Inhalt

VGH München, Beschluss v. 20.12.2022 – 1 NE 22.1604
Titel:

Eilantrag eines Landwirts gegen Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets

Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1, Abs. 6
BauGB § 1 Abs. 3 S. 1, Abs. 7, § 35 Abs. 1 Nr. 1
Leitsätze:
1. Die Einschätzung, dass eine Jahresgeruchsstundenhäufigkeit von 15% entsprechend einem Dorfgebiet aufgrund der Situationsgebundenheit der landwirtschaftlichen Betriebe in der Nähe zu bereits bestehender Wohnbebauung und der Lage des Plangebiets im Übergangsbereich zum Außenbereich zumutbar sei, ist als solche nicht zu beanstanden. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein geplanter Zuchtschweinestall in einer Entfernung von rund 460 Metern von der Hofstelle dient nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb, da es an der räumlichen Nähe zu der Hofstelle fehlt. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Normenkontrollantrag gegen Bebauungsplan, Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, Heranrückende Wohnbebauung, Umfang der schalltechnischen Untersuchung, Bebauungsplan, heranrückende Wohnbebauung, Landwirt, Geruchsbelästigung, Geruchsgutachten, Abwägung, Privilegierung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 40248

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 12.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan E. … „B. …“, den die Antragsgegnerin am 7. März 2022 als Satzung beschlossen und am 17. Mai 2022 bekanntgemacht hat (nachfolgend: Bebauungsplan).
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Das in Ortsrandlage liegende Planungsgebiet grenzt im Osten und Süden an Baumschulflächen und im Norden an Wohnbauflächen an. Außerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans befinden sich im Osten drei Wohngebäude sowie Nebengebäude der Baumschule und im Westen die Staatsstraße. In der näheren Umgebung befinden sich drei aktive Hofstellen mit Schweinemast- und zucht, Pferdehaltung und Rinderhaltung sowie zwei weitere Hofstellen mit genehmigter Milchviehhaltung, auf denen derzeit keine Tierhaltung besteht. Der Bebauungsplan ersetzt am nördlichen Rand des Geltungsbereichs die Ortsabrundungssatzung „An der G. …straße“, die für diesen Bereich keine Festsetzungen getroffen hat und setzt im Wesentlichen ein allgemeines Wohngebiet mit insgesamt 14 Baufenstern für eine Bebauung mit Einzel- und Doppelhäusern, das Maß der baulichen Nutzung sowie die zur Erschließung erforderlichen öffentlichen Verkehrsflächen fest. Nach der textlichen Festsetzung A.2.1.1 sind Wohngebäude, die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden sowie nicht störende Handwerksbetriebe und Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke zugelassen. Ausnahmsweise zulässig sind nach der textlichen Festsetzung A.2.1.2 Betriebe des Beherbergungsgewerbes und Anlagen für Verwaltungen. Schank- und Speisewirtschaften, Gartenbaubetriebe, Tankstellen und sonstige nicht störende Gewerbebetriebe sind ausgeschlossen (textliche Festsetzung A.2.1.3). In den Hinweisen unter Ziff. C.16 wird angeführt, dass mit Lärm-, Staub- und Geruchsbelästigungen durch naheliegende landwirtschaftliche Betriebe und Nutzflächen, auch abends sowie an Sonn- und Feiertagen, zu rechnen ist.
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Ziel des Bebauungsplans ist es, aufgrund der hohen Nachfrage nach Eigenheimbebauung die bestehenden Wohnbauflächen am südlichen Siedlungsrand im Ortsteil E. … zu erweitern und die Schaffung von Wohnflächen, insbesondere für Ortsansässige und Familien, städtebaulich zu ordnen und zu steuern. Mit der Planung soll eine maßvolle Ergänzung des Siedlungsbereichs unter Beachtung ortsspezifischer Gegebenheiten erreicht werden.
