Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 22.11.2022 – Au 8 S 22.2145
Titel:

Haltungsverbot für Pyrenäenberghunde 

Normenkette:
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3
Leitsätze:
1. Die umfassende Haltungsuntersagung ist bei gravierenden Eignungsmängeln des Hundehalters gerechtfertigt, so bei einem deutlichen Aggressions- oder Gewaltpotenzial des Hundehalters. Entscheidend ist, ob sein Verhalten darauf schließen lässt, dass er seiner Verantwortung im Hinblick auf das mit der Haltung eines gefährlichen Hundes verbundene Risiko nicht gerecht wird. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Einsatz eines Hundes als Waffe oder als Mittel der Einschüchterung gegenüber anderen Menschen ist Ausdruck der Verantwortungslosigkeit des Halters und rechtfertigt die sofortige Haltungsuntersagung. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Haltungsverbot, Pyrenäenberghunde, Eignungsmängel, Abgabeverpflichtung, Hundegebell als Ordnungswidrigkeit
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 19.12.2022 – 10 CS 22.2546
Fundstelle:
BeckRS 2022, 40255

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die ihr und ihrem Lebensgefährten gegenüber ergangenen sicherheitsrechtlichen Anordnungen der Haltungsuntersagung von Pyrenäenberghunden.
2
Auf dem Wohnanwesen der Antragstellerin und auf weiteren Flächen befinden sich mehrere Pyrenäenberghunde. Aus einem vorangegangenen gerichtlichen Verfahren (Au 8 S 21.907) ist bekannt, dass diese Hunde des Öfteren freilaufend und unbeaufsichtigt auf öffentlichen Plätzen, auf Anwesen von anderen Anwohnern oder an der S. straße herumlaufen. Der Eilantrag der Antragstellerin und ihres Lebensgefährten gegen die deshalb mit Bescheid vom 11. März 2021 erfolgte sicherheitsrechtliche Anordnung, für eine lückenlose hohe Einfriedung und eine Sicherung des Eingangstors gegen unbefugtes Öffnen zu sorgen, wurde mit Beschluss der Kammer vom 14. Mai 2021 abgelehnt, die Klage dagegen in der mündlichen Verhandlung am 7. September 2021 zurückgenommen (Au 8 K 21.906).
3
Am 30. März 2022 kam es zu einem (weiteren) Vorfall, bei dem auf dem Grundstück der Antragstellerin und ihres Lebensgefährten ein dort gehaltenes Pony, nach Angaben der Antragsgegnerin von einem Pyrenäenberghund, verletzt worden ist.
4
Daraufhin untersagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Bescheid vom 2. Mai 2022 und ihrem Lebensgefährten mit (bis auf die Fristsetzung im Wesentlichen gleichlautendem) Bescheid vom 8. April 2022 ohne vorherige Anhörung das Halten der Pyrenäenberghunde (Nr. 1 des Bescheids) sowie das Halten von Hunden jeder Art (Nr. 2). Des Weiteren wurden sie verpflichtet, die Pyrenäenberghunde bis spätestens 25. Mai 2022, 10:00 Uhr, an eine zuverlässige Privatperson oder ein Tierheim abzugeben und einen schriftlichen Nachweis darüber vorzulegen (Nr. 3). Für den Fall der nicht rechtzeitigen Abgabe der Pyrenäenberghunde würden die Hunde im Zuge der Ersatzvornahme entweder einer geeigneten Privatperson oder einem Tierheim übergeben und übereignet (Nr. 4). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1, 2 und 3 wurde angeordnet (Nr. 5). In Nr. 6 des Bescheids wurde geregelt, dass die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte die Kosten der Ersatzvornahme zu tragen haben. Die Höhe der Kosten wurde je Hund und Tag bei einer geeigneten Privatperson oder einem Tierheim auf 50,00 EUR veranschlagt.
5
Die Antragstellerin würde zusammen mit ihrem Lebensgefährten in ihrem Wohnhaus mit Garten, auf einer eingezäunten Weidefläche, in einem Stall und auf weiteren gepachteten Weideflächen Pyrenäenberghunde halten. Nach Angaben der anwaltlichen Vertretung würde es sich um insgesamt 14 adulte Hunde und 15 Junghunde handeln. Seit August 2017 sei es immer wieder zu Beschwerden der Nachbarn wegen lautstarkem Hundegebell gekommen. Das Amtsgericht ... habe beide Hundehalter im Bußgeldverfahren mit Urteil vom 11. April 2019 wegen Erregung von Lärm schuldig gesprochen. Am 5. Februar 2020 sei ein weiterer Bußgeldbescheid vom Landratsamt ... erlassen worden. Am 24. August 2020 habe ein Jagdpächter gemeldet, dass die Hunde Wildtiere vertrieben hätten. Am 26. Januar 2022 habe der ... der gegenüber dem Stall befindlichen Kirche mitgeteilt, dass Gottesdienste und Beerdigungen durch das langanhaltende Hundegebell gestört würden. Bei einem Ortstermin an der Hofstelle mit Stall habe sich ... ... des Verpächters ebenfalls über den Hundelärm beschwert. Das Veterinäramt habe am 7. April 2022 mitgeteilt, dass die Unterbringung der Hunde in einem Stall nicht den Anforderungen der Tierschutz-Hundeverordnung gerecht werde. Am 30. März 2022 habe sich ein weiterer Anwohner über den Lärmpegel der 20 bis 25 im Stall untergebrachten Hunde beschwert und ein Lärmprotokoll vom 6. April 2022 vorgelegt. Nachdem die Hunde zwischen September 2020 und Februar 2021 mehrfach ausgebrochen seien, sei mit Bescheid vom 11. Februar 2021 die Anordnung einer höheren Einfriedung erlassen worden. Die gerichtlichen Verfahren seien erfolglos gewesen. Am 10. Februar 2022 sei es zu einem weiteren Vorfall mit einer Radfahrerin, die sich von zwei Pyrenäenberghunden verfolgt gefühlt habe, gekommen.
6
Am 14. Februar 2022 hätten sich wieder drei Herdenschutzhunde auf der Straße befunden. Der Jagdpächter habe mitgeteilt, dass am 25. März 2022 eine trächtige tote Geiß mit Kehlbisswunden und Risswunden gefunden worden sei. Die Wunden seien augenscheinlich von wildernden Hunden zugefügt worden. Da der Jagdpächter die Hunde schon mindestens dreimal streunend angetroffen habe, habe er bei dem Lebensgefährten eine sogenannte Gefährderansprache durchgeführt. Die Vorfälle würden zeigen, dass die Hundehalter nicht für eine ordnungsgemäße Unterbringung sorgen würden. Ihnen würde jegliches Verantwortungsbewusstsein gegenüber Rechten Dritter fehlen. Die Antragstellerin sei durch ein Urteil des ... zu einer empfindlichen Geldstrafe wegen Tiermisshandlung verurteilt worden. Der Lebensgefährte sei aufgrund von Tierquälerei zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Ihm sei mit Bescheid vom 26. August 2020 vom Landratsamt das Halten und Betreuen von Rindern und Schafen untersagt worden. Das Verfahren dagegen sei beim Verwaltungsgericht anhängig. Die Hundehalter hätten sich außerdem der Verpflichtung widersetzt, die Pyrenäenberghunde bei der Hundesteuerstelle anzumelden. Bei einer Kontrolle des Veterinäramts am 18. August 2021 habe sich der Lebensgefährte geweigert, die Hunde wegzusperren. Am 30. März 2022 sei ein von der Antragstellerin und ihrem Lebensgefährten gehaltenes Pony von den Hunden verletzt worden. Nachbarn hätten die Polizei davon verständigt. Diese hätte den Tierarzt des Veterinäramtes verständigt. Erst nach mehrmaliger Aufforderung hätten die Antragstellerin und ihrem Lebensgefährten die ca. 15 auf der Grundfläche freilaufenden Hunde eingesperrt. Nur unter Zuhilfenahme der Polizei habe der Tierarzt das Grundstück betreten können. Die Antragstellerin habe zuerst versucht, die Polizei an einer fotografischen Dokumentation zu hindern. Der Lebensgefährte habe auch damit gedroht, alle Hunde wieder rauszulassen. Von den Tierbesitzern sei ein Tierarzt verständigt worden. Am 1. April 2022 habe ein Anwohner mitgeteilt, dass die Hunde mit den Vorderbeinen auf dem Zaun stehen würden. Die Haltung von bis zu 29 Pyrenäenberghunden in einem Wohnhaus würde keine sachgerechte Unterbringung darstellen und nicht die Bedürfnisse und Ansprüche dieser Hunderasse erfüllen. Das gesamte Verhalten zeige, dass die Hundehalter weder die erforderliche Zuverlässigkeit noch die Geeignetheit zum Halten von Pyrenäenberghunden besitzen würden. Dies zeige sich auch noch einmal deutlich in dem Verhalten des Lebensgefährten mit seiner Drohung, die Pyrenäenberghunde auf Polizeibeamte zu hetzen. In unmittelbarer Nähe des Wohnhauses würden sich ein Kindergarten und eine Sportanlage befinden. In der Stellungnahme des Veterinäramts vom 7. April 2022 sei verdeutlicht, dass der Erwerb einer speziellen Sachkunde durch den Herdenschutzhunde-Halter und die Überprüfung der Hunde selbst auf Schutzfunktion und Ungefährlichkeit für Unbeteiligte (Zertifizierung durch ein sachkundiges Gremium) eine wichtige Voraussetzung für eine verantwortungsvolle und rechtssichere Haltung von Herdenschutzhunden sei. Nachdem beim Vorfall vom 30. März 2022 ein Pony schwer verletzt und Polizeibeamten gedroht worden sei, bestehe Gefahr im Verzug. Deshalb habe auf eine Anhörung verzichtet werden können. Von den Hunden gehe eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit aus, da zu befürchten sei, dass diese in naher Zukunft wieder Leben, Gesundheit und Eigentum gefährden würden. Es liege die Gefahr der Verwirklichung eines Bußgeldtatbestandes wegen Lärmbelästigung vor. Das Bellen gehe regelmäßig deutlich über die Zumutbarkeitsschwelle hinaus, v.a. in der Nacht. Auch nach Erhalt von zwei Bußgeldbescheiden wegen unzulässigen Lärms seien die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte nicht bereit, an der untragbaren Situation etwas ändern zu wollen. Nachdem die rassetypischen Eigenschaften der Pyrenäenberghunde zu ausgeprägtem Bellverhalten führen würden und aufgrund der Tatsache, dass sich die Anzahl der gehaltenen Hunde immer weiter erhöhe, sei davon auszugehen, dass sich die Situation eher verschlechtern werde. Das Grundstück sei für die Haltung zudem nicht geeignet. Die Untersagung der Haltung eines Hundes bzw. überhaupt die Haltung von Hunden könne erfolgen, um konkrete Gefahren abzuwehren. Das Ausbrechen der Pyrenäenberghunde stelle eine konkrete Gefahr für die Rechtsgüter Leben und Gesundheit dar. Der Straßenverkehr werde gefährdet. Es könne auch zu Fehlreaktionen von Spaziergängern oder Radfahrern kommen. Auch die Verletzung des Ponys durch Beißattacken und das getötete Reh würden das steigende Gefahrenpotenzial zeigen. Die Halter seien aufgrund der geschilderten Vorkommnisse für die Haltung von Hunden nicht geeignet. Trotz einer bestandskräftigen Anordnung würden die Hunde wiederholt ausbrechen. Die Nichteignung sei belegt durch die Verurteilung der Halter wegen Tiermisshandlung und Tierquälerei. Zudem würde keine rechtzeitige Anmeldung der Tiere zur Hundesteuerstelle vorliegen. Der aktuelle Bestand an Pyrenäenberghunden sei nicht mitgeteilt worden. Insbesondere falle die Drohung der Hundehalter gegenüber den Polizisten ins Gewicht. Aufgrund des Opportunitätsprinzips stehe der Behörde ein Entschließungs- und ein Auswahlermessen zu. Ein Einschreiten im öffentlichen Interesse werde für notwendig gehalten. Nach Abwägung aller Belange erwiesen sich beim Auswahlermessen die Anordnungen als erforderlich und ermessensgerecht. Die Anordnungen würden geeignete Maßnahmen darstellen. Eine anderweitige Unterbringung der Pyrenäenberghunde sei nicht geeignet. Dies belege das häufige Ausbrechen der Hunde. Es sei nicht erkennbar, dass die Hundehalter gewillt seien, das Ausbrechen nachhaltig zu verhindern. Eine Unterbringung im Außenbereich würde den Lärm durch das Hundegebell nicht verbessern. Nach den Angaben des Jagdpächters würden die Wildtiere im Wald aufgeschreckt und vertrieben. Eine Unterbringung im Innenbereich während der sensiblen Zeiten stelle kein geeignetes Mittel dar. Die Hunde seien eine Haltung im Freien gewöhnt. Auch eine nur zeitweise Unterbringung im Haus sei aus Tierschutzsicht äußerst kritisch zu sehen. Trotz der verhängten Bußgelder sei keine Abhilfe geschaffen worden. Die Haltungsuntersagung von Hunden jeder Art sei geeignet, weil die zahlreichen Vorfälle die Ungeeignetheit der Halter belegen würden. Würde lediglich die Haltung von Pyrenäenberghunden untersagt werden, bestünde die Gefahr, dass sich die Halter andere Hunderassen anschaffen würden. Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit Hunden und allgemein mit Tieren sei nicht ersichtlich. Dies zeige gerade der Vorfall am 30. März 2022. Die Anordnungen seien auch erforderlich und angemessen. Die Maßnahmen seien notwendig, da es ihr um den Schutz besonders hochrangiger Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen gehe. Der Eingriff in das Grundrecht des Eigentums und der allgemeinen Handlungsfreiheit sei hinzunehmen. Den Anwohnern seien die zahlreichen bereits über Jahre andauernden Ruhestörungen nicht mehr zuzumuten. Das Recht der Allgemeinheit auf Ruhe und insbesondere auch das Recht darauf, nicht in Angst um die eigene Gesundheit und die der Kinder leben zu müssen, gehe dem Recht der Hundehalter vor. Hinsichtlich des Übergriffs durch Beutegreifer sei nichts substantiiert vorgetragen worden. Ein Schutz der Viehherde sei auch auf andere Art und Weise möglich. Die insgesamt 70 Schafe und 40 Rinder würden nicht eine so große Anzahl der gehaltenen Herdenschutzhunde erfordern. Aus Internetrecherchen sei vielmehr bekannt, dass ein Handel mit den gezüchteten Pyrenäenberghunden betrieben werde. Eine Erlaubnis zur Züchtung von Hunden und eine Gewerbeanzeige würden nicht vorliegen. Die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte seien als Halter der Pyrenäenberghunde und als Inhaber der tatsächlichen Gewalt Zustandsstörer. Die sofortige Vollziehung werde im öffentlichen Interesse angeordnet. Würde die Anordnung unterbleiben, bestünde die Gefahr, dass in der Zeit zwischen dem Erlass des Bescheids und seiner Bestandskraft Menschen von den Pyrenäenberghunden gefährdet würden. Die Androhung der Ersatzvornahme sei erforderlich, weil bereits Anordnungen zur Hundehaltung getroffen und mit Zwangsgeldern bewehrt worden seien. Die Festsetzung des Zwangsgeldes sei nicht erfolgreich gewesen. Erst unter dem Eindruck des gerichtlichen Verfahrens sei die Erhöhung des Weidezauns vorgenommen worden. Da bereits ein anderes Tier durch die Pyrenäenberghunde schwer verletzt und ein weiteres Tier getötet worden sei, bestehe eine besondere Dringlichkeit bei der Durchsetzung der sicherheitsrechtlichen Anordnungen. Die Androhung eines Zwangsgeldes als milderes Vollstreckungsmittel sei nicht geeignet. Es bestünde die Gefahr, dass dadurch weitere erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit entstehen und Menschen durch Beißattacken der Pyrenäenberghunde verletzt würden. Die Tatsache, dass Bußgelder keinen Erfolg gehabt hätten, lasse darauf schließen, dass ein Zwangsgeld als Zwangsmittel ebenfalls keinen Erfolg verspreche.
7
Gegen den Bescheid vom 8. April 2022 erhob der Lebensgefährte der Antragstellerin Klage (Au 8 K 22.1028), über die noch nicht entschieden ist, und stellte gleichzeitig einen Eilantrag mit Prozesskostenhilfeantrag, die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 2. Juni 2022 (Au 8 S 22.1029) abgelehnt worden sind. Die Beschwerde dagegen wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 8. August 2022 verworfen (10 CS 22.1560). Die Beschwerde gegen den ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss wurde (als unbegründet) mit gleichem Beschluss zurückgewiesen (10 C 22.1562).
8
Gegen den Bescheid vom 2. Mai 2022 ließ die Antragstellerin von einem nicht im hiesigen Eilverfahren beauftragten Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 2. Juni 2022 Klage erheben (Au 8 K 22.1261), über die noch nicht entschieden ist.
9
Am 18. Oktober 2022 holte die Antragsgegnerin im Rahmen der Ersatzvornahme die Hunde ab und verbrachte sie in ein Tierheim. Teilweise wurde die Hunde bereits weiterveräußert.
10
Mit Schriftsatz vom 7. November 2022 ließ sie vom im hiesigen Verfahren beauftragten Prozessbevollmächtigten (wörtlich) beantragen,
die Vollziehung des Bescheids der Beklagten vom 2. Mai 2022 auszusetzen und die erfolgte Übereignung der übereigneten 35 Herdenschutzhunde rückgängig zu machen und deren Verkauf auszusetzen, sowie, 11 die an die Klägerin gegen eine in das Ermessen des Gerichts gestellten Sicherheit herauszugeben.
11
Die Antragsgegnerin sei erfolglos aufgefordert worden, die Vollziehung einzustellen.
12
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und des früheren Rechtszustands sei zweifellos zulässig. Die Klägerin sei alleinige Eigentümerin der Hunde und somit der Kläger zu Unrecht von der Beklagten in Anspruch genommen worden. Es würden Sachkundenachweise und Dokumente vorgelegt, aus denen sich die berufliche Komponente des Falles ergebe. Die Untersagung der Berufsausübung habe die Beklagte nicht gerade „sensibel“ begründet. Nachdem die Separierung der zwei Ponys durchgesetzt worden sei, sei nun Erledigung eingetreten. Der Entzug der Hunde könne somit nicht mehr auf Gefährdung des Tierwohls gestützt werden. Die Lärmbeeinträchtigung sei nach dem Ordnungswidrigkeitenverfahren im Jahr 2018 dadurch reduziert worden, dass die Kläger die Hunde (zwölf Welpen und Muttertiere) nachts von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr ins Haus nehmen würden. Lärm durch Dezibelmessungen sei niemals festgestellt worden. Es habe nur ein Lärmprotokoll von Anwohnern gegeben. Der nördliche Nachbar verursache selbst permanent Lärm. Vorbeifahrender Autoverkehr sei störender. An der Weide in ... sei 2019 ein Weidetor bzw. eine Arbeitsschleuse eingerichtet und mehrfach ausbruchsicher nachgebessert worden. Nach der Einigung vor dem Verwaltungsgericht sei der 1,20 m hohe Zaun mit einem Elektrogitternetz versehen worden. Seither habe es keine Beanstandungen mehr gegeben. Damit könne zwar nicht verhindert werden, dass ein Fremder aus Versehen oder mit Absicht den Zugang zur Weide öffne. Die Hunde seien jedoch nachweislich nur einmal entwichen. Die Hunde seien mit einem GPS-Tracker ausgerüstet worden. Seit 2021 sei nichts mehr passiert. Es gäbe somit andere sichere Standorte und Maßnahmen als mildere Mittel. Die Tiere seien bei der Beschlagnahme in einem ausgezeichneten Zustand gewesen. Der Vorwurf der fehlenden Belichtung sei unrichtig. Die Klägerin führe die Haltung der Hunde seit 2018 und es habe bisher in züchterischer Hinsicht noch keine einzige Beanstandung gegeben. Sie verfüge über eine umfangreiche Vor- und Ausbildung. Nachweise würden vorgelegt. Sie sei bei der Arbeit des als Gutachten zu wertenden TVT Merkblatts Nr. ... (A7) stark engagiert und im Austausch mit Fachleuten. Ein Fehlverhalten der Klägerin hinsichtlich der Ponyhaltung sei nicht feststellbar. Es sei kein Gentest durchgeführt worden, um eventuelle Risseschäden feststellen zu können oder nachzuweisen, dass das Blut nicht etwa von der kurz zuvor stattgefundenen Fütterung mit blutigem Frischfleisch gestammt hätte. Die Kläger hätten die Hunde im Rahmen der Berufsausübung in der von ihnen betriebenen Landwirtschaft zur Verpachtung von Schutzhunden an Halter von Tierherden gehalten neben einer kleinen Rinderherde und dies ordnungsgemäß auch mit der entsprechenden landwirtschaftlichen Anmeldung zur Gewinnerzielung betrieben. Sie hätten auch die Beweidung einer PV-Anlage unterstützt. Die gezüchteten Schutzhunde würden mit Gewinn an Halter von Schafherden verkauft. Es werde auf die eidesstattliche Versicherung der Klägerin verwiesen. Die Bayerische Staatsregierung unterstütze die Haltung von Herdenschutzhunden als Teil der Landwirtschaft als anerkannte berufliche Tätigkeit. Es sei nicht klar, ob die Untersagung nur den Bereich des Hoheitsgebiets der Beklagten betreffe. Auch würde nicht zwischen den beiden Betriebsteilen differenziert. Zudem würde die Beklagte unter Verletzung von Art. 3 Abs. 2 GG große Hunde in einen Topf mit gefährlichen Hunden und Kampfhunden werfen. Vom Fall einer Gefahrenabwehr sei man weit entfernt. Bei der Haltung von Tieren im Herdenverbund seien gelegentliche Verletzungen von Tieren, wie im Pony-Fall, nicht zu vermeiden. Es habe nie irgendwelche Gefahren für Menschen bzw. Kinder gegeben. Der Veterinäramtsleiter verfüge nicht über die erforderliche Sachkunde, was Herdenschutzhunde anbelange. Er müsse jedes Mal die Polizei mit schussbereiter Waffe hinzuziehen. Die Koppel würde mit Drohnen beflogen werden. Der Kläger habe Landwirt gelernt und sei Metzgermeister. Die Klägerin sei Reiterin. Die Klägerin sei von der TU ... kontaktiert worden, um mit ihren Herdenschutzhunden eine Feldforschung zu machen. Es fehle an einer von kompetenten, erfahrenen Fachleuten erstellten Gefahrenabschätzung. Es sei zu klären, ob ein Gatter durch Einwirkung Dritter aufgestanden habe. Das Entweichen von Tieren sei ein alltägliches Problem in der Tierhaltung. Es sei auch die Aussage eines Jagdpächters genau zu untersuchen, ob er nur Vermutungen geäußert habe. Die Rasse von Hunden zeige ein absolut aggressionsfreies und folgsames Wesen, vor allem bei guter Erziehung. Durch die Hunde sei es bislang zu keinem einzigen, nachweislich einem Wesensmangel zuzuordnenden Schaden an fremden Rechtsgütern gekommen. Die Kläger hätten sich stets kooperativ, allerdings auch widerwillig gegen überzogene Anforderungen gezeigt. Der Vollzug des Bescheids führe zu einer existenzvernichtenden Zahlungslast von 1.500,00 EUR je Hund im Monat als Kosten des beauftragten Tierheims für die Unterbringung, also bei 35 Hunden 52.500,00 EUR pro Monat. Den Klägern werde jegliche Berufsausübung für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland untersagt. Wegen der nachbarlichen Belästigungen möchten die Kläger selbst eine einvernehmliche Regelung hinsichtlich der Unterbringung der Hunde am Haus der Kläger finden. Es sei schleierhaft, wie die Beklagte diesen unikaten Bescheid habe erlassen können, weshalb um Erläuterung hinsichtlich der sogenannten „Schranken-Schranke“ und kompetenzrechtlichen Zuweisung solcher Berufsregelungen zum Bundesrecht gebeten werde.
13
Die Antragsgegnerin beantragt,
14
den Antrag abzulehnen.
15
Es werde auf die umfassende Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Bescheid sowie auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg im Eilverfahren des Lebensgefährten der Antragstellerin sowie des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs verwiesen. Aus einem Aktenvermerk des Veterinäramts vom 10. Mai 2022 ergebe sich, dass die Antragstellerin bei einem Betriebsbesuch versucht habe, die Hunde gegen Polizisten zu hetzen. Die Antragstellerin habe sich auch nach Erhalt des Bescheids vom 2. Mai 2022 nicht an die Antragsgegnerin gewandt und die Hunde abgegeben, vielmehr habe sie die Anzahl der gehaltenen Hunde weiterhin erhöht. Wie aus dem Aktenvermerk über den Einsatzverlauf der Ersatzvornahme hervorgehe, habe die Antragstellerin gewaltsam versucht, diese zu verhindern, sodass ihre Verwahrung im Polizeiwagen bzw. die Verbringung nach Augsburg erforderlich gewesen sei. Insgesamt hätten sich im Zeitpunkt der Ersatzvornahme 21 Hunde (im Gegensatz zu den Angaben der Antragstellerin mit lediglich zwölf Tieren) im Bereich des Wohnhauses der Antragstellerin aufgehalten. Aufgrund der hohen Anzahl der Hunde und der Verwahrung der Tiere innerhalb von Gebäuden lasse sich auch in der Nachtzeit ein lautes Bellen nicht verhindern. Aufgrund der vorliegenden Lärmbeschwerde sei der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllt. Die aktenkundigen Vorfälle würden belegen, dass es im Zeitraum von Dezember 2018 bis einschließlich April 2022 zu wiederholten Fällen gekommen sei, in denen die Hunde zeitweise in Rudeln in der Ortschaft frei umhergelaufen seien. Trotz der Anordnung der Antragsgegnerin vom 11. März 2021 und trotz Bestandskraft dieser Anordnung durch Klagerücknahme (Au 8 K 21.906) in der mündlichen Verhandlung am 7. September 2021 sei es zu weiteren Ausbrüchen der Hunde gekommen. Auch wenn der Zaun an der Weide tatsächlich erhöht worden sei, sei die Maßnahme jedoch offensichtlich nicht geeignet gewesen, das wiederholte Ausbrechen der Tiere zu verhindern. Es seien weitere Gefahrensituationen zu befürchten. Der Vorfall mit dem Pony belege, dass eine Kooperationsbereitschaft nicht bestehe. Die Antragstellerin habe vielmehr versucht, staatliche Kontrollen zu verhindern, indem etwa die am Ort vorhandenen Hunde nicht weggesperrt worden seien. Bei dem Vorfall mit dem Pony hätten die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte versucht, eine Dokumentation durch die Behörden zu verhindern. Auch bei der durchgeführten Ersatzvornahme habe die Polizei wegen des Verhaltens der Antragstellerin eingreifen müssen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt. Die Antragstellerin sei für die Haltung der Hunde generell nicht geeignet. Es sei aufgrund des bisherigen Verhaltens auch nicht davon auszugehen, dass entsprechenden Anordnungen Folge geleistet würde. Verdeutlicht werde dies u.a. durch die Erhöhung des Bestands der gehaltenen Hunde nach Bescheidserlass. Im Rahmen der Ersatzvornahme sei festgestellt worden, dass sich fünf Hunde im Wohnhaus und der Rest im angrenzenden Schuppen befunden hätten. Der Einsatz sei gegen 6.00 Uhr erfolgt, sodass entgegen den Angaben der Antragstellerin die Hunde sich auch nicht vollständig nachts in der Zeit bis 6.00 Uhr im Haus befunden hätten. Aufgrund der aktenkundigen Vorfälle sei es auch abwegig, dass sich die Antragstellerin stets kooperativ verhalten hätte. Die Ausführungen in Bezug auf den „Sachkundenachweis“ seien im Hinblick auf die zugrundeliegenden Rechtsvorschriften nicht nachvollziehbar. Soweit eine Verletzung der Berufsfreiheit geltend gemacht werde, sei darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte keine Erlaubnis zum Züchten und Halten von Wirbeltieren nach dem Tierschutzgesetz hätten. Die Antragstellerin selbst habe stets bestätigt, dass sie Hunde nicht gewerbsmäßig züchte, sondern nur für den privaten Gebrauch. Eine entsprechende Gewerbeanmeldung liege ebenfalls nicht vor. Des Weiteren betreibe die Antragstellerin selbst keinen landwirtschaftlichen Betrieb und dem weiteren Bescheidsadressaten sei mit bestandskräftigem Bescheid vom 26. August 2020 die Rinder- und Schafsherdenhaltung untersagt worden. Soweit das Veterinäramt die Polizei hinzugezogen habe, sei dies darauf zurückzuführen, dass die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte versucht hätten, Kontrollen zu verhindern, indem sie sich geweigert hätten, die Hunde wegzusperren. Teilweise sei sogar damit gedroht worden, die Hunde wieder rauszulassen und es Äußerungen gegeben habe, dass „danach nicht mehr alle vom Grundstück gehen könnten“. Eine Zusammenarbeit mit der TU ... sei nicht belegt und ändere nichts am Verhalten der Antragstellerin. Es werde klargestellt, dass die Haltung von einzelnen, nicht gefährlichen, kleinen (Schulterhöhe bis 30 cm) Hunden von der Haltungsuntersagung ausgenommen sei.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte auch im Hauptsacheverfahren Au 8 K 22.1261 und die Akten im Verfahren des Lebensgefährten der Antragstellerin (Au 8 S 22.2146, Au 8 S 22.1029 und Au 8 K 22.1028 mit den Beschwerdeverfahren 10 CS 22.1560 und 10 C 22.1562) sowie der vorgelegten Behördenakte.
II.
17
Die Anträge der Antragstellerin sind gem. §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO und als Antrag auf Aufhebung der Vollziehung nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO auszulegen. Die so ausgelegten Anträge sind nicht erfolgreich.
18
Hinsichtlich der getroffenen Anordnungen zur Haltungsuntersagung der Pyrenäenberghunde (Ziffer 1) und von Hunden jeder Art (Ziffer 2) sowie der Abgabeverpflichtung (Ziffer 3) wurde in Ziffer 5 die sofortige Vollziehung angeordnet. Insofern ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft.
19
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3a VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht prüft im Falle des § 80 Abs. 1 Nr. 4 VwGO auch, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung bzw. Wiederherstellung der sofortigen Vollziehung gegeben sind und trifft im Übrigen eine eigene Abwägungsentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches, wenn auch nicht alleiniges Indiz für die vorzunehmende Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, so verbleibt es bei der Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden öffentlichen bzw. privaten Interessen.
20
1. Die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs in Ziffer 5 des Bescheids ist knapp, aber noch ausreichend. Sie setzt sich hinreichend mit den Besonderheiten des Einzelfalls unter Berücksichtigung der typischen Interessenlage bei einer sicherheitsrechtlichen Haltungsuntersagung mit konkretem Bezug zur Antragstellerin auseinander. Sie berücksichtigt insbesondere auch die Gesamtumstände des Einzelfalls und verfolgt das Ziel einer effektiven Gefahrenabwehr unter Abwägung u.a. des Rechtsguts der körperlichen Unversehrtheit.
21
2. Vorliegend ist die Anfechtungsklage nach summarischer Prüfung voraussichtlich erfolglos, da sich der Bescheid hinsichtlich der Haltungsuntersagung der Pyrenäenberghunde nicht als rechtswidrig erweist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Interessenabwägung fällt somit zulasten der Antragstellerin aus. Hinsichtlich der Haltungsuntersagung von Hunden jeder Art erweisen sich die Erfolgsaussichten als offen, die Interessenabwägung fällt jedoch insoweit ebenfalls zuungunsten der Antragstellerin aus.
22
Die im Bescheid verfügte Haltungsuntersagung für die Pyrenäenberghunde (Ziffer 1) und die Abgabeverpflichtung (Ziffer 3) sind nach summarischer Prüfung voraussichtlich rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die genannten Anordnungen sind Art. 7 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 LStVG.
23
(a) Der Bescheid ist formell rechtmäßig.
24
Zwar wurde die Antragstellerin vor Erlass des Bescheides nicht angehört. Die Antragsgegnerin konnte davon jedoch wegen Gefahr im Verzug gem. Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG absehen. Im Hinblick auf die aktuellen Vorfälle ist die Antragsgegnerin nachvollziehbar im Rahmen einer Ermessensentscheidung davon ausgegangen, dass ein schnelles Handeln erforderlich ist.
25
Im Übrigen ist ein etwaiger Anhörungsmangel jedenfalls nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 BayVwVfG unbeachtlich, da die Anhörung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit heilender Wirkung nachgeholt werden kann. Insbesondere ist dabei zu berücksichtigen, inwiefern der nach dem Stand des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zu beurteilende Sach- und Streitstoff erwarten lässt, dass sich mit einer Nachholung der Anhörung der Tatsachenstoff mit Auswirkungen für die materielle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts verändern wird. Ist dies - wie im vorliegenden Fall - nicht erkennbar, erscheint die Heilung eines etwaigen Anhörungsmangels letztlich nur als Formsache, die keine Gewährung von Eilrechtsschutz rechtfertigt (so auch OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 6.1.2022 - OVG 5 S 19/21 - juris Rn.3). Die Antragsgegnerin hat sich nicht nur auf die Verteidigung der getroffenen Verwaltungsentscheidung beschränkt, sondern ausführlich mit dem Vorbringen der Antragstellerin auseinandergesetzt und eindeutig, umfassend und klar zu erkennen gegeben, dass sie ihr Vorbringen unvoreingenommen zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat, aber dennoch zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Anordnungen aufrechterhalten bleiben (BeckOK VwVfG/Schemmer, 49. Ed. 1.10.2020, VwVfG, § 45 Rn. 42.1).
26
(b) Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
27
Die Antragsgegnerin hat die Anordnungen auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG sowie auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gestützt. Nach diesen Vorschriften können die Sicherheitsbehörden, zur Erfüllung ihrer Aufgaben Anordnungen für den Einzelfall treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, zu verhüten oder zu unterbinden (Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG), oder um Gefahren abzuwehren oder Störungen zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder Sachwerte, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten erscheint, bedrohen oder verletzen (Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG).
28
Ungeachtet der Begründung im streitgegenständlichen Bescheid unterliegt die von der Antragsgegnerin getroffene Einschätzung hinsichtlich der Gefahrenprognose in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle (vgl. BayVGH, U.v. 15.3.2005 - 24 BV 04.2755 - juris Rn. 22).
29
Unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Sach- und Streitstandes ist die von der Antragsgegnerin getroffene Gefahrenprognose gerichtlich nicht zu beanstanden.
30
Die Antragstellerin hat im Zusammenhang mit der Haltung ihrer Hunde Ordnungswidrigkeiten im Sinne des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG begangen. Seit August 2017 gab es Lärmbeschwerden der Nachbarn. Mit Urteil des Amtsgerichts ... (Az. ...) vom 11. April 2019 wurde aufgrund Zeugeneinvernahme und eines Lärmprotokolls über den Zeitraum von April 2018 bis September 2018 festgestellt, dass sich die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte der vorsätzlichen Lärmbelästigung gem. § 117 Abs. 1 OWiG schuldig gemacht haben. Es wurde jeweils eine Geldbuße in Höhe von 100,- € festgesetzt. Des Weiteren erließ das zuständige Landratsamt am 5. Februar 2020 einen Bußgeldbescheid mit einer Geldbuße in Höhe von 200,- €. Dem zugrunde lagen Lärmbeschwerden von Anwohnern protokolliert über einen Zeitraum vom 14. Juli 2019 bis zum 24. September 2019 und nach wie vor auch zur Nachtzeit (Bl. 110 der Behördenakte). Weitere aktuelle Lärmbeschwerden sind aktenkundig von ... ... des Verpächters des Stalles, des ... von der Kirche in ... vom 26. Januar 2022, der sich in der Nachtruhe gestört fühlt und von Störungen der Gottesdienste und Beerdigungen berichtet, und eines weiteren Anwohners, der ein Lärmprotokoll vom 6. April 2022 vorgelegt hat. Soweit die Antragstellerin vorträgt, die Hunde in der Nachtzeit in dem Wohnanwesen innerhalb des Gebäudes zu verwahren, verhindert dies offensichtlich nicht lautes Bellen der Hunde, die sich im Nebengebäude (Holzschuppen) und im Stall in der ... aufhalten, auch in der Nachtzeit.
31
Lautes Hundegebell ist bereits aufgrund seiner Eigenart als ungleichmäßiges, lautes Geräusch dazu geeignet, das körperliche und seelische Wohlbefinden eines verständigen Durchschnittsmenschen zu beeinträchtigen. Belästigungen sind zudem erheblich, also nicht mehr geringfügig, wenn sie das übliche und zumutbare Maß übersteigen. Dies richtet sich nach Stärke, Häufigkeit und Dauer des Lärms sowie nach dem konkreten Zeitpunkt der Lärmimmission und deren Ortsüblichkeit (VG Augsburg, B.v. 19.11.2020 - Au 8 S 20.2142 - juris Rn. 50, 51). Aufgrund der zahlreichen über Jahre andauernde Beschwerden und auch im Hinblick auf die hohe Anzahl der Hunde ist der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 117 Abs. 1 OWiG erfüllt und die Behörde konnte grundsätzlich entsprechende Anordnungen treffen, auch zur Verhütung zukünftiger Ordnungswidrigkeiten, da deren Eintritt hinreichend wahrscheinlich zu erwarten steht.
32
Auch Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG ist vorliegend erfüllt. Es ist zum einen bereits davon auszugehen, dass von großen Hunden, die auf öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikumsverkehr frei umherlaufen oder durch eine nicht ausbruchsichere Unterbringung dieser Hunde in der Regel eine konkrete Gefahr für Leib und Leben Dritter ausgeht (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 13.11.2018 - 10 CS 18.1780 - juris Rn. 10; B.v. 11.2.2015 - 10 ZB 14.2299 - juris Rn. 5; U.v. 9.11.2010 - 10 BV 06.3053 - juris Rn. 25; U.v. 15.3.2005 - 24 BV 04.2755 - juris). Die Pyrenäenberghunde wurden bereits mehrfach herrenlos streunend beobachtet (vgl. Vorfälle vom 4. Dezember 2018, 22. Januar 2019, 1. Februar 2019, 16. April 2020 und 11. September 2020, bei denen Hunde der Antragstellerin u.a. am Kindergarten, beim ...weiher und an der Ortsverbindungsstraße beim Kreisverkehr gesichtet wurden). Die Hunde wurden des Weiteren am 14. Februar 2021 (acht streunende Hunde in Richtung des Kreisverkehrs), am 20. Februar 2021 (vor dem Kindergarten, innerorts in einem Pferdestall sowie am Kreisverkehr) und am 22. Februar 2021 (fünf Hunde im Ort, beim Reitstall, in den Gärten von Anwohnern und im Bereich der S. straße) gesichtet. Zu weiteren Vorfälle kam es u.a. am 10. Februar 2022, an dem sich eine Radfahrerin von zwei Hunden verfolgt fühlte, am 14. Februar 2022, an dem wiederum drei freilaufende Hunde auf der Straße gesichtet worden sind, und im März 2022, von denen der Jagdpächter berichtet hat. Des Weiteren kam es zu einem schweren Vorfall am 30. März 2022, bei dem das Pony der Antragstellerin bzw. ihres Lebensgefährten durch ein oder mehrere Hunde verletzt worden ist. Soweit die Antragstellerin den Hergang bestreitet und behauptet, dass die Verletzung des Ponys auf andere Art und Weise erfolgt sei, wird dies als reine Schutzbehauptung gewertet. Nach den Aussagen des Nachbarn, der den Vorfall beobachtet hat, und den Stellungnahmen der nach dem Beißvorfall eingetroffenen Polizeibeamten und des Leiters des Veterinäramtes ist aufgrund der übereinstimmenden Schilderungen und der vorliegenden Tatsachen (wie blutverschmierte Hunde) davon auszugehen, dass das Pony von den Hunden gebissen worden ist.
33
Vor allem aber zeigt das Verhalten der Antragstellerin, dass weitere Gefahrensituationen sehr wahrscheinlich sind. Auch wenn die Antragstellerin - im Gegensatz zu ihrem Lebensgefährten - nicht so weit ging, die Hunde u.a. dazu zu benutzen, andere Personen zu bedrohen, versuchte sie aber beispielsweise, Kontrollen staatlicher Behörden zu verhindern, indem sie z.B. nur zögerlich und erst nach mehrmaliger Aufforderung, die Hunde wegzusperren, um den Zugang zu ermöglichen, dieser Aufforderung nachkam (vgl. Bericht der Polizei über den Vorfall am 30.3.2022). Wegen weiteren Vorfälle und Beobachtungen wird gem. § 117 Abs. 5 VwGO analog auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen. Darauf, ob die Hunde der Antragstellerin tatsächlich auch den Tod des Rehs verursacht haben, kommt es nicht an, da dieser Vorfall im Vergleich zu sonstigen Vorfällen nicht mehr entscheidend ins Gewicht fällt.
34
Davon ausgehend ist die von der Antragsgegnerin vorgenommene Gefahrenprognose, dass es bei der vorliegenden Halter-Hund-Konstellation mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung der besonders schutzwürdigen Rechtsgüter des Lebens und der Gesundheit von Menschen oder anderer Tiere kommen wird, gerichtlich nicht zu beanstanden. Diese Einschätzung deckt sich auch mit dem weiteren Verhalten der Antragstellerin nach Bescheidserlass, als sie am 10. Mai 2022 bei der Maßnahme des Veterinäramtes, bei der das Pony weggebracht werden sollte, laut Aussage des Veterinäramtes vorsätzlich versucht habe, die Hunde auf die Polizisten zu hetzen (vgl. Aktenvermerk des Landratsamtes vom 10.5.2022).
35
(c) Die auf Grundlage von Art. 7 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 LStVG getroffenen Entscheidungen in Form der Untersagung der Haltung der Pyrenäenberghunde sowie die Verpflichtung zur Abgabe dieser Hunde sind angesichts der Gesamtumstände des Einzelfalls auch ermessensgerecht und stehen im Einklang mit den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus Art. 8 Abs. 1 LStVG. Ein Hundehaltungsverbot nach dieser Regelung setzt voraus, dass der Halter nicht für die Haltung der Pyrenäenberghunde geeignet ist. Der Einschätzung der Antragsgegnerin, dass dies bei der Antragstellerin der Fall ist, ist gerichtlich nicht zu beanstanden.
36
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung, der sich das erkennende Gericht anschließt, davon aus, dass mit Blick auf die hohe Eingriffsintensität insbesondere auch in das Grundrecht aus Art. 14 GG die umfassende Untersagung der Hundehaltung für den Betroffenen die einschneidendste denkbare Maßnahme zur Verhütung und Unterbindung einer von einer Hundehaltung ausgehenden Gefahr und daher in der Regel nur dann verhältnismäßig i.S.d. Art. 8 Abs. 1 LStVG ist, wenn sich der Hundehalter dauerhaft und hartnäckig weigert, einer bestehenden sicherheitsbehördlichen Anordnung nachzukommen (vgl. BayVGH, B.v. 20.8.2021 - 10 CS 21.2097 - juris Rn. 19; B.v. 12.3.2018 - 10 ZB 18.103 - juris Rn. 8; B.v. 6.3.2015 - 10 ZB 14.2166 - juris Rn. 8; B.v. 26.2.2014 - 10 ZB 13.2476 - juris Rn. 4.; für ein Pferdehaltungsverbot: B.v. 21.3.2014 - 10 ZB 12.740 - juris Rn. 11 m.w.N.). Vor Erlass einer solchen Haltungsuntersagung muss die Behörde deshalb grundsätzlich zunächst erfolglos Zwangsmittel zur Durchsetzung von Anordnungen zur Haltung von Hunden eingesetzt haben. Nur in Einzelfällen kann ausnahmsweise die Haltungsuntersagung als allein geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr in Betracht kommen. Dies ist jedoch bei einer umfassenden Haltungsuntersagung nur dann der Fall, wenn von vornherein feststeht, dass der Halter nicht geeignet für die Haltung von Hunden ist. In einem solchen Fall ist jedoch im Bescheid genau zu begründen, weshalb die Haltungsuntersagung die einzig sinnvolle und erfolgversprechende Maßnahme ist und weshalb weniger einschneidende Maßnahmen nach Art. 18 Abs. 2 LStVG nicht ausreichen (BayVGH, B.v. 6.3.2015 - 10 ZB 14.2166 - juris Rn. 8; B.v. 29.9.2011 - 10 ZB 10.2160 u.a. - juris Rn. 13). Ebenso ist genau zu prüfen, ob es ausreicht, nur die Haltung des auffällig gewordenen Hundes zu untersagen, ob die Untersagung der Haltung von Hunden bestimmter Rassen oder einer bestimmten Größe erforderlich, aber auch ausreichend ist, oder ob die Gefahrenlage eine generelle Untersagung der Hundehaltung erforderlich macht (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2018 - 10 ZB 18.103 - juris Rn. 8 ff.).
37
Die umfassende Haltungsuntersagung ist auch gerechtfertigt bei gravierenden Eignungsmängeln des Hundehalters (vgl. Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand Oktober 2019, Art. 18 Rn. 81a m.w.N.). Entscheidend ist, dass das in der Vergangenheit gezeigte Verhalten des Hundehalters darauf schließen lässt, dass dieser seiner Verantwortung im Hinblick auf das mit der Haltung eines auffälligen, insbesondere gefährlichen Hundes verbundene Risiko nicht gerecht wird. Gerechtfertigt ist eine (umfassende) Haltungsuntersagung auch bei einem deutlichen Aggressions- oder Gewaltpotenzial des Hundehalters (vgl. Bengl/Berner/ Emmerig, LStVG, Stand Oktober 2019, Art. 18 Rn. 81a m.w.N.).
38
In Anwendung dieser Grundsätze ist die von der Antragsgegnerin angeordnete Haltungsuntersagung gerichtlich nicht zu beanstanden. Dies hat der Verwaltungsgerichthof bereits im Beschwerdeverfahren (Ablehnung der Prozesskostenhilfe, BayVGH, B.v. 8.8.2022 - 10 C 22.1562 - Rn. 9, den Beteiligten bekannt) hins. des Verhaltens des Lebensgefährten der Antragstellerin bestätigt. Aber auch die Antragstellerin bietet nicht die nötige Gewähr für eine verantwortungsbewusste Haltung und Vorgehensweise im Umgang Hunden. Dies ergibt sich bereits aus den oben ausgeführten Vorfällen. Gerade der Einsatz des Hundes als Waffe oder als Mittel der Einschüchterung gegenüber anderen Menschen ist Ausdruck der Verantwortungslosigkeit des Halters und rechtfertigt die sofortige Haltungsuntersagung. Denn darin liegt ein schwerwiegender Verstoß gegen die Pflichten als Hundehalter (VG München, U.v. 24.6.2014 - M 22 K 13.4848 - juris Rn. 29 f.). Auch die Antragstellerin hat zumindest (anfangs) versucht, die Hunde zur Einschüchterung zu benutzen, indem sie sie nicht unmittelbar weggesperrt hat, als Kontrollen anstanden. Dies zeigt bereits die Verantwortungslosigkeit der Antragstellerin und ihre charakterliche Ungeeignetheit, die Hunde so zu halten, dass diese keine Gefahr für andere darstellen. Hinzukommt das Verhalten der Antragstellerin in verschiedensten Situationen, die zeigen, dass sie uneinsichtig und nicht belehrbar ist. So zeigen die neueren Lärmbeschwerden, dass die Antragstellerin trotz bereits verfolgter Verurteilung und eines Bußgeldbescheids nicht gewillt ist, für entsprechende Abhilfe zu sorgen. Auch hinsichtlich der sicherheitsrechtlichen Anordnung vom 11. März 2021, für eine ausbruchsichere Unterbringung der Hunde zu sorgen, ließ sie es trotz negativem Ausgangs eines Eilverfahrens (Au 8 S 21.907) auf die Fälligstellung des Zwangsgelds ankommen. Die in der mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren (Au 8 K 21.906) für ausreichend erachtete Erhöhung des Zaunes in Höhe von 1,20 m und eines stromführenden Gitternetzes oder einer sonstigen stromführenden Einzäunung, hat sie dann zwar wohl fristgerecht umgesetzt, wobei von der Antragsgegnerin nicht festgestellt werden konnte, ob die angebrachten Elektrodrähte tatsächlich stromführend sind. Aber obwohl es danach zu weiteren Ausbrüchen der Hunde gekommen ist, hat sie dies nicht zum Anlass genommen, weitere, effektivere Maßnahmen zu ergreifen. Die angebrachten GPS-Tracker verhindern nicht ein weiteres Ausbrechen. Mildere Mittel, die geeignet wären, die Gefahr abzuwehren, kommen somit nicht in Betracht.
39
Auch Eingriffe in die Berufsfreiheit der Antragstellerin nach Art. 12 GG sind nicht zu erkennen. So betreibt sie weder eine Landwirtschaft, noch liegt eine Gewerbeanmeldung bzw. eine tierschutzrechtliche Erlaubnis zum Züchten von Hunden (vgl. 2, 3 und 6 der Behördenakte) vor. Im Übrigen wären eventuelle Eingriffe aufgrund des Schutzes der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gerechtfertigt.
40
(d) Die Antragstellerin ist richtige Adressatin der Anordnung nach Art. 9 Abs. 2 LStVG. Da vorliegend das Verhalten eines Tieres Maßnahmen nach dem LStVG notwendig macht, sind diese gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten.
41
Der Halter trägt die Verantwortung dafür, dass die verfügten Maßnahmen umgesetzt und die Verpflichtungen eingehalten werden. Halter ist, wer ein eigennütziges Interesse an der Haltung des Hundes und die Befugnis hat, über dessen Betreuung und Existenz zu entscheiden. Eigentum bzw. Eigenbesitz sind für die Bejahung der Haltereigenschaft nicht Voraussetzung, belegen jedoch das eigennützige Interesse und das Vorliegen der Entscheidungsbefugnis über den Hund. Indizien hierfür sind, wer die Bestimmungsgewalt über den Hund hat, für seine Kosten aufkommt, seinen allgemeinen Wert und Nutzen für sich in Anspruch nimmt und das Risiko seines Verlustes trägt. Wer „Halter“ i.S.d. Steuerrechts ist, also die Hundesteuer bezahlt, hat keine Auswirkung auf die Frage, wer Halter i.S.d. Sicherheitsrechts und damit Adressat einer sicherheitsrechtlichen Anordnung ist (VG Würzburg, U.v. 13.10.2016 - W 5 K 15.1135 - juris Rn. 52). Gibt es mehrere Halter, ist (soweit die Gefahr nicht ausschließlich mit einem Halter verbunden ist) gegen alle Halter ein Bescheid zu richten, andernfalls ist eine Anordnung ungeeignet (VG Würzburg, B.v. 26.8.2010 - W 5 S 10.907 - juris Rn. 11).
42
Aus dem bisherigen Verlauf, dem Auftreten der Antragstellerin mit ihrem Lebensgefährten und den einzelnen Vorfällen ergibt sich, dass beide als Halter der Hunde anzusehen sind, unabhängig von den konkreten Eigentumsverhältnissen.
43
(e) Damit erweist sich bei summarischer Prüfung auch die Ziffer 3 des Bescheides hinsichtlich der Abgabeverpflichtung als rechtmäßig. Wird die Haltung von (bestimmten) Hunden untersagt, ist zugleich auch nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG die Abgabe solcher Hunde innerhalb einer bestimmten Frist anzuordnen. Die Sicherheitsbehörde kann verfügen, dass der Halter die betreffenden Hunde an eine geeignete Person oder beispielsweise ein Tierheim übergeben muss. Die Behörde kann auch die Vorlage eines Nachweises der Abgabe fordern (vgl. Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand Oktober 2019, Art. 18 Rn. 82 m.w.N).
Auch die gesetzte Frist erscheint angemessen.
44
(f) Die Androhung der Ersatzvornahme i.S.v. Art. 32 VwZVG ist nach summarischer Prüfung ebenfalls nicht ermessensfehlerhaft. Das Verwaltungsgericht hat innerhalb der Grenzen des § 114 VwGO nur zu prüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Antragsgegnerin hat insbesondere in nachvollziehbarer Weise begründet, dass als milderes Mittel eine Zwangsgeldandrohung (Art. 31, 36 VwZVG) nicht in Betracht kommt. Ein Zwangsgeld i.S.v. Art. 31 VwZVG lässt nach Aktenlage und dem sich daraus ergebenden, gegenwärtigen Sach- und Streitstand keinen Erfolg erwarten. Die Antragsgegnerin hat insoweit darauf abgestellt, dass bereits eine sicherheitsrechtliche Anordnung (Bescheid vom 11.3.2021) sowie die Fälligstellung eines entsprechenden Zwangsgelds erfolgten und nicht bewirken konnten, dass die Antragstellerin ihren Pflichten nachkommt. Auch weist die Antragsgegnerin zutreffend darauf hin, dass im Hinblick auf die anderenfalls für bedeutende Rechtsgüter drohende Gefahr eine weitere Verzögerung, die mit einem Versuch, den Willen des Verpflichteten zunächst durch ein milderes Zwangsmittel zu beugen, verbunden ist, nicht in Kauf genommen werden kann.
45
c) Ob die Haltungsuntersagung von Hunden jeder Art in Ziffer 2 des Bescheids rechtmäßig ist, erscheint zumindest zweifelhaft. Nach den obigen Grundsätzen unter b), auf die verwiesen wird, sind die Erfolgsaussichten insoweit offen.
Fraglich ist dabei, ob dieses vollständige Haltungsverbot verhältnismäßig ist.
Eine Gefahr besteht in der Regel nicht mehr, wenn es sich um sehr kleine und friedliche Hunde handelt (vgl. BayVGH, B.v. 29.03.2006 - 24 CS 06.600 - juris Rn. 58; B.v. 3.2.2009 - 10 CS 09.14 - juris 20). Kriterien für eine geeignete Einschränkung des Verbots sind jedoch nicht ohne weiteres ersichtlich (VG Bayreuth, U.v. 8.10.2019 - B 1 K 19.879 - juris Rn.32). Auch bei zunächst ungefährlich erscheinenden (beispielsweise kleinen) Hunden kann es prognostisch wieder zu Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung kommen. Grundsätzlich kann jeder Hund eine gewisse Gefährlichkeit in sich bergen, v.a. wenn der Hundehalter nicht entsprechend verantwortungsvoll handelt (VG Ansbach, U.v. 20. 6.2006 - AN 5 K 06.00075 - juris Rn. 18). Die Beschränkung auf bestimmte, friedliche Hunderassen stellt deshalb nicht in allen Fällen ein hinreichend geeignetes Mittel der Gefahrenabwehr dar.
46
Um dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen, hat die Antragsgegnerin insoweit mit Schriftsatz vom 15. November 2022 klargestellt, dass die Haltung von einzelnen, nicht gefährlichen, kleinen (Schulterhöhe 30 cm) Hunden von der Untersagung ausgenommen ist. Damit wird der Antragstellerin die Haltung eines Hundes ermöglicht, der nicht allein schon wegen seiner Größe eine Gefahr für die in Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG geschützten Rechtsgüter darstellt (so auch VG Bayreuth, B.v. 29.7.2021 - B 1 S 21.806 - juris Rn.54). Damit ist gewährleistet ist, dass die Antragstellerin tatsächlich nur „harmlose“ Tiere halten kann.
47
Da jedenfalls nicht ersichtlich ist, dass die Antragstellerin überhaupt beabsichtigt, beispielsweise „sehr kleine und friedliche Hunde“ zu halten, scheint es im Hinblick auf das öffentliche Interesse, die Allgemeinheit vor Gefahren eines unzuverlässigen Hundehalters zu schützen, gerechtfertigt, das Interesse der Antragstellerin an jedweder Hundehaltung bis zur Entscheidung dieser Frage in der Hauptsache zurückzustellen (so auch BayVGH, B.v. 8.8.2022 - 10 C 22.1562 Rn.11, den Beteiligten bekannt).
48
3. Somit kommt auch keine Anordnung in Betracht, die Vollziehung nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO, u.U. gegen eine Sicherheitsleistung gem. § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO, aufzuheben. Das Gericht kann die Aufhebung der Vollziehung anzuordnen, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Eilantrag bereits vollzogen ist. Die Vorschrift erfasst unmittelbar nur die Fälle, bei denen eine ursprünglich rechtmäßige Vollziehung aufgrund der gerichtlichen Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO keine Grundlage mehr hat (Eyermann/Hoppe, 16. Aufl. 2022, VwGO § 80 Rn. 115). Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall.
49
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes. Für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wurde der Streitwert halbiert (Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs). Da die Haltungsuntersagung unabhängig von der Anzahl der davon betroffenen Tiere ist, kommt eine Streitwerterhöhung nicht in Betracht.