Titel:
Erfolgloser Prozesskostenhilfeantrag im Verfahren gegen die Rückforderung von Unterhaltsvorschussleistungen
Normenketten:
UVG § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 5 Abs. 1
VwGO § 166
ZPO § 114
Leitsatz:
Stehen ausländerrechtliche Hindernisse einem Zusammenleben im Bundesgebiet entgegen, stellt dies auch keinen Ausnahmefall iSv § 1 Abs. 2 UVG dar. Eine erweiternde Auslegung der Vorschrift oder deren analoge Anwendung auf Fälle ausländerrechtlicher Zuzugsbeschränkungen, in denen die Eheleute faktisch an einer Herstellung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft über einen längeren Zeitraum gehindert sind, kommt angesichts des nunmehr eindeutigen Wortlautes der Vorschrift und der Gesetzesbegründung nicht in Betracht. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe, Erstattung von Unterhaltsvorschussleistungen, Im Ausland geschlossene Ehe, Getrenntleben, Mitteilungspflichten, im Ausland geschlossene Ehe
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 23.12.2022 – 12 C 22.2410
Fundstelle:
BeckRS 2022, 40263
Tenor
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
1
Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Erhebung einer Klage, mit der er sich gegen die Rückforderung von an ihn ausbezahlten Unterhaltsvorschussleistungen für sein Kind T. wendet.
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Der Kläger ist Vater der am ... Mai 2009 geborenen T.
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Mit Formblatt vom 28. Januar 2016 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für T. und gab an, von der Mutter getrennt zu leben.
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Mit Bescheid vom 28. September 2016 bewilligte die Beklagte für T. Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz ab dem 1. Januar 2016 bis längstens 1. Mai 2021 in Höhe von 194,00 EUR monatlich. Mit Änderungsbescheiden vom 28. Dezember 2016, 9. Januar 2018, 11. Juni 2019, 4. Dezember 2019 und 3. Dezember 2020 wurde der Betrag für die Zeit ab dem 1. Januar 2017 auf 201,00 EUR bzw. ab dem 1. Januar 2018 auf 205,00 EUR bzw. ab dem 1. Juli 2019 auf 202,00 EUR bzw. ab dem 1. Januar 2020 auf 220,00 EUR bzw. ab dem 1. Januar 2021 auf 232,00 EUR erhöht bzw. gesenkt.
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Mit Schreiben vom 20. September 2017 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass die Leistungen nach dem UVG aufgrund einer Gesetzesänderung nunmehr bis auf Weiteres, längstens jedoch bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes, gelten würden.
Die Befristung des Bescheids vom 28. September 2016 wurde aufgehoben.
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Im Rahmen der jährlichen Überprüfung wurde im März 2021 festgestellt, dass der Kläger verheiratet ist.
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Mit Schreiben vom 2. März 2021 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz möglicherweise zu Unrecht gewährt worden seien, da er geheiratet habe und seine Ehefrau im Januar 2021 zu ihm gezogen sei. Die Leistung werde bis zur abschließenden Klärung eingestellt. Es wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und um Vorlage der Heiratsurkunde gebeten. Der Kläger legte eine Heiratsurkunde vor, aus der sich als Datum der Eheschließung der … September 2018 ergibt.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 19. November 2021, zugestellt am 30. November 2021, forderte die Beklagte den Kläger auf, für den Zeitraum vom 24. September 2018 bis zum 31. März 2021 Schadenersatz in Höhe von 6.482,00 EUR zu leisten. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass ab der Eheschließung die Voraussetzungen des § 1 UVG nicht mehr vorgelegen hätten. Die Tatsache, dass sich die Ehefrau des Klägers lediglich aus aufenthaltsrechtlichen Gründen nicht im Bundesgebiet aufgehalten habe, führe nicht dazu, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen dennoch erfüllt seien, s. Nr. 1.4.1 Abs. 2 Verwaltungsvorschriften zum Unterhaltsvorschussgesetz.
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Mit Bescheid vom 3. Dezember 2021 wurde der Bewilligungsbescheid vom 28. September 2016 mit Entfristungsschreiben vom 20. September 2017 ab 1. April 2021 aufgehoben. In den Gründen wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen einer Leistungsgewährung nicht mehr vorlägen, da der Kläger geheiratet habe.
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Am 27. Dezember 2021 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 19. November 2021 ein.
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Nachdem die Beklagte dem Widerspruch nicht abgeholfen hatte, legte sie diesen am 14. Februar 2022 der Widerspruchsbehörde zur Entscheidung vor.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 2022, zugestellt am 16. März 2022, wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe den Sachverhalt der Eheschließung verschwiegen. Er sei bereits bei der Antragstellung als auch im Bewilligungsbescheid vom 28. September 2016 auf seine Mitteilungsverpflichtung nach § 6 Abs. 4 UVG hingewiesen worden. Durch die Heirat am 23. September 2018 hätten sich die Anspruchsvoraussetzungen geändert. Dabei sei es unerheblich, ob der Ehegatte im Zeitpunkt der Eheschließung nicht nach Deutschland habe einreisen können. Die Rückforderung sei zu Recht erfolgt.
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Am … April 2022 erhob der Kläger durch seine Bevollmächtigte Klage mit dem Antrag,
den Bescheid der Beklagten vom 19. November 2021 in Form des Widerspruchsbescheids vom 15. März 2022 aufzuheben und den Anspruch auf Schadensersatz gemäß Bescheid vom 19. November 2021 „abzuweisen“. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Ehefrau des Klägers habe erst am 8. Januar 2021 einreisen können. § 1 Abs. 1 UVG, wonach ein Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen nur für Elternteile bestehe, die ledig, verwitwet, geschieden oder dauernd getrennt leben, passe vom Sinn des Gesetzes her nicht auf den vorliegenden Fall. Für den Kläger und seine Tochter habe sich durch die Wiederheirat keinerlei Vorteil ergeben. Das Finanzamt habe den Antrag auf Steuerklassenänderung wegen Eheschließung abgelehnt, da die Frau keinen Wohnsitz in Deutschland habe. § 1 Abs. 2 UVG sei entsprechend anzuwenden. Eine Ersatz- und Rückzahlungsverpflichtung gemäß § 5 UVG sei auch deshalb nicht gegeben, weil der Kläger es nicht vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen habe, die UVG-Stelle von seiner Wiederverheiratung zu unterrichten. Es sei für den Kläger nicht erkennbar gewesen, dass er auch ohne zeitnah umsetzbare Möglichkeit, im Inland zusammen zu leben, mitteilungspflichtig gewesen sei.
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Ebenfalls am … April 2022 ließ der Kläger beantragen,
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ihm unter Beiordnung der Bevollmächtigten Verfahrenskostenhilfe für das Klageverfahren wegen Unterhaltsvorschuss/Schadensersatz zu gewähren.
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Mit Schriftsatz vom 31. Mai 2022 beantragte die Beklagte, die Klage abzuweisen und führte aus, es habe kein Getrenntleben i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG vorgelegen. Der Wortlaut des § 1 UVG verweise ausdrücklich auf § 1567 BGB. Demnach leben Ehegatten nur dann voneinander getrennt, wenn keine häusliche Gemeinschaft mehr bestehe und zumindest ein Ehegatte die häusliche Gemeinschaft nicht herstellen wolle, weil er sie ablehne. Der Kläger und seine Frau hätten nicht getrennt gelebt, weil es an einem Trennungswillen der Ehefrau gefehlt habe. Für eine Analogie zu § 1 Abs. 2 UVG fehle es schon an der planwidrigen Regelungslücke und die genannten Ausnahmetatbestände seien abschließend und eng auszulegen. Auf seine Verpflichtung, der Unterhaltstelle sämtliche Änderungen mitzuteilen, die für die Unterhaltsleistung von Bedeutung seien, sei der Kläger hingewiesen worden.
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Mit Schriftsatz vom … Juni 2022 überreichte die Klägerbevollmächtigte die Steuerbescheide des Klägers für die Jahre 2018 und 2019 und wies darauf hin, dass dem Antrag des Klägers auf Zusammenveranlagung mit seiner in Afghanistan lebenden Frau nicht entsprochen worden sei, weil diese erst ab 2021 in Deutschland gemeldet gewesen sei. Steuerlich sei die Heirat also nicht beachtet worden. Nun solle der Kläger nach dem UVG so behandelt werden, als habe seine Frau mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Die Sachlage entspreche genau dem Fall des ungewollten Getrenntlebens nach § 1 Abs. 2 UVG. Außerdem sei der Kläger zwar auf seine Meldepflicht bzgl. einer Wiederverheiratung hingewiesen worden. Es sei jedoch schon für einen deutschsprachigen Leistungsempfänger kaum verständlich, dass das Zusammenleben mit einem neuen Ehegatten zu einem Wegfall der Leistungen für ein Kind, dem gegenüber der neue Ehegatte gar nicht unterhaltspflichtig sei, führe. Erst recht gelte dies, wenn der Leistungsempfänger die deutsche Sprache nicht beherrsche und aus ausländerrechtlichen Gründen lange Zeit nicht mit dem neuen Ehegatten zusammenleben könne.
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Mit Beschluss vom 11. Oktober 2022 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
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Der zulässige Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet.
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Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinsichtlich der Erfolgsaussichten dürfen allerdings die Anforderungen nicht überspannt werden. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinne, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich, sondern es genügt bereits eine sich bei summarischer Überprüfung ergebende Offenheit des Erfolgs (stRspr d. BVerfG, vgl. z.B. B.v. 4.8.2016 - 1 BvR 380/16 - juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 11.9.2019 - 10 C 18.1821 - juris Rn. 4; Happ in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 166 Rn. 26).
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Vorliegend bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrags bereits keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, sodass es auf die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nicht ankommt.
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Die Rückforderung der an den Kläger ausbezahlten Unterhaltsvorschussleistungen für das Kind T. mit Bescheid vom 19. November 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage bleibt daher aller Voraussicht nach ohne Erfolg.
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Die Beklagte hat die Rückforderung der an den Kläger gezahlten Unterhaltsvorschussleistungen mit Bescheid vom 19. November 2021 auf § 5 Abs. 1 UVG gestützt. § 5 Abs. 1 UVG normiert eine eigenständige Ersatzpflicht des Elternteils des Berechtigten (vgl. Conradis, UVG, 2. Aufl. 2013, § 5 Rn. 3).
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Nach § 5 Abs. 1 UVG hat, wenn die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung in dem Kalendermonat, für den sie gezahlt worden ist, nicht oder nicht durchgehend vorgelegen haben, der Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt, oder der gesetzliche Vertreter des Berechtigten den geleisteten Betrag insoweit zu ersetzen, als er
1. die Zahlung der Unterhaltsleistung dadurch herbeigeführt hat, dass er vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht oder eine Anzeige nach § 6 unterlassen hat, oder
2. gewusst oder infolge Fahrlässigkeit nicht gewusst hat, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung nicht erfüllt waren.
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Die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung für die Tochter T. waren im streitgegenständlichen Zeitraum hier nicht gegeben.
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Anspruchsvoraussetzung für die Zahlung von Unterhaltsvorschussleistungen ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG, dass der Anspruchsberechtigte - das Kind - im Geltungsbereich des UVG bei einem seiner Elternteile lebt, der ledig, verwitwet oder geschieden ist oder von seinem Ehegatten oder Lebenspartner dauernd getrennt lebt.
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Der Kläger hat laut der vorgelegten Heiratsurkunde am … September 2021 in Afghanistan geheiratet. Der Kläger und seine Ehefrau lebten ab diesem Zeitpunkt nicht i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 UVG dauernd getrennt.
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Für das Getrenntleben hat der Gesetzgeber durch Art. 5 des 2. Familienförderungsgesetzes vom 16.8.2001 (BGBl. I, 2074) eine Definition in § 1 Abs. 2 UVG aufgenommen, die auf die Regelung über das familienrechtliche Getrenntleben verweist. Ein Elternteil, bei dem das Kind lebt, gilt nach § 1 Abs. 2 UVG als dauernd getrennt lebend i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG, wenn im Verhältnis zum Ehegatten oder Lebenspartner ein Getrenntleben i.S.d. des § 1567 BGB vorliegt oder wenn sein Ehegatte oder Lebenspartner wegen Krankheit oder Behinderung oder auf Grund gerichtlicher Anordnung für voraussichtlich wenigstens sechs Monate in einer Anstalt untergebracht ist. Letzteres liegt offensichtlich nicht vor. Auch ein Getrenntleben i.S.d. § 1567 BGB ist nicht anzunehmen. Die Ehegatten leben demnach getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Mit der Gesetzesänderung sollte vor allem ausgeschlossen werden, dass unfreiwilliges Getrenntleben, insb. bei Ehegatten, von denen ein Ehegatte als Ausländer nicht einreisen darf, zu einem Leistungsanspruch führen kann, wie es zuvor die Rechtsprechung angenommen hatte (Conradis, UVG, 2. Aufl. 2013 § 1 Rn. 9 mit Hinweis auf OVG NW, U.v. 5.2.2002 - 16 A 376/01 - juris; HessVGH, B.v. 14.10.2003 - 10 UZ 1167/01 - juris und zur jetzigen Rechtslage VG Düsseldorf, U.v. 28.11.2008 - 21 L 1560/08 - juris Rn. 10). Dies kann der Gesetzesbegründung entnommen werden, in der es heißt: „In der Rechtsprechung wurde verschiedentlich die Auffassung vertreten, dass im Unterhaltsvorschussrecht ein anderer Begriff des dauernd Getrenntlebens als im Bürgerlichen Gesetzbuch gelte. Die Vorschrift stellt daher klar, dass die Definition des Bürgerlichen Gesetzbuches maßgebend und lediglich durch die in Absatz 2 ausdrücklich genannten Fallgestaltungen erweitert wird“ (vgl. BT-Drucks. 14/6160, S. 15). Somit ist klargestellt, dass der Begriff des dauernden Getrenntlebens im Unterhaltsvorschussgesetz in gleicher Weise wie in § 1567 BGB auszulegen ist.
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Dem haben sich auch verschiedene Obergerichte jedenfalls für die Zeit ab dem 1. Januar 2000 angeschlossen (vgl. etwa BayVGH, U.v. 25.4.2002 - 12 B 01.2987 -, juris, und U.v. 26.5.2003 - 12 B 03.43 -, FEVS 55, 171; VGH BW, U.v. 2.1.2006 - 7 S 468/03 - und vom 27.6.2005 - 7 S 1032/02 -, jeweils juris; NdsOVG, B.v. 11.11.2003 - 12 LA 400/03 -, juris; Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 54 m.w.N.).
31
Stehen ausländerrechtliche Hindernisse einem Zusammenleben im Bundesgebiet entgegen, stellt dies auch keinen Ausnahmefall i.S.v. § 1 Abs. 2 UVG dar. Eine erweiternde Auslegung der Vorschrift oder deren analoge Anwendung auf Fälle ausländerrechtlicher Zuzugsbeschränkungen, in denen die Eheleute faktisch an einer Herstellung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft über einen längeren Zeitraum gehindert sind, kommt angesichts des nunmehr eindeutigen Wortlautes der Vorschrift und der oben dargelegten Gesetzesbegründung nicht in Betracht (vgl. BayVGH, U.v. 25.4.2002 und 26.5.2003; VGH BW, U.v. 2.1.2006 und 27.6.2005; NdsOVG, U.v. 11.11.2003, jeweils a.a.O.; und nunmehr auch OVG NW, B.v. 23.1.2008 - 16 E 271/07 -, juris).
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Im vorliegenden Fall ist trotz anfänglicher räumlicher Trennung bei lebensnaher Betrachtung anzunehmen, dass die Eheleute nach der Eheschließung die eheliche Gemeinschaft herstellen wollten und keinen Trennungswillen hatten. Gegenteiliges wurde von den Beteiligten auch nicht vorgetragen.
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Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass sich die Situation des Klägers durch die Heirat zunächst tatsächlich nicht verbessert haben mag. Dass der Familienstand des alleinerziehenden Elternteils das entscheidende Kriterium für den Anspruch auf Unterhaltsleistung ist, ist in § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG ausdrücklich geregelt und entspricht der Wertung des Gesetzgebers (vgl. Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, Einleitung Rn. 9 ff.). Das Steuerrecht ist auf andere Ziele und Wertungen gerichtet, daher kann der Kläger auch nicht mit dem Argument durchdringen, steuerlich sei er so behandelt worden, als sei er nicht verheiratet.
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Die Ersatzpflicht nach § 5 Abs. 1 UVG setzt des Weiteren voraus, dass der Ersatzpflichtige schuldhaft gehandelt hat, wobei einfache Fahrlässigkeit ausreicht (vgl. Conradis, UVG, 2. Aufl. 2013, § 5 Rn. 4). Vorliegend ist i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 UVG anzunehmen, dass der Kläger zumindest infolge Fahrlässigkeit nicht gewusst hat, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung im streitgegenständlichen Zeitraum nicht erfüllt waren.
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Das Formblatt, mit dem der Kläger die UVG-Leistungen für sein Kind beantragte, enthielt die Information, dass kein Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen bestehe, wenn der alleinstehende Elternteil verheiratet sei oder von seinem Ehegatten nicht dauernd getrennt lebe, auch wenn der Ehegatte nicht Elternteil des Kindes sei, für welches Unterhaltsvorschuss geleistet werde. In den Gründen des Bewilligungsbescheides vom 28. September 2016 wurde der Kläger darüber hinaus darauf hingewiesen, dass er gemäß § 6 Abs. 4 UVG verpflichtet sei, sämtliche Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistungen erheblich sein oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sein, unverzüglich mitzuteilen, insbesondere, wenn er heirate oder mit dem anderen Elternteil des Kindes zusammenziehe. Auf diese Pflicht wurde der Kläger sodann nochmals in den Überprüfungsfragebögen hingewiesen. Der Kläger musste daher davon ausgehen, dass seine Heirat, selbst wenn diese im Ausland erfolgte, zumindest Einfluss auf die Unterhaltsvorschussleistungen haben konnte, sodass mindestens von einem fahrlässigen Nichtwissen auszugehen ist.
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Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Kläger nicht in der Lage war, die Mitteilungspflicht an die Beklagte über seine Eheschließung zu verstehen. Insbesondere möglicherweise bestehende sprachliche Schwierigkeiten können ihn nicht von seiner Sorgfaltsobliegenheit entbinden, sich bei der Unterhaltsvorschussstelle zu erkundigen, ob eine Eheschließung Folgen für die Unterhaltsvorschussleistung hat.
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Die Beklagte hat demnach die an den Kläger gezahlten Unterhaltsvorschussleistungen für den hier streitgegenständlichen Zeitraum zurecht zurückgefordert.
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie Beiordnung der Bevollmächtigten war daher mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage abzulehnen.
Die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag ist gerichtskostenfrei. Der Beklagten etwaig entstandene Kosten werden nicht erstattet (§ 166 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).