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Der Antragsteller ist Eigentümer der westlich im Außenbereich nach § 35 BauGB gelegenen Grundstücke FlNr. 540, 553 und 545, jeweils Gemarkung E. … Er betreibt einen einheitlichen landwirtschaftlichen Betrieb mit zwei Hofstellen auf den Grundstücken FlNr. 540 (Schweinemast- und zucht) und FlNr. 553 (Pferdehaltung). Auf der Hofstelle FlNr. 553 sind in einem landwirtschaftlichen Gebäude, in dem sich in einem Teilbereich im Erdgeschoss ein Pferdestall mit Pferdeboxen befindet, drei Wohneinheiten eingebaut. Im Zusammenhang mit der geplanten Entwicklung seines Betriebs hat der Antragsteller beim Landratsamt verschiedene baurechtliche Anträge gestellt, insbesondere zur Bestandserweiterung, zu Nutzungsänderungen und zum Neubau eines Zuchtschweinestalls mit Nebenräumen auf dem Grundstück FlNr. 545. Auch soll die Zahl der Pensionspferde erhöht werden. Dazu legte er ein Gutachten des Ingenieurbüros M. … vom 25. Januar 2021 über eine immissionsschutzfachliche Gesamtbetrachtung seiner Vorhaben sowie eine ergänzende Stellungnahme vom 26. März 2021 vor, wonach für die Erweiterung aller drei Vorhaben auf den Grundstücken FlNrn. 540, 554 und 545 für das Plangebiet Immissionswerte zwischen 11 und 26% und für das östlich des Planungsgebiets bestehende Wohngebäude auf dem Grundstück FlNr. 155/2 Werte bis zu 16% der Geruchsstundenhäufigkeit/Jahr erreicht werden. Der Antragsteller hat hinsichtlich aller beantragter Bauvorhaben Untätigkeitsklagen zum Verwaltungsgericht München erhoben (M 11 K 22.354, M 11 K 22.356, M 11 K 22.357 und M 11 K 22.358), über die noch nicht entschieden worden ist. Den Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids für den Neubau eines Zuchtschweinestalls auf dem Grundstück FlNr. 545 hat das Landratsamt mit Bescheid vom 15. November 2022 abgelehnt.
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Die Antragsgegnerin gab im Bebauungsplanverfahren zur Ermittlung der Geruchsbelastung für die Bauleitplanung eine Immissionsprognose bei der M. … … … (Germany) GmbH (nachfolgend MTS) in Auftrag. Das Gutachten gelangt in der Fassung vom 29. Oktober 2021 zu dem Ergebnis, dass im Planungsbereich die Immissionswerte für den IST-Zustand auf den Hofstellen des Antragstellers zwischen 4 und 7% und für verschiedene Erweiterungsmöglichkeiten unter 6,3% liegen. Für die Erhöhung des Tierbestands blieb die beabsichtigte Errichtung eines Zuchtschweinestalls auf dem Grundstück FlNr. 545 unberücksichtigt, da der Standort neben der ungeklärten Größe und Lage des geplanten Stalls aufgrund des mit der Schweinehaltung verbundenen Ammoniakeintrags für die in unmittelbarer Nachbarschaft befindlichen Baumschulflächen nicht in Frage komme. Daneben wurde auf verfügbare Alternativgrundstücke, insbesondere die westlich an die Hofstelle auf dem Grundstück FlNr. 540 angrenzende FlNr. 539, verwiesen und darauf, dass ein An- und Ausbau des bestehenden Schaf-/Schweinehaltungsbetrieb auf der FlNr. 540 eine sinnvollere und effizientere Bewirtschaftung ermögliche als ein zusätzlicher, weiter entfernt liegender Standort, der ein Ansatz für eine Splittersiedlung im Außenbereich werden könne. Gemäß den Vorgaben der Landes- und Regionalplanung solle der Fokus auf die Erweiterung der bestehenden Betriebe gelegt werden.
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Am 30. Mai 2022 stellte der Antragsteller einen Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan. Mit dem am 14. Juli 2022 eingereichten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beantragt er,
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den Bebauungsplan E. … „B. …“, bekanntgemacht durch die Gemeinde am 17. Mai 2022, Aushang 17. Mai 2022 bis 17. Juni 2022, vorläufig außer Kraft zu setzen.
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Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zur Abwehr schwerer Nachteile dringend geboten. Der Bebauungsplan sei voraussichtlich rechtswidrig. Im Hinblick auf den hohen Wohnungsdruck sei jederzeit damit zu rechnen, dass die Antragsgegnerin die Erschließung vorantreibe und die Voraussetzungen für Genehmigungsverfahren bzw. Genehmigungsfreistellungsverfahren schaffe. Durch die dann zu erwartende Verwirklichung der geplanten Wohnbauvorhaben könnten Vorwirkungen entstehen, die mit Blick auf etwaige noch erforderliche Nachermittlungen und Bewertungen zur geplanten Betriebserweiterung in den anhängigen Gerichtsverfahren unzumutbar erscheinen würden. Da jederzeit mit der Erteilung von Baugenehmigungen zu rechnen sei, sei es nicht zumutbar, zur Vermeidung vollendeter Tatsachen gegebenenfalls eine Vielzahl von Anträgen nach § 80 Abs. 5 bzw. § 123 VwGO stellen zu müssen. Er sei aufgrund des unmittelbaren Näheverhältnisses seiner Hofstellen zu dem geplanten Baugebebiet, der mit Bau- bzw. Vorbescheidsanträgen konkretisierten Planungsabsichten und des Ergebnisses des eingeholten Gutachtens des Büros M. … vom 25. Januar 2021, wonach er durch eine heranrückende Wohnbebauung in seinem landwirtschaftlichen Betrieb eingeschränkt würde, antragsbefugt. Im Hinblick auf die Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets fehle es an der städtebaulichen Erforderlichkeit. Auslöser der Planung sei der Bauwunsch privater Grundstückseigentümer gewesen. Bei der Planung handle es sich um einen sogenannten Etikettenschwindel. Aus der Entstehungsgeschichte und der Begründung des Bebauungsplans ergebe sich, dass nur eine Nutzung im Sinn eines reinen Wohngebiets beabsichtigt sei. Es verblieben nicht zulässige Nutzungen in substantiellem Umfang, die in einem reinen Wohngebiet nicht möglich wären. Die Festsetzung als allgemeines Wohngebiet sei nur vorgeschoben und führe dazu, im Bereich zulässiger Geruchsimmissionswerte zu bleiben. Denn soweit in den vorliegenden Geruchsgutachten die maßgebenden Richtwerte nur eingehalten würden, weil es sich um Immissionsorte handle, für die Übergangswerte gebildet werden dürften, sei dies nur bei Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets möglich, nicht aber für den Übergang eines reinen Wohngebiets zum Außenbereich. Der Bebauungsplan leide auch an einem Ermittlungs- und Bewertungsdefizit und sei abwägungsfehlerhaft. Die tatsächlichen Grundlagen für eine Geruchsprognose seien nicht vollständig und richtig aufgeklärt, insbesondere sei der Umfang der konkreten Erweiterungsabsichten auf den Grundstücken FlNrn. 540, 545 und 553 mit dem Argument, die Errichtung eines Zuchtschweinebetriebs auf dem Grundstück FlNr. 545 sei nicht erwünscht, fehlerhaft in die Geruchsprognose des Büros MTS eingestellt und die Erkenntnisse und Ergebnisse des Geruchsgutachtens des Büros M. … ignoriert worden. Mit den etwaigen Auswirkungen der zum 18. August 2021 neu gefassten TA Luft auf die Ergebnisse des eingeholten Geruchsgutachtens habe sich die Antragsgegnerin nicht auseinandergesetzt. Auch die Bewertung des IST-Zustands anhand des legalisierten, tatsächlich aber so nicht ausgeführten Betriebs, und die Beschränkung der Erweiterungsabsichten auf eine maßvolle und angemessene Entwicklung sei fehlerhaft. Dem Gutachten des Büro MTS lägen hinsichtlich der Erweiterungsabsichten niedrigere Tierzahlen zugrunde, als tatsächlich beantragt worden seien. Tatsächlich lägen in Bezug auf die Erweiterung des Pferdebestands zwei Erweiterungsanträge vor. Spätestens mit der Stellungnahme des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 16. August 2021 hätte die Aufstockung auf 18 Pferde geruchstechnisch berücksichtigt werden müssen. Für die geplante Erweiterung der Pferdehaltung auf 18 Pferde sei auch in Kombination mit der Erweiterung der Schweinehaltung und der Errichtung des Zuchtschweinestalls die erforderliche Futtergrundlage vorhanden. Der Zugewinn von weiteren Futterflächen sei geplant. Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gehe ausweislich der Stellungnahme vom 21. Juli 2021 von einer Privilegierung aus. Abwägungsfehlerhaft sei auch, dass die Antragsgegnerin trotz der in dem Gutachten des Büros MTS festgestellten Überschreitung der Richtwerte der GIRL unverändert an der Planung festhalte. Die Antragsgegnerin ignoriere auch, dass die vorhandene Bebauung nördlich der G. …straße und östlich der B. … Straße nach Umsetzung des Bebauungsplans nicht mehr den Abschluss der Wohnbebauung am Ortsrand zum Außenbereich darstelle, sondern sich in Mitten von Wohnbebauung befinde mit der Folge, dass hierfür dann Geruchsrichtwerte für ein allgemeines (bzw. reines) Wohngebiet ohne Bildung von Zwischenwerten angesetzt werden müssten, die durch den bestehenden Betrieb bzw. seiner Erweiterungen überschritten würden. Abwägungsfehlerhaft sei zudem die Auffassung der Antragsgegnerin, dass sich bei Umsetzung aller Erweiterungsvorhaben an der bestehenden Bebauung auf dem Grundstück FlNr. 155/2 eine Überschreitung der zulässigen Geruchsrichtwerte ergäbe und die Vorhaben bereits aus diesem Grunde nicht zugelassen werden könnten, da es sich um ein Grundstück im Außenbereich handle, in dem eine Geruchsjahreshäufigkeit von 20% zulässig sei. Die Antragsgegnerin, die emissionsmindernde Maßnahmen empfehle, gehe selbst von Nachteilen aus, die sich durch die heranrückende Wohnbebauung für den landwirtschaftlichen Betrieb und die Erweiterungsabsichten ergeben könnten.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Der Bebauungsplan sei städtebaulich erforderlich. Unabhängig davon, dass sich aus einer Verletzung des Gebotes der Erforderlichkeit keine schweren Nachteile für den Antragsteller ergeben würden, könne schon aus grundsätzlichen Erwägungen bei der Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets nicht von einem Etikettenschwindel ausgegangen werden, wenn tatsächlich ein „reines Wohngebiet“ entstehen würde, da beide Wohngebiete dem Wohnen dienen würden. Vorliegend sei ein Gebiet festgesetzt worden, dass vorwiegend dem Wohnen dienen solle, da in der Feinsteuerung nicht nur Wohngebäude zugelassen worden seien, sondern auch der Versorgung dienende Läden sowie Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke. Der Bebauungsplan leide auch nicht an Abwägungsfehlern. Das erforderliche Abwägungsmaterial sei ermittelt und bewertet worden, insbesondere sei auch die Erweiterung des Schweinestalls und der Neubau auf dem Grundstück FlNr. 545 sowie das Gutachten des Büros M. … berücksichtigt worden. