abgrenzungen des im Zuständigkeitsbereich des Forstbetriebs Bad Tölz gelegenen Sanierungsgebiets 05 Wasserberge in dem entsprechenden Formblatt und die Eintragung in der veröffentlichten Karte stimme nicht überein. Die Verordnung sei unbestimmt, weil nicht erkennbar sei, was der Verordnungsgeber regeln wolle. Die Verordnung sei rechtswidrig, weil sie in einem nicht feststellbaren Umfang nicht von der Ermächtigungsnorm getragen werde, was zugleich gegen das Rechtsstaatsgebot der Normenklarheit verstoße. Soweit der Antragsgegner bestätigt habe, dass in der Verordnung auch Flächen ausgewiesen würden, auf denen kein Schutzwald stocke, gebe es dort weder einen Grund für eine Sanierung noch einen Bedarf, eine Sanierung zu schützen. Der Schutzwaldeigenschaft sei seitens des Antragsgegners keine Bedeutung beigemessen worden.
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Die Ausweisung von Flächen als Naturwald schließe es aus, dass diese Flächen zugleich von der Schonzeitaufhebungsverordnung erfasst sein könnten. Der gesetzlich legitimierte Schutzzweck des Naturwaldes gehe als die höherrangige Norm einer verwaltungsbehördlichen Verordnung vor. Die streitgegenständliche Verordnung sei - mangels Teilbarkeit insgesamt - obsolet geworden, nachdem durch die spätere und im Rang höhere Norm des Art. 12a Abs. 2 BayWaldG erhebliche Verordnungsgebietsflächen als Naturwaldkulisse ausgewiesen seien. Mit der Entscheidung des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, die ausgewählten Staatswaldflächen dem Schutzstatus als Naturwald zu unterstellen, seien diese der Beurteilungsmöglichkeit „durch die obere Jagdbehörde als Verordnungsgeber gem. Art. 33 Abs. 2 Nr. 1 BayJG entzogen“. Schutzwaldsanierungsflächen, die einer dauerhaften Pflege bedürften, seien nicht als Naturwälder geeignet. In einer Vielzahl von Verordnungsgebieten befänden sich Naturwaldflächen. Wenn der Beigeladene in seiner Stellungnahme vom 22. Dezember 2021 (im Eilverfahren) behaupte, es gebe keinen Konflikt zwischen der Naturwaldkulisse und den Verordnungsgebieten, weil Sanierungsflächen, auf denen tatsächlich Pflanz- oder Verbauungsmaßnahmen stattfänden oder geplant seien, kein Bestandteil der Naturwaldkulisse seien, werde daraus deutlich, dass die zur Rechtfertigung der streitgegenständlichen Verordnung geltend gemachten „besonderen Gründe“ nicht oder nicht überall existierten. Wo sie vorlägen, lasse sich nicht erkennen. Bei der Ausweisung als Naturwald handle es sich um eine rechtsverbindliche Regelung mit Wirksamkeit für und gegen Jedermann. Die derzeit ausgewiesenen Naturwaldflächen entsprächen schon per definitionem nicht der vom Antragsgegner für Sanierungsgebiete angeführten Beschreibung.
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Die Verordnung verstoße gegen die Vogelschutzrichtlinie (RL 79/409/EWG) sowie gegen die entsprechenden bundesrechtlichen Umsetzungsnormen. Sie verstoße auch gegen die europarechtlichen sowie bundesrechtlichen Bestimmungen zum Artenschutz, auch gegen die FFH-RL 92/43/EWG, beispielhaft betreffend „den Adler und das Auer- und Birkwild“. Soweit FFH- oder sogar SPA-Gebiete von der Verordnung und ihre Gebietsstruktur erfasst würden, wäre eine Verträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen gewesen. Die Ausweisung von Sanierungsflächen stelle auch dort, wo kein FFH-Gebiet oder SPA-Gebiet vorliege, einen Eingriff in die Natur dar, sodass Ausgleichsmaßnahmen durchzuführen wären. Die „ordnungsgemäße Jagd auf Schalenwild in Natura 2000-Gebieten“ sei keine Gebietserhaltungsmaßnahme. Für keines der Verordnungsgebiete liege eine Erfassung und Bewertung vor, ob die Schutzwaldsanierungsmaßnahmen ein Projekt im Sinne des FFH-Rechts darstellen könnten. Für kein einziges der Verordnungsgebiete habe der Antragsgegner überhaupt nur die Frage an den Beigeladenen gestellt, welche Sanierungsmaßnahmen für welche Gebiete vorgesehen seien und ob diese mit den Erhaltungszielen der Schutzgebiete (auch bezogen auf die Lebensraumtypen) in Einklang stünden. Eine Prüfung habe nicht stattgefunden. Der Antragsgegner habe eine erforderliche naturschutzfachliche Verträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt. Da es sich bei der Jagd nicht per se um eine Gebietserhaltungsmaßnahme handle, sei für jedes Verordnungsgebiet zu prüfen, ob die Gebietsausweisung in der streitgegenständlichen Verordnung - mit der Maßgabe der Aufhebung der Schonzeit und daraus folgend Beunruhigungen gerade in den Wintermonaten - mit den Erhaltungszielen in den SPA-Gebieten in Einklang stehe. Zu prüfen sei auch, ob überhaupt das Ziel einer solchen Gebietsausweisung, nämlich die Verdichtung der Baumpflanzen, mit den dort naturschutzrechtlich geschützten Lebensraumtypen in Einklang stehe. Die Schonzeitaufhebung führe artenschutzrechtlich zu einer nachhaltigen Lebensraumverschlechterung für den Bestand der Raufußhühner (Auerhuhn, Birkhuhn). Der für die Raufußhühner erforderliche Lebensraum werde durch das Zupflanzen/Zuwachsenlassen von Offenlandbereichen zerstört. Die Schutzbedürftigkeit bedrohter Vogelarten, wie z.B. der Raufußhühner, sei - was auch die höhere Naturschutzbehörde in ihrer Stellungnahme vom 21. Dezember 2018 unter Verweigerung ihrer Mitzeichnung dargelegt habe - grob missachtet worden. Die zahlreichen Begänge der Verordnungsgebiete durch Mitarbeiter der Beigeladenen einschließlich der „letalen“ Vergrämungsmaßnahmen in den Winter- und Frühjahrsmonaten stellten erhebliche Störungen dar. Dies sei sowohl dem Antragsgegner als auch der Beigeladenen bekannt. Aufgrund welcher Tatsachen die Beigeladene und der Antragsgegner zu der Bewertung, die Bejagungsintensität sei in der störungsempfindlichen Zeit (Schneelage; Brutzeit) auf das Individuum bezogen äußerst gering, kämen, sei nicht feststellbar. Die Jagdausübung - auf welche Tierart auch immer - verstoße gegen die Erhaltungsziele in SPA - Gebieten, in denen z.B. das Auerwild als besonders geschützte Art gelistet sei. Werde eine Ausnahme in Betracht gezogen, bedürfe es der naturschutzrechtlichen Prüfung. Eine solche habe nicht stattgefunden. Daran ändere auch die übermittelte „Anlage c) Bestimmungen der Bayerischen Staatsforsten (BaySF) für die Jagdausübung im Rahmen der Verordnung über die Jagdzeiten für Schalenwild in Sanierungsgebieten im Regierungsbezirk Oberbayern“ nichts. Die Berufung des Antragsgegners auf innerdienstliche und unveröffentlichte Absichtserklärungen des Beigeladenen sei sachwidrig. Der Antragsgegner habe keinerlei naturschutzfachliche Bewertung des VO-Gebiets „SG GAP 25 Kienjoch, Bereich Windstierl“ vorgenommen. In dem maßgeblichen Formblatt würden die Offenlandflächen nicht benannt. Erhebliche Bereiche der Sanierungsflächen lägen auf Flächen geschützter Lebensraumtypen des Offenlandes. Die Bepflanzung mit Bäumen widerspreche den Vorgaben der FFH-Richtlinie. Begrifflich könne es sich bei diesen Flächen ohnehin nicht um Schutzwald handeln, so dass für eine „Sanierung“ kein Raum sei. Der Antragsgegner habe sich mit der Vorgabe des Art. 14 FFH-RL hinsichtlich der Gams nicht befasst. Art. 14 der FFH-Richtlinie wende sich auch an den Antragsgegner. Die Art der Bejagung gerade des Gamswildes als einer Anhang V Art liege im besonderen gemeinschaftlichen Interesse. Dem Schutz des Steinadlers sei bereits nicht allein damit Genüge getan, dass Abschüsse nur mit bleifreier Munition durchgeführt werden dürften (was sich jedenfalls nicht aus der streitgegenständlichen Verordnung ergebe). Der Antragsgegner versuche, den Streitgegenstand zu modellieren, indem er - soweit erkennbar erstmals - Managementpläne ins Spiel bringe. Zur Ergänzung des Vortrags hinsichtlich des gemeinschaftsrechtlichen und nationalen Naturschutzes würden die Ausführungen des Herrn Rechtsanwalt F.-H. in dessen Gutachten vom 21. Juli 2021 als Klagevortrag in das Verfahren eingeführt.
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Entgegen den grundgesetzlichen Wertungen aus Art. 20a GG werde dem Objektschutz Vorrang vor dem Tierschutz eingeräumt. Die Rechtsverordnung werde ebenso wenig den Schutzvorgaben und Wertungen des Art. 141 Abs. 1 Satz 3 BV gerecht. Die Missachtung der Belange des Wildes bestehe insbesondere darin, dass durch die Rechtsverordnung die Vergrämung des Wildes aus großen Flächen bewirkt werden solle, dem Wild aber keine Ersatzzonen für den Aufenthalt, Witterungsschutz und die Nahrungsaufnahme - insbesondere nicht die angekündigten „Wildruhezonen in den Wintereinstandsgebieten“ - zur Verfügung gestellt würden, was zu einer „natürlichen“ Dezimierung des Wildbestandes führe. Überdies müsse es in Nachbarrevieren, in die das Wild abgedrängt werde, zur Vermeidung dort erhöhten Verbisses und auf der Grundlage der in sogenannten „Vegetationsgutachten“ ermittelten Daten durch Bejagung weiter dezimiert werden. Es erfolge zwar eventuell im Umgriff der Verordnungsflächen kein erhöhter Abschuss. Dieser werde aber spätestens in den Nachbarrevieren, allenfalls zeitlich etwas verzögert, über den Abschussplan durchgesetzt. Unabhängig davon zeige die bisherige Praxis, dass selbst innerhalb der Flächen der Rechtsverordnung durch die Beigeladene, in deren Verantwortung diese Flächen ausschließlich stünden, ergänzend auch noch Erhöhungen der Abschusszahlen erwirkt würden. Dass der Antragsgegner offenbar seinen Naturschutzbehörden kein Beteiligungsrecht bei jagdrechtlichen Fragen zubillige, entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben und stelle zudem einen Verstoß gegen Art. 20a GG dar. Der Antragsgegner habe sich im Verfahren zum Erlass der angegriffenen Verordnung mit dem für die Lebensraumtypen erforderlichen Schutz ausweislich Blatt 542 der Behördenakte überhaupt nicht beschäftigt. Damit habe er zudem gegen das gemäß Art. 20a GG erforderliche Abwägungsgebot der verschiedenen, in dieser Bestimmung vorgegebenen Schutzziele verstoßen, indem er schon gar nicht den zutreffenden Sachverhalt und damit evtl. miteinander in Widerstreit stehende Ziele ermittelt und sich damit befasst habe. Die seitens des Antragsgegners der Landesregelung „Wald vor Wild“ zugeordnete Bedeutung im Rahmen der bei der Prüfung des Art. 20a GG vorzunehmenden Abwägung dürfte eher fernliegend sein. Die Regelungen seien auch deshalb mit Art. 20a GG nicht vereinbar, weil das Gamswild ganzjährig in den Verordnungsgebieten bejagt und getötet werde. Der Umstand, dass dabei im Winter die Wintereinstandsgebiete auch zu einer „Landschaft der Angst“ gemacht würden, widerspreche der Staatszielbestimmung des Schutzes der Tiere. Dies insbesondere deswegen, weil keinerlei Gamswildruhezonen, also Bereiche, in denen das Wild in einem Winterlebensraum überwintern könnte, ausgewiesen würden. Auch in der übrigen Jahreszeit habe das Gamswild keine Rückzugsmöglichkeiten. Es lebe mithin ganzjährig in einer „Landschaft der Angst“, da es - abgesehen von den über zweijährigen Geißen, die in der Zeit vom 1. Februar bis 31. Juli eines Jahres nicht gejagt werden dürften, ganzjährig in den überwiegend mehrere 100 ha großen Verordnungsgebieten getötet werden dürfe. Dieses Staatsschutzziel bedürfe auch für weite Bereiche der Verordnungsgebiete keine Abwägung mit den anderen in Art. 20a GG genannten Staatsschutzzielen, weil und soweit die Schonzeitaufhebung z.B. Flächen betreffe, die kein Schutzwald seien oder deren Sanierung nicht möglich oder konkrete Maßnahmen noch nicht geplant seien.
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Die angegriffene Verordnung sei aus mehreren Gründen unverhältnismäßig. Das Ziel einer dichten Bewaldung - unter Einpflanzung von tausenden von Baumschulbäumen auf teilweise nur wenige Zentimeter tiefe Humusschichten - sei keine geeignete Maßnahme. Diese Bewaldung sei für die anhand der Verordnungsunterlagen nicht näher individualisierbaren und identifizierbaren Ziele („evtl. Objektschutz; Klimaschutz; Hochwasserschutz; Luftreinhaltung?“) nicht erforderlich und die dafür eingesetzten Mittel unverhältnismäßig. Die Verordnung sei betreffend das Rotwild unverhältnismäßig. Es sei tierschutzwidrig, dass das in § 1 der Verordnung bezeichnete Rotwild auf den in der Verordnung genannten Gebieten zwölf Monate im Jahr gejagt werden könne, und zudem kontraproduktiv, was die Wildschäden angehe. Es sei tierschutzwidrig, dass die Jagd, nicht nur im Januar - schon dies sei aus wildbiologischen Gründen abzulehnen -, sondern im gesamten Winter, unabhängig von der Schneelage, ausgeübt werden dürfe, weil sich das Rotwild zu keinem Zeitpunkt sicher fühlen könne, was zu einem erhöhten Energiebedarf bei nicht verfügbarer natürlicher Äsung führe. Eine Tierschutzwidrigkeit ergebe sich auch daraus, dass - auch wenn nicht selbst von der Verordnung betroffen - das trächtige Alttier durch die laufende Bejagung des anderen (in der Verordnung bezeichneten) Rotwilds ebenfalls beunruhigt werde. Das Rotwild könne in tiefere Lagen wegen der menschlichen Besiedlung und der ausgiebigen Freizeitnutzung bis hin zu Flutlichtabfahrten in Skigebieten für Rotwild nicht ausweichen. Eine ganzjährige Schonzeitaufhebung gebe es nicht „allein für Hirsche Klasse III“. Für Rehwild gälten diese Ausführungen entsprechend, wobei es das Rehwild im Bergwinter wegen seiner aufgrund seines zierlicheren Körperbaus eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten bei höherer Schneelage und wegen seinen anspruchsvolleren Äsungsbedarfs noch schwerer habe als das Rotwild. Im Regelfall stehe auch hier die „Familie“, also die Geis mit ihrem Kitz aus diesem sowie dem vorhergehenden Jahr zusammen, sei also durch jagdliche Aktivitäten genauso beunruhigt, auch wenn ihre Schonzeit nicht aufgehoben sei. Bezogen auf das Gamswild wirkten sich die Schonzeitaufhebungen geradezu als eine perfide Ausrottungsstrategie aus. Eine Bejagung dieser Wildart in den Notzeitmonaten gerade an den Südhängen der Berggipfel verstoße gegen den Tierschutz und dränge die Tiere aus den offenen Bereichen in angrenzende Deckung bietende Waldbereiche. Zu beiden Punkten gälten die Ausführungen für Rotwild entsprechend. Die bereits seit 1999 andauernde Bejagung des Gamswildes in der Schonzeit habe dazu geführt, dass der für einen gesunden Wildbestand erforderliche Altersaufbau der Gamswildbestände in diesen Gebieten nicht mehr vorhanden sei, was bei den jährlichen Pflichttrophäenschauen zu besichtigen sei. Das Gamswild versuche durch verbesserte Reproduktion den Niedergang aufzuhalten: Bereits 2- und 3-jährige Gamsgeißen nähmen bereits an der Brunft teil (normalerweise erst mit vier Jahren). Die Folge sei eine konstitutionelle Schwächung des Bestandes. Dies widerspreche den Vorgaben des Bundesjagdgesetzes und des Bayerischen Jagdgesetzes in Verbindung mit Art. 20a GG. Das Gamswild stehe - auf Veranlassung des Bundesamtes für Naturschutz - nunmehr auf der Vorwarnstufe der roten Liste, sein Zustand sei daher schon bedenklich in die Nähe des Aussterbens gekommen. Es werde gegen die für die Bejagung einschränkende Vorgabe des Anhangs V verstoßen. Die Schonzeitaufhebung für Gamswild sei erkennbar nicht geeignet, zur Sanierung der betreffenden Gebiete beizutragen, da im Wesentlichen seit 1999 die nämlichen Gebiete ganzjährig bejagt würden, ohne dass ein Erfolg festgestellt werden würde. Beim Gamswild käme nur weibliches Gamswild älter als zwei Jahre in den Genuss der - verkürzten - Schonzeit vom 1. Februar bis 1. August. Hinsichtlich der Bejagung des Gamswildes (als einer Anhang V Art), die einen Abschussanteil von fast 20% der gesamten Jahresstrecke in den Wintermonaten erreiche, würden in der Folge der streitgegenständlichen Verordnung deutlich mehr junge Tiere geschossen, als dies nach der Hegerichtlinie vorgesehen sei. Sie bedeute nicht nur eine zeitliche Verschiebung der Bejagung, sondern wirke sich deutlich auf den Gamswildbestand aus. Für eine Aussage zum Zustand einer Wildpopulation komme es (neben der Anzahl) insbesondere auf die geschlechter- und altersklassenmäßige Zusammensetzung des Bestandes an. Die Verordnung sei auch unverhältnismäßig, weil einige Verordnungsgebiete Naturwaldflächen enthielten.
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Die angegriffene Rechtsverordnung verstoße gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG sowie gegen Art. 103 Abs. 1 BV, da das Wild in benachbarte Gebiete vergrämt werde und dieses dort das Eigentum des benachbarten Waldeigentümers schädige sowie dort ein erhöhter Aufwand für die Jagdausübung und erhöhte Wildschadensansprüchen gegen den Revierinhaber entständen. Das Jagdausübungsrecht unterfalle dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG.
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Zudem sei nicht erläutert worden, was damit gemeint sei, wenn es um „die Aufnahme von Flächen in den Verordnungsumgriff“ gehen solle. Zu Unrecht seien Flächen in die Verordnungskulisse aufgenommen worden, die nicht einmal begrifflich Wald seien (z.B. Almen/Alpen). Auf Lichtweideflächen könnten keine Sanierungsarbeiten nötig sein. Der von der Ermächtigungsnorm verlangte „besondere Grund“ als Rechtfertigung für eine Aufhebung des gesetzlichen Jagdverbotes liege demgemäß nicht vor. Auch Naturwaldflächen seien zu Unrecht in die Verordnungsgebiete einbezogen worden. Die Schonzeitaufhebungsverordnung sei hinsichtlich der Naturwaldflächen nicht erst mit der Änderung des Art. 12a Abs. 2 BayWaldG nichtig, weil unbestimmt geworden, sondern sei es bereits von Anbeginn an gewesen. Im Formblatt zum VO-Gebiet „SG GAP 25 Kienjoch, Bereich Windstierl“ falle der große flächenmäßige Unterschied zwischen VO-Gebiet (338 Hektar) und den vier Sanierungsflächen (insgesamt 76 Hektar) auf. Der Umstand, dass die Verordnungsfläche insgesamt in einem mit Waldweiderechten belasteten Gebiet liege, finde dabei keine Erwähnung. Deswegen sei die Behauptung, eine „Verjüngung von Mischbaumarten“ sei „auf Grund zu hoher Schalenwildbestände“ derzeit nicht möglich, unzutreffend, weil die Behördenakten keine belastbaren Feststellungen dazu enthielten, dass ausschließlich Schalenwild als Verursacher für die Fraßeinwirkungen auf Baumpflanzen in Betracht kommen könne. Der Regierungsjagdberater habe darauf hingewiesen, dass 50 Rinder auf Almflächen von 19,92 ha in diesem VO-Teilgebiet weiden würden. Weder die Weidebelastung noch die Nicht-Waldflächen von 19,92 ha würden im Formblatt aufgeführt. Indem der Antragsgegner das vorgenannte Formblatt nach seinen eigenen Ausführungen ungeprüft seiner Entscheidung zugrunde gelegt und sich dabei wissentlich über die auf deren Unzulänglichkeit gestützten Bedenken der Höheren Naturschutzbehörde hinweggesetzt habe (vgl. Bl. 358 ff der Behördenakte: z.B. keine Abstimmung des Inhalts der Formblätter mit der Höheren Naturschutzbehörde), habe er gegen fundamentale Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit verstoßen. Eine so zustande gekommene Verordnung falle damit insgesamt der Nichtigkeit anheim, weil die aufgezeigten Defizite systemisch seien. Die vom Antragsgegner mit Schriftsatz vom 18. Januar 2022 zur Verfügung gestellte Karte (Übersichtskarte 1, Blattschnitt Nr. 3) zeige, dass sämtliche Offenlandflächen als nicht existent behandelt worden seien. Weder aus der Behördenakte noch aus sonstigen vom Antragsgegner vorgelegten Unterlagen ergäben sich belastbare bzw. verifizierbare Angaben für die Behauptung des Antragsgegners, dass feststünde, dass das Weidevieh keine jungen Bäume fressen würde, der Verbiss rühre ausschließlich vom Schalenwild her. Im vorgenannten Formblatt werde z. B. die Weidebelastung durch 50 Rinder sowie die Almflächen mit einer Größe von ca. 30 Hektar nicht erwähnt. Die Eintragungen in der Blattschnittkarte sparten keinerlei Fläche im Bereich dieses VO-Gebietes als Nichtwaldfläche aus. Eine Weidebelastung sei für den jagdlichen Schutz der Sanierungsflächen nicht unerheblich. Wie hoch der Anteil der die Sanierungsflächen umgebenden Sanierungsgebiete bzw. Gefährdungsgebiete im jeweiligen Verordnungsgebiet sei, sei nicht unerheblich. Unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wäre zu erwarten, dass die Schonzeitaufhebung nur für die Sanierungsflächen gelte. Flächen von mehreren hundert Hektar um die Sanierungsflächen ließen sich weder im Flachland noch in Bergregionen als „Umgriff“ bezeichnen. Weder aus den Behördenakten noch aus dem Vortrag des Antragsgegners werde erkennbar, warum es erforderlich sein solle, nicht nur auf den ausgewiesenen Sanierungsflächen, sondern auch in diesen riesigen „Umgriffsflächen“ das Schalenwild dauerhaft zu vertreiben bzw. durch Tötung zu eliminieren. Die Nicht-Praktikabilität habe der Antragsgegner in keinem der bisherigen und noch immer nicht entschiedenen Verfahren zu den Vorgängerverordnungen geltend gemacht. Im Gegensatz zu den Vorgängerverordnungen (was in den diesbezüglichen Verfahren gerügt worden sei) betone der Antragsgegner diesmal, wie wichtig die möglichst genaue Beschreibung der Flächen „und eine exakt nachvollziehbare Abgrenzung des jeweiligen Verordnungsgebietes“ sei. Die Verordnung sei unverhältnismäßig, weil der Antragsgegner nichts Genaues darüber wisse, inwieweit in den vom Beigeladenen vorgeschlagenen Verordnungsgebieten überhaupt Schutzwald stocke und warum es erforderlich sei, nicht nur auf den Schutzwaldsanierungsflächen die Schonzeit aufzuheben, sondern dies auf mehrere hundert Hektar umfassende sog. „Umgriffsflächen“ auszudehnen.
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Darüber hinaus tragen die Antragsteller insbesondere vor, im Kern stelle die streitgegenständliche Rechtsverordnung die Zulassung einer jagdlichen Sonderbehandlung der im Staatseigentum stehenden und durch die Bayerischen Staatsforsten verwalteten Verordnungsgebiete dar, die sich nur nachteilig auf die umgebenden Privatwaldflächen und Jagdreviere auswirke. Der Staat saniere sich hier schamlos zulasten Dritter und stelle diese völlig schutzlos gegenüber den Auswirkungen der Regelungen dieser nur zu diesem Zwecke erlassenen Verordnung. Wenngleich das Grundeigentum und das Jagdausübungsrecht der Antragsteller durch die Rechtsverordnung nicht unmittelbar räumlich betroffen seien, so seien die - insbesondere aufgrund der räumlichen Nähe zum Verordnungsumgriff - festzustellenden, nachteiligen, faktischen Auswirkungen der Rechtsverordnung für diese sowie für die Nutzung und Nutzbarkeit ihrer Flächen und Rechte schon bislang substantiiert und im Detail beschrieben worden. Es werde vollumfänglich auf den diesbezüglichen Vortrag in den beiden weiteren anhängigen Normenkontrollverfahren 19 N 14.1022 und 19 N 09.3102 verwiesen. Durch die erhöhte Schädigung des Waldbestandes im Eigenjagdbezirk der Antragsteller, ausgelöst durch das vergrämte Wild aus den Verordnungsflächen, werde der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG nachteilig berührt. Zugleich berührten die Auswirkungen der Rechtsverordnung auf den örtlichen Wildbestand, welche zu behördlicherseits erhöhten Abschusspflichten sowie - alternativ oder gar kumulativ - zu erhöhten, da auch ohne eigenes Verschulden entstehenden Wildschadensersatzverpflichtungen führten, nachhaltig nachteilig mit dem Jagdausübungsrecht der Antragsteller ein eigentumsähnliches Recht sowie weitere Vermögensrechte der Antragsteller. Das beeinträchtigte Jagdrecht stehe im Bereich des Eigenjagdreviers den Antragstellern als Miteigentümern an Grund und Boden zu. Die Antragsteller hätten immer und immer wieder, außergerichtlich wie auch zuletzt in zwei Normenkontrollverfahren vor dem erkennenden Senat umfassend und stringent zu ihrer tatsächlichen und rechtlichen Betroffenheit aus der streitgegenständlichen Verordnung vorgetragen. Beispielhaft am Rotwild hätten die Antragsteller die Veränderungen infolge der durch die Verordnung beabsichtigten Vergrämungswirkung sowie die Auswirkungen auf das Verbissbild im Eigenjagdrevier frühzeitig und wiederholt ausführlich beschrieben und die Wirkzusammenhänge, aus welchen sie die Betroffenheit ableiteten, dargelegt. Es handle sich dabei um Änderungen insbesondere betreffend den Wildbestand sowie dessen Wanderungsverhalten, die Waldstruktur und -qualität sowie den durch ihn zu leistenden Jagdaufwand an sich. Durch den somit zunächst erhöhten Wildbestand auf den Revierflächen des Antragstellers sei dort erhöhter Verbiss festzustellen. Eine Folge steigenden Jagddrucks sei wiederholt zunehmender Verbiss. Bei richtiger Bejagung und richtiger Fütterung des Wildes in den Wintermonaten könne schädigender Verbiss auch ohne großflächige Hetz- und Vergrämungsjagd weitgehend vermieden werden. Die Wanderfähigkeit von Wild ergebe sich unter anderem aus im Bereich Oberammergau angestellten, amtsbekannten Telemetrieuntersuchungen. Der Bewegungsspielraum des Wildes betrage im Sommerwie auch im Wintereinstandsgebiet „j 2,2 km“. Für Kahlwild betrage er sogar in beiden Jahreszeiten 5,1 km, bei Hirschen sei die Distanz tendentiell noch größer. Die Belange der Antragsteller seien im Hinblick auf einen erhöhten Verbiss und die Notwendigkeit intensiverer Waldbewirtschaftung jeweils phasenverschoben tangiert. Zunächst führe die durch die angegriffene Verordnung vorgesehene Verdrängung des Wildes - zeitlich gesehen - zu einem erhöhten Verbiss und damit zu erhöhtem Verbissschaden im Bereich des Eigenjagdreviers der Antragsteller. In der Folge dadurch ausgelöster, durch die untere Jagdbehörde auch tatsächlich festgesetzter, höherer Abschussquoten nehme der Wildbestand mittelfristig gesehen jedoch ab, was wiederum dazu führe, dass die Verbuschung selbst der Eigentumsflächen der Antragsteller durch Laubholz zunehme. Das durch die fortlaufende Beunruhigung/Bejagung während der Schonzeit vertriebene Wild wandere/ziehe sich zurück in das Eigenjagdrevier der Antragsteller. Dies führe dort zu einer Veränderung des Wildbestandes. Dieser zunächst erhöhte Wildbestand führe zu erhöhtem Verbiss. Die Wanderfähigkeit des Wildes sei durch eine Telemetriestudie belegt. Dabei sei der Bewegungsradius im Sommer- und im Wintereinstandsgebiet gleich. Dadurch werde eine höhere Abschussfestsetzung ausgelöst, die dann mittelfristig zu einer Verringerung des Wildbestandes und der Verbuschung und Verlaubholzung der Eigentumsflächen der Antragsteller führe. Der Senat habe im Verfahren 19 N 14.1022 eine Erläuterung der Kausalität zwischen Vergrämung im Verordnungsgebiet, höherer Verbissschäden im Eigenjagdrevier und dennoch zu wenig Wild als „Gärtner des Waldes“ nicht verlangt. Die Beunruhigung wie auch das tatsächliche Schießen im Verordnungsgebiet führe dazu, dass das Schalenwild ausweiche und sich ruhigere Bereiche suche. Diese finde es in dem ca. 1,3 km entfernt liegenden Eigenjagdrevier. Dort gelte in dieser Jahreszeit - anders als im Verordnungsumgriff - die Schonzeit, sodass Jagdruhe herrsche. Entgegen seinem biologischen Rhythmus mit einem in dieser Jahreszeit reduzierten Stoffwechsel brauche das bejagte Schalenwild seine volle Energie, sodass es auch entsprechend hohen Nahrungsbedarf habe. Die Vegetation hingegen sei karg und in diesen Höhenlagen infolge der Schneebedeckung nur schwer zu erreichen. Als Wiederkäuer sei jedenfalls das Rotwild auf relativ regelmäßige Nahrungsaufnahme angewiesen, sodass es dann die Knospen an den erreichbaren Baumpflanzen abbeiße. Die Fütterung im Eigenjagdrevier müsse erst einmal erreicht werden. Selbst wenn es dort angekommen sei, stehe es in Konkurrenz zu dem Wild, das dort seinen Einstand habe. Regelmäßig im Januar und Februar werde das Rotwild an den Fütterungen gezählt - Gamswild komme überhaupt nicht zu Fütterungen, Rehwild nicht zu Rotwildfütterungen, weil es anderes Futter benötigen würde. Bei diesen Zählungen sei zumindest an der Futterstelle, die für das vergrämte Wild erreichbar sei, der Wildbestand entsprechend erhöht. Diese Zählergebnisse würden für die Abschussfestsetzung des folgenden Jahres als Erkenntnisquelle über den Wildbestand herangezogen. Rotwild sei im Regelfall - das hätten zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen belegt - standorttreu. Das aus dem Verordnungsgebiet vergrämte Rotwild werde mithin im Frühjahr wieder in seine angestammten Gebiete zurückziehen. Die trächtigen Rotwildtiere setzten mithin das jeweilige Kalb nicht im Eigenjagdrevier. Der Wildbestand im Sommer sei geringer als der vor Beginn der Schonzeit. Da dann aber für die Abschussfestsetzung bereits von einem größeren (nur Winter-)Bestand ausgegangen worden sei, sei die Abschussfestsetzung höher als sie es wäre, wenn nur der örtliche Standwildbestand zugrunde gelegt würde. Dies wiederhole sich Jahr für Jahr, sodass infolgedessen der Standwildbestand deutlich reduziert sei. Das wiederum habe zur Folge, dass im Frühsommer kein Schalenwild da sei, um die Buchenkeimlinge im natürlichen Maße abzufressen. Das Ergebnis zeige sich in der bereits vorhandenen „Verlaubholzung“ im Höhenbereich bis inzwischen ca. 1100 m über NN. Hier entwickelte sich eine Buchenmonokultur, die forstwirtschaftlich nicht sinnvoll, ökologisch eine Katastrophe (Zerstörung des Lebensraums von Auerwild und Co.) und für den Hochwasserschutz destruktiv sei.
165
Die Antragsteller beantragen,
166
die Verordnung über die Änderung der Jagdzeiten für Schalenwild in den Sanierungsgebieten im Regierungsbezirk Oberbayern vom 22.02.2019, bekannt gemacht im Oberbayerischen Amtsblatt Nr. 4/2019 vom 22.02.2019, ab Seite 40, in Kraft gesetzt zum 22.02.2019, ist ungültig.
167
Der Antragsgegner beantragt,
168
den Antrag abzulehnen.
169
Er verteidigt die Verordnung und tritt dem Vorbringen der Antragsteller im Einzelnen entgegen.
170
Die mit Beschluss vom 21. August 2019 beigeladenen Bayerischen Staatsforsten haben keinen eigenen Antrag gestellt. Eine schriftsätzliche Äußerung im Verfahren ist nicht erfolgt. Allerdings haben sie die Verordnung in der mündlichen Verhandlung verteidigt und insoweit im Rahmen der mündlichen Verhandlung Ausführungen gemacht.
171
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte mit der Sitzungsniederschrift vom 14. September 2022 sowie auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten und der von den Beteiligten umfangreich vorgelegten Unterlagen und Karten.
Entscheidungsgründe
172
Der Normenkontrollantrag ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).
173
1. Der Normenkontrollantrag ist zulässig, insbesondere sind die Antragsteller antragsbefugt.
174
Der Senat hält sich insoweit an die Ausführungen zur Antragsbefugnis im zur Vorgängerverordnung betreffend das Eigenjagdrevier Eschenlohe-Wengwies der Antragsteller ergangenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juli 2019 (Az. 3 BN 2/18 - juris) gebunden. Darin ist das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Verwaltungsgerichtshof im (zur Vorgängerverordnung ergangenen) Urteil vom 11. Dezember 2017 (19 N 14.1022) mit seinen Erwägungen, ob sich die angegriffene Rechtsverordnung tatsächlich und ggf. wie erheblich auf die Wildbestands- und Verbiss-Situation im Eigenrevier des Antragstellers (im Verfahren 19 N 14.1022 hatte lediglich der mittlerweile verstorbene Vater der Antragstellerin zu 1 einen Normenkontrollantrag betreffend das Eigenjagdrevier Eschenlohe-Wengwies gestellt) auswirkt, die prozessualen Anforderungen an die Geltendmachung einer Rechtsverletzung im Sinn von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO überspannt hat und deshalb verfahrensfehlerhaft vom Fehlen der Antragsbefugnis ausgegangen ist. Tatsachen, die eine Beeinträchtigung eigener Rechte zumindest möglich erscheinen ließen, habe der Antragsteller vorgetragen. Darauf, dass Waldeigentümern im Lichte von Art. 14 Abs. 1 GG ein subjektiv-öffentliches Recht auf Schutz vor Wildschäden - und damit auch vor zunehmendem Wildverbiss - zukomme, habe der Senat im Beschluss vom 29. Dezember 2011 (3 BN 1.11 - juris Rn. 4) bereits hingewiesen. Entsprechendes gelte dafür, dass die vom Antragsteller geltend gemachte Wildwanderung nicht lediglich entfernt („theoretisch“), sondern angesichts der Nähe seines Eigenjagdreviers zum Verordnungsgebiet Eschenlaine ernstlich möglich sei. Die Erwägung des Verwaltungsgerichtshofs, dass die mit der angegriffenen Rechtsverordnung geregelte Verkürzung der Schonzeiten unmittelbar keine Änderung der Abschusszahlen mit sich bringe, ändere hieran nichts. Eine Beeinträchtigung von Rechten des Antragstellers sei unabhängig hiervon möglich, namentlich durch einen erhöhten Verbiss durch die während der Schonzeit im angrenzenden Sanierungsgebiet vertriebenen Tiere. Zum anderen sei auch eine mittelbare Wirkung der Rechtsverordnung auf die für das Eigenjagdrevier festgesetzten Abschusszahlen nicht ausgeschlossen. Die Darstellung des Antragstellers, der durch die „Vergrämung“ im angrenzenden Sanierungsgebiet erhöhte Wildbestand fließe in die Winterfeststellung des Ist-Bestands ein und führe so mittelbar auch zur Festsetzung höherer Abschusspläne für sein Eigenjagdrevier, sei plausibel und durch die Erwägungen im angegriffenen Urteil nicht widerlegt. Zudem habe der Verwaltungsgerichtshof die Verfahrensvorschrift des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO insoweit fehlerhaft angewendet, als er die Berufung auf einen erhöhten Pflanzenverbiss als rechtsmissbräuchlich bewertet habe. Dem Antragsteller sei nicht verwehrt, mögliche Beeinträchtigungen seines Eigentums geltend zu machen. Ob es dem Antragsteller mit seinem Normenkontrollantrag tatsächlich um die Beseitigung genau dieser Rechtsverletzungen gehe, sei dabei nicht entscheidend. Er dürfe die Verletzung seiner Rechte unabhängig davon rügen, welche Zielsetzung er verfolge.
175
Da das Bundesverwaltungsgericht im genannten Beschluss keine Ausführungen dazu gemacht hat, ob wegen der erheblichen Entfernung zu den meisten Verordnungsteilgebieten nur eine teilweise Antragsbefugnis in Betracht kommen könnte, ist davon auszugehen, dass es von einer umfassenden Antragsbefugnis ausgegangen ist.
176
2. Der Normenkontrollantrag hat aber in der Sache keinen Erfolg.
177
Daher kommt es auf die Frage der Teilbarkeit der Verordnung nicht an. Von einer Teilbarkeit der Verordnung würde der Senat aber - für den Fall, dass es darauf entscheidungserheblich ankäme - ausgehen.
178
Die Verordnung stellt eine Zusammenfassung von inhaltsgleichen Verordnungsregelungen dar, die für unterschiedliche Räume mit unterschiedlicher Struktur und rechtlicher Wertigkeit (Verordnungsteilgebiete) gelten und deshalb für jedes Verordnungsgebiet auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden müssen. Bevor der Antragsgegner im Jahr 2000 begonnen hat, jeweils mehrjährig geltende Verordnungen zu erlassen, ist der Zweck der Verordnung durch Schonzeitenausnahmebescheide der jeweils örtlich zuständigen Jagdbehörde für die einzelnen Gebiete erfüllt worden. Weil den Verordnungsbestimmungen hinsichtlich jeder Teilfläche ein von den örtlichen Verhältnissen abhängiger, eigenständiger Schutzzweck innewohnt, kann und muss jede Teilfläche gesondert betrachtet werden. Ein selbständiger Regelungswille des Verordnungsgebers (vgl. BVerwG, B.v. 13.1.2012 - 9 B 56.11 - NVwZ 2012, 375 m.w.N.) liegt jeweils vor (zur Teilbarkeit und teilweisen Anfechtbarkeit von Regelungen vgl. BVerwG, U.v. 17.2.2005 - 7 CN 6/04 - juris Rn. 15), sodass die Unwirksamkeit der Verordnung hinsichtlich eines Gebietes nicht zu ihrer Unwirksamkeit hinsichtlich der anderen Gebiete führt. Die Gegenargumente der Antragstellerseite vermögen schon angesichts der Bewältigung der Problematik bis zum Jahr 2000 mittels Einzelfallbescheiden nicht durchzugreifen. Die Bestimmung der Geltungsbereiche ist auf der Grundlage einer einheitlichen Zielsetzung anhand der spezifischen örtlichen Gegebenheiten und Verhältnisse erfolgt. Die für alle Gebiete gleichlautenden Schonzeitverkürzungen begründen angesichts völlig unterschiedlicher örtlicher Verhältnisse keine gebietliche Unteilbarkeit der Verordnung. Insbesondere liegen zahlreiche Geltungsteilbereiche der Verordnung im Gegensatz zu anderen in Natura2000-Gebieten, und zwar vielfach in unterschiedlichen. Vielmehr wird im Rahmen der Schutzwaldsanierung mit jedem Gebiet ein selbständiger und ausschließlich ortsbezogener Schutzzweck von unterschiedlichem Gewicht (insbesondere Vorsorge oder Sanierung) verfolgt. Wechselwirkungen zwischen den Verordnungsgebieten sind allenfalls in Einzelfällen möglich. Die völlig unterschiedlichen naturräumlichen Gegebenheiten erfordern eine differenzierte Betrachtung der Verordnungsteilbereiche. Das Ausscheiden eines Verordnungsteilgebietes bliebe ohne Einfluss auf die anderen Verordnungsteilgebiete. Die formale Verknüpfung der Verordnungsteilgebiete durch die einheitlichen Regelungen der Verordnung steht einer Teilbarkeit der Verordnung hinsichtlich der Verordnungsteilgebiete ebenso wenig entgegen wie die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Dezember 2011 (Az.: 3 BN 1/11). Diese ist zum einen in einem Verfahren mit einem anderen Streitgegenstand (die im Jahr 2013 ausgelaufene Verordnung) ergangen und sie trifft zum anderen keinerlei Aussagen zur Frage der Teilbarkeit der Verordnung.
179
2.1 Kein Regelungsinhalt der Verordnung und daher auch nicht Gegenstand des Verfahrens ist die Festlegung von Sanierungsgebieten und Gefährdungsgebieten.
180
Diese in § 2 Abs. 1 der Verordnung verwendeten Begriffe entstammen der Terminologie der bayerischen Forstverwaltung (vgl. Handbuch zur Schutzwaldsanierung, Bayerische Staatsforstverwaltung, München 1997, S. 132 - nachfolgend Handbuch; Anweisung zur Schutzwaldsanierungsplanung der Bayerischen Forstverwaltung, Stand April 2012, Nr. 6.1, S. 697; Schreiben des AELF W.i.O. v. 12.2.2016, GA 19 N 14.1022, Bl. 54). Als Sanierungsgebiete werden großräumige Bereiche mit hohen Anteilen an Schutzwäldern bezeichnet (z.B. Bergflanken, Hänge über Ortschaften und Straßen, Wildbacheinzugsgebiete), in denen auf Teilflächen (den Sanierungsflächen) Sanierungsmaßnahmen erforderlich sind. Als Gefährdungsgebiete werden Bereiche mit hoher Schutzbedeutung des Waldes für Ortschaften und Infrastruktureinrichtungen eingestuft. Hier sind derzeit noch keine Sanierungsmaßnahmen erforderlich, wären es jedoch in absehbarer Zeit, wenn die gegenwärtige Entwicklung tatenlos hingenommen würde. Zur konkreten Bezeichnung und Unterscheidung werden in § 2 Abs. 1 der angegriffenen Verordnung die Begriffe Sanierungsgebiet oder Gefährdungsgebiet jeweils mit einer aussagekräftigen Ortsangabe verbunden. Die Verordnungsteilgebiete erfassen teilweise auch nur Teilflächen der Sanierungs- oder Gefährdungsgebiete und werden von der Verordnung selbst abgegrenzt. Für die Sanierungs- und Gefährdungsgebiete selbst mit ihren unterschiedlichen Gebietsbezeichnungen sieht die Verordnung keine wie auch immer geartete Regelung vor. Etwaige Einwendungen betreffend eine fehlende Rechtsgrundlage für die Festlegung dieser Gebiete, betreffend einen unklaren Begriffsinhalt und betreffend nicht hinreichend bestimmte Abgrenzungen der Geltungsbereiche stellen die Rechtmäßigkeit der Verordnung daher nicht erfolgreich in Frage.
181
2.2 Die Verordnung hat in Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage.
182
Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der Norm sind weder substantiiert vorgetragen (die Antragstellerseite hat die Verfassungsmäßigkeit vielmehr ausdrücklich offengelassen) noch ersichtlich. Da Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG den Wortlaut des § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG inhaltlich wiedergibt, ergeben sich auch insoweit (unabhängig von der Frage der Bedeutung des § 22 BJagdG seit der Föderalismusreform, vgl. Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 28 GG) keine Bedenken an der Ermächtigungsgrundlage des Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG.
183
2.3 Die streitgegenständliche Schonzeitaufhebungsverordnung ist von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt. Sie ist sowohl formell als auch materiell rechtmäßig (weshalb auch kein Rechtsstaatlichkeitsverstoß ersichtlich ist).
184
2.3.1 Die angegriffene Schonzeitaufhebungsverordnung ist formell rechtmäßig.
185
Mängel der Verordnung im Hinblick auf Vorschriften über die Zuständigkeit sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.
186
Darüber hinaus ist eine Rechtswidrigkeit der angegriffenen Verordnung wegen unzureichender Beteiligung anderer Behörden nicht erkennbar. Die Antragstellerseite rügt zwar insoweit allgemein eine unzureichende Beteiligung der Naturschutzbehörden (die nach Art. 43 Abs. 2 Nr. 2 BayNatSchG zuständige höhere Naturschutzbehörde ist - unstreitig - entsprechend Art. 49 Abs. 1 Satz 4 BayJG im Verordnungsverfahren beteiligt worden). Eine besondere jagdrechtliche Verfahrensvorschrift, derzufolge dies einen die Unwirksamkeit der Verordnung begründenden Verfahrensverstoß darstellt (soweit die Antragstellerseite einen Verstoß gegen Art. 20a GG anführt, handelt es sich insoweit nicht um eine Verfahrensvorschrift), benennt die Antragstellerseite aber nicht; eine solche Verfahrensvorschrift ist auch nicht ersichtlich. Im Übrigen ist bereits das Programm zur Sanierung der Schutzwälder im Bayerischen Alpenraum auch in Zusammenarbeit mit den Behörden der Wasserwirtschaft erarbeitet worden (vgl. Handbuch, S. 1).
187
Auch die nach Maßgabe des Art. 51 LStVG erfolgte amtliche Bekanntmachung der angegriffenen Verordnung, für die eine Begründungspflicht nicht besteht (vgl. OVG SH, U.v. 22.5.2017 - 4 KN 2/15 - juris Rn. 45), einschließlich der Beschreibung der Grenzen des Geltungsbereichs der Verordnung begegnet keinen hinreichenden Bedenken. Sie entspricht den einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften. Nach Art. 51 Abs. 1 LStVG gelten für die amtliche Bekanntmachung insbesondere von Verordnungen der Regierungen die Vorschriften über die Bekanntmachung kommunaler Satzungen entsprechend. Lassen sich die Grenzen des Geltungsbereichs einer Verordnung oder die Grenzen des Bereichs, in dem einzelne ihrer Vorschriften gelten, nicht hinreichend deutlich und anschaulich beschreiben oder durch Abdruck einer genauen Karte festlegen, so genügt es nach Art. 51 Abs. 2 Satz 1 LStVG (zum Zeitpunkt des Verordnungserlasses wortgleich in Art. 51 Abs. 3 Satz 1 LStVG geregelt), wenn die Verordnung die Grenzen des Bereichs grob umschreibt und im Übrigen auf Karten (Maßstab mindestens 1:25.000) oder Verzeichnisse Bezug nimmt. Diese Unterlagen müssen von der in der Verordnung bezeichneten Behörde archivmäßig verwahrt werden und allgemein zugänglich sein (Art. 51 Abs. 2 Satz 2 LStVG; zum Zeitpunkt des Verordnungserlasses wortgleich in Art. 51 Abs. 3 Satz 2 LStVG geregelt).
188
Eine Grenzbeschreibung (in Worten) der in § 2 Abs. 1 der angegriffenen Verordnung aufgelisteten Gebiete enthält die Verordnung nicht. In § 2 Abs. 2 der angegriffenen Verordnung ist vielmehr geregelt, dass die Verordnungsteilgebiete als gerasterte Flächen in 5 Kartenblättern, Maßstab 1:200.000, und, abgegrenzt durch rote Linien, in 25 Karten, Maßstab 1:25.000, jeweils ausgefertigt durch die Regierung von Oberbayern, eingetragen sind. Die Karten im Maßstab 1:200.000 wurden als Bestandteil dieser Verordnung (Anlage, Blatt 1-5) veröffentlicht und dienen zur Orientierung über die Lage der Gebiete im Regierungsbezirk Oberbayern. Die Karten im Maßstab 1:25.000 werden als Bestandteil der Verordnung bei der Regierung von Oberbayern archivmäßig verwahrt und sind während der Dienststunden (Montag bis Donnerstag von 9:00 Uhr bis 12:00 Uhr und von 13:00 Uhr bis 15:00 Uhr, Freitag von 8:00 Uhr bis 12:00 Uhr) allgemein zugänglich. Sie werden außerdem bei den zuständigen Landratsämtern (untere Jagdbehörden) hinterlegt und können dort während der üblichen Dienststunden eingesehen werden. In Zweifelsfällen über den genauen Geltungsbereich der Verordnung sind die archivmäßig verwahrten Karten, Maßstab 1:25 000 (Innenseite der roten Linien), maßgebend.
189
Jedoch konnte von einer wörtlichen Beschreibung der Gebiete vorliegend Abstand genommen werden, da auf diese Weise eine hinreichend deutliche und anschauliche Beschreibung nicht mehr möglich war. Es liegt auf der Hand, dass sich mit einer zunehmenden Anzahl von Geltungsbereichen der Verordnung deren Grenzen immer weniger deutlich und anschaulich mit Worten beschreiben lassen. Vorliegend handelt es sich um 91 verschiedene Einzelflächen, die über den gesamten oberbayerischen Alpenraum verteilt liegen. Schon ein Blick auf die Verordnungsteilgebiete in den fünf im oberbayerischen Amtsblatt (OBBayABl Nr. 4 v. 22.2.2019, S. 42 ff.) veröffentlichten Übersichtskarten im Maßstab 1:200.000 zeigt, dass eine verbale Beschreibung bereits wegen des benötigten außerordentlichen Umfangs der geforderten Anschaulichkeit abträglich wäre. Ebenso veranschaulichen die fünf Übersichtskarten, dass der Abdruck der 91 Teilgebiete in genauen Karten, die im Amtsblatt der Regierung abgedruckt werden könnten, nicht möglich ist. Das Amtsblatt der Regierung von Oberbayern hat das Format DIN A 3. Der Maßstab einer darin abdruckbaren Karte des Verordnungsteilgebietes lässt die erforderliche Genauigkeit der Gebietsdarstellung nicht zu.
190
Für derartige Fallgestaltungen sieht das Gesetz vor, dass die amtliche Bekanntmachung die vollständige Beschreibung der Grenzen der Geltungsbereiche nicht enthalten muss. Es genügt die grobe Umschreibung der Grenzen in Verbindung mit einer Bezugnahme auf Karten und Verzeichnisse, die anstelle der amtlichen Bekanntmachung archivmäßig verwahrt und allgemein zugänglich sind. Es ist insoweit nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner von dieser Möglichkeit in der Form Gebrauch gemacht hat, die grobe Umschreibung der Grenzen durch Bezugnahme auf eine Übersichtskarte im Maßstab 1:200.000 (aufgeteilt auf fünf Kartenblätter) vorzunehmen, die gemäß § 2 der Verordnung als Anlage deren Bestandteil ist. Es ist kein Grund ersichtlich, die grobe Umschreibung durch zeichnerische Darstellung für unzulässig zu halten, nachdem Art. 51 Abs. 2 Satz 1 LStVG (zum Zeitpunkt des Verordnungserlasses wortgleich in Art. 51 Abs. 3 Satz 1 LStVG geregelt) für einfachere Gebietsabgrenzungen neben einer hinreichend deutlichen und anschaulichen Beschreibung in Worten die Festlegung von Grenzen durch Abdruck einer genauen Karte zulässt; sprachliche und zeichnerische Darstellung sind insoweit einander gleichberechtigt (vgl. BayVGH, B.v. 27.4.1995 - 9 N 93.3157 - BeckRS 1995, 14608; U.v. 18.5.1999 - 9 N 97.2491 - juris Rn. 53).
191
Die archivmäßig aufbewahrten Kartenblätter, gegen deren rechtskonforme Verwahrung bei der Regierung von Oberbayern die Antragstellerseite nach entsprechender Nachforschung keine Einwände erhoben hat, halten den gesetzlichen Mindestmaßstab von 1:25.000 aus Art. 51 Abs. 2 LStVG (zum Zeitpunkt des Verordnungserlasses wortgleich in Art. 51 Abs. 3 LStVG geregelt) ein. Der Senat hat (unter Berücksichtigung des den Antragsunterlagen beigefügten und im gerichtlichen Verfahren ergänzend vorgelegten Kartenmaterials, das insbesondere auch die flächenscharf in das Geoinformationssystem eingepflegten Verordnungsflächen darstellt) keine Anhaltspunkte dafür, dass diese nicht geeignet sind, den Geltungsbereich der Verordnung in den Sanierungsgebieten bzw. Gefährdungsgebieten darzustellen und vor Ort (jedenfalls für die Jagdausübungsberechtigten) bestimmbar zu machen. Die Grenzverläufe der Verordnungsteilgebiete sind zudem in den von der Beigeladenen erstellten und mit dem Antrag auf Erlass der streitgegenständlichen Verordnung vorgelegten Formblättern beschrieben.
192
2.3.2 Die angegriffene Schonzeitaufhebung ist auch materiell rechtmäßig.
193
2.3.2.1 Die Schonzeitaufhebungsverordnung hält die Voraussetzungen der Ermächtigungsnorm des Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG ein.
194
Danach werden die Regierungen als höhere Jagdbehörden (Art. 49 Abs. 2 Nr. 2 BayJG) ermächtigt, durch Rechtsverordnung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 des Bundesjagdgesetzes für bestimmte Gebiete oder für einzelne Jagdreviere aus besonderen Gründen, insbesondere aus Gründen der Wildseuchenbekämpfung und Landeskultur, zur Beseitigung kranken und kümmernden Wildes, zur Vermeidung von übermäßigen Wildschäden, zu wissenschaftlichen Zwecken, Lehr- und Forschungszwecken, bei Störung des biologischen Gleichgewichts oder der Wildhege die Schonzeiten aufzuheben.
195
Die Norm des Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG (wie auch die des § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG) verlangt das Vorliegen besonderer Gründe für die Aufhebung der Schonzeit. Sie benennt beispielhaft mögliche Gründe zur Rechtfertigung einer Schonzeitaufhebung; dabei macht die Verwendung des Wortes „insbesondere“ deutlich, dass die Aufzählung der besonderen Gründe nicht abschließend ist. Die Vielfalt der vom Gesetzgeber benannten Gründe (jagdliche, landeskulturelle, wissenschaftliche) veranschaulicht, dass völlig unterschiedliche Motive eine Aufhebung der Schonzeit rechtfertigen können. Aus der gesetzgeberischen Wortwahl („besondere Gründe“) in Verbindung mit der Breite der benannten Beispiele ist zu ersehen, dass der Rechtfertigungsgrund für den Verordnungserlass kein außerordentliches oder herausragendes Gewicht haben muss. Es genügt, wenn die Ausweitung der Jagdzeiten unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände vernünftigerweise geboten ist. Es ist eine Sondersituation landesspezifischer Art erforderlich, die mittels der regulären administrativen Maßnahmen (insbesondere §§ 21, 27 BJagdG) nicht gesteuert werden kann und deshalb durch eine Abweichung von den allgemein geregelten Jagdzeiten bewältigt werden muss (vgl. Leonhardt/Pießkalla, Jagdrecht, Stand November 2022, § 22 BJagdG Nr. 11.22 Rn. 4.2).
196
Nachdem die Gründe für eine erweiterte Bejagungsmöglichkeit nicht näher abgegrenzt werden können, bedarf es keiner Benennung des Rechtfertigungsgrundes in der Verordnung selbst, sondern genügt es, wenn die besonderen Gründe höheres Gewicht haben als die Gründe für die allgemeine (regelmäßig dem Schutz von Brut- und Setzzeit dienende) Schonzeitregelung. Bei diesem sich aufdrängenden Verständnis macht die Ermächtigungsvorschrift hinreichend deutlich, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden und welchen Inhalt eine auf Grundlage der Ermächtigung erlassene Verordnung haben kann (zu diesen Voraussetzungen vgl. Lindner in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 55 Rn. 38).
197
Die Voraussetzungen der Norm sind vorliegend gegeben. Es liegen besondere Gründe i.S.d. Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG für die Aufhebung der Schonzeit in den Verordnungsteilgebieten vor.
198
2.3.2.1.1 Der Schutz von besonders schutzbedürftigen Schutzwaldflächen (vor weiterem Schalenwildverbiss) rechtfertigt als selbständiger besonderer Grund i.S.d. Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG die Schonzeitverkürzung für das Schalenwild.
199
Schutzwald ist Wald in den Hoch- und Kammlagen der Alpen und der Mittelgebirge (Art. 10 Abs. 1 Nr. 1 BayWaldG), auf Standorten, die zur Verkarstung neigen oder stark erosionsgefährdet sind (Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 BayWaldG) oder der dazu dient, Lawinen, Felsstürzen, Steinschlägen, Erdabrutschungen, Hochwassern, Überflutungen, Bodenverwehungen oder ähnlichen Gefahren vorzubeugen oder die Flussufer zu erhalten (Art. 10 Abs. 1 Nr. 3 BayWaldG).
200
Schutzwald soll in erster Linie die Menschen und Infrastruktureinrichtungen in den Alpen vor den Naturgefahren des Gebirges schützen. Gleichzeitig soll er auch seinen eigenen Standort sichern. Die Schutzwirkung reicht über den unmittelbaren Objektschutz weit hinaus, den der Wald Siedlungen oder Verkehrswegen beispielsweise vor Steinschlag (durch stammzahlreiche Wälder mit dicken Bäumen und dichtem Unterholz aus jungen Bäumen und Sträuchern) oder Lawinen (durch einen die Schneedecke lokal zusammenpressenden und stabilisierenden Wald mit einen hohen Anteil an Fichten und Tannen <weil deren Nadeln einen beträchtlichen Teil des frisch gefallenen Schnees in den Baumkronen festhalten, wo dieser verdunstet oder verzögert und schubweise zu Boden fällt>, wodurch es im Waldbereich zu Windruhe und damit seltener zu labilen und gleichförmigen Schneeansammlungen kommt) bietet. Intakte Schutzwälder besitzen auch eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für den vorbeugenden Hochwasserschutz entlang der Alpenflüsse. Der intensiv durchwurzelte Waldboden vermag große Niederschlagsmengen zu speichern und den Oberflächenabfluss zu verhindern (Hangrutschungen, Muren und andere Erosionsvorgänge werden durch die den Boden stabilisierende intensive und tiefe Durchwurzelung im Wald ebenfalls verhindert oder zumindest gedämpft, wobei Mischwälder mit einem hohen Tannen- und Laubbaumanteil diese Bodenschutzfunktion besonders gut erfüllen können). Durch diese indirekte Schutzwirkung im Einzugsbereich der Bäche und Flüsse kommt es zu einem verzögerten Abfluss und zu einer merklichen Verminderung der Hochwasserspitzen (Bäume fangen in ihren Kronen die Niederschläge auf, teilweise verdunsten sie dort und gelangen erst gar nicht auf den Boden; das Niederschlagswasser sickert in den lockeren, gut durchwurzelten Waldboden ein, wird dort gespeichert und fließt zeitlich verzögert ab; Schnee taut im Wald langsamer ab, sodass das Schmelzwasser später in den Bächen ankommt) - ein Effekt, der mit vermehrten Starkregenereignissen im Zuge des Klimawandels künftig noch an Bedeutung gewinnen wird (vgl. Der Berg- und Schutzwald in den bayerischen Alpen, Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, November 2016, S. 27, 29).
201
Innerhalb des bayerischen Alpenraums (dessen Abgrenzung analog zur Verordnung über das Landesentwicklungsprogramm Bayern <LEP> erfolgt, vgl. Anhang 3 zum LEP - Alpenplan Blatt 1-3 und in dem auch alle Verordnungsteilgebiete liegen) befindet sich rund 260.000 Hektar Wald (was einem Waldanteil von rund 50 Prozent entspricht). Dabei handelt es sich um - soweit ersichtlich - gesetzlich nicht definierten Bergwald (eine Benennung erfolgt nur in Art. 5 Abs. 2 BayWaldG), wovon 53 Prozent Staatswald im Eigentum des Freistaats Bayern und 43 Prozent Privatwald sowie 4 Prozent Kommunalwald sind (etwa 107.000 Hektar Bergwald liegen im Schutzgebietsnetz Natura2000, zu dem etwa 37% des bayerischen Alpenraums gehören <rund 170.000 Hektar>; rund 1.700 Hektar Bergwald sind als Naturwaldreservate ausgewiesen; das Durchschnittsalter der Bergwälder beträgt knapp über 100 Jahre im Vergleich zu 83 Jahre im Landesdurchschnitt, vgl. Der Berg- und Schutzwald in den bayerischen Alpen, Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, November 2016, S. 25, 31 und 32, downloadbar unter: https://www.bestellen.bayern.de/application/eshop_app000003?SID=1961439224& ACTIONxSETVAL(artdtl.htm,APGxECLI:NODENR:284062,AARTxECLI:NODENR:350004,USERxARTIKEL:artlist1.htm)=Z, zuletzt abgerufen am 2.1.23).
202
147.000 Hektar dieser Bergwälder in den bayerischen Alpen (folglich mehr als 56 Prozent) sind als Schutzwald nach Art. 10 Abs. 1 BayWaldG eingestuft (Der Berg- und Schutzwald in den bayerischen Alpen, Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, November 2016, S. 32).
203
2.3.2.1.1.1 Vorliegend enthält jedes Verordnungsteilgebiet Schutzwaldflächen.
204
Dies ergibt sich aus den vom Antragsgegner während des gerichtlichen Verfahrens mit Schriftsatz vom 15. Juli 2022 im Verfahren 19 N 19.1368 nach Aufforderung des Senats in digitaler Form vorgelegten und mit Schriftsatz vom 26. Juli 2022 im Verfahren 19 N 19.1368 ergänzten Übersichtskarten zu potentiellen und festgesetzten Schutzwäldern im Privat-, Körperschafts- und Staatswald, die Rückschlüsse auf die den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bekannten und/oder in den Schutzwaldverzeichnissen aufgenommenen Schutzwälder geben, aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit besitzen.
205
Zwar wurden für Schutzwald nach Art. 10 Abs. 1 BayWaldG von Amts wegen Schutzwaldverzeichnisse gem. Art. 10 Abs. 3 BayWaldG angelegt. In die Schutzwaldverzeichnisse sind gemäß § 4 Abs. 1 der Verordnung über das Waldverzeichnis und die Schutzwaldverzeichnisse (WuSWaldVV) vom 29. November 1994 (GVBl. S. 1031, BayRS 7902-2-L), die zuletzt durch § 2 Abs. 19 des Gesetzes vom 17. Juli 2015 (GVBl. S. 243) geändert worden ist, alle Schutzwälder i.S.d. Art. 10 Abs. 1 BayWaldG aufzunehmen. Die Schutzwaldverzeichnisse bestehen gem. § 3 WuSWaldVV aus Übersichtsblättern (in denen ein zusammenhängender Schutzwald innerhalb des Bereichs einer unteren Forstbehörde hinsichtlich seiner Grenzen, seiner Größe und seiner Art <Art. 10 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 BayWaldG> beschrieben ist; die Übersichtsblätter sind fortlaufend nummeriert und haben die Größe DIN-A 4), Karteiblättern (jedes Flurstück innerhalb eines in einem Übersichtsblatt beschriebenen Schutzwaldes erhält ein eigenes Karteiblatt; die Karteiblätter haben die Größe DIN-A 4 und weisen die Farben hellgrün für Staatswald <Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayWaldG>, hellrot für Körperschaftswald <Art. 3 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayWaldG> und hellgelb für Privatwald <Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 BayWaldG> auf) und Übersichtskarten für alle Schutzwälder innerhalb des Bereichs einer unteren Forstbehörde (Maßstab mindestens 1:50.000; die einzelnen zusammenhängenden Schutzwälder sind mit der jeweils entsprechenden Nummer des Übersichtsblattes gekennzeichnet und sind in der Übersichtskarte schwarz umrandet). Sind Waldflächen in das Schutzwaldverzeichnis aufgenommen worden, besitzt die Schutzwaldkartierung insoweit indizielle Aussagekraft (Art. 10 Abs. 3 BayWaldG). Ist eine die Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 1 BayWaldG erfüllende Waldfläche nicht im Schuldwaldverzeichnis aufgeführt, bedeutet dies umgekehrt jedoch nicht, dass eine Schutzwaldeigenschaft der Waldfläche nicht besteht. Vielmehr ist eine Waldfläche kraft Gesetzes Schutzwald. Der Eintragung in das Schutzwaldverzeichnis kommt insoweit nur deklaratorischer Charakter zu.
206
Die Schutzwaldverzeichnisse liegen allerdings an den jeweils zuständigen Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten derzeit nur in analoger Form vor. Zudem stammt die kartenmäßige Darstellung des Schutzwaldes in den Bayerischen Alpen bereits aus den 1980er Jahren (vgl. Binder/Macher/Müller, Dem Schutzwald auf der Spur, LWF aktuell 120, abrufbar unter https://www.lwf.bayern.de/waldbau-bergwald/schutzwaldmanagement/211372/index.php, zuletzt abgerufen am 2.1.23).
207
Aus den dem Senat mit Schriftsatz vom 26. Juli 2022 im Verfahren 19 N 19.1368 übermittelten (den aktuellsten Stand des Schutzwaldes wiedergebenden, vgl. insoweit zugleich) „Übersichtskarten Schutzwald“ ist ersichtlich, dass sich in jedem Verordnungsteilgebiet Schutzwald befindet (im Kartenmaterial dargestellt als „Schutzwald Staatswald“ bzw. „Schutzwald nach Art. 10 vorläufig“), wobei es sich bei den Schutzwaldflächen in den Verordnungsteilgebieten ausweislich der mit Schriftsatz vom 22. März 2022 im Verfahren 19 N 19.1368 übermittelten und mit Schriftsatz vom 19. Juli 2022 im Verfahren 19 N 19.1368 ergänzten Liste um Schutzwald gem. Art. 10 Abs. 1 Nr. 3 BayWaldG handelt (vornehmlich haben die Waldgebiete Boden-, Straßen-, Lawinen-, <Hoch>Wasser-, Straßen-, Steinschlag- und Murenschutzfunktion).
208
Soweit die Flächen in den Übersichtskarten als „Schutzwald Staatswald“ dargestellt sind, handelt es sich bei diesen Flächen um eine auf geographische Informationssysteme gestützte und noch nicht in das analoge Schutzwaldverzeichnis der Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eingepflegte Modellierung (Stand: 2019) des Schutzwaldes im Staatswald des Wuchsgebietes 15 „Bayerische Alpen“ auf Grundlage der für die Eigenschaft von Schutzwald nach Art. 10 BayWaldG mit Dauercharakter maßgebenden Kriterien (siehe Bekanntmachung des BayStMELF v. 18.3.1977 Nr. F4 - FG 100 C-326, LMBL. S. 101), wobei als Staatswald die in der Forsteinrichtung abgegrenzte Waldfläche (Holzbodenfläche und Latschenfelder) gilt (Kleinstflächen unter 0,2 ha und ggf. in Waldabgrenzungen aus älteren Forsteinrichtungen noch enthaltene InVeKos-Flächen wurden entnommen). Laut dem mit Schriftsatz des Antragsgegners vom 2. August 2022 im Verfahren 19 N 19.1368 vorgelegten Schreiben des Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 4. Dezember 2018 sei die mit Schriftsatz vom 15. Juli 2022 im Verfahren 19 N 19.1368 übermittelte und auf geographische Informationssysteme (GIS) gestützte Modellierung der Schutzwaldkulisse im Staatswald an den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überprüft worden und man sei dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass der Schutzwald gut abgebildet werde (mit der Folge, dass die verifizierte Schutzwaldkulisse insoweit für das Wuchsgebiet 15 „Bayerische Alpen“ ab sofort die verbindliche Grundlage für Anträge auf Gewährung schutzwaldbezogener Zuwendungen im Rahmen der besonderen Gemeinwohlleistungen im Staatswald <bGWLR 2018> sei). Eine aktuelle Abfrage bei den zuständigen Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten habe nach Auskunft des Antragsgegners ergeben, dass kein offenkundiger Änderungsbedarf nach dem Schreiben des Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 4. Dezember 2018 innerhalb der Verordnungsteilgebiete festgestellt oder dokumentiert worden sei. Somit stellt die GIS-Modellierung des Schutzwaldes den aktuellsten Stand dar.
209
Soweit in den Übersichtskarten Flächen als „Schutzwald nach Art. 10 vorläufig“ ausgewiesen sind (betrifft - soweit ersichtlich - die Verordnungsteilgebiete Ettaler Berg, Laber, Fahrenberg, Isarberg, Wasserberge, Seekar, Sonnberg, Langenau-Nord, Stolzenberg, Hagenberg, Aurachtal, Traithen, Wildbarrn, Innerwald, Klausgraben, Alpbach, Schneiderhanggraben-Nord, Kampenwand-Süd-Ost, Walmberg, Steinbach, Scharn, Kienbergl-Falkenstein, Antoniberg und Untersberg-Rauhenkopf), handelt es sich dabei um die zum Stand 2013 im Privat- und Körperschaftswald bekannten und in die Schutzwaldverzeichnisse (Papierform) eingetragenen Schutzwaldflächen, wobei nachträgliche Schutzwaldfeststellungen hierin noch nicht enthalten sind und eine abschließende Überprüfung der digitalen Daten vor Ort noch nicht erfolgt ist (Überprüfungen vor Ort erfolgen nur anlassbezogen und werden dokumentiert).
210
Anhaltspunkte dafür, dass die in den Übersichtskarten enthaltenen Darstellungen des Schutzwaldes fehlerhaft sein könnten (insbesondere, weil die übermittelten Übersichtskarten den Stand von 2019 abbilden), sind nicht ersichtlich (auf die Frage, ob sich in den Verordnungsteilgebieten möglicherweise über die Darstellungen hinaus weiterer Schutzwald befindet, kommt es insoweit nicht an; soweit die Antragstellerseite hinsichtlich des früher mit Schriftsatz des Antragsgegners vom 22.11.2021 vorgelegten Kartenmaterials aufgrund vermeintlicher Fehlbezeichnungen die Zuverlässigkeit der darin enthaltenen Daten bezweifelt, zieht sie aus der Bezifferung in den Übersichtskarten unzutreffende Schlüsse, da diese lediglich einen Verweis auf die Blattschnittnummer geben soll, sodass die Bezifferung nicht identisch sein muss mit der Nummer der Sanierungsgebiete und durch die Bezifferung nicht aus mehreren Verordnungsteilgebieten nur eines gemacht worden ist). Soweit der Antragsteller im Verfahren 19 N 19.1368 im Verordnungsverfahren Einwendungen gegen die Einstufung als Schutzwald erhoben hat (und sich die Antragsteller diese durch die erfolgte Einbeziehung des Vorbringens aus dem Verfahren 19 N 19.1368 zu eigen machen), fehlt es insoweit an einem substantiierten Vortrag, insbesondere, da sich der Antragsgegner im Verordnungsverfahren umfassend im (der Antragstellerseite jedenfalls durch die erfolgte Akteneinsicht bekannten) Vermerk vom 11. Februar 2019 ausführlich mit den Einwendungen auseinandergesetzt hat. Die indizielle Aussagekraft der Schutzwaldkartierung (Art. 10 Abs. 3 BayWaldG) hat die Antragstellerseite somit nicht durch substantiierten Vortrag widerlegt.
211
2.3.2.1.1.2 In jedem der Verordnungsteilgebiete befindet sich mindestens eine Schutzwaldfläche, die vor weiterem Schalenwildverbiss besonders geschützt werden muss.
212
Nur intakte, nicht verlichtete Gebietswälder können die Schutzwaldfunktionen (im Wesentlichen Bindung von Niederschlagswasser, Sicherung der Bodenstabilität mit ihrer Verwurzelung und Verhinderung von Gleitschnee bzw. Lawinen) ausreichend erfüllen. Insoweit bedarf es zum einen eines artenreichen Mischwaldes, der widerstandsfähig ist gegen Schädlingsbefall bzw. unterschiedliche klimatische Bedingungen und Einflüsse (als heimische Hauptbaumarten sind in der hochmontanen Zone sowohl Fichte als auch Tanne, Buche, Bergahorn, Lärche und Latsche anzusehen; vgl. LT-Drs. 18/14983 S. 45 zur Anpassung dieser Baumarten an Extremwetterlagen). Zum anderen bedarf es eines möglichst dichten und stufigen Waldaufbaus, also eines Gemisches unterschiedlicher Altersstufen in der Bestockung. Voraussetzung hierfür ist wiederum eine laufende Verjüngung der Bewaldung, d.h. es muss kontinuierlich Nachwuchs der vorgenannten Hauptbaumarten ankommen und auch aufkommen. Reißt diese Naturverjüngung ab, kommt es früher oder später - entsprechend den Abläufen in der Natur ist hier in größeren Zeiträumen zu rechnen - zu Kahlstellen und schließlich Erosion (vgl. BayVGH, U.v. 7.4.2005 - 19 B 99.2193 - juris Rn. 53). Diese Ausführungen des Senats haben nach wie vor Gültigkeit und sie werden durch die Ausführungen der Antragstellerseite zur Bedeutung der Grasnarbe in lichten Bergwäldern hinsichtlich Wasserspeicherfähigkeit und Erosion nicht widerlegt. Die Antragstellerseite lässt unberücksichtigt, dass im Bergwald ein Teil des Niederschlags von den Baumkronen aufgefangen wird und gar nicht den Boden erreicht (sogen. Interzeptionsverlust) und dass die Schattenwirkung der Bäume zu einer verzögerten Schneeschmelze und damit zur Abmilderung von Hochwasserspitzen führt (vgl. Handbuch - Abschnitt B 1.1. Wasserschutz; Der Waldboden in einem intakten Bergmischwald kann bis zu 145 Liter Wasser pro Quadratmeter speichern und damit den Hochwasserabfluss enorm entschärfen, vgl. Der Berg- und Schutzwald in den bayerischen Alpen, Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, November 2016, S. 33). Eine intakte Waldbaumbestockung bietet sachgerechten Bodenschutz und verhindert im Gegensatz zu einer Grasdecke Schneebewegungen im Bergwald (vgl. das Handbuch, Abschnitte B 1.2 und B 1.3). Die Wasserwirtschaftsverwaltung ist an der Erarbeitung des Konzepts zur Schutzwaldsanierung beteiligt gewesen und ihre Erkenntnisse sind in den Inhalt eingeflossen (vgl. die Einleitung zum Handbuch); auch die Sanierungsplanung für die einzelnen Sanierungsflächen wird mit der Wasserwirtschaftsverwaltung abgestimmt (vgl. Anweisung zur Schutzwaldsanierung, Nr. 1).
213
Sind Schutzwälder in ihren Schutzfunktionen beeinträchtigt (wenn Schäden am Bergwald bereits eingetreten sind, aufgrund derer die Schutzfunktion nicht mehr ausreichend gewährleistet ist; die Schutzfunktion ist hingegen gefährdet, wenn sie in Zukunft beeinträchtigt wird oder gar gänzlich entfällt <vgl. BayVGH, U.v. 7.4.2005 - 19 B 99.2193 - juris Rn. 53>), müssen sie saniert werden. Im Rahmen der Schutzwaldsanierungsplanung (richtungsweisend waren insoweit der Bergwaldbeschluss vom 5.6.1984 <vgl. LT-Drs. 10/3978> und der Schutzwaldbeschluss vom 11.6.1986 <LT-Drs. 10/10487>) werden funktionsgestörte und sanierungsnotwendige Schutzwälder nach Art. 10 Abs. 1 BayWaldG aller Waldbesitzarten im Bayerischen Alpenraum erfasst und die erforderlichen Maßnahmen festgelegt. Zuständig für die Sanierung der Schutzwälder sind nach Art. 28 Abs. 1 Nr. 9 BayWaldG die Forstbehörden. Die Schutzwaldsanierung stellt somit eine öffentliche Aufgabe dar (seit 1986 wurden auf den Schutzwaldsanierungsflächen bereits 13 Millionen junge Bäumchen gepflanzt, davon rund 70 Prozent Nadelbäume und 30 Prozent Laubbäume, vgl. Der Berg- und Schutzwald in den bayerischen Alpen, Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, November 2016, S. 33). Vor Ort nehmen die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Sonderaufgabe „Schutzwaldmanagement“ (Fachstellen Schutzwaldmanagement) diese Aufgabe wahr. Diese Fachstellen dokumentieren im Rahmen der Schutzwaldsanierungsplanung die örtliche Schutzfunktion des Waldes (bspw. Boden-, Wasser, Lawinenschutzwald sowie Schutz von Straßen oder Siedlungen). Auf diesen Informationen basiert die mit Schriftsatz vom 22. März 2022 im Verfahren 19 N 19.1368 vorgelegte tabellarische Auflistung der Schutzfunktionen in den Verordnungsteilgebieten. Die Fachstellen Schutzwaldmanagement haben ihrer Auswahl der von der Verordnung erfassten Sanierungsflächen nach Maßgabe des Handbuchs zur Schutzwaldsanierung ein einheitliches Raster zugrunde gelegt, welches die Gründe für die Schonzeitaufhebung jeweils in den wesentlichen Zügen benennt und dabei gleichzeitig Prioritätsabstufungen vornimmt.
214
Die Sanierungsarbeiten im Schutzwald lassen sich in die zwei Schwerpunktbereiche biologische Maßnahmen (also Pflanzungen) und technische Verbauungen unterteilen, wobei letztere - unabhängig davon, dass sie sich in Gebirgsregionen nicht immer realisieren lassen - mit erheblichen Kosten verbunden sein können (ein Hektar Gleitschneeverbauung kostet je nach Umfang und Schwierigkeit zwischen 150.000 und 500.000 Euro, Lawinenverbauung mindestens das Doppelte bis Dreifache, vgl. Der Berg- und Schutzwald in den bayerischen Alpen, Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, November 2016, S. 56).
215
Gegenwärtig sind knapp 10% der Schutzwaldflächen (rund 14.000 Hektar) als Sanierungsflächen ausgewiesen (LT-Drs. 18/13025 S. 65; im Jahr 2016 verteilt auf 1.190 Sanierungsflächen, vgl. Der Berg- und Schutzwald in den bayerischen Alpen, Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, November 2016, S. 53), die sich zu 70% im Staatswald, zu 21% im Privatwald und zu 9% im Kommunalwald befinden (rund 7.800 Hektar der Sanierungsflächen liegen in geschützten FFH-Gebieten; vgl. Der Berg- und Schutzwald in den bayerischen Alpen, Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, November 2016, S. 24, 32). Der Begriff der Sanierungsfläche ist nicht im BayWaldG, sondern in der Anweisung zur Schutzwaldsanierungsplanung definiert. Bei Sanierungsflächen handelt es sich um sanierungsnotwendige Schutzwälder oder Erstaufforstungsbereiche. Sanierungsnotwendig sind Schutzwälder, die in ihrer Funktionstauglichkeit deutlich gestört sind und im Rahmen der regulären Schutzwaldbewirtschaftung nicht wiederherzustellen sind. Dazu zählen auch derzeit unbestockte Schutzwaldstandorte oder unbewaldete, bestockbare Standorte mit bedeutendem Objektschutz. Bei großer Schutzbedeutung gelten auch der Schutzwald oder der Schutzwaldstandort selbst als ein schützenswertes Objekt.
216
2.3.2.1.1.2.1 Ausweislich des im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Kartenmaterials liegt vorliegend in jedem Verordnungsteilgebiet (mit Ausnahme der Gebiete „Kesselgraben“ und „Kaltenbach-Süd“) mindestens eine Sanierungsfläche (wobei Erstaufforstungen in der Verordnungskulisse nicht durchgeführt worden sind, vgl. Schriftsatz des Antragsgegners vom 15.7.2022 im Verfahren 19 N 19.1368). Folglich befindet sich in jedem dieser Gebiete mindestens eine besonders schutzbedürftige Fläche, die vor weiterem Schalenwildverbiss geschützt werden muss.
217
Der Umstand, dass sich mindestens eine Sanierungsfläche in den Verordnungsteilgebieten befindet (abgesehen von den genannten Ausnahmen), reicht nach Auffassung des Senats zur Annahme des besonderen Grundes „Schutz von besonders schutzbedürftigen Schutzwaldflächen“ im Rahmen des Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG für diese Verordnungsteilgebiete mit mindestens einer Sanierungsfläche bereits deshalb aus, weil Anhaltspunkte dafür, dass der Schutzwald in den betroffenen Flächen nicht saniert wird (wobei der Beginn der Sanierung bereits vor oder jedenfalls unmittelbar nach dem Erlass der Verordnung liegen kann), weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich sind (auf die Frage der Verhältnismäßigkeit des Umgriffs um die Sanierungsflächen kommt es an dieser Stelle ebenso wenig an wie - was unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten jedenfalls problematisch sein könnte - auf den Umstand, dass nicht alle Sanierungsflächen Teil der Verordnungskulisse sind). Zudem hat die Antragstellerseite Anhaltspunkte dafür, dass die Beurteilung der Sanierungsbedürftigkeit und -fähigkeit durch die Beigeladene unzutreffend ist oder war, weder substantiiert vorgetragen noch sind diese ersichtlich, zumal die Beigeladene als Fachbehörde über die maßgebliche Kompetenz verfügt. Soweit die Antragstellerseite nach Niederlegung des Tenors mit Schriftsatz vom 20. September 2022 rügt, es seien in Sanierungsflächen auch Flächen einbezogen worden, denen keine Schutzwaldeigenschaft zugewiesen sei, greift dies - unabhängig davon, dass weder der Antragsgegner noch die Beigeladene die Möglichkeit hatte, eine fachliche Erklärung abzugeben (im Schriftsatz vom 18. Januar 2022 im Verfahren 19 N 19.1368 hatte der Antragsgegner aber bereits ausgeführt, es könne vorkommen, dass auf Teilen der Sanierungsflächen kein Schutzwald stocke, entweder weil es sich bei diesen Teilflächen nicht um Wald i. S. d. Art. 2 BayWaldG handle <z. B. Frei-, Stein-, Weideflächen, Felswände> oder der Wald nicht unmittelbar Schutzfunktionen <bspw. flachere Hangbereiche> aufweise) - schon deshalb nicht durch, weil in den von der Antragstellerseite angeführten Verordnungsteilgebieten (Kaltenbach-Nord, Hammergraben, Laber, Soiern-Süd, Moosberg, Seekar, Langenau-Nord und Nockerlahner) jedenfalls Teilflächen der Sanierungsflächen die Schutzwaldeigenschaft besitzen.
218
2.3.2.1.1.2.2 Der besondere Grund des „Schutzes von besonders schutzbedürftigen Schutzwaldflächen“ gem. Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG besteht vorliegend aber auch hinsichtlich der beiden Verordnungsteilgebiete, in denen zwar keine Sanierungsfläche liegt, sich aber unzweifelhaft Schutzwald befindet.
219
Der Antragsgegner hat in diesem Zusammenhang im Rahmen der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt, dass die Einbeziehung der Flächen - im Gegensatz zu anderen nicht Teil der Verordnung gewordenen Schutzwaldflächen (ohne Sanierungsflächen) - deshalb erforderlich ist, weil den Schutzwaldflächen in diesen Gebieten große Schutzbedeutung zukommt und in den Gebieten bei Nichtaufnahme in die Verordnungskulisse in Kürze Sanierungsflächen ausgewiesen werden müssten. Da auch die Vermeidung von späteren Sanierungsflächen Aufgabe der Schutzwaldsanierung ist, reicht dies - in Abgrenzung zu anderen Gebieten mit Schutzwaldflächen (ohne Sanierungsflächen) - vorliegend (im Einzelfall) aus, da Anhaltspunkte, die die tatsächlichen Annahmen des Antragsgegners in Zweifel ziehen könnten, nicht substantiiert vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich sind.
220
2.3.2.1.2 Der mit der Verordnung angestrebte Schutz von besonders schutzbedürftigen Schutzwaldflächen (vor weiterem Schalenwildverbiss) stellt darüber hinaus einen besonderen Grund der Landeskultur i.S.d. Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG dar (in diesem Sinn vgl. Leonhardt/Pießkalla, Jagdrecht, Stand November 2022, § 22 BJagdG Nr. 11.22 Rn. 4.2.2).
221
Der Begriff Landeskultur, dem es an einer gesetzlichen Definition mangelt, kann sehr weitgreifend verstanden werden (zum Meinungsstand vgl. Friesecke, NuR 2000, 81 ff.; für das Forstrecht vgl. Zerle/Hein/Brinkmann/Foerst/Stöckel, Forstrecht in Bayern, Stand November 2021, Art. 16 BayWaldG Rn. 11). Er umfasst jedenfalls die land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung einschließlich der Maßnahmen zur Bodenerhaltung, Bodenverbesserung (Melioration), Neulandgewinnung und Flurbereinigung. Die Schutzwaldsanierung, die der Antragsgegner als besonderen Grund für den Erlass der Verordnung benennt, ist unter den Begriff der Landeskultur zu subsumieren, da es bei der Bewahrung eines gesunden und lebensfähigen Schutzwaldes auch um die Vermeidung erheblicher Schäden an der Kulturlandschaft geht.
222
Soweit die Antragstellerseite meint, da die landeskulturellen Belange bereits im Rahmen des Abschussplanverfahrens berücksichtigt würden, könnten - wenn die Landeskultur weitergehend Grundlage für die Anordnung einer Ausnahme von der bundes- bzw. landesrechtlich geregelten Schonzeit für Schalenwild sei - nur „besondere Gründe der Landeskultur“ einen derartigen Eingriff rechtfertigen, vermag der Senat dieser Auffassung nicht zu folgen. Eine solche Auslegung findet weder in § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG noch in Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG einen Niederschlag. Dort heißt es jeweils, dass die Schonzeit für bestimmte Gebiete oder für einzelne Jagdreviere aus besonderen Gründen, „insbesondere aus Gründen der (…) Landeskultur (…)“, aufgehoben werden kann. Die Gesetzgeber verlangen insoweit keine ‚besonderen‘ Gründe der Landeskultur. Aber auch in der Sache vermag die Auffassung der Antragstellerseite den Senat nicht zu überzeugen. Im Abschussplanverfahren wird (auch unter Berücksichtigung der landeskulturellen Belange) die Anzahl der Rot-, Gams- und Rehwildabschüsse in den jeweiligen (entsprechend dem gesetzlichen Verfahren aufgestellten) Abschussplänen, die für Schalenwild erfüllt werden müssen (§ 21 Abs. 2 Satz 6 BJagdG), nach Anzahl, Geschlecht und den vorgegebenen Klassen festgesetzt. Mit der Ausweitung der Jagdzeiten durch die Verordnung ist hingegen keine Erhöhung der Abschusszahlen verbunden, sondern die in den Abschussplänen festgelegten Abschusszahlen erfassen auch den Abschuss des Schalenwildes im Rahmen der Verordnung. Der plangeregelte Abschuss kann lediglich teilweise in den Verordnungszeitraum verlagert werden, weil in diesem Zeitraum auch und besonders mit Verbiss zu rechnen ist und landeskulturelle Gründe - wie beispielsweise die Schutzwaldsanierung - die zeitliche Streckung erfordern. Folglich können im Abschussplanverfahren (das Abschussplanwesen reguliert den Wildbestand in Art und Menge) landeskulturelle Belange Auswirkungen auf den Schalenwildbestand, im Schonzeitaufhebungsverfahren hingegen auf die zeitliche Streckung der Bejagung und damit auf die räumliche Streuung des Schalenwilds über einen längeren Zeitraum haben. Sollte die Antragstellerseite beabsichtigt haben, der Bejagung während der Schonzeitaufhebung die erhoffte Vergrämungswirkung abzusprechen, würde dies ihrem Vortrag, es komme durch die Bejagungstätigkeit in benachbarten Verordnungsteilgebieten, in denen die Schonzeit aufgehoben wurde, zu einer zunehmenden Einwanderung von Schalenwild in die benachbarten Reviere (was einen erhöhten Jagdaufwand zur Folge habe), widersprechen.
223
2.3.2.1.3 Der Erlass der streitgegenständlichen Schonzeitaufhebungsverordnung ist angesichts der besonderen Bedingungen, denen die besonders schutzbedürftigen Schutzwaldflächen in den Verordnungsteilgebieten ausgesetzt sind, auch zur Vermeidung von übermäßigen Wildschäden i.S.d. Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG erforderlich.
224
Zwar ist grundsätzlich von einem übermäßigen Wildschaden erst auszugehen, wenn er das übliche Maß von durch Wild verursachten Schäden erheblich und in einem Umfang übersteigt, dessen Hinnahme dem Geschädigten nicht mehr zuzumuten ist (vgl. VG Ansbach, B.v. 30.04.1998 - AN 15 E 98.00625 - Jagdrechtliche Entscheidungen VI Nr. 45 - juris, Rn. 17; BayObLG, U.v. 10.4.1978 - RREg 2 Z 60/77 - BayObLGZ 1978, 69 - juris, Rn. 30). Dieser Ansatz ist der Erkenntnis geschuldet, dass in Anbetracht der Ernährungsgewohnheiten von Wildtieren der Verbiss von Pflanzen zum Naturkreislauf gehört und in einem gewissen Umfang der Waldregeneration nicht schadet.
225
Ein Fall der Vermeidung übermäßiger Wildschäden ist jedoch ernsthaft in Betracht zu ziehen, wenn ohne die Ausweitung der Jagdzeiten die Naturverjüngung wegen des Wildverbisses unterbleibt und der Erhalt der Schutzwaldflächen im bayerischen Alpenraum nicht mehr zu gewährleisten ist.
226
Es liegt auf der Hand, dass die Umstände des Einzelfalls in die Auslegung des Begriffs der übermäßigen Wildschäden i.S.d. Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG einzubeziehen sind und dass der Eintritt von (weiteren) Schäden am Schutzwald nicht abgewartet werden muss. Es wäre verfehlt, die Frage des Übermaßes von Wildschäden unabhängig von den naturräumlichen Gegebenheiten ihres Auftretens und der Bedeutung der betroffenen Güter nach einem einheitlichen (landesweiten) Maßstab zu beurteilen. Im Bergwald, dem als Schutzwald besondere Gemeinwohlaufgaben zukommen, wird die Grenze zum übermäßigen, nicht mehr zumutbaren Wildschaden wesentlich früher erreicht sein als im Flachland. Angesichts der aus klimatischen und standortspezifischen Gründen erschwerten Wachstumsbedingungen für Jungbäume kann die Waldverjüngung hier - je nach Waldzustand - manchmal nur durch künstliche Anpflanzungen herbeigeführt werden (zu den Verjüngungsmethoden vgl. Handbuch, Abschnitt D.2) und oft nur durch weitestgehende Unterbindung von Verbiss. Wenn eine erosionshindernde Bewaldung nicht vorhanden ist, müssen zusätzlich Verbauungen errichtet werden. Der Antragsgegner hat hierzu in den Parallelverfahren vorgetragen, dass solche Sanierungsmaßnahmen sehr teuer sind. 1 ha Pflanzung koste bis zu 20.000 EUR, 1 ha Verbauung bis zu 500.000 EUR. Verbiss auf den Schutzwaldstandorten könne nicht wie im Flachland von den Pflanzen durch Ersatztriebe kompensiert werden. In vielen Fällen führe Verbiss zum Absterben der Pflanzen oder zu dauerhaftem Kümmern (vgl. auch Handbuch Abschnitt D 4.1 Wildschäden). Die Folge seien teure Ersatzpflanzungen, verbunden mit großen Zeitverzögerungen bei der Sanierung. Dies könne in Flächen, die mit temporären und damit begrenzt haltbaren Holzbauwerken gegen Schneebewegungen gesichert seien, eine zweite Verbauungsgeneration mit enormen Kosten zur Folge haben (vgl. Stellungnahme AELF W.i.O. v. 12.2.2016 im Verfahren 19 N 19.1625). Diesem von der Antragstellerseite nicht widerlegten Vorbringen ist zu entnehmen, dass Schutzwald schon bei Verbissraten dauerhaft geschädigt wird, die im Flachland noch hingenommen werden könnten.
227
2.3.2.2 Die Schonzeitaufhebungsverordnung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht
228
2.3.2.2.1 Die angegriffene Verordnung begegnet im Hinblick auf das in dem bundesverfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip wurzelnde (BVerfG, B.v. 26.9.1978 - 1 BvR 525/77 - juris Rn. 34) Gebot der hinreichenden Bestimmtheit der Regelungen ebenso keinen Bedenken wie im Hinblick auf den gleichfalls aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Grundsatz der Normenklarheit (BVerfG, U.v. 19.3.2003 - 2 BvL 9/98 u.a. - juris Rn. 63).
229
Bei der Bestimmtheit geht es vornehmlich darum, dass die Verwaltung in der Verordnung steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und dass die Gerichte eine wirksame Rechtskontrolle vornehmen können. Der Gesetzgeber ist dabei gehalten, seine Regelungen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfG, U.v. 26.4.2022 - 1 BvR 1619/17 - juris Rn. 272). Die Bestimmtheitsanforderungen dienen auch dazu, die Verwaltung zu binden und ihr Verhalten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß zu begrenzen (BVerfG, U.v. 26.7.2005 - 1 BvR 782/94, 1 BvR 957/96 - juris Rn. 187; BVerwG, B.v. 27.4.2010 - 1 WB 14/09 - juris Rn. 36; U.v. 29.8.2019 - 7 C 29/17 - juris Rn. 38). Bei der Normenklarheit steht die inhaltliche Verständlichkeit der Regelung im Vordergrund (BVerfG, B.v. 10.11.2020 - 1 BvR 3214/15 - juris Rn. 87). Dieses Gebot soll die betroffenen Normadressaten befähigen, die Rechtslage anhand einer aus sich heraus verständlichen gesetzlichen bzw. normativen Regelung zu erkennen, damit sie ihr Verhalten danach ausrichten können (BVerwG, B.v. 27.4.2010 - 1 WB 14/09 - juris Rn. 36).
230
Soweit die Antragstellerseite der Auffassung ist, für den aufmerksamen Beobachter sei nicht hinreichend deutlich, wo die Grenzen des jeweiligen Verordnungsteilgebietes verliefen, greift diese Rüge nicht durch.
231
Nachdem sich die Schonzeitverkürzung für die Verordnungsteilbereiche (mit Ausnahme des Teilgebiets Laber) ausschließlich an den Personenkreis der in den Staatsjagdrevieren (bzw. im Verordnungsteilgebiet L.) Jagdausübungsberechtigten richtet und lediglich verhaltensbezogene Regelungen trifft, dürfen die Anforderungen an die Bestimmtheit und die Normenklarheit der Verordnung nicht überspannt werden (die Antragstellerseite versucht insoweit - im Ergebnis nicht durchgreifend - einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung herzuleiten). Rechtslehre und Rechtsprechung haben seit jeher den Grundsatz aufgestellt und vertreten, dass Rechtsverordnungen - ebenso wie Gesetze - der Wirksamkeit nur dann entbehren, wenn sie sich nicht so bestimmt ausdrücken, dass ihr Inhalt und ihre Tragweite klar erkennbar sind, und wenn aus ihnen nicht zu ersehen ist, welche Handlungen geboten oder verboten sind (vgl. BayObLG, U.v. 31.10.1995 - RevReg. 4 St 113/60 m.w.N.). Der Rechtsunterworfene muss die Möglichkeit haben, ohne größere Schwierigkeiten und demgemäß aus der Veröffentlichung selbst oder doch aus ihr in Verbindung mit anderen Veröffentlichungen zu erkennen, welche Vorschriften gelten sollen, damit er sein Verhalten entsprechend einrichten kann. Für den vorliegenden Fall ist allein zu fordern, dass sich jeder Jagdausübungsberechtigte vor Ort verlässlich ein Urteil darüber bilden kann, ob ein Schalenwildabschuss zulässig ist, d.h. ob sich er und das angesprochene Stück Schalenwild im Geltungsbereich der Verordnung aufhalten.
232
Dies ist bei den Verordnungsteilgebieten der Fall. Die archivmäßig aufbewahrten Kartenblätter halten den gesetzlichen Mindestmaßstab von 1:25.000 aus Art. 51 Abs. 2 LStVG (zum Zeitpunkt des Verordnungserlasses wortgleich in Art. 51 Abs. 3 LStVG geregelt) ein. Der Senat hat (unter Berücksichtigung des den Antragsunterlagen beigefügten und dem im gerichtlichen Verfahren ergänzend vorgelegten Kartenmaterials, das insbesondere auch die flächenscharf in das Geoinformationssystem eingepflegten Verordnungsflächen darstellt) keine Anhaltspunkte dafür, dass diese nicht geeignet sind, den Geltungsbereich der Verordnung in den Sanierungsgebieten bzw. Gefährdungsgebieten darzustellen und vor Ort (jedenfalls für die Jagdausübungsberechtigten) bestimmbar zu machen. Eine Grenzbeschreibung in Worten im Verordnungstext bzw. weitere Angaben im Kartenmaterial sind aufgrund der Besonderheiten im vorliegend Fall nicht erforderlich (vgl. insoweit die Ausführungen unter Nr. 2.3.1).
233
Die Abgrenzungen erfolgten nach den Erläuterungen des Antragsgegners nicht nur anhand von topographischen Besonderheiten und Gemarkungsgrenzen, sondern auch anhand von Staatswaldabteilungsgrenzen (zur Waldeinteilung in Distrikte und Abteilungen vgl. Nr. 2.1.2.2 der Richtlinien für die Forsteinrichtung im Körperschaftswald vom 10.1.2012, AllMBl 2012, S. 88 ff), welche im Gelände mit weißen Strichen an den Bäumen markiert sind und deshalb vor Ort entsprechend anwendungssicher nachvollzogen werden können (vgl. https://www.baysf.de/de/wald-verstehen/markierungen.html, zuletzt abgerufen am 2.1.23).
234
Die Grenzbeschreibungen (insoweit sind auch die jeweiligen von der Beigeladenen erstellten Formblätter bzgl. jedes Verordnungsteilgebietes zu berücksichtigen) genügen deshalb nach Auffassung des Senats rechtsstaatlichen Anforderungen (vgl. hierzu Leonhardt/Pießkalla, Jagdrecht, Stand November 2022, § 22 BJagdG Nr. 11.22 Rn. 4.1). Die gegenteilige Rechtsauffassung der Antragstellerseite teilt der Senat nicht. Maßgeblich für die Beurteilung ist dabei ausschließlich das zum Bestandteil der Verordnung erklärte, ausgefertigte und im Oberbayerischen Amtsblatt Nr. 4 vom 22. Februar 2019 bekannt gemachte Kartenwerk.
235
Soweit die Antragstellerseite für das Verordnungsteilgebiet Wasserberge einen Widerspruch zwischen den beschriebenen Abgrenzungen in dem Formblatt und der Eintragung in der veröffentlichten Karte erkannt haben will (die Antragstellerseite spricht grundsätzlich davon, dass die Formblätter „die Beschreibung der genauen Abgrenzung des jeweiligen VO-Gebietes“ enthalten, vgl. Schriftsatz vom 23.2.2022), ist dies schon deshalb unschädlich, weil nach § 2 Abs. 2 Unterabs. 2 der angegriffenen Verordnung in Zweifelsfällen über den genauen Geltungsbereich der Verordnung die archivmäßig verwahrten Karten mit der Innenseite der dort eingetragenen roten Linien maßgeblich sind.
236
2.3.2.2.2 Die Verordnung verstößt nicht gegen Art. 12a Abs. 2 BayWaldG.
237
Gem. Art. 12a Abs. 2 Satz 1 BayWaldG wird bis zum Jahr 2023 im Staatswald ein grünes Netzwerk eingerichtet, das 10 Prozent des Staatswaldes umfasst und aus naturnahen Wäldern mit besonderer Bedeutung für die Biodiversität besteht (Naturwaldflächen). Abgesehen von notwendigen Maßnahmen des Waldschutzes und der Verkehrssicherung finden in Naturwaldflächen keine Bewirtschaftung und keine Holzentnahme statt (Art. 12a Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 3 BayWaldG). Ohne dass es darauf entscheidungserheblich ankommt, ist das grüne Netzwerk mittlerweile mit insgesamt 83.772 Hektar ökologisch besonders wertvollen Wäldern vollständig (vgl. Änderung der Bekanntmachung über die Naturwälder in Bayern gemäß Art. 12a Abs. 2 des Bayerischen Waldgesetzes <BayWaldG> - Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 9.11.2022, Az. F1-7715-1/800; vgl. auch https://www.stmelf.bayern.de/service/presse/pm/2022/315876/, zuletzt abgerufen am 2.1.23).
238
In der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 18/11816 S. 22) zu der durch § 8 Nr. 2 Buchst. c des Zweiten Gesetzes zugunsten der Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern (GVBl 2019 S. 408) in Art. 12a BayWaldG eingefügten und am 1. August 2019 in Kraft getretenen Norm wird ausgeführt, dass durch den neugefassten Art. 12a BayWaldG ein weiterer Beitrag zur Biodiversität geleistet und ein grünes Netzwerk von Naturwaldflächen geschaffen werde. Durch Art. 12a Abs. 2 Satz 1 BayWaldG verpflichte sich der Freistaat, auf rund 10 Prozent der Staatswaldflächen ein grünes Netzwerk einzurichten, das aus Wäldern mit besonderer Bedeutung für die Biodiversität bestehe. Der Verweis in Art. 12a Abs. 2 Satz 2 BayWaldG lege fest, dass diese Flächen forstwirtschaftlich nicht genutzt würden. Dies bedeute, dass die Flächen - entsprechend der Vorgabe des bisherigen Art. 12a Satz 3 BayWaldG - dauerhaft aus der aktiven Bewirtschaftung genommen würden und darin keine Holzentnahme mehr stattfinde. Notwendige Maßnahmen des Waldschutzes oder der Verkehrssicherung seien im Rahmen des Art. 12a Abs. 2 BayWaldG weiter zulässig, um ggf. ein Übergreifen von Waldschädlingen auf umgebende Wälder verhindern zu können und die Erlebbarkeit dieser Flächen für die Bevölkerung sicherzustellen. Die neue waldrechtliche Schutzkategorie der Naturwaldflächen werde - im Unterschied zu den Naturwaldreservaten des Abs. 1 - nur im Staatswald eingerichtet (neben Flächen der Bayerischen Staatsforsten könne dies auch sonstiger Staatswald des Freistaates Bayern oder des Bundes sein). Als Naturwaldflächen kämen zudem nur naturnahe Flächen mit besonderer Bedeutung für die Biodiversität in Betracht. Ziel sei es, einen Beitrag zum Erhalt und zur Verbesserung der Biodiversität zu leisten, Referenz für die Entwicklung naturnaher Wälder im Klimawandel ohne den Einfluss forstlicher Maßnahmen zu bieten und diese Flächen, wo es die natürlichen Voraussetzungen zuließen, für die Gesellschaft besonders erlebbar zu gestalten. Soweit zur Erreichung des 10 Prozent Ziels noch Staatswald aus der forstwirtschaftlichen Nutzung zu nehmen sei, werde hierfür vornehmlich auf Flächen zurückzugreifen sein, welche von der Beigeladenen bewirtschaftet würden. Dadurch leiste die Beigeladene einen erheblichen Beitrag zum Natur-, Umwelt- und Artenschutz, der über ihre Verpflichtungen im Rahmen der Vorbildlichkeit hinausgehe. Die Einzelheiten zur Betreuung der Naturwaldflächen incl. Zuständigkeiten und einem finanziellen Ausgleich im Rahmen der Förderung der besonderen Gemeinwohlleistungen zugunsten der Beigeladenen blieben gesonderter Regelung vorbehalten. Die Erreichung des 10 Prozent Ziels solle nicht zu einer Intensivierung der Nutzung der übrigen Flächen im Staatswald führen.
239
Soweit die Antragstellerseite unter Verweis auf Nr. 4.4 der Bekanntmachung Naturwälder in Bayern gemäß Art. 12a Abs. 2 des Bayerischen Waldgesetzes (BayWaldG) des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 2. Dezember 2020, Az. F1-7715-1/800 (BayMBl. Nr. 695), wonach als Naturwaldflächen Flächen nicht geeignet sind, die der dauerhaften Pflege bedürfen (z.B. stark kulturgeprägte Wälder und Schutzwald-Sanierungsflächen, auf denen Pflanz- und Verbauungsmaßnahmen erforderlich sind), die Auffassung vertritt, die streitgegenständliche Verordnung sei obsolet geworden, nachdem durch die spätere und im Rang höhere Norm des Art. 12a Abs. 2 BayWaldG erhebliche Verordnungsgebietsflächen als Naturwaldkulisse ausgewiesen worden seien, weil die Ausweisung von Flächen als Naturwald ausschließe, dass diese Flächen zugleich von der Schonzeitaufhebungsverordnung erfasst sein könnten, vermag der Senat dieser Auffassung nicht zu folgen. Zunächst ist festzustellen, dass ausweislich der von der Antragstellerseite zitierten Nr. 4.4 der Bekanntmachung vom 2. Dezember 2020 nur Schutzwaldsanierungsflächen, auf denen Pflanz- und Verbauungsmaßnahmen erforderlich sind, nicht als Naturwaldflächen geeignet angesehen werden, sodass Naturwaldflächen in den Verordnungsteilgebieten, die keine Schnittmenge mit Sanierungsflächen aufweisen, schon aus diesem Grund keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verordnung haben können (insbesondere ist auch die Auffassung der Antragstellerseite, bei Vorliegen von Naturwaldflächen innerhalb der Verordnungsteilgebiete fehle es an einem besonderen Grund i.S.d. Art. 33 Abs. 2 Nr. 1 BayJG, aus diesem Grund nicht zu folgen).
240
Grundsätzlich ist eine Änderung der Naturwaldflächen auch nach deren Ausweisung nicht ausgeschlossen. So legt die Bekanntmachung vom 2. Dezember 2020 fest, dass für den Fall, dass örtlich Situationen, namentlich im Berg- und Schutzwald (z.B. in Folge des Klimawandels), entstehen, die aus übergeordneten Gründen der Risikoabwehr eine Sanierung solcher Flächen unabdingbar notwendig machen, dies zur Unvereinbarkeit mit den Zielen und Anforderungen nach den Nrn. 3 und 4 der Bekanntmachung führen und im seltenen Ausnahmefall die Aufgabe einer Naturwaldfläche ganz oder in Teilen nach sich ziehen kann. Die Entscheidung hierüber trifft das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nach eingehender Prüfung und veranlasst ggf. die Löschung aus dem Verzeichnis der Naturwaldflächen. Um das grüne Netzwerk in seinem Umfang zu erhalten, ist dann ein geeigneter Flächenersatz angrenzend oder zumindest im gleichen Wuchsgebiet anzustreben (Nrn. 12.2, 12.3 und 12.4 Satz 1 der Bekanntmachung vom 2.12.2020). Eine solche Konstellation liegt vorliegend jedoch nicht vor.
241
Vielmehr hat der Senat in dem am 18. Januar 2022 elektronisch übermittelten Kartenmaterial eine (jeweils geringfügige) Überschneidung von Naturwaldflächen und Sanierungsflächen in den Verordnungsteilgebieten Seehauser Kienberg und Hiental-Litzelbach festgestellt, woraufhin er mit gerichtlichem Schreiben vom 29. Juli 2022 beim Antragsgegner um Stellungnahme gebeten hat, ob das am 18. Januar 2022 übermittelten Kartenmaterial insoweit zutreffend ist oder ob die Überschneidungen auf einer fehlerhaften Darstellung beruhen. Der Antragsgegner erklärte sodann mit Schriftsatz vom 2. August 2022 im Verfahren 19 N 19.1368, die Abgrenzungen der Naturwaldflächen in den beiden Verordnungsteilgebieten seien zutreffend. Sie entsprächen den Flächen der Bekanntmachung vom 2. Dezember 2020. Bei den Sanierungsflächen handle es sich um Planungseinheiten, die regelmäßig fortentwickelt würden. Die Sanierungsflächen im übermittelten Kartenmaterial entsprächen dem Stand zum Zeitpunkt der Übermittlung. Zwischenzeitlich seien die Abgrenzung der Sanierungsflächen entsprechend angepasst worden, so dass aktuell keine Überschneidungen mit Naturwäldern vorlägen (eine aktualisierte Karte wurde dem Schriftsatz beigefügt). Diesbezüglich haben der Antragsgegner und die Beigeladene im Rahmen der mündlichen Verhandlung ergänzend vorgetragen, es sei bei der Ausweisung der Naturwaldflächen aufgrund des politischen Drucks, die Flächen schnellstmöglich auszuweisen, (allgemein) zu „zwei, drei Fehler[n]“ gekommen. Es habe sich flächenmäßig nur um sehr kleine Flächen gehandelt. In einem Fall sei festgestellt worden, dass auf eine Sanierungsteilfläche (dort hätten noch keine Sanierungsmaßnahmen stattgefunden) verzichtet werden könne (weil eine Randfläche der Sanierungsfläche <noch nicht einmal 1 ha> nicht sanierungsbedürftig sei). Diese Fläche sei nunmehr Naturwald. In einem anderen Fall (dort habe es schon Sanierungsmaßnahmen gegeben) sei die Naturwaldausweisung zurückgenommen worden.
242
Eine Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Verordnung ergibt sich aus dieser Sachlage jedoch nicht. Zunächst ist festzustellen, dass die Naturwaldflächen nicht durch die spätere und im Rang höhere Norm des Art. 12a Abs. 2 BayWaldG ausgewiesen werden, sondern die Einrichtung oder Erweiterung von Naturwaldflächen vielmehr durch Aufnahme in das am Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten geführte „Verzeichnis über das grüne Netzwerk der Naturwaldflächen“ vollzogen wird (Nr. 5.3 Satz 1 der Bekanntmachung vom 2.12.2020; eine Rechtsverordnung nach Art. 33 Abs. 4 BayJG liegt offensichtlich nicht vor). Wird nun eine Naturwaldfläche ausgewiesen, obwohl die Voraussetzungen nicht vorliegen (z.B., weil die Fläche oder ein Teil davon eine Schutzwaldsanierungsfläche ist, auf der Pflanz- und Verbauungsmaßnahmen erforderlich sind), ist die Ausweisung fehlerhaft erfolgt (dass eine fehlerhafte Naturwaldausweisung direkte Auswirkungen auf eine bestehende Sanierungsfläche haben würde, ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich). In einem solchen Fall ist die Ausweisung der Naturwaldfläche rückgängig zu machen bzw. die (nachträgliche) Erfüllung der Ausweisungsvoraussetzungen sicherzustellen (wie vorliegend durch Änderung der Sanierungsflächen geschehen). Liegt - wie hier in den beiden Verordnungsteilgebieten - lediglich eine ganz geringfügige Überschneidung der (fälschlicherweise) ausgewiesenen Naturwaldflächen mit einer Sanierungsfläche vor, kann diese Ausweisung keine Auswirkung auf die (zuvor erlassene) streitgegenständliche Schonzeitaufhebungsverordnung haben, weil eine Sanierungsfläche (selbst ohne den geringfügigen Überschneidungsbereich) vorgelegen hat. Im Übrigen ist nach Nr. 7.7.1 und 7.7.2 der Bekanntmachung vom 2. Dezember 2020 die rechtmäßige Ausübung der Jagd auch in den Naturwaldflächen zulässig, wobei sie im Staatswald vorbildlich im Sinne von Art. 18 BayWaldG sowie ggf. Art. 4 des Gesetzes zur Errichtung des Unternehmens „Bayerische Staatsforsten“ (StFoG) auszuüben ist, insbesondere ist die Entwicklung und Verjüngung naturnaher Wälder durch ein geeignetes Jagdmanagement sicherzustellen und in den betriebsbezogenen Jagdkonzepten zu verankern.
243
Aus diesen Gründen greifen sämtliche von der Antragstellerseite gegen die angegriffene Verordnung gerichteten Einwände betreffend die in den Verordnungsteilgebieten befindlichen Naturwälder nicht durch.
244
2.3.2.2.3 Die streitgegenständliche Schonzeitaufhebungsverordnung steht in Einklang mit den (im Grundsatz nicht abwägbaren) Vorschriften zum Gebiets- und Artenschutz.
245
Von der Verordnung sind die nachfolgenden Natura2000-Gebiete (§§ 31 ff. BNatSchG) betroffen: 8034-371 Oberes Isartal (Gebiets-Typ B), 8239-371 Hochriesgebiet und Hangwälder im Aschauer Tal (Gebiets-Typ B), 8239-372 Geigelstein und Achentaldurchbruch (Gebiets-Typ B), 8239-401 Geigelstein (Gebiets-Typ A), 8241-372 Östliche Chiemgauer Alpen (Gebiets-Typ B), 8241-401 Naturschutzgebiet „Östliche Chiemgauer Alpen“ (Gebiets-Typ A), 8330-471 Ammergebirge mit Kienberg und Schwarzenberg sowie Falkenstein (Gebiets-Typ A), 8334-373 Kesselberggebiet (Gebiets-Typ B), 8336-371 Mangfallgebirge (Gebiets-Typ B), 8336-471 Mangfallgebirge (Gebiets-Typ A), 8342-301 Nationalpark Berchtesgaden (Gebiets-Typ C), 8342-302 NSG 'Aschau', NSG 'Schwarzbach' und Schwimmendes Moos (Gebiets-Typ B), 8343-303 Untersberg (Gebiets-Typ B), 8431-371 Ammergebirge (Gebiets-Typ B), 8432-302 Auerberg, Mühlberg (Gebiets-Typ B), 8433-301 Karwendel mit Isar (Gebiets-Typ B), 8433-371 Estergebirge (Gebiets-Typ B), 8433-401 Karwendel mit Isar (Gebiets-Typ A), 8433-471 Estergebirge (Gebiets-Typ A) und 8434-372 Jachenau und Extensivwiesen bei Fleck (Gebiets-Typ B) (Standarddatenbögen jeweils abrufbar unter https://www.lfu.bayern.de/natur/natura2000/browse/index; gebietsbezogene Konkretisierungen der Erhaltungsziele jeweils abrufbar unter https://www.lfu.bayern.de/natur/natura_2000_vollzugshinweise_erhaltungsziele/8027_8672/index.htm; Managementpläne liegen vor in den Gebieten 8034-371 Oberes Isartal (Gebiets-Typ B; Stand 20.12.2016), 8239-371 Hochriesgebiet und Hangwälder im Aschauer Tal (Gebiets-Typ B; Stand 26.11.2020), 8330-471 Ammergebirge mit Kienberg und Schwarzenberg sowie Falkenstein (Gebiets-Typ A; Stand 05/2022), 8431-371 Ammergebirge (Gebiets-Typ B; Stand 05/2022), 8432-302 Auerberg, Mühlberg (Gebiets-Typ B; Stand 26.11.2018), 8433-371 Estergebirge (Gebiets-Typ B; Stand 3.4.2020) und 8433-471 Estergebirge (Gebiets-Typ A; Stand 23.10.2019), abrufbar jeweils unter https://www.lfu.bayern.de/natur/natura2000_managementplaene/8027_8672/index.htm; die in Aufstellung befindlichen Managementpläne können unter https://www.regierung.oberbayern.bayern.de/service/themen_umwelt/natura2000_mpl/index.html eingesehen werden). In den genannten Gebiets-Typen A und C kommen die in Anhang I der RL 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (Vogelschutzrichtlinie) aufgeführten Arten Auerhuhn (Tetrao urogallus), Birkhuhn (Tetrao tetrix) und Steinadler (Aquila chrysateos) vor.
246
Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines besonderen Schutzgebiets des Natura2000-Systems in seinen für die Erhaltungsziele und den Schutzzweck maßgeblichen Bestimmungen führen können, sind unzulässig; ist hiermit zu rechnen, hat der Mitgliedsstaat geeignete Vermeidungsmaßnahmen zu treffen (vgl. Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie <RL 92/43/EWG>, § 33 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG). Dabei bestimmt die Schutzerklärung den Schutzzweck entsprechend den jeweiligen Erhaltungszielen und die erforderlichen Gebietsbegrenzungen.
247
Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten (wobei nicht jede Störung oder Beeinträchtigung erheblich im Sinne des Art. 6 Abs. 2 und 3 der Habitatrichtlinie ist, sondern nur eine für die Erhaltungsziele signifikante), erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen (Art. 6 Abs. 3 Satz 1 Habitatrichtlinie, § 34 Abs. 1 BNatSchG).
248
Eine FFH-Verträglichkeitsprüfung ist erforderlich, wenn und soweit erhebliche Beeinträchtigungen nicht offensichtlich ausgeschlossen werden können, also zumindest vernünftige Zweifel am Ausbleiben von derartigen Beeinträchtigungen bestehen. Der eigentlichen Verträglichkeitsprüfung ist eine Vorprüfung bzw. Erheblichkeitseinschätzung vorgeschaltet. Die bei der Vorprüfung (sog. Screening) anzulegenden Maßstäbe sind nicht identisch mit den Maßstäben für die Verträglichkeitsprüfung selbst. Bei der Vorprüfung ist nur zu untersuchen, ob erhebliche Beeinträchtigungen des Schutzgebiets ernstlich zu besorgen sind. Erst wenn das zu bejahen ist, schließt sich die Verträglichkeitsprüfung mit ihren Anforderungen an den diese Besorgnis ausräumenden naturschutzfachlichen Gegenbeweis an (BVerwG, U.v. 14.7.2011 - 9 A 12/10 - juris Rn. 87 m.w.N.).
249
Gemessen an diesen Maßstäben handelt es sich bei der Bejagung aufgrund der Schonzeitaufhebungsverordnung (folglich außerhalb der durch Gesetz bzw. durch Verordnung festgesetzten Jagdzeiten) in den betroffenen Natura2000-Gebieten (jeweils) um Gebietserhaltungsmaßnahmen (2.3.2.2.3.1), die diese Gebiete weder einzeln (2.3.2.2.3.2) noch in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten (2.3.2.2.3.3) erheblich beeinträchtigen.
250
2.3.2.2.3.1 Die Bejagung aufgrund der Schonzeitaufhebungsverordnung (folglich außerhalb der durch Gesetz bzw. durch Verordnung festgesetzten Jagdzeiten) stellt nach Auffassung des Senats eine Gebietserhaltungsmaßnahme dar (mit der Folge, dass eine Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie vor Erlass der streitgegenständlichen Verordnung nicht erforderlich war).
251
Eine Bewirtschaftung der besonderen Schutzgebiete, die deren Erhaltungszielen und dem Störungsverbot in Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie in vollem Umfang Rechnung trägt, ist kein Plan oder Projekt im Sinne des Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie (also keiner der Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind und es einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten), sondern eine Maßnahme der Erhaltungsbewirtschaftung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Habitatrichtlinie und des Art. 3 der Vogelschutzrichtlinie, die einer Verträglichkeitsprüfung nicht unterzogen werden muss (vgl. insoweit den Leitfaden „Natura 2000 - Gebietsmanagement, die Vorgaben des Artikels 6 der Habitatrichtlinie der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2019 <Leitfaden Gebietsmanagement, 2019/C 33/01, abrufbar unter https://ec.europa.eu/environment/nature/natura2000/management/docs/art6/DE_art_6_guide_jun_2019.pdf und https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=ECLI:OJ:C:2019:033:FULL& from=EN, jeweils am 2.1.23 zuletzt abgerufen; nachfolgende Seitenangaben beziehen sich auf das PDF-Dokument>, wonach die in Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie genannten Begriffe „Plan“ und „Projekt“ nicht auf physische bauliche Anlagen beschränkt seien <Leitfaden Gebietsmanagement S. 36> und die Bestimmungen des Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie im Allgemeinen nicht auf Pläne und Projekte für die Erhaltungsbewirtschaftung des Gebiets angewendet werden sollten <dies sollte sowohl für Einzelpläne und -projekte als auch dann gelten, wenn sie Bestandteile anderer Pläne und Projekte seien> <Leitfaden Gebietsmanagement S. 38>).
252
Tragen Tätigkeiten nicht zu den Erhaltungszielen eines Gebiets bei oder sind sie damit nicht vereinbar, ist Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie anzuwenden, also von einem Plan oder Projekt sowie der grundsätzlichen Erforderlichkeit einer Verträglichkeitsprüfung auszugehen (zu einer erheblichen Intensivierung der Landwirtschaft, durch die der naturnahe Charakter eines Gebietes geschädigt oder zerstört wird, vgl. S. 36 des Leitfadens Gebietsmanagement sowie BayVGH, U.v. 25.9.2012 - 14 B 10.1550; zur mechanischen Herzmuschelfischerei vgl. EuGH vom 7.9.2004 - C-127/02; zur Unzulässigkeit einer nationalen Regelung, derzufolge u.a. die Jagd nie gegen das Störungsverbot des Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie verstößt, vgl. EuGH, U.v. 4.3.2010 - C-241/08). Obwohl die Jagd während der gesamten Geltungsdauer der Naturschutzrichtlinien im gesamten unbewohnten Gebiet der Union ausgeübt worden ist, ist eine Entscheidung, in der der Europäische Gerichtshof oder die Europäische Kommission bei der Jagd oder bei jagdlichen Vorgaben eine Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie für erforderlich gehalten hätte, nicht ersichtlich.
253
Zu den Gebiets- oder Arterhaltungsmaßnahmen können umweltfreundliche bzw. umweltverträgliche Tätigkeiten wie z.B. traditionelle landwirtschaftliche Praktiken, die der Erhaltung bestimmter Lebensraumtypen und Arten dienen (Leitfaden Gebietsmanagement S. 33), kommerzieller Holzeinschlag (Leitfaden Gebietsmanagement S. 38) oder Tätigkeiten nichtkommerzieller Art zu zählen sein (Leitfaden Gebietsmanagement S. 38; vgl. auch Leitfaden Gebietsmanagement S. 24, wonach Agrarwirtschaft und Waldbau als Beispiele dafür angeführt werden, wie die sozioökonomischen Forderungen gemäß Art. 2 Abs. 3 der Habitatrichtlinie Berücksichtigung finden können).
254
Bei traditionellen, potentiell zu den Erhaltungszielen eines Gebiets beitragenden oder damit vereinbaren Tätigkeiten kommt es somit auf die konkreten Modalitäten und Umstände im Einzelfall an. Der Leitfaden Gebietsmanagement erwähnt die traditionelle Landwirtschaft ausdrücklich nur beispielhaft. Weitere traditionelle umweltfreundliche Praktiken sind unter anderem Forstwirtschaft, Fischereiwirtschaft und Jagd. Geht die Jagd über eine vernünftige Nutzung der Natur nicht hinaus (vgl. insoweit Art. 9 Abs. 1 lit. c der Vogelschutzrichtlinie sowie - hinsichtlich der Voraussetzungen für eine Anwendung dieser Bestimmung auf die Jagd - EuGH, U.v. 16.10.2003 - C-182/02 - juris) und besteht nach Lage der Dinge keine ernsthafte Besorgnis nachteiliger Auswirkungen (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2007 - 4 BN 46/07 - juris Rn. 7 sowie U.v. 14.7.2011 - 9 A 12/10 - juris Rn. 87, jeweils im Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie), zählt sie zu den Gebiets- oder Arterhaltungsmaßnahmen. Es versteht sich von selbst, dass bei der Prüfung des Beitrags zu den Erhaltungszielen eines Gebiets oder der Vereinbarkeit nicht nur freiwillig übernommene Umweltmaßnahmen (vgl. S. 24 des Leitfadens Gebietsmanagement zu vertraglichen Vereinbarungen mit Landwirten und zu zertifiziertem Waldbau) zu berücksichtigen sind, sondern auch der Umweltfreundlichkeit dienliche (und effektiv angewendete) Rechtsvorschriften, denen die jeweilige Tätigkeit nach nationalem Recht unterworfen ist. Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr auf den von der Europäischen Kommission im Jahr 2008 erstellten „Leitfaden zu den Jagdbestimmungen der RL 79/409/EWG des Rates über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten“ (Leitfaden Jagd) an, in dem die dargelegten Grundsätze des Natura2000-Systems speziell für die Tätigkeit der Jagd zusammengefasst sind (vgl. insbesondere S. 9/10 betreffend die Jagd in Natura2000-Gebieten als Frage der Bewirtschaftung, die in erster Linie an Ort und Stelle geklärt werden muss, betreffend den Umstand, dass Auswirkungen, die in Bezug auf die Erhaltungsziele der Natura2000-Gebiete nicht signifikant sind, nicht als Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie zu betrachten sind, betreffend den Umstand, dass im Allgemeinen nichts gegen die Jagd in Natura2000-Gebieten spricht, betreffend Jagdverbotszonen als mögliche Bewirtschaftungsmethode zur Beachtung des Störungsverbots und betreffend die Erforderlichkeit einer angemessenen Organisation und einer angemessenen Überwachung zur Vermeidung signifikanter Belästigungen; vgl. auch S. 18/19 betreffend die Voraussetzung der „vernünftigen Nutzung“, die mit einer Aufrechterhaltung der Populationen in einem günstigen Erhaltungszustand verbunden ist, sowie S. 24 betreffend eine künstliche Vergrößerung von Beständen, die sich für andere Arten als erhebliche Beeinträchtigung auswirken kann).
255
Ausgehend davon stellt die Bejagung aufgrund der Schonzeitaufhebungsverordnung (folglich außerhalb der durch Gesetz bzw. durch Verordnung festgesetzten Jagdzeiten) als Begleitmaßnahme der keine erheblichen Beeinträchtigungen verursachenden (2.3.2.2.3.1.2) Gebietserhaltungsmaßnahme „Pflanzung“ (2.3.2.2.3.1.1) nach Auffassung des Senats selbst eine Gebietserhaltungsmaßnahme (2.3.2.2.3.1.3) dar.
256
2.3.2.2.3.1.1 Unabhängig von der Frage, ob die Schutzwaldsanierungsmaßnahme „Pflanzung“ im Verfahren gegen die streitgegenständliche Schonzeitaufhebungsverordnung überhaupt überprüfbar ist, geht der Senat davon aus, dass die nichtjagdlichen Maßnahmen auf den Sanierungsflächen in Form der Pflanzmaßnahmen Gebietserhaltungsmaßnahmen darstellen.
257
Ein starkes Indiz für die Annahme, dass die Pflanzmaßnahmen im Rahmen der Schutzwaldsanierung eine Gebietserhaltungsmaßnahme sind, stellt bereits der Umstand dar, dass die Schutzwaldsanierung (in Form der Pflanzung) durch die Beigeladene nichtkommerziellen Charakter besitzt (vgl. Leitfaden Gebietsmanagement S. 38).
258
Die Beigeladene, eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, ist - im Gegensatz zu privaten Forstunternehmen - von vornherein nicht nur den Gemeinwohlerfordernissen verpflichtet, die in allgemeinen Gesetzen festgeschrieben sind, sondern auch solchen, die in behördlichen Plänen, Richtlinien, Weisungen usw. festgelegt sind. Sie hat den Staatswald vorbildlich zu bewirtschaften, weil er dem allgemeinen Wohl in besonderem Maße dient (Art. 1 StFoG). Dasselbe ergibt sich auch aus § 1 Abs. 1 BayWaldG (tragendes Leitprinzip des Gesetzgebers bei Erlass des Bayerischen Waldgesetzes war die Walderhaltung und seiner Funktionen, vgl. LT-Drs. 7/6654 S. 1, S. 19 ff.). Die Beigeladene hat die Aufgabe, nach näherer Maßgabe des Gesetzes, das Forstvermögen, insbesondere den Staatswald einschließlich der Saalforste, und das Coburger Domänengut zu bewirtschaften und dabei in besonderem Maße die Belange des Naturschutzes, der Landschaftspflege und der Wasserwirtschaft zu berücksichtigen (Art. 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 StaFoG). Sie ist als eine mit der Bewirtschaftung und der Verwaltung betraute Stelle nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BayWaldG verpflichtet, insbesondere standortgemäße, naturnahe, gesunde, leistungsfähige und stabile Wälder zu erhalten und zu schaffen. Insoweit soll hierzu die natürliche Verjüngung der standortgemäßen Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen durch eine auf einen artenreichen und gesunden Wildbestand ausgerichtete Bejagung ermöglicht werden (Art. 18 Abs. 1 Satz 4 BayWaldG). Darüber hinaus hat die Beigeladene (auch) die Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes und seine biologische Vielfalt zu sichern und zu verbessern und bei allen Maßnahmen die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie die Belange der Wasserwirtschaft zu berücksichtigen (Art. 18 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 BayWaldG; ebenso Art. 3 Abs. 2 Satz 2 StFoG), den Wald vor Schäden zu bewahren (Art. 18 Abs. 1 Satz 5 Nr. 3 BayWaldG), besondere Gemeinwohlleistungen zu erbringen (Art. 18 Abs. 1 Satz 5 Nr. 4 BayWaldG; nach Art. 22 Abs. 4 Satz 2 BayWaldG ist insbesondere die Schutzwaldsanierung eine dieser Gemeinwohlleistungen; für sie sieht Art. 22 BayWaldG staatliche Beihilfen vor) und besondere Belange der Jagd, wie die Reduktion von Schwarzwild und die Bestandssicherung ganzjährig geschonter Wildarten, zu berücksichtigen (Art. 18 Abs. 1 Satz 5 Nr. 5 BayWaldG). Infolge der Verpflichtung der Beigeladenen zur Bewirtschaftung des Staatswaldes unter Beachtung der Grundsätze einer naturnahen Forstwirtschaft in vorbildlicher Weise bedürfen diese Waldflächen gemäß Ziffer 5.5 der Gemeinsamen Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien des Innern, für Wirtschaft, Verkehr und Technologie, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit sowie für Landesentwicklung und Umweltfragen vom 1. September 2000 (AllMBl 2000, S. 544) keiner zusätzlichen Schutzmaßnahmen; sie werden grundsätzlich als bereits ausreichend geschützt angesehen.
259
Der Umstand, nicht nur den Gemeinwohlerfordernissen verpflichtet zu sein, die in allgemeinen Gesetzen festgelegt sind, sondern auch solchen, die in behördlichen Plänen, Richtlinien, Weisungen usw. festgelegt sind, erlaubt der Beigeladenen ganz allgemein nicht diejenige Ausrichtung der Unternehmenstätigkeit an der Gewinnerwartung, die privaten Forstunternehmen erlaubt ist. Die Beigeladene wendet im Rahmen der Schutzwaldsanierung im Wesentlichen auf Rechnung des Antragsgegners umfangreiche Mittel auf, ohne dass auch nur annähernd ein entsprechender Ertrag zu erwarten ist (in die Schutzwaldpflege im Staatswald <im Gegensatz zur Schutzwaldsanierung, bei der es um die Wiederherstellung der Schutzfunktionen geht, unterfallen der Schutzwaldpflege Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der Schutzwaldfunktionen> wurden seit der Gründung der Bayerischen Staatsforsten im Jahr 2005 knapp 47 Millionen Euro investiert, vgl. Der Berg- und Schutzwald in den bayerischen Alpen, Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, November 2016, S. 43, 48).
260
Neben dem nichtkommerziellen Charakter der Schutzwaldsanierung spricht für die Einordnung der Pflanzmaßnahmen als Gebietserhaltungsmaßnahme der Umstand, dass im Rahmen der Verordnungsteilgebiete (lediglich) vorhandene Schutzwaldflächen saniert werden. Zwar hat der Antragsgegner nach Aufforderung durch den Senat mit Schriftsatz vom 15. Juli 2022 im Verfahren 19 N 19.1368 ausgeführt, dass im Rahmen der Schutzwaldsanierung (dann gem. Art. 16 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 39 Abs. 2 BayWaldG erlaubnispflichtige) Erstaufforstungen auftreten könnten, dann aber allenfalls in wenigen Einzelfällen auf durch Rodung entstandenen Nicht-Wald Flächen sowie Flächen der InVekoS-Kulisse gem. § 2 Abs. 2 Nr. 3 BWaldG (Aufforstungsmaßnahmen der Schutzwaldsanierung auf dem Wald gleichgestellten Flächen gemäß Art. 2 Abs. 2 BayWaldG <z.B. Wege, Holzlagerplätze> stellen keine Erstaufforstung gem. Art. 16 BayWaldG dar und bedürfen folglich keiner behördlichen Erlaubnis, da diese Flächen bei Anwendung des BayWaldG weiterhin als Wald gelten; anders bei der Umwandlung von Schutzwaldflächen gemäß Art. 2 Abs. 1 BayWaldG in dem Wald gleichgestellte Flächen gemäß Art. 2 Abs. 2 BayWaldG <Art. 9 Abs. 2 Satz 2 BayWaldG>). In der Vergangenheit hat es aber auf Sanierungsflächen innerhalb der Verordnungsteilgebiete keine Erstaufforstungen i.S.d. Art. 16 BayWaldG gegeben (vgl. Schriftsatz des Antragsgegners vom 15.7.2022 im Verfahren 19 N 19.1368 und die mit Schriftsatz vom 19.7.2022 im Verfahren 19 N 19.1368 vorgelegte Tabelle). Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem Vorbringen des Antragsgegners insoweit um unzutreffenden Sachvortrag handelt, sind weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Folglich ist davon auszugehen, dass die Schutzwaldsanierung nicht zu einer Aufforstung nicht forstlich genutzter Grundstücke mit Waldbäumen durch Saat oder Pflanzung geführt hat.
261
Somit betrifft die Schonzeitaufhebungsverordnung Schutzwälder, die noch vorhanden, in ihrer Funktionstauglichkeit deutlich gestört und im Rahmen der regulären Schutzwaldbewirtschaftung nicht wiederherzustellen sind (infolge Schadenseintritts unbestockte <aber zuvor vorhandene> Schutzwaldflächen werden im Rahmen der Schutzwaldsanierung zudem wiederaufgeforstet, vgl. die diesbezüglichen Ausführungen im Schriftsatz des Antragsgegners vom 15.7.2022 im Verfahren 19 N 19.1368 und die mit diesem und dem Schriftsatz vom 19.7.2022 im Verfahren 19 N 19.1368 vorgelegte Tabelle; die Pflicht zur Wiederaufforstung ergibt sich bereits aus dem Gesetz, vgl. Art. 15 BayWaldG; insoweit ist zu beachten, dass der in den Formblättern zur Beschreibung der Verordnungsteilgebiete verwendete Begriff der „Wiederaufforstung“ ausweislich der Ausführungen im Schriftsatz des Antragsgegners vom 2.8.2022 nicht die Wiederaufforstung i.S.d. Art. 15 BayWaldG meint). Es werden in der Folge im Regelfall waldbauliche (Verjüngungs-)Maßnahmen auf bestehenden Waldflächen durchgeführt, die darauf abzielen, die Schutzfunktionen des noch vorhandenen Waldes dauerhaft wiederherzustellen. Dies erfolgt insbesondere durch Pflanzung und Pflege junger Bäumchen unter (über-) alten und/oder lückigen Wäldern, die sich z.B. aufgrund von übermäßigem Wildverbiss oder Vergrasung des Waldbodens nicht oder nicht ausreichend natürlich verjüngen können. Die Pflanzung erfolgt dabei in Rottenstruktur, wobei - wie die Vertreter des Antragsgegners und der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt haben - klar ist, dass nicht alle Bäumchen aufkommen werden, man diese Struktur aber deshalb wählt, weil die äußeren Pflanzen einen gewissen Schutz für die inneren Pflanzen darstellen können, was (so erhofft man sich) zu einem verbesserten Aufkommen der inneren Bäumchen führt (insoweit ist zu erwähnen, dass - worauf die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung verwiesen hat - wegen der Topografie in den Verordnungsteilgebieten nur ein jährliches Wachstum von 10-15 cm erwartbar ist, was dazu führt, dass sich die Bäumchen länger im Äsungsbereich des Schalenwilds befinden und daher länger der Verbissgefahr ausgesetzt sind, vgl. zur Pflanzung in Rottenstruktur auch Handbuch Schutzwaldsanierung, S. 53 f.).
262
Werden die Schutzwaldflächen somit nicht erstaufgeforstet i.S.d. Art. 16 BayWaldG, sondern durch Pflanzmaßnahmen in ihrer Funktionsfähigkeit wiederhergestellt, bedeutet dies, dass die Waldflächen dauerhaft vorhanden waren, sie zur Gebietskulisse der Natura2000-Gebiete gehören und sie daher maßgeblich für die Entwicklung des Lebensraums und das Vorkommen der dort lebenden Arten verantwortlich waren. Dieser Zustand soll durch die Schutzwaldsanierung (durch Pflanzmaßnahmen) erhalten bzw. wiederhergestellt werden.
263
Der Verlust von Schutzwald in den betroffenen Natura2000-Gebieten, dessen Ausweisung gemäß Nr. 5.3 der Gemeinsamen Bekanntmachung ‚Schutz des Europäischen Netzes „Natura 2000“‘ der Bayerischen Staatsministerien für Landesentwicklung und Umweltfragen, des Innern, für Wirtschaft, Verkehr und Technologie, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen vom 4. August 2000 (Az. 62-8645.4-2000/21, AllMBl. S. 544) eine Schutz- und Sicherungsmaßnahme für Natura2000-Gebiete ist und damit den Natura2000-Zielen entspricht, sodass folglich auch die Erhaltung und Sanierung des Schutzwaldes den Natura2000-Zielen entspricht, würde nicht nur die Berglandschaft nachteilig verändern und in vielen Fällen zur Gefährdung von Menschenleben, Sachwerten sowie von Infrastrukturobjekten führen. Er würde insbesondere das Natura2000-Gebiet selbst erheblich schädigen. Denn die Schutzwälder auf den Sanierungsflächen würden ohne die Gewährleistung einer natürlichen (Naturverjüngung) oder künstlichen Verjüngung im Zustand einer Bestandsgefährdung verbleiben. Angesichts dieser Labilität sind sie in ihrem derzeitigen Zustand keine nachhaltig schutzfähigen Lebensräume im Sinne des Unions-Naturschutzes.
264
Gebietserhaltungsmaßnahmen müssen die Abwehr dieser Bestandsgefährdung umfassen. Die Gefährdung, der diese kleinen Flächen (gemäß der nach dem Ergebnis des Verfahrens zutreffenden Einschätzung des Antragsgegners) unterliegen, bedeutet, dass die dort befindlichen Wälder - die Sanierungsmaßnahmen hinweggedacht - einem fortschreitenden Zerstörungsprozess ausgesetzt sind, der zunächst in einer immer stärker werdenden Verlichtung besteht und am Ende in den Totalverlust mündet. Inwieweit der Erosionsprozess anschließend - wegen der besonderen Anfälligkeit der Bodenansätze rund um eine erodierte Fläche für die im Gebirge besonders starken Kräfte der Natur - auch angrenzende Bereiche ergreift, ist schwer abschätzbar. Eine solche Entwicklung ist aber wahrscheinlich und daher ebenfalls zu berücksichtigen. Eine mit dem strukturellen Niedergang zunehmende Anfälligkeit für Windwurf, Sturmschäden sowie Schneelawinen ist ebenfalls zu bedenken. Auch unter dem Gesichtspunkt, dass sowohl die Verwirklichung der Ziele von Natura2000-Gebieten als auch die Schutzwaldsanierung (infolge der erforderlichen Ermittlungs- und Planungsschritte und rechtlichen Prozeduren sowie der Waldentwicklungszeiträume) langfristig angelegt sein muss, darf die Frage einer erheblichen Beeinträchtigung des Natura2000-Gebiets nicht auf der Basis des derzeitigen (ohne Sanierung nicht erhaltbaren und früher oder später in den Verlust mündenden) Zustandes der bedrohten kleinen Waldteile des Natura2000-Gebietes beantwortet werden, sondern nur ausgehend von ihrem sanierten und deshalb dauerhaft erhaltbaren Zustand.
265
Im Übrigen führen auch alle mittlerweile aufgestellten Managementpläne (bis auf der des Natura2000-Gebiets 8034-371 Oberes Isartal) jeweils in Teil II-Fachgrundlagen (nahezu wortgleich) beispielhaft die Einleitung und Sicherung der Verjüngung in Waldbeständen, besonders auf degradierten Standorten, und die ordnungsgemäße Jagdausübung als Maßnahmen der Schutzwaldsanierung auf, die den Erhaltungszielen dienen oder offensichtlich keine erheblichen Beeinträchtigungen erwarten lassen (ebenso die bereits behördenabgestimmten, aber noch nicht an öffentlichen Runden Tischen ausgelegten Managementpläne der Gebiete 8239-372 Geigelstein und Achentaldurchbruch, 8239-401 Geigelstein, 8241-372 Östliche Chiemgauer Alpen, 8241-401 Naturschutzgebiet „Östliche Chiemgauer Alpen“ und 8343-303 Untersberg).
266
2.3.2.2.3.1.2 Die Schutzwaldsanierungsmaßnahme „Pflanzung“ scheidet auch nicht deshalb als Gebietserhaltungsmaßnahme aus, weil sie in Widerspruch zu Erhaltungszielen der betroffenen Natura2000-Gebiete stünde oder signifikante Belästigungen, Störungen oder Beeinträchtigungen gemeinschaftsrelevanter Arten mit sich brächte (anders als möglicherweise technische Verbauungen im Rahmen des Schutzwaldsanierungsprogramms).
267
Dass sich aus der Anpflanzungstätigkeit an sich (inklusive Transport zur Sanierungsfläche, vgl. insoweit Handbuch Schutzwaldmanagement S. 48 ff.) eine erhebliche Störung oder Beeinträchtigung ergeben könnte, ist weder substantiiert vorgetragen noch (insbesondere aufgrund der gegeben Topografie) ersichtlich.
268
Zwar ist in den in Natura2000-Gebieten gelegenen Sanierungsflächen (in gewisser Weise - wenn man davon ausgehen wollte, dass dort die natürliche Verjüngung besser aufkommen könnte - möglicherweise auch in den Umgriffsflächen), die möglichst schalenwildfrei gehalten werden sollen und derentwegen die Verordnungsteilbereiche festgelegt worden sind, (über die Jahre) mit einer stärkeren Waldverdichtung zu rechnen (wenngleich bereits die Standortbedingungen in den meisten Fällen eine maximale Verdichtung ausschließen).
269
Eine signifikante Belästigung, Störung oder Beeinträchtigung betreffend die Raufußhühnervorkommen in den von der Verordnung betroffenen Natura2000-Gebiets-Typen A und C durch die Sanierungsmaßnahme „Pflanzung“ ist insoweit aber nicht zu erkennen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass aus dem vorgelegten Kartenmaterial bereits nicht ersichtlich ist, dass die Sanierungsflächen (und auch die Verordnungsteilgebiete) im Vergleich zur Größe der betroffenen Natura2000-Gebiete einen erheblichen Anteil ausmachen. Ein dahingehender substantiierter Vortrag der Antragstellerseite, dass aufgrund des Größenverhältnisses der betreffenden Sanierungsflächen bzw. Verordnungsteilgebiete zu den jeweiligen Natura2000-Gebieten von der Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung dieser konkreten Natura2000-Gebieten auszugehen wäre, ist nicht erfolgt. Zudem besteht vorliegend gerade nicht die (rechtswidrige) Absicht, den jeweiligen Gebietscharakter zu ändern. Vielmehr hat der Antragsgegner (und auch die Beigeladene) glaubhaft vermitteln können, dass ihnen am Erhalt des jeweiligen Gebietscharakters liegt. Dies bedeutet aber nicht, den Wald bzw. die Natur in den betroffenen Gebieten sich selbst zu überlassen, sondern dem alternden und sich deshalb lichtenden Wald Gelegenheit zur natürlichen Verjüngung zu geben. Eine Alterung und Lichtung, die letztlich zum Verschwinden des Waldes führen würde, wird dagegen nicht angestrebt. Darüber hinaus handelt es sich bei der durch die Renaturierung ausgelösten moderaten und äußerst langfristigen Veränderung von Waldbereichen um eine Jahrzehnte dauernde und deshalb kaum spürbare Entwicklung (wegen der Topografie in den Verordnungsteilgebieten ist nur ein jährliches Wachstum von 10-15 cm möglich).
270
Indem die Bejagung anhand des Grundsatzes „Wald vor Wild“ zu einem Wiederaufkommen von Kiefer und Tanne führt, die den Raufußhühnern Winternahrung bieten, verbessert sie deren Lebensbedingungen vielmehr (Hildebrandt, Schutzwaldmanagement im Bay. Alpenraum, Fachbeitrag zu Band 21 der Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern, S. 89, abrufbar unter https://www.jagd-bayern.de/download/47/bjv-schriftenreihe/2633/band-21-gamswild.pdf, zuletzt abgerufen am 2.1.23; Lauterbach/Löffler, Auerhuhnschutz in bayerischen Vogelschutzgebieten - Herausforderungen und Zielkonflikte im Waldnaturschutz, Schriftenreihe des Bayerischen Landesjagdverbandes e.V., Bd. 22, S. 40, abrufbar unter https://www.jagd-bayern.de/download/47/bjv-schriftenreihe/2631/band-22-raufusshu%CC%88hner.pdf, zuletzt abgerufen am 2.1.23). Soweit der Standard-Datenbogen des Vogelschutzberichts 2013 die Feststellung enthält, das forstliche Flächenmanagement sei eine der Hauptbeeinträchtigungen des Auerhuhns, sind damit gerade reine Bestände aus Fichten gemeint, während die vom Antragsgegner und von der Beigeladenen mithilfe der natürlichen Waldverjüngung angestrebten naturnahen, reich strukturierten Bergwälder vom Auerhuhn bevorzugt werden (Schweizerisches Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Auerhuhn und Waldbewirtschaftung, S. 5/6, abrufbar unter https://www.bafu.admin.ch/dam/bafu/de/dokumente/biodiversitaet/uv-umwelt-vollzug/auerhuhn_und_waldbewirtschaftung.pdf.download.pdf/auerhuhn_und_waldbewirtschaftung.pdf, zuletzt abgerufen am 2.1.23).
271
Würde durch die über die Jahre (vermehrt) aufgekommenen Jungbäume tatsächlich - wofür keine Anhaltspunkte bestehen - eine Änderung des Gebietscharakters drohen, könnte der Lebensraum durch Bewirtschaftungsmaßnahmen günstiger gestaltet werden. Ältere Bäume könnten entnommen werden (wobei in diesem Fall gerade die durch das Schutzwaldsanierungsprogramm angestrebte Verjüngung des Schutzwaldbestandes erreicht worden wäre), sodass eine ungleichmäßige Auslichtung und/oder kleine Kahlschlagflächen hergestellt werden könnten.
272
Auch wenn eine Alterung und Lichtung der Wälder in Übergangsphasen in den betroffenen Gebiets-Typen A und C das Vorkommen von Raufußhühnern (zu denen auch das Auerhuhn und das Birkhuhn zählen) begünstigen könnte, trägt dies wegen langfristigen Wegfalls des Lebensraums im Ergebnis nicht zu deren Erhalt und Vermehrung bei (bei einem schlagartigen Verlust geschädigter Flächen muss auch mit der Möglichkeit eines Verlusts von Raufußhühnern gerechnet werden), insbesondere stellt das durch lichte Strukturen entstehende Gras eine erhebliche Erschwerung der Lebensbedingungen des Auerhuhns dar und gefährdet insbesondere die Jungenaufzucht (Lauterbach/Löffler, a.a.O., S. 35). In den gebietsbezogenen Konkretisierungen der Erhaltungsziele der betroffenen Natura2000-Gebiets-Typen A (die gebietsbezogene Konkretisierung der Erhaltungsziele des betroffenen Natura2000-Gebiets-Typ C enthalten diesbezüglich keine Aussage) werden darüber hinaus (nahezu wortgleich) nicht der Erhalt und gegebenenfalls die Wiederherstellung jeder Lichtung und lichten Struktur gefordert, sondern nur „eines ausreichenden Anteils an Lichtungen und lichten Strukturen“; an der Existenz eines solchen ausreichenden Anteils bestehen vorliegend keine Zweifel (vgl. insoweit auch Lauterbach/Löffler, a.a.O., S. 39, wonach die Ressource „lichter nadelholzbetonter Altbestand“ aufgrund des hohen Anteils lichter Altholzbestände in den bayerischen Vogelschutzgebieten derzeit kein Minimumfaktor für das Auerhuhn sei).
273
Es widerspricht den Natura2000-Zielen, dem Auerwild licht überschirmte Nadelmischwälder in Bereichen vorzuhalten, in denen die dafür erforderlichen ökologischen Voraussetzungen nicht vorhanden sind und die natürliche Sukzession deshalb zu einer anderen Waldzusammensetzung führen würde. Sie führt auf Dauer zu Waldverlusten. Die Erhaltungsziele verlangen nicht einen ständigen Kampf gegen die natürliche Dynamik der ökologischen Faktoren; Erhalt und Pflege des Wirkungsgefüges der Natur sind vielmehr das zentrale Ziel des Natura2000-Systems und daher auch die Basis aller Erhaltungsziele und Erhaltungsmaßnahmen. Habitatschutz und Habitatmanagement müssen sich auf Gebiete konzentrieren, in denen die landschaftsökologischen und sonstigen Standortbedingungen die Entwicklung von Habitaten begünstigen, die Primärhabitaten entsprechen. Nach Lauterbach/Löffler (a.a.O., S. 36, 37, 38, 40) wäre eine Rückkehr zur Zielart Auerhuhn eher kritisch zu sehen, wenn dafür die Entwicklung einer standortangepassten Vegetationsdecke zurückgedreht werden müsste. Allenfalls kann in durch traditionelle Bewirtschaftungsformen beeinflussten, halbnatürlichen Wäldern durch Fortsetzung dieser Bewirtschaftungsformen (wie etwa der Waldweide) die natürliche Sukzession in begrenztem Maß zugunsten von Erhaltungszielen unterdrückt werden.
274
2.3.2.2.3.1.3 Sind die nichtjagdlichen Maßnahmen auf den Sanierungsflächen in Form der Pflanzmaßnahmen für die Verwaltung der Natura2000-Gebiete notwendig und gehören sie zur Erhaltungsbewirtschaftung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Habitatrichtlinie, so gilt dies auch für die durch die streitgegenständliche Verordnung eröffnete (ausgeweitete) Bejagungsmöglichkeit als Teil des Schutzwaldsanierungsprogramms.
275
Dies folgt aus dem Umstand, dass die ausgeweitete Bejagungsmöglichkeit für den Erfolg der Schutzwaldsanierungsmaßnahme „Pflanzung“ als Begleitmaßnahme maßgeblich ist. Die Beigeladene hat diesbezüglich - ohne dass durchgreifende Einwände der Antragstellerseite hiergegen vorliegen - vorgetragen, eine Regulierung örtlich überhöhter Schalenwildbestände und deren zeitliche und räumliche Steuerung seien eine wichtige, oft sogar die entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Verjüngung der Flächen und deren weitere, ungestörte Entwicklung. Insbesondere steile, sonnenseitig exponierte und demzufolge selbst im Winter oft schneefreie Schutzwaldlagen würden nach wie vor eine besonders hohe Verbissbelastung aufweisen, weil sie beliebte Einstandsgebiete, v.a. für das Gamswild, darstellten. Auf diesen Flächen stehe das Wild, teils in hohen Konzentrationen, bis ins beginnende Frühjahr. Durch die Angleichung der Jagdzeiten für die Schalenwildarten und die Möglichkeit der ganzjährigen letalen Vergrämung habe sich die Verbisssituation in zahlreichen Sanierungsgebieten deutlich verbessert. Die Vergrämungsabschüsse dienten der Sicherung der Sanierungsmaßnahmen, die von der Forstverwaltung geplant würden und prioritäre gesellschaftliche und landeskulturelle Bedeutung hätten. Den Staatsforsten obliege die Sicherung von Investitionen durch adäquate Bejagung. Wären auf der überwiegenden Fläche keine oder zumindest nicht mehr ausreichend Vergrämungsabschüsse möglich, wäre der Erfolg der Sanierungsmaßnahme in Frage gestellt. Diese Ausführungen erscheinen überzeugend.
276
2.3.2.2.3.2 Die jagdliche Sanierungsmaßnahme „Ausweitung der Jagdzeit durch Aufhebung der Schonzeit“ mittels der angegriffenen Verordnung scheidet nicht deshalb als Gebietserhaltungsmaßnahme aus, weil sie in Widerspruch zu Erhaltungszielen der betroffenen Natura2000-Gebiete stünde oder signifikante Belästigungen, Störungen oder Beeinträchtigungen gemeinschaftsrelevanter Arten mit sich brächte (schon die höhere Naturschutzbehörde hat im Rahmen ihrer Stellungnahme vom 21.12.2018 ausgeführt, dass sie nach derzeitiger Einschätzung davon ausgehe, dass es mit der darin beschriebenen Vorgehensweise <Vorlage weiterer Informationen> jedenfalls in der Regel möglich sein sollte, erhebliche Beeinträchtigungen der Natura2000-Gebiete und artenschutzrechtliche Verbotstatbestände zu vermeiden, und dass deshalb aus naturschutzrechtlicher Sicht keine Notwendigkeit für eine eingehende flächenbezogene Bewertung der Notwendigkeit und Dringlichkeit der Schutzwaldsanierung bestehe).
277
2.3.2.2.3.2.1 Eine erhebliche Beeinträchtigung der Raufußhühner durch die Bejagung von Schalenwild außerhalb der festgesetzten Jagdzeiten (entsprechend der Regelungen in der streitgegenständlichen Verordnung) in den Verordnungsteilgebieten, in denen Raufußhühner vorkommen, in Form von Gebietsbegängen und Abschüssen liegt nicht nahe.
278
Zwar lässt sich die Gefahr von Störungen des Auerhuhns und des Birkhuhns im Sinne des Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie - insbesondere in der Paarungs-, Brut- und Aufzuchtzeit - grundsätzlich nicht ausschließen. Aufgrund der vorliegenden Umstände des Einzelfalls vermag der Senat eine erhebliche Beeinträchtigung für das Auerhuhn und das Birkhuhn jedoch nicht zu erkennen.
279
Dies ergibt sich einerseits daraus, dass die Bejagung entsprechend der angegriffenen Verordnung die Beigeladene verantwortet. Im Gegensatz zu privaten Jagdausübungsberechtigten mit unterschiedlichen persönlichen Interessen ist diese eine öffentlichrechtliche Körperschaft, die den staatlichen Forst vorbildlich zu bewirtschaften hat und zahlreiche öffentlichen Aufgaben erfüllt, insbesondere obliegt ihr die Durchführung der Gebiets- und Arterhaltungsmaßnahmen in den betroffenen Gebieten. Darüber hinaus ist sie gem. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 StFoG zur vorbildlichen Jagdausübung verpflichtet. Dies umfasst u. a. den Erhalt eines artenreichen und gesunden Wildbestands, der insbesondere eine natürliche Verjüngung der standortgemäßen Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen zulässt sowie die Berücksichtigung der sonstigen landeskulturellen Erfordernisse (Art. 4 Abs. 1 Satz 3 StFoG). Diese Vorbildlichkeit beinhaltet nach Nr. 1 der mit dem Antrag auf Erlass der angegriffenen Verordnung vorgelegten Anlage c) - Bestimmungen der Bayerischen Staatsforsten (BaySF) für die Jagdausübung im Rahmen der Verordnung über die Jagdzeiten für Schalenwild in Sanierungsgebieten im Regierungsbezirk Oberbayern insbesondere die Bewahrung oder Herstellung eines standortgemäßen und möglichst naturnahen Zustandes des Waldes unter Berücksichtigung des Grundsatzes „Wald vor Wild“. Daneben sind aber auch die Belange des Tierschutzes (speziell des Muttertierschutzes) und des Naturschutzes bei der Jagdausübung im Vollzug dieser Verordnung zu beachten. Auf staatlicher Seite werden die konkreten Maßnahmen zwischen den für Schutzwaldsanierung und Erhaltungsmaßnahmen im Natura2000-Gebiet zuständigen Arbeitseinheiten abgestimmt. Auf diese Weise und mit fachlicher Unterstützung durch wildbiologische Gutachten, die im Rahmen der Schutzwaldsanierung in Auftrag gegeben werden, werden unbürokratische Lösungen zur bestmöglichen Berücksichtigung der Raufußhühnererfordernisse erarbeitet (Hildebrandt, a.a.O., S. 88/89).
280
Andererseits vermag der Senat auch aufgrund der (im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens auf Veranlassung des Senats <obwohl im Verordnungserlassverfahren die höhere Naturschutzbehörde entsprechende Informationen zu Recht gefordert hatte> dargelegten) konkreten Ausgestaltung der Jagdausübung eine erhebliche Beeinträchtigung für die Raufußhühner nicht zu erkennen. Die Jagdausübung im Rahmen der Verordnung erfolgt im personeller Hinsicht grundsätzlich durch Beschäftigte der Beigeladenen und nur im Einzelfall unter Beteiligung von besonders zuverlässigen, erfahrenen, effizienten und ortskundigen, privaten Jäger und nur nach einer intensiven Einweisung in die speziellen örtlichen jagd-, forst- und naturschutzrelevanten Verhältnisse, sofern nicht ausreichend eigene, geeignete Personalkapazitäten zur Verfügung stehen (Jagdgastführungen sind unzulässig). Um eine im Einklang mit den Vorschriften zum Gebiets- und Artenschutz stehende und nicht den Erhaltungszielen der betroffenen Natura2000-Gebiete widersprechende Jagd zu garantieren, erfolgt die Bejagung auf den Verordnungsteilgebieten grundsätzlich durch Beschäftigte der Beigeladenen, denen die sensiblen Raufußhuhnbiotope (Überwinterungs-, Balz-, Brut- und Aufzuchtgebiete) bekannt sind (dass die Antragstellerseite Kenntnis von dem Antragsgegner und der Beigeladenen nicht bekannten Raufußhuhnbiotopen hat, ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich; die Beigeladene und der Antragsgegner haben in der mündlichen Verhandlung erklärt, über diesbezügliche Hinweise dankbar zu sein). Eine Störung der Raufußhühner bei den Vergrämungsabschüssen soll damit so gering wie möglich gehalten werden. Gleiches gilt, wenn im Einzelfall private Jäger mit den Vergrämungsabschüssen betraut werden. Grundsätzlich wird der betraute Personenkreis von den jeweils jagdlich verantwortlichen Personen der BaySF (Berufsjäger, Revierleiterinnen, Revierleiter) in die speziellen örtlichen Verhältnisse der jeweiligen Verordnungsteilgebiete intensiv eingewiesen. Zudem muss die Bejagung stets unter Beachtung der Bedürfnisse des Raufußhuhnschutzes erfolgen. In den Kernbereichen der Raufußhühner wird im Hochwinter (Überwinterungszeit) nicht gejagt. Auch im Frühsommer, während der Aufzuchtzeit konzentriert sich die Bejagung im Rahmen der Schonzeitaufhebung auf andere Bereiche (vgl. Anlage c) - Bestimmungen der Bayerischen Staatsforsten (BaySF) für die Jagdausübung im Rahmen der Verordnung über die Änderung der Jagdzeiten für Schalenwild in Sanierungsgebieten im Regierungsbezirk Oberbayern).
281
Auch die Jagdformen legen keine erhebliche Beeinträchtigung der Raufußhühner nahe. Auf Nachfrage des Senats hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 15. Juli 2022 im Verfahren 19 N 19.1368 insoweit erklärt, dass die Jagd in den Verordnungsteilgebieten i.d.R. in Form einer Kombination von Pirsch- und Ansitzjagd erfolge. Entsprechend der Witterung, der Lawinenlage und der Gefährdungssituation durch Verbiss würden die Verordnungsteilgebiete im Zeitraum der Schonzeitaufhebung gar nicht oder in Einzelfällen sogar täglich begangen. Daraus ergebe sich, dass die Verordnungsteilgebiete im Durchschnitt ein- bis zweimal wöchentlich begangen würden. Hinsichtlich der Jagdform der Bewegungsjagd führte der Antragsgegner auf Nachfrage des Senats mit Schriftsatz vom 15. Juli 2022 im Verfahren 19 N 19.1368 aus, dass es gezielte Bewegungsjagden in den Verordnungsteilgebieten nur bis zum 15. Dezember gebe (und damit nicht außerhalb der festgesetzten Jagdzeiten). Die Ausweitung der Jagdzeiten in der angegriffenen Verordnung führt also nicht zur Durchführung gezielter Bewegungsjagden in den Verordnungsteilgebieten. Reguläre Bewegungsjagden räumlich außerhalb der Verordnungsteilgebiete würden allenfalls bis Mitte Januar (Tal nahe Bereiche) und unter Berücksichtigung der Schneelage durchgeführt. Der Schwerpunkt dieser regulären Bewegungsjagden außerhalb der Verordnungsteilgebiete liege auf der Bejagung von Reh- und Rotwild. Vereinzelt komme es vor, dass kleinere Teilflächen der Verordnungsteilgebiete in diese (allenfalls bis Mitte Januar durchgeführten) Jagden einbezogen würden. Die Jagd erfolge dann i.d.R. innerhalb der festgesetzten Jagdzeit und nicht innerhalb der durch die Verordnung ausgeweiteten Jagdzeiten. An den regulären Bewegungsjagden (außerhalb der Jagd im Rahmen der Verordnung) nähmen zwischen 20 bis 40 Personen (Jäger/innen und Ansteller/innen) und mehrere vom Stand geschnallte Hunde teil. Fahrzeuge würden nur zum Transport der Jäger zum Ausgangspunkt der Anstellergruppen, für die Wildbergung und den Abtransport der Jäger vom Sammelpunkt eingesetzt. Soweit möglich würden Fahrgemeinschaften gebildet. In den Verordnungsteilgebieten sei der Einsatz von Fahrzeugen aufgrund der Topografie und der Erschließung in der Regel nicht möglich. Dort erfolgten die Bejagung und die Wildbergung fußläufig über Steige. In den Gebirgsbereichen würden die Bewegungsjagden in den Monaten Oktober und November durchgeführt, in Tal nahen Bereichen in kleinerem Umfang noch bis Mitte Januar, abhängig von der Schneelage. In diesen Bereichen gebe es keine Verordnungsteilgebiete bzw. würden diese, wenn überhaupt, nur kleinflächig von diesen Bewegungsjagden tangiert.
282
Der Antragstellerseite ist zuzugestehen, dass die Verordnung keine Einschränkungen bezüglich der Häufigkeit der Bejagung vorsieht und daher auch eine Bejagung ‚rund um die Uhr‘ möglich wäre. Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Bejagung durchgeführt werden würde, sind nicht ersichtlich. Die vom Antragsgegner mit Schriftsatz vom 26. Juli 2022 im Verfahren 19 N 19.1368 übersandten Tabellen zur Jagdhäufigkeit in den Verordnungsteilgebieten lassen dies nicht einmal erahnen. Weder erscheint eine solche Bejagung in personeller Hinsicht auch nur im Ansatz möglich noch wäre diese sinnvoll. Darüber hinaus würde die Beigeladene durch dieses Verhalten ihre gesetzliche Verpflichtung zu einer vorbildlichen Jagdausübung verletzen. Nicht unerwähnt darf in diesem Zusammenhang bleiben, dass eine entsprechende zeitliche Einschränkung der Jagdausübung während der regulären Jagdzeit ebenfalls nicht erfolgt. Vorkehrungen für bestimmte Bereiche und Zeiträume können in die Abschusspläne nicht aufgenommen werden, da die Bestimmungen des Bundesjagdgesetzes und des Bayerischen Jagdgesetzes den Inhalt des Abschussplans abschließend regeln. Vorliegend sind jagdrechtliche oder sonstige Anordnungen (aufgrund der obigen Ausführungen) auch nicht erforderlich, denn es ist nicht ersichtlich, dass dem Störungsverbot nicht hinreichend Rechnung getragen würde.
283
Für die Annahme, dass es gleichwohl zu erheblichen Störungen kommt, liefert das Vorbringen der Antragstellerseite keine Anhaltspunkte. Bewirtschaftungspläne, die die Vorkehrungen der Beigeladenen zur Beachtung des Störungsverbots benennen, wären sachdienlich. Eine Verpflichtung zur Aufstellung eines Bewirtschaftungsplans sieht jedoch - wohl wegen der Pflichtenlage und des Fehlens naturschutzwidriger Interessen der für die Erhaltung von Natura2000-Gebieten zuständigen Stellen, zu denen die Beigeladene gehört - das Unionsrecht nicht vor. Substantiierte Anhaltspunkte dafür, dass bei der Bejagung die erforderliche Rücksichtnahme nicht geübt wird, sind weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Zudem sind substantiierte Anhaltspunkte für eine negative Entwicklung der Raufußhühnervorkommen trotz der bereits seit längerer Zeit praktizierten Schutzwaldsanierung in den betroffenen Gebieten weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich.
284
Angesichts der öffentlich-rechtlichen Aufgabenstellung der jagdausübenden Beigeladenen, der Abstimmungen zwischen den für Schutzwaldsanierung und Erhaltungsmaßnahmen im Natura2000-Gebiet zuständigen Arbeitseinheiten und der fehlenden Anhaltspunkte für eine negative Entwicklung der Bestände ist nicht ersichtlich, dass dem Störungsverbot nicht hinreichend Rechnung getragen würde. Hinzu kommt, dass keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich sind, dass die Beigeladene die Jagd entgegen der in (mit dem Antrag auf Erlass der angegriffenen Verordnung vorgelegten) Anlage c) niedergelegten Bestimmungen oder entgegen ihren ergänzenden schriftsätzlichen Ausführungen ausübt. Aus diesen Gründen ist es auch nicht zu beanstanden, dass die Bestimmungen in Anlage c) nicht Teil des Verordnungstextes sind.
285
2.3.2.2.3.2.2 Die Bejagung von Schalenwild außerhalb der festgesetzten Jagdzeiten (entsprechend der Regelungen in der streitgegenständlichen Verordnung) führt auch zu keiner erheblichen Beeinträchtigung des Gamswildes.
286
Soweit die Antragstellerseite ausführt, der für einen gesunden Wildbestand erforderliche Altersaufbau des Gamswilds sei nicht mehr vorhanden, weshalb es zu einer Veränderung des Reproduktionsverhaltens gekommen und teilweise zu einer vollständigen Ausrottung des Gamswildes gekommen sei, greift diese Rüge nicht durch.
287
Zunächst ist anzumerken, dass die Anzahl der Rot-, Gams- und Rehwildabschüsse in den jeweiligen (entsprechend dem gesetzlichen Verfahren aufgestellten) Abschussplänen, die für Schalenwild erfüllt werden müssen (§ 21 Abs. 2 Satz 6 BJagdG), nach Anzahl, Geschlecht und den vorgegebenen Klassen festgesetzt werden. Mit der Ausweitung der Jagdzeiten durch die Verordnung ist keine Erhöhung der Abschusszahlen verbunden, sondern die in den Abschussplänen festgelegten Abschusszahlen erfassen auch den Abschuss des Schalenwildes im Rahmen der Verordnung (das in § 22 Abs. 4 Satz1 BJagdG geregelte Bejagungsverbot, welches u.a die Bejagung von für die Aufzucht notwendigen Elterntieren in den Setz- und Brutzeiten bis zum Selbstständigwerden der Jungtiere untersagt, bleibt selbstverständlich unberührt, vgl. LT-Drs. 18/14983 S. 44). Der plangeregelte Abschuss kann lediglich teilweise in den Verordnungszeitraum verlagert werden (weil in diesem Zeitraum auch und besonders mit Verbiss zu rechnen ist). Gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 BJagdG darf Schalenwild nämlich nur aufgrund und im Rahmen eines Abschussplans erlegt werden. Soweit insoweit vorgetragen wird, die zeitliche Verschiebung der Bejagung wirke sich auch auf den Gamswildbestand aus, weil in Folge der streitgegenständlichen Verordnung deutlich mehr junge Tiere geschossen würden, als dies nach der Hegerichtlinie vorgesehen sei, verkennt die Antragstellerseite, dass die Anzahl und die Aufteilung der Abschüsse nicht in der streitgegenständlichen Verordnung festgesetzt werden, sondern in den Abschussplänen. Die Eingriffe in die Altersstruktur der Gamspopulation legen somit die Abschusspläne fest. Nr. II.8 der Hegerichtlinie vom 9. Dezember 1988 verpflichtet dazu, die Regulierung der Wildbestände den natürlichen Auslesevorgängen anzupassen. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung werden die Schalenwildarten im genannten Abschnitt und in den folgenden Abschnitten (einschließlich Nr. I.9.2) in Altersklassen einteilt und wird jeder Altersklasse ein Abschussdeputat zugeteilt. Angesichts der fehlenden Substantiierung der antragstellerseitigen Behauptungen fehlen hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, die Beigeladene halte die genannten Bestimmungen der Hegerichtlinie nicht ein und missachte den Altersaufbau des Gamswilds.
288
Dass Abschüsse von jüngeren Tieren möglicherweise gehäuft im Rahmen der Schonzeitaufhebung erfolgen, resultiert aus dem Umstand, dass für die Vergrämungsabschüsse ein entsprechendes „Abschusskontingent“ aus den Abschussplänen für die Zeit außerhalb der regulären Jagdzeit „aufgespart“ werden muss, weil ansonsten die Jagdstrategie der Vergrämung nicht verfolgbar wäre. Soweit sich die Antragstellerseite auf die Feststellung im (u.a. von der 1. Vorsitzenden des Antragstellers im Verfahren 19 N 19.1368 erstellten) Abschlussbericht der Deutschen Wildtierstiftung „Gamslebensräume in den Bayerischen Alpen“ (März 2021) bezieht, inzwischen weise die mehrjährige Analyse der Jagdstrecke darauf hin, dass die Gamsbestände zumindest lokal bereits deutlich übernutzt und destabilisiert seien, wäre dies ebenfalls ein Umstand, der im Rahmen der Abschussplanfestsetzung zu berücksichtigen wäre.
289
Belege oder zumindest eine Plausibilisierung der von der Antragstellerseite geäußerten Behauptungen (Veränderung des Reproduktionsverhaltens; teilweise Ausrottung des Gamswildes) liefert sie nicht. Soweit die Antragstellerseite darauf hinweist, dass das Gamswild auf Veranlassung des Bundesamtes für Naturschutz BfN nunmehr auf der Vorwarnstufe der Roten Liste Deutschland stehe und sein Zustand schon bedenklich in die Nähe des Aussterbens gekommen sei, weist sie in diesem Zusammenhang bereits selbst darauf hin, dass das Gamswild „noch nicht unmittelbar vom Aussterben bedroht ist“. Arten, die merklich zurückgegangen sind, aber aktuell noch nicht gefährdet sind, werden in der Vorwarnliste geführt (bei Fortbestehen von bestandsreduzierenden Einwirkungen sei in naher Zukunft eine Einstufung in die Kategorie „Gefährdet“ wahrscheinlich, vgl. https://www.rote-liste-zentrum.de/de/Gefahrdungskategorien-1711.html, zuletzt abgerufen am 2.1.23; siehe auch zum Umstand, dass eine Einstufung in die Vorwarnstufe noch keine Bestandsgefährdung bedeutet: https://www.bfn.de/sites/default/files/BfN/service/Dokumente/skripten/skript191.pdf, S. 20, zuletzt abgerufen am 2.1.23). Aus der Roten Liste ergeben sich allerdings keine substantiierten Angaben darüber, aufgrund welcher Datenlage die Einstufung vorgenommen worden ist. Dort wird vielmehr ausgeführt, dass bis auf die Jagdstrecken kaum Daten vorlägen. Nach den vom Landesjagdverband Bayern e.V. veröffentlichen Zahlen liegen jedoch die jährlichen Gamswildstrecken in Bayern seit 20 Jahren im Bereich von 4000 Stück (mit einer Schwankungsbreite von mehreren 100 Stück nach unten und nach oben), wobei sie seit dem Jagdjahr 2011/2012 kontinuierlich über 4000 Stück liegen (abrufbar unter https://www.jagd-bayern.de/download/65/jagdstrecken/3099/gamsstrecke.pdf, zuletzt abgerufen am 2.1.23). Der FFH-Bericht 2019 (BfN) weist die Zukunftsaussichten für die Gämsen hinsichtlich Verbreitungsgebiet, Population und Habitat jeweils als gut aus (abrufbar unter https://www.bfn.de/ffh-bericht-2019, zuletzt abgerufen am 2.1.23; https://www.bfn.de/sites/default/files/BfN/natura2000/Dokumente/Nationaler_FFH_Bericht_2019/Arten/mamohnefleder-maeuse_alp_ffhbericht2019.pdf, zuletzt abgerufen am 2.1.23). Die Rote Liste und kommentierte Gesamtartenliste der Säugetiere (Mammalia) Bayerns (https://www.lfu.bayern.de/natur/rote_liste_tiere/2016/index.htm, zuletzt abgerufen am 2.1.23) bezeichnet die aktuelle Bestandssituation im Vergleich zu anderen Huftieren als selten und stellt langfristig, ebenso wie kurzfristig, keine signifikanten Bestandstrends fest (vgl. auch LT-Drs. 18/12177).
290
Die Entwicklung der Gamswildstrecken spricht daher dafür, dass sich das Gamswild in einem günstigen Erhaltungszustand im Sinne des Art. 1 lit. i der Habitatrichtlinie befindet und widerlegt die Behauptung einer ausrottenden oder auch nur bestandssenkenden Bejagung, denn eine solche würde spätestens nach einigen Jahren zu einer Verminderung der Strecken führen.
291
Darüber hinaus liegen genetische Informationen für zwei Gamsvorkommen aus dem Bayerischen Alpenraum in den Landkreisen Bad Tölz-Wolfratshausen, Garmisch-Partenkirchen (Projektgebiet Karwendel), Traunstein und Rosenheim (Projektgebiet Chiemgau) vor, welche im Rahmen des 2016 begonnen Projektes „Integrales Schalenwildmanagement im Bergwald“ der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) erhoben wurden. Im Rahmen des Projekts liefen die Forscher etwa 125 km² ab und sammelten „Losung“ (Kot) der Gams, aber auch von Reh- und Rotwild. An den Hinterlassenschaften der Tiere haften Zellen der Darmwand an, aus denen der genetische Fingerabdruck eines Individuums ermittelt werden kann. Da aber nicht von jeder Gams bei der Suche auch tatsächlich ein Kothäufchen gefunden wird und die Sammler im unwegsamen Gelände auch nicht an allen Orten suchen können, wurden die verorteten Fundpunkte der Kotproben, die Laufpfade der suchenden Personen und die Struktur des Lebensraums miteinander verschnitten. Diese Erweiterung eines in der Wildbiologie anerkannten statistischen Verfahrens, der sogenannten räumlich-expliziten Fang-Wiederfang-Methodik, sei nach Auffassung des LWF aufwändig zu berechnen, weil viele Faktoren mit hohem Detailgrad in die Berechnung eingingen. Dafür liefere dieses Verfahren einen sehr guten Schätzwert für den Gesamtbestand. In enger Zusammenarbeit mit einer norwegischen Forschergruppe, die international führend auf dem Gebiet der Bestandschätzung von Wildtieren sei, kämen die Wildbiologen so zu folgendem, abgesicherten Ergebnis: Im Spätherbst 2018 hätten sich auf den beiden untersuchten Flächen zusammen 1.350 Gämsen aufgehalten. Auch wenn die Antragstellerseite die Ergebnisse in der mündlichen Verhandlung wegen der bislang fehlenden „Zugänglichmachung der Datengrundlage an die Fachkollegen“ in Zweifel gezogen hat und sicherlich die Ergebnisse nicht ohne weiteres auf den gesamten bayerischen Alpenraum übertragen werden können, wurden im Rahmen dieses Projekts in den beiden Gebieten knapp 800 einzelne Gamsindividuen genetisch differenziert. Auch wenn die Zahlen und möglicherweise die Methodik noch nicht abschließend diskutiert sein mögen, so ist anzumerken, dass aufgrund der „Kotgentypisierung“ allein in diesen Gebieten 800 Gamsindividuen sicher festgestellt werden konnten und folglich (da grundsätzlich nicht alle Losungen auffindbar sind) die tatsächliche Anzahl der Gamsindividuen in den Gebieten höher liegt (in welcher Höhe auch immer). Der Annahme einer Ausrottung des Gamswildes im gesamten bayerischen Alpenraum steht diese Zahl jedenfalls entgegen (siehe zum Projekt „Integrales Schalenwildmanagement im Bergwald“: Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, Erhebung der räumlichen Differenzierung, der Konnektivität und des genetischen Zustands der lokalen Gamsvorkommen im Bayerischen Alpenraum <Projekt C 54> <abrufbar unter https://www.lwf.bayern.de/biodiversitaet/wildtiermonitoring_jagd/279037/index.php, zuletzt abgerufen am 2.1.23>; Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, Pressemitteilung vom 16.10.2021 „Unsichtbare Gämse zählbar machen“ <abrufbar unter https://www.lwf.bayern.de/service/presse/285198/index.php, zuletzt abgerufen am 2.1.23>; Bayerische Staatsregierung, Pressemitteilung vom 15.10.2021 „Erfreuliches zu Bayerns Gämsen - Neueste Forschungsergebnisse zeigen robuste Gamsbestände“ <abrufbar unter https://www.bayern.de/erfreuliches-zu-bayerns-gaemsen-neueste-forschungsergebnisse-zeigen-robuste-gamsbestaende/, zuletzt abgerufen am 2.1.23>; Bayerischer Jagdverband e.V., Pressemitteilung vom 20.10.2021, Die Gams IST gefährdet! <abrufbar unter https://www.jagd-bayern.de/gams-gefaehrdet/, zuletzt abgerufen am 2.1.23>; Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, Pressemitteilung vom 19.10.2021: Gamsprojekt wissenschaftlich seriös <abrufbar unter https://www.lwf.bayern.de/service/presse/285425/index.php, zuletzt abgerufen am 2.1.23>)
292
Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, dass das Gamswild nicht zu den prioritären Arten im Sinne des Art. 1 lit. h der Habitatrichtlinie zählt, sondern zu den Arten nach Anhang V der Habitatrichtlinie, deren Entnahme aus der Natur und Nutzung Gegenstand von Verwaltungsmaßnahmen verschiedenster Art sein können. Solche Verwaltungsmaßnahmen setzen gemäß Art. 14 Habitatrichtlinie aber voraus, dass sie vom Mitgliedstaat zur Aufrechterhaltung eines günstigen Erhaltungszustandes für erforderlich gehalten werden.
293
2.3.2.2.3.2.3 Die Bejagung von Schalenwild außerhalb der festgesetzten Jagdzeiten (entsprechend der Regelungen in der streitgegenständlichen Verordnung) in Form von Gebietsbegängen und Abschüssen führt auch zu keiner erheblichen Beeinträchtigung des Steinadlers.
294
Eine erhebliche Beeinträchtigung für die Steinadler ist aufgrund der konkreten Ausgestaltung der Jagdausübung nicht zu erkennen. Hinsichtlich der die Jagd Ausübenden kann auf die Ausführungen unter Nr. 2.3.2.2.3.2.1 verwiesen werden. Die Bejagung erfolgt zudem stets unter Beachtung der Bedürfnisse des Steinadlerschutzes. So wird ab Februar die Umgebung von besetzten Steinadlerhorsten von der Jagd verschont (dass die Antragstellerseite Kenntnis von dem Antragsgegner und der Beigeladenen nicht bekannten Steinadlerhorsten hat, ist weder vorgetragen noch ersichtlich). Dies gilt bis zum Ausfliegen der Jungvögel. Zudem wird zum Schutz der Steinadler bei Abschüssen in den Verordnungsteilgebieten grundsätzlich nur bleifreie Munition verwendet (was in diesen Gebieten einem Verbot der Verwendung bleihaltiger Munition gleichkommt; dies wird vom LBV grundsätzlich angestrebt, vgl. https://www.steinadlerschutz.de/naturschutz/gef%C3%A4hrdung/, zuletzt abgerufen am 2.1.23; auch von der höheren Naturschutzbehörde wurde in ihrer Stellungnahme vom 21.12.2018 angeführt, dass aus ihrer Sicht eine erhebliche Beeinträchtigung der von der Schonzeitaufhebung betroffenen Steinadlervorkommen durch die Verwendung bleifreier Munition in den Wintermonaten vermieden werden könnte).
295
Der Behauptung, mit dem Rückgang des Gamswildes verliere der (im gesamten Alpenraum vorkommende) Steinadler seine Nahrungsgrundlage und infolge des Zuwachsens der Wälder den notwendigen Jagdraum, hat die Antragstellerseite weder belegt noch substantiiert; für sie sprechen auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte. Dies gilt bereits für den von der Antragstellerseite unterstellten Rückgang des Gamswilds (siehe bereits die oben Ausführungen); es ist davon auszugehen, dass dieses sich in einem günstigen Erhaltungszustand im Sinne des Art. 1 lit. i der Habitatrichtlinie befindet (vgl. Nr. 2.3.2.2.3.2.2).
296
Der Steinadler selbst hat den günstigen Erhaltungszustand (wohl) noch nicht erreicht. Die Bestände haben sich aber (wohl ganz überwiegend infolge von Jagdverbot und Schutzprogrammen) in den bayerischen Alpen, die seinen einzigen Lebensraum in Deutschland bilden, erholt (Landesbund für Vogelschutz, https://www.steinadlerschutz.de/naturschutz/gef%C3%A4hrdung/, zuletzt abgerufen am 2.1.23). Die Jagd und die Entnahme terrestrischer Wildtiere stellen für den Steinadler, der sich keineswegs nur von Gamskitzen ernährt, sondern von fast allen kleinen und mittelgroßen Säugern und Vögeln im jeweiligen Gebiet (einschließlich Aas und Kadavern großer Tiere, die er mehrere Tage lang anfliegt), lediglich eine geringe Beeinträchtigung dar (vgl. Nr. 7 des Steinadler-Standard-Datenbogens des Vogelschutzberichts 2013). Nachdem der Steinadler im bodennahen Flug jagt und lediglich offene und halboffene Landschaften besiedelt (bei Wäldern nur den Waldrand), ist nicht erkennbar, weshalb ein Aufkommen der natürlichen Waldverjüngung für ihn eine Beeinträchtigung darstellen könnte.
297
2.3.2.2.3.3 Eine erhebliche Beeinträchtigung der Natura2000-Gebiete durch die streitgegenständliche Verordnung in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten (Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie) ist nicht ersichtlich.
298
2.3.2.2.3.3.1 Eine solche ergibt sich insbesondere nicht aufgrund der (zu der neben die durch die angegriffene Verordnung eröffnete Bejagung hinzutretende) Bejagung während der regulären Jagdzeit.
299
Zunächst ist festzustellen, dass durch die angegriffene Verordnung keine Erhöhung der im Abschussplan festgesetzten Abschusszahlen erfolgt. Auch ohne die angegriffene Verordnung würde die gleiche Anzahl von Schalenwild (nur dann eben ausschließlich während der festgesetzten Jagdzeit) erlegt.
300
Die für die Jagd der Beigeladenen geltenden Abschusspläne sind weder durch die Verordnung noch durch die Schutzwaldsanierung als Gesamtkomplex bedingt; Abschusspläne sind vielmehr für sämtliche bejagbaren Bereiche des Bundesgebiets aufzustellen (§ 21 Abs. 2 BJagdG). Durch die Abschusspläne soll ganz allgemein eine grundeigentumsschädliche, waldschädliche, ökologiewidrige und insgesamt gemeinschädliche Jagd und Hege verhindert werden (vgl. § 21 Abs. 1 BJagdG sowie Art. 1 Abs. 2 Nr. 3, 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG, Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 BayWaldG; die ursprünglich vom Reichsjagdgesetz bezweckte Hege von Trophäenträgern durch Abschusswahl ist nicht mehr das Ziel des Abschussplanwesens). Andererseits steht die Schutzwaldsanierung, zu der die Verordnung gehört, in einer gewissen Abhängigkeit vom Abschussplanwesen. Würde nicht mithilfe der Abschusspläne allgemein eine Wilddichte herbeigeführt, die übermäßige Sach- und Ökologieschäden verhindert, wäre es sehr schwierig und wesentlich aufwendiger, sanierungsbedürftige Schutzwaldteile nachhaltig zu sanieren; möglicherweise wäre es dann unmöglich.
301
Abschusspläne, die der Bestimmung des § 21 BJagdG sowie den konkretisierenden bayerischen Rechtsvorschriften entsprechen, haben insbesondere das Ziel, landesweit die - vielfach durch gemeinschädliche Jagd und Hege unterbundene - natürliche Verjüngung der standortgemäßen Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen zu ermöglichen (vgl. Art. 1 Abs. 2 Nr. 3, 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG, Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 BayWaldG < „Wald vor Wild” >). Sie bewirken - wenn sie eingehalten werden - den von Seiten der Jagd erforderlichen Beitrag zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung, also zu einer Bewirtschaftung, die so gestaltet ist, dass die Artenvielfalt des Waldes, seine Produktivität, seine Regenerationsfähigkeit, seine Vitalität und sein Potenzial, auch in Zukunft wichtige ökologische, ökonomische und soziale Funktionen erfüllen zu können, erhalten bleiben und andere Ökosysteme nicht geschädigt werden (vgl. die Definition des Begriffs „nachhaltige Waldbewirtschaftung“ der Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa, Helsinki 1993); insbesondere tragen sie dazu bei, dass der Wald gegenüber natürlichen Bedrohungen, beispielsweise gegenüber Stürmen, Insektenbefall und Krankheiten, widerstandsfähiger wird. Die Begriffsdefinition der Ministerkonferenz trägt der Tatsache Rechnung, dass ein naturnaher, nachhaltig bewirtschafteter Wald nicht nur vielfältige wirtschaftliche Vorteile hat. Er hat großen Anteil an der europäischen Biodiversität, denn trotz vielfältiger Bedrohungen ist die biologische Vielfalt in Waldlebensräumen größer als in anderen wichtigen Lebensraumgruppen (Wiesen, Feuchtflächen usw.). Der Wald erbringt auch Ökosystemleistungen von besonderem Nutzen. Er schützt den Boden vor Erosion und reguliert den Grundwasserspiegel und die örtlichen hydrologischen Systeme durch Rückhaltung von Wasserströmen, er reguliert das Klima, speichert Kohlenstoff und schützt wertvollere Bestäuber, reinigt Luft und Süßwasser und bietet Schutz vor Naturkatastrophen wie Lawinen, Erdrutschen, Dürre und Überschwemmungen. Im Mittelpunkt der EU-Waldstrategie vom 20. September 2013 (und der Neuen EU-Waldstrategie für 2030) und der diesbezüglichen EU-Fördermittel-Programme steht eine klar von Naturnähe und Nachhaltigkeit geprägte Waldbewirtschaftung, zu der insbesondere auch die Vorbeugung von Schäden und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands von Wäldern nach Katastrophenereignissen gehört (vgl. etwa Art. 24 der VO - EU - Nr. 1305/2013). Dem Bericht über den Zustand der Natur in der EU (im Mai 2015 veröffentlicht) ist zu entnehmen, dass die Waldlebensräume insgesamt in keinem guten Erhaltungszustand seien (vgl. zu diesem Begriff Art. 1 der Habitatrichtlinie) und dass noch sehr viel getan werden müsse, wenn die Ziele der Biodiversitätsstrategie und der neuen EU-Waldstrategie bis 2020 erreicht werden sollten. Ausweislich des am 19. Oktober 2020 veröffentlichten Berichts über den Zustand der Natur in der EU haben sich der Erhaltungszustand und die Trends während des Berichtszeitraums ungeachtet der Maßnahmen der Mitgliedstaaten nicht verbessert; für viele Arten und Lebensraumtypen (einschließlich derjenigen, für die die Ausweisung als Natura2000-Gebiet ein wichtiger Durchführungsmechanismus für die Erhaltung ist) haben sie sich sogar weiter verschlechtert. Es sei daher offensichtlich (und durch die Berichte bestätigt), dass die Mitgliedstaaten es versäumt hätten, die erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen zu ergreifen (zumindest in dem erforderlichen Umfang), und in einigen Fällen es sogar versäumt hätten, die erforderlichen Maßnahmen angemessen zu ermitteln. Für die Wälder des Natura2000-Netzes (etwa die Hälfte dessen Gesamtfläche) sind Naturnähe und Nachhaltigkeit essentielle Forderungen des europäischen Naturschutzrechts, die von den Nationalstaaten mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln erfüllt werden müssen. Angesichts ihrer dargestellten besonderen Aufgabenstellung kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Abschusspläne nunmehr (im Gegensatz zu denjenigen des Reichsjagdgesetzes) der Erhaltung bestimmter Lebensraumtypen und Arten dienen und deshalb (entsprechend dem Leitfaden Gebietsmanagement, S. 33) in den Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 1 der Habitatrichtlinie einbezogen werden können.
302
2.3.2.2.3.3.2 Eine erhebliche Beeinträchtigung der Natura2000-Gebiete durch die streitgegenständliche Verordnung in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten (Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie) ist hinsichtlich der Raufußhühner nicht ersichtlich.
303
Die Jagd in den Verordnungsteilgebieten während der regulären und der erweiterten Jagdzeit anhand der auf den Grundsatz „Wald vor Wild“ (auf die natürliche Verjüngung der standortgemäßen Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen) ausgerichteten Abschusspläne beeinträchtigt das Auerhuhn, eine streng geschützte und in den von der Verordnung betroffenen Natura2000-Gebieten (Gebietstypen A und C) vorkommende Art, auch nicht erheblich.
304
Die Erhaltung und Entwicklung der Raufußhühner finden im Rahmen der Schalenwildbejagung in vollem Umfang Berücksichtigung. Die Abschusspläne sind nicht auf einen Ausschluss des Wildverbisses ausgerichtet. Der Wildverbiss soll lediglich so weit eingedämmt werden, dass bei den standortgemäßen Baumarten die natürliche Waldverjüngung im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen aufkommt. Daher werden schon deshalb auch in Zukunft die vom Auerwild benötigten licht überschirmten Waldteile existieren (vgl. insoweit die obigen Ausführungen unter Nr. 2.3.2.2.3.2.1).
305
2.3.2.2.4 Einen Verstoß gegen Vorschriften des Wasserrechts, insbesondere betreffend die Hochwasserrückhaltung oder Erosionsvermeidung, wurde nicht schlüssig dargetan und ein solcher ist auch nicht ersichtlich.
306
Nach Art. 44 Abs. 1 Nr. 3 BayWG sollen Staat und Gemeinden im Rahmen ihrer Aufgaben auf Maßnahmen zur natürlichen Wasserrückhaltung und zur Wasserspeicherung hinwirken. Es ist nicht feststellbar, dass im Zuge der mit der Wasserwirtschaft (allgemein) abgestimmten Schutzwaldsanierung durch die Forstverwaltung den Belangen von Wasserrückhaltung und Erosionsvermeidung nicht sachgerecht Rechnung getragen würde. Der Vortrag der Antragstellerseite, die zunehmende Verbuschung des Bergwaldes führe zu einem Rückgang der Grasnarbe und bewirke dadurch einen Verlust an Wasserspeicherfähigkeit wird der komplexen Bedeutung eines intakten Bergwaldes im Bereich des Wasserschutzes und des Bodenschutzes nicht ansatzweise gerecht. Insbesondere geht er nicht auf den bei fehlender Verjüngung auf lange Sicht drohenden Waldverlust ein und beschäftigt sich nicht mit den verschiedenen Unterstützungsfunktionen eines intakten Bergwaldes hinsichtlich Wasserschutz, Bodenschutz und Lawinenschutz. Der Bergwald bestimmt in ganz wesentlichem Umfang das Abflussgeschehen, weil ein Teil des Niederschlags gar nicht den Boden erreicht und weil die Schneeschmelze gegenüber dem Offenland verzögert stattfindet. Bergmischwälder weisen keinen oder nur einen geringen Oberflächenabfluss auf. Eine Grasnarbe begünstigt hingegen schädliche Schneebewegungen (Hildebrandt, a.a.O., S. 81 ff.).
307
2.3.2.2.5 Die angegriffene Verordnung verstößt auch nicht gegen Art. 20a GG und Art. 141 Abs. 1 BV.
308
Mit Gesetz vom 26. Juli 2002 (BGBl I S. 2862) ist in Art. 20a GG neben dem Schutzgut der natürlichen Lebensgrundlagen auch der Tierschutz als Staatszielbestimmung verankert worden. Auch wenn der in Art. 20a GG festgeschriebene Tierschutz dem einzelnen Bürger keinen subjektiv-rechtlichen, d.h. grundrechtlichen Anspruch auf Tierschutz als solchen gibt, ist diese Staatszielbestimmung dennoch vom Antragsgegner grundsätzlich zu beachten. Diese verfassungsrechtliche Pflicht besteht jedoch nur nach Maßgabe von Gesetz und Recht, wie Art. 20a GG ausdrücklich hervorhebt. Dies bedeutet, dass es sich beim Tierschutz um einen Belang von Verfassungsrang handelt, sich aus Art. 20a GG aber kein Vorrang im Sinne einer bestimmten Vorzugswürdigkeit ableiten lässt (vgl. BVerwG, B.v. 15.10.2002 - 4 BN 51/02 - juris Rn. 3). Damit ist zwar mit der Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz der Schutz der Tiere gestärkt worden, als Belang ist er aber nicht anders als der in Art. 20a GG schon früher zum Staatsziel erhobene Umweltschutz im Rahmen von Abwägungsentscheidungen zu berücksichtigen und kann geeignet sein, ein Zurücksetzen anderer Belange von verfassungsrechtlichem Gewicht - wie etwa die Einschränkung von Grundrechten - zu rechtfertigen; er setzt sich aber gegen konkurrierende Belange von verfassungsrechtlichem Gewicht nicht notwendigerweise durch (vgl. BVerfG, B.v. 12.10.2010 - 2 BvF 1/07 - juris Rn. 121). Den normsetzenden Organen, die das Staatsziel Tierschutz zu beachten haben, kommt dabei ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfG, B.v. 12.10.2010 - 2 BvF 1/07 - juris a.a.O. Rn. 122).
309
Die von der Antragstellerseite behauptete Fehlgewichtung der Schutzgüter durch die Jagdstrategie der Beigeladenen ist nicht erkennbar. Die Antragstellerseite verkennt, dass der Bergwald zu den natürlichen Lebensgrundlagen zu rechnen ist, nachdem er vielfältige Schutzwirkungen besitzt. Er bewahrt den eigenen Standort vor Bodenabtrag und schützt gleichzeitig Siedlungen und Straßen vor Lawinen, Hochwasser Steinschlag und Muren. Darüber hinaus ist er für den Wasserhaushalt bis weit ins Alpenvorland von entscheidender Bedeutung. Klima-, Natur- und Gewässerschutz sind Konkretisierungen des von Art. 20a GG angemahnten Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen (vgl. VGH BW, U.v. 20.6.2017 - 10 S 739/16 - juris Rn. 64 m.w.N.). Eine andere Bewertung ergibt sich aus den genannten Gründen auch nicht im Lichte von Art. 141 Abs. 1 BV (zum Verhältnis der beiden Verfassungsbestimmungen vgl. Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaats Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 141 Rn. 5, sowie Müller in Meder/Brechmann, Verfassung des Freistaats Bayern, 6. Aufl. 2020, Art. 141 Rn. 6).
310
Eine Unvereinbarkeit der Verordnung mit tierschutzrechtlichen Vorschriften hat die Antragstellerseite nicht substantiiert dargelegt (zur Tötung von Wirbeltieren im Rahmen der Jagdausübung vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 des TierSchG sowie hierzu Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. 2016, § 4 Rn. 6). Die Verordnung eröffnet in engen Grenzen die Jagdmöglichkeit auf etwa trächtiges weibliches Gamswild und auf etwa trächtige Rehgeißen. Auch diese Abschüsse beruhen auf den sachlichen Gründen, die die Verordnung tragen. Für die damit verbundene Tötung der ungeborenen Jungen gilt nichts anderes. Eine Zufügung von Schmerzen - abgesehen vom Abschuss selbst - findet auch bei trächtigen Tieren nicht statt. Eine Tierschutzbestimmung, die die Jagd auf trächtiges Wild verbietet, gibt es nicht. Zwar ist es nach § 4 des Gesetzes zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften über Verbote und Beschränkungen hinsichtlich des Handels mit bestimmten tierischen Erzeugnissen sowie zu Haltungs- und Abgabeverboten in bestimmten Fällen (BGBl. 2008 I, S. 2394, zuletzt geändert am 30.6.2017, BGBl. I S. 2147 - TierErzHaVerbG) im Allgemeinen verboten, ein Säugetier, das sich im letzten Drittel der Trächtigkeit befindet, zum Zweck der Schlachtung abzugeben. Diese Vorschrift gilt aber lediglich für gehaltene Tiere, die geschlachtet werden. Darüber hinaus gilt die Vorschrift, die mehrere Ausnahmeregelungen enthält, ausdrücklich nicht für Schafe und Ziegen. Für herrenloses Wild gilt die Bestimmung überhaupt nicht. Eine Übertragbarkeit scheitert bereits daran, dass bei Wild in Freiheit die Trächtigkeit nur schwer festgestellt werden kann, dass die Deckung (der Beschlag) nicht im Verantwortungsbereich eines Halters stattfindet (also nicht gesteuert werden kann) und dass es sich bei dem Abschuss auch nicht um einen Vorgang im Rahmen der kommerziellen Nahrungsmittelproduktion handelt. Darüber hinaus ergeben sich aus den allgemeinen Interessen völlig unterschiedliche Erfordernisse für gehaltene Tiere und für herrenloses Wild.
311
Eine Tierschutzwidrigkeit ist auch aufgrund der von der Antragstellerseite vorgebrachten „durchgängigen Winterbejagung“ nicht zu erkennen (und insoweit auch keine Unverhältnismäßigkeit der Verordnung). Mit der Jagdstrategie der letalen Vergrämung soll auf das durch Instinkte gesteuerte Flucht- und Meidungsverhalten der Wildtiere gezielt Einfluss genommen werden, sodass sich das während der ausgeweiteten Jagdzeit bejagbare Schalenwild nicht durchgehend in den Verordnungsteilgebieten aufhält. Hält sich das bejagbare Schalenwild (zeitweise zumindest auch) außerhalb der jeweiligen Verordnungsteilgebiete auf, ist eine Beunruhigung in dieser Zeit nicht gegeben (weder für das bejagbare noch für das nicht bejagbare, aber ggf. mitbetroffene Schalenwild).
312
Insgesamt (folglich auch, wenn die Antragstellerseite davon ausgehen sollte, dass sich das bejagbare Schalenwild niemals außerhalb der Verordnungsteilgebiete aufhält <was dann jedoch ihrem Vorbringen widersprechen würde, das in die Nachbarreviere vergrämte Wild verursache dort höheren Jagdaufwand>), ist eine Fehlgewichtung der Tierschutzbelange gegenüber den Belangen der Schutzwaldsanierung nicht zu erkennen, insbesondere auch deshalb, weil die Beigeladene überzeugend (und insoweit nicht substantiiert angegriffen) in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass - wie aus den diesbezüglichen Kartenmaterial „Übersichtskarte sonnseitige Lagen“ ersichtlich sei - ausreichend sonnseitige Lagen nicht von der Verordnung umfasst seien (nur etwa 38% der sonnseitigen Lagen des Wuchsgebiets 15 „Bayerische Alpen“ werden von der Verordnung umfasst).
313
Soweit die Antragstellerseite den Tierschutzgedanken hervorgehoben haben sollte, weil sie den günstigen Erhaltungszustand einer Schalenwildart für gefährdet hält (zufolge Hildebrandt, a.a.O., S. 88 ist derartiges während des Gamswildsymposiums im April 2014 in Garmisch-Partenkirchen geäußert worden), ist dies angesichts der Wildbestände nicht nachvollziehbar (siehe hierzu die Ausführungen unter Nr. 2.3.2.2.3.2.2). Unökologische Bestandshöhen können mit dem Tierschutzgedanken nicht gerechtfertigt werden.
314
2.3.2.2.6 Die verordnete Schonzeitverkürzung für das Schalenwild ist auch verhältnismäßig.
315
Der Antragsgegner verfolgt mit der angegriffenen Verordnung ein legitimes Ziel (2.3.2.2.6.1). Sie ist zum Schutz besonders schutzbedürftiger Schutzwaldflächen geeignet (2.3.2.2.6.2) und erforderlich (2.3.2.2.6.3) und sie erweist sich auch nicht als unverhältnismäßig im engeren Sinne (2.3.2.2.6.4).
316
2.3.2.2.6.1 Der Antragsgegner verfolgt mit der angegriffenen Verordnung ein legitimes Ziel.
317
Nach dem Ergebnis des Verfahrens erfüllen die Waldflächen in den in den Verordnungsteilgebieten gelegenen Sanierungsflächen bzw. die Wälder in den Verordnungsteilgebieten ohne Sanierungsflächen Schutzwaldfunktionen im Sinn von Art. 10 BayWaldG. Um den Schutzfunktionen auch zukünftig gerecht werden zu können, bedarf der Bergwald kontinuierlicher Verjüngung. Sowohl die zur Erhaltung und langfristigen Gewährleistung der Schutzwaldfunktionen notwendige natürliche Bergwaldverjüngung als auch die von der Beigeladenen als Ergänzung zur Naturverjüngung vorgenommenen Pflanzungen bedürfen für einen erfolgreichen Aufwuchs eines zeitlich begrenzten Schutzes vor übermäßigem Schalenwildverbiss. Gemäß Art. 18 Abs. 1 Satz 3 und 4 BayWaldG haben die mit der Bewirtschaftung und Verwaltung von Staatswäldern betrauten Stellen (insbesondere) standortgemäße, naturnahe, gesunde, leistungsfähige und stabile Wälder zu erhalten oder zu schaffen; zu diesem Zweck soll die natürliche Verjüngung der standortgemäßen Baumarten durch eine auf einen artenreichen und gesunden Wildbestand ausgerichtete Bejagung im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen ermöglicht werden. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass - wie erwähnt - im Gebirge die negativen Auswirkungen des Verbisses noch stärker sind als im Flachland, weil der Wald im Gebirge härteren Bedingungen ausgesetzt ist.
318
Da Jungpflanzen - vor allem in Zeiten geringen anderweitigen Nahrungsangebots - zur Nahrungsgrundlage von Schalenwild gehören, ist ohne weiteres von einer abstrakten Verbissgefährdung in den Sanierungsflächen auszugehen. Diese abstrakte, letztlich vom Wildbestand abhängige Gefährdung wird in besonderem Maße verstärkt, wenn es sich um Flächen handelt, die vom Wild wegen ihrer natürlichen Gegebenheiten als sonnenseitiger Wintereinstand bzw. vom Gamswild als Ganzjahreseinstand genutzt wird. Es bedarf insofern keines konkreten Nachweises eines unmittelbar drohenden Schadenseintritts; es genügt, wenn die Möglichkeit eines entsprechenden Schadenseintritts nach den gegebenen Umständen und im Rahmen einer sachlich vertretbaren, auf konkreten Feststellungen beruhenden Prognose nicht von der Hand zu weisen ist (BVerwG, U.v. 12.9.1980 - IV C 89.77 - BayVBl 1980, 759 f.). Dies ist hier der Fall.
319
Die von der Beigeladenen im Zuge der Beantragung des Verordnungserlasses beschriebene Strategie der letalen Vergrämung verfolgt das Ziel, das Schalenwild durch konzentrierte und punktuelle Bejagung von den Sanierungsflächen in den Verordnungsteilgebieten fernzuhalten. Mit der Jagdstrategie der letalen Vergrämung soll auf das durch Instinkte gesteuerte Flucht- und Meidungsverhalten der Wildtiere gezielt Einfluss genommen werden (die Beigeladene hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung insoweit überzeugend dargelegt, dass mögliche Abschüsse - anders als während der regulären Jagdzeit, in der die Abschüsse so erfolgen, dass möglichst kein anderes Schalenwild dadurch gestört wird - gezielt so erfolgen, dass möglichst viele andere Schalenwildstücke davon Notiz nehmen). Eine vollständige Verdrängung des Schalenwildes aus kleinen Räumen ist durch jagdliche Methoden nicht möglich und wird auch nicht angestrebt. Ziel ist ein ganzjährig möglichst niedriger Schalenwildbestand in den Verordnungsteilgebieten. Auf diese Weise soll der Verbiss sowohl der natürlichen als auch der von der Forstverwaltung eingebrachten künstlichen Bergwaldverjüngung durch Schalenwild verhindert und dadurch ein gesunder und funktionsfähiger Schutzwald gewährleistet werden.
320
2.3.2.2.6.2 Für den Senat besteht kein Anlass, die Geeignetheit der von der Beigeladenen verfolgten Jagdstrategie der Vergrämung grundsätzlich in Zweifel zu ziehen.
321
Unter dem Gesichtspunkt mangelnder Eignung wäre eine Regelung nur dann verfassungsrechtlich zu beanstanden, wenn das eingesetzte Mittel objektiv untauglich oder schlechthin ungeeignet wäre (BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 27.1.2011 - 1 BvR 3222/09 - juris Rn. 38). Dies ist vorliegend nicht zu erkennen.
322
Die von der Forstverwaltung verfolgten Sanierungsziele können ohne Beeinträchtigungen vielfach wegen der Verbissschäden durch Schalenwild nicht erreicht werden (Der Berg- und Schutzwald in den bayerischen Alpen, Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, November 2016, S. 58). Es wird sogar vertreten, dass der Verbiss das gravierendste Hindernis für die Schutzwaldsanierung sei (vgl. Hildebrandt, Schutzwaldmanagement im Bay. Alpenraum, Fachbeitrag zu Band 21 der Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern - http://jagd-bayern.de/fileadmin/_BJV/Akademie/Gamswild/BJV_Gamswild_08_Hildebrandt_V03. pdf:). Ein hoher Verbissdruck führt zum Verschwinden der Krautschicht, zum weitgehenden Ausfall der besonders verbissgefährdeten Baumarten, zur Entmischung des Waldes, zum Biodiversitätsverlust, zur Überalterung des Waldes und schlimmstenfalls zu seinem Untergang (auch durch Erosion), der jedenfalls längerfristig den Verlust der Bodendecke nach sich zieht. Dies bedeutet eine Beeinträchtigung der biologischen Vielfalt, der Wasser und Klima regulierenden Wirkung, der Kohlenstoffspeicherung, der Reinigung von Luft und Süßwasser sowie des Schutzes vor Naturkatastrophen und - im Falle des Totalverlustes - den vollständigen Wegfall dieser positiven Effekte des Lebensraumes Wald im fraglichen Bereich.
323
Für den Senat ist es nachvollziehbar und überzeugend, dass sich der Verbiss reduziert, wenn sich weniger Wild als üblich in den Verordnungsteilgebieten aufhält (wovon die Antragstellerseite offenkundig ebenfalls ausgeht). Die mittels der Verordnung angestrebte Aufenthaltsmeidung entspricht dabei dem natürlichen Fluchtverhalten von Wildtieren im Fall von Störungen einschließlich Abschüssen von Artgenossen (soweit die Antragstellerseite nach Niederlegung des Tenors mit Schriftsatz vom 20. September 2022 möglicherweise in Zweifel ziehen will, dass eine landscape of fear überhaupt geschaffen werden kann, setzt sie sich in Widerspruch zu ihren Ausführungen, dass es durch die Vergrämung in den Verordnungsteilgebieten zu erhöhtem Jagdaufwand in benachbarten Gebieten komme; im Übrigen ist - worauf es aber nicht entscheidungserheblich ankommt - gerichtsbekannt, dass die Maßnahme der Vergrämung und die Schaffung einer Landschaft der Angst auch andernorts praktiziert wird, um die natürliche Verjüngung bzw. ausgebrachte Pflanzung vor Wildverbiss zu schützen, z.B. im Yellowstone National Park vor der Wiederansiedlung des Wolfes; vgl. den - soweit ersichtlich derzeit online nicht mehr abrufbaren - Dokumentarfilm „Yellowstone - Das Geheimnis der Wölfe“ aus dem Jahr 2018).
324
Dass die Schonzeitaufhebung geeignet ist, zur Schutzwaldsanierung in erheblichem Maße beizutragen, zeigt sich in der Entlassung von Flächen aus der Verordnungskulisse im Vergleich zu den früheren Verordnungen (im Vergleich zur Vorgängerverordnung hat die Gesamtfläche in den Verordnungsgebieten um 3.815 ha bzw. 13% abgenommen). In zahlreichen Sanierungsgebieten hat sich die Verbisssituation deutlich verbessert, sodass die Waldverjüngung weitgehend ungestört aufwachsen und zu gegebener Zeit die Schutzfunktionen übernehmen kann (vgl. LT-Drs. 18/14983 S. 44, wo ausgeführt wird, dass sich die Verordnung als effizientes Instrument für die Raum-Zeit-Steuerung des Wildes in den Schutzwaldsanierungsgebieten erwiesen habe). Auch die von der Beigeladenen erstellten Formblätter enthalten hinreichende Ausführungen, dass auch in diversen (noch von der Verordnung erfassten) Gebieten die Sanierung positiv verläuft. Der Umstand, dass die Gebiete lange Zeit in der Verordnungskulisse verbleiben (müssen), resultiert daraus, dass die Schutzwaldsanierung insbesondere aufgrund der topografischen Gegebenheiten eben erhebliche Zeit in Anspruch nimmt (es ist lediglich ein jährliches Wachstum der Bäumchen von 10-15 cm zu erwarten).
325
Folglich handelt es sich bei der Schonzeitaufhebung um eine Maßnahme, die geeignet ist, um den Verbiss in besonders schutzbedürftigen Schutzwaldflächen zu reduzieren und damit einer bereits vorhandenen Beeinträchtigung der Schutzfunktion des Bergwaldes gegenzusteuern oder einer sich abzeichnenden künftigen Gefährdung der Schutzfunktion vorzubeugen.
326
Soweit die Antragstellerseite sinngemäß geltend macht, dass in mehreren Verordnungsteilgebieten eine Weiderechtsbelastung bestehe (was die Beigeladene in ihrer Stellungnahme vom 21.12.2018 im Verordnungsverfahren auch eingeräumt hat) und daher nicht ausgeschlossen werden könne, dass nicht auch durch Weidevieh verbissen werde, hat dies zunächst keine Auswirkung darauf, dass die Schonzeitaufhebung geeignet ist, den durch Schalenwild verursachten Verbiss zu reduzieren. Darüber hinaus hat die Beigeladene in ihrer Stellungnahme vom 21. Dezember 2018 im Verordnungsverfahren überzeugend ausgeführt, dass ein Verbiss durch Weidevieh aufgrund verschiedener Maßnahmen ausgeschlossen bzw. auf ein absolutes Minimum reduziert wird (sodass die Schonzeitaufhebung auch nicht zu einem objektiv untauglichen Mittel wird). Sanierungspflanzungen würden räumlich gezielt von Bereichen mit Weiderechtsbelastungen getrennt, sodass der überwiegende Anteil der Sanierungsplanzungen daher weitgehend weiderechtsfrei sei. Fielen einige Sanierungspflanzungen auf Flächen mit bestehenden Weiderechten, ruhten in vielen Fällen die Weiderechte aufgrund privatrechtlicher Verträge zwischen den Berechtigten und der Beigeladenen. Auf den übrigen, weiterhin weiderechtsbelasteten Flächen werde das Weidevieh von den Berechtigten, z.T. durch privatrechtliche Verpflichtungsverträge, während der sommerlichen Bestoßzeiten mit Elektrozäunen von Sanierungspflanzungen abgehalten. Außerhalb dieser Zeiten würden die Zäune abgebaut. Zudem würden die vielerorts für die Sanierung gewählten Baumarten Fichte, Tanne und Lärche durch das Weidevieh praktisch nicht verbissen und seien Flächen, die mit Weiderechten belastet seien, aufgrund der Steilheit des Geländes, nicht beweidbar. Die Beigeladene kommt überzeugend und nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass das Eindringen einzelner Stücke Weidevieh, die sich dem Einflussbereich deren Besitzer entzogen hätten, nicht vollständig ausgeschlossen werden könne (ebenso wie das Eindringen von Schalenwild trotz Schonzeitaufhebung), der Sanierungserfolg dadurch jedoch keinesfalls gefährdet sei.
327
2.3.2.2.6.3 Die Schonzeitverordnung ist zudem erforderlich.
328
Erforderlich ist eine Maßnahme dann, wenn von den zur Erreichung des Zweckes gleich gut geeigneten Mitteln das mildeste, also die geschützte Rechtsposition am wenigsten beeinträchtigende Mittel gewählt wird (BVerfG, B.v. 8.3.2012 - 1 BvR 206/12 - juris Rn. 23). Dies ist vorliegend der Fall.
329
Zwar mag es mit der generellen flächenhaften Reduzierung des Wildbestandes, der Einrichtung von Wintergattern, dem Flächenschutz durch Einzäunung, dem Einzelschutz durch Verstänkerungsmittel oder Verbissschutzmittel und der Vergrämung auf sonstige Weise (Ultraschall-Wildvergrämungsgeräte) auch noch andere Methoden geben, den natürlichen und den künstlichen Waldaufwuchs vor Schalenwildverbiss zu schützen. Unter Berücksichtigung von Tauglichkeit und Wirtschaftlichkeit der Methoden und der besonderen ökologischen Wertigkeit des Schutzwaldes ist jedoch keine dieser alternativen Schutzmethoden eindeutig vorzugswürdig.
330
2.3.2.2.6.4 Die angegriffene Verordnung ist auch verhältnismäßig im engeren Sinn.
331
Dies ist eine Maßnahme nur dann, wenn die Nachteile, die mit der Maßnahme verbunden sind, nicht völlig außer Verhältnis zu den Vorteilen stehen, die sie bewirkt (BVerfG, B.v. 10.11.1998 - BvR 2296/96, 1 BvR 1081/97 - juris Rn. 39). Davon ist vorliegend auszugehen.
332
2.3.2.2.6.4.1 Die Verordnung erweist sich gegenüber den Eigentümern umliegender Grundstücke und den Inhabern umliegender Jagdreviere nicht als unverhältnismäßig i.e.S.
333
Den geltend gemachten erhöhten Jagdausübungsaufwand der Inhaber benachbarter Reviere hat die Antragstellerseite weder in nachvollziehbarer Art und Weise dargelegt noch nachgewiesen. Im Übrigen würde ein Jagdausübungsaufwand, der durch rechtmäßige Maßnahmen verursacht ist, auch keinen wesentlichen Abwägungsbelang darstellen. Die Jagdausübung ist nicht nur mit Rechten, sondern auch mit hoher Verantwortung verbunden, aus der sich Pflichten ergeben. Auch einen signifikanten Zuwachs an Wildschadensansprüchen gegen die Inhaber benachbarter Jagdreviere hat die Antragstellerseite nicht nachvollziehbar aufgezeigt. Insoweit wäre zu berücksichtigen, dass die Jagdausübungsberechtigten im Rahmen der Abschussplanung die Möglichkeit haben, den Wildbestand nach Maßgabe des § 21 Abs. 1 BJagdG zu regulieren. Gemäß dieser Vorschrift ist der Abschuss des Wildes so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt werden. Die Vorschrift dient auch dem Schutz des Grundeigentums und ist daher verpflichtend. Eine weitere Aufklärung erscheint aufgrund der nicht substantiierten Angaben der Antragstellerseite nicht für geboten.
334
Soweit die Antragstellerseite geltend macht, die angegriffene Rechtsverordnung verstoße gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG sowie gegen Art. 103 Abs. 1 BV, soweit sie zu Schädigungen am Eigentum der benachbarten Waldeigentümer, in deren Waldflächen der Verordnungsgeber zugunsten der geschützten Verordnungsgebiete, die fast ausnahmslos Staatswaldflächen seien, vergräme, greift diese Rüge nicht durch. Übermäßige Schädigungen am Eigentum benachbarter Waldeigentümer machen (obwohl die Verordnungskulisse über den ganzen Regierungsbezirk Oberbayern verteilt ist) nur die Antragsteller im hiesigen Verfahren geltend. Eine spürbare Beeinträchtigung ihres Eigentums in Form eines kausalen Schadens haben die Antragsteller aber nicht substantiiert dargelegt (auf die insoweitigen Ausführungen in den Senatsurteilen vom 16.9.2022 in den Verfahren 19 N 18.497 und 19 N 19.1625 wird verwiesen).
335
Zudem ist das diesbezügliche Vorbringen der Antragsteller nicht frei von Widersprüchen. Vielmehr ist eine Anpassung der Argumentation über die Jahre zu erkennen. So wurde mit Schriftsatz vom 30. Juli 2010 im (die VO 2008 betreffenden) Verfahren 19 N 09.3102 (vgl. S. 8 und S. 12, nunmehr 19 N 18.497) zunächst eine Entwicklung behauptet, die aus einer ersten Phase und einer späteren zweiten Phase bestehe. Demnach soll die angegriffene Verordnung im Eigenjagdrevier zunächst zu einem erhöhten Verbiss geführt haben; in den Randbereichen der Eigenjagd sei es zu einer Zunahme des Schalenwildbestandes gekommen. Anschließend hätten die rigide Abschussplanung und ihre konsequente Durchsetzung durch die Untere Jagdbehörde zu einem Wildbestand geführt, der für die von den Antragstellern betriebene extensive Forstwirtschaft zu gering sei. Im Schriftsatz vom 19. November 2012 (S. 5) zu dem Verfahren 19 N 12.206 (nunmehr 19 N 18.497) und im Antragsbegründungschriftsatz vom 12. August 2016 im Verfahren 19 N 14.1022 (S. 43) wurde vorgetragen, das Wild werde in Bereiche mit erhöhten Abschusszahlen getrieben. Aufgrund dieser erhöhten Abschusszahlen werde das Wild in seiner Dichte großflächig dezimiert und könne in den extensiv bewirtschafteten Waldflächen seiner Funktion als den Lebensraum des Auerwildes freihaltendes Fraßwild nicht mehr nachkommen. Dieser Darstellung zufolge wäre es bereits ab dem Jahr 2008, als das benachbarte Verordnungsteilgebiet Eschenlaine in die Vorgängerverordnung aufgenommen worden ist (die anderen <in der Nähe des Eigenjagdreviers der Antragsteller liegenden> Verordnungsteilgebiete Deiningbach und Fahrenberg sind noch früher in Vorgängerverordnungen aufgenommen worden), zu diesen beiden Phasen gekommen, also zunächst zu erhöhten Abschusszahlen im Verordnungszeitraum 2008, vielleicht auch noch im Verordnungszeitraum 2009. Die von der Antragstellerseite selbst vorgelegte Liste (GA 19 N 09.3102, Bl. 184) zeigt jedoch keine signifikante Erhöhung der Abschusszahlen in dieser Zeit. Während der ab dem Jahr 2014 gültigen Verordnung müsste die „erste Phase“ bereits verstrichen und die „großflächige Dezimierung“ durch „erhöhte Abschusszahlen“ bereits im Gange gewesen sein, sodass der zum damaligen Zeitpunkt erhöhte Verbiss im Eigenjagdrevier (vgl. insoweit Senatsbeschluss v. 20.11.2018 - 19 ZB 17.1601 - juris, insbesondere Rn. 49 ff.), der von der Antragstellerseite der Verordnung zugeschrieben wird, nicht (mehr) festzustellen wäre. In der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2017 im Verfahren 19 N 14.1022 wurde dann erstmals versucht, mit einer neuen Begründung den Widerspruch zwischen der Geltendmachung des rechtlich geschützten Interesses an einer geringen Verbissquote und der tatsächlichen Befürwortung einer hohen Verbissquote als nicht existent darzustellen. So wurde erstmals von einer jährlichen Rückwanderung des Schalenwildes auf die Verordnungsflächen gesprochen, wo es der dortigen Vergrämungsstrategie unterfalle, also von einem jährlich auftretenden Phasenwechsel. Ab diesem Zeitpunkt wurde versucht, die Behauptung eines überhöhten Verbisses trotz niedriger Schalenwildbestände im Eigenjagdrevier dadurch zu plausibilisieren, dass die beiden Phänomene auf unterschiedliche Abschnitte desselben Jahres verteilt werden. Diesem Erläuterungsversuch steht aber entgegen, dass sich zwar die Vergrämung im Rahmen der streitgegenständlichen Verordnung auf wenige Monate beschränkt, die Verordnung jedoch lediglich dazu bestimmt ist, die wegen der beschränkten Dauer des Jagdjahres bestehende zeitliche Lücke zu schließen, also die ganzjährige Vergrämungspraxis der Beigeladenen zu ermöglichen. Der Jagd- und Vergrämungsdruck wird in den Verordnungsteilgebieten nicht als kurzfristiger und sich ständig wiederholender Prozess, sondern ganzjährig und konsequent praktiziert (wobei die Wildvergrämung aufgrund der Verordnung nur auf verhältnismäßig kleinen Flächen und nur während weniger Monate des Jahres stattfindet und im übrigen Staatsjagdrevier nicht mit derselben Intensität, aber gemäß dem Grundsatz „Wald vor Wild“ <mit der Folge einer mäßigen Wilddichte> gejagt wird), sodass für die behauptete und dem Antragsgegner sowie der Beigeladenen angelastete jährliche Hin- und Zurückwanderung des Wilds zwischen dem Eigenjagdrevier und den Verordnungsflächen keine tatsächlichen Anhaltspunkte vorhanden sind.
336
Darüber hinaus müssen sich die Antragsteller als Miteigentümer von Waldgrundstücken im Eigenjagdrevier Eschenlohe-Wengwies auf die Möglichkeit verweisen lassen, den Wildbestand durch eine Abschusserhöhung selbst zu reduzieren. Wenn sie - im Gegensatz zur Beigeladenen - als Waldeigentümer (auch in Verfahren über die Abschussplanung) eine hohe Verbissrate als waldbaulich wünschenswert ansehen (so in den Verfahren zu den Vorgängerverordnungen vertreten), können sie im vorliegenden Verfahren nicht mit dem gleichzeitigen Einwand gehört werden, die Jagdstrategie der Beigeladenen verursache einen übermäßigen Wildbestand und eine überhöhte Verbissrate. Die Antragsteller haben auch nicht vorgetragen, dass sie die Instrumente des Bundesjagdgesetzes zur Wildschadensverhütung (vgl. § 26 bis § 28 BJagdG) genutzt hätten.
337
Sind Eigentümer von benachbarten Waldflächen nicht zur Jagdausübung berechtigt, müssen sich diese grundsätzlich auf die Regulierungsverantwortung des Jagdausübungsberechtigten nach Maßgabe des § 21 BJagdG verweisen lassen. Dieser trägt grundsätzlich die Verantwortung für die Höhe des Wildbestandes und ist verantwortlich dafür, dass die berechtigten Ansprüche der Forstwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben.
338
2.3.2.2.6.4.2 Eine Unverhältnismäßigkeit ergibt sich auch nicht aus den Flächenzuschnitten der Verordnungsteilgebiete.
339
Es ist naheliegend, dass der Vorgang der letalen Vergrämung des Schalenwilds (die Schussposition des Jägers und der Standort des angesprochenen Wildtieres müssen im Anwendungsbereich der Verordnung liegen) örtlich nicht auf die Sanierungsfläche selbst beschränkt werden kann, sondern einen angemessenen Wirkungsbereich um die eigentliche Sanierungsfläche erfordert; die Aufhebung der Schonzeiten hat sich deshalb nicht auf die eigentliche Sanierungsfläche zu beschränken.
340
Wann von einem angemessenen Wirkungsbereich ausgegangen werden kann, ist eine Frage des Einzelfalles. In das bestimmte Gebiet gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG, Art. 33 Abs. 3 BayJG dürfen die Flächen einbezogen werden, die aus jagdlicher Sicht für die Zielerreichung erforderlich erscheinen, das Schalenwild möglichst wirksam von der Sanierungsfläche fernzuhalten (die Aufnahme nur von Wald- bzw. Schutzwaldflächen ist hier daher nicht angezeigt). Dabei ist zu berücksichtigen, dass für die Lage der Grenzen eines solchen Gebietes selbst bei größter Sorgfalt und genauer Kenntnis der örtlichen Verhältnisse nur selten zwingende Gründe aufgeführt werden können. Gleichzeitig muss die Grenzziehung in der Natur so erfolgen, dass sie eine rechtssichere Handhabung durch den Jagdausübungsberechtigten gewährleistet.
341
Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn sich die zuständige Jagdbehörde auf plausible, in sich schlüssige und vor Ort praktikable jagdfachliche Einschätzungen stützt. Die von der Antragstellerseite ausschließlich in den Blick genommenen Flächenrelationen zwischen Sanierungsflächen und den sie umgebenden Verordnungsflächen bietet keine taugliche Beurteilungsgrundlage, um die Angemessenheit der Gebietsabgrenzung erfolgreich in Frage zu stellen. Plausible Anhaltspunkte für eine nicht mehr vertretbare Abgrenzung der Verordnungsteilgebiete hat die Antragstellerseite weder substantiiert vorgetragen noch sind solche ersichtlich.
342
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Nachdem die Beigeladene nicht durch Stellung eines Sachantrages nach § 154 Abs. 3 VwGO ein Kostenrisiko eingegangen ist, entspricht es nach § 162 Abs. 3 VwGO der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
343
4. Die Revision wird zugelassen, weil die Rechtssache in vielerlei Hinsicht grundsätzliche Bedeutung gem. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat, insbesondere, was die Frage der Einstufung der Bejagung außerhalb der regulären Jagdzeit als Gebietserhaltungsmaßnahme betrifft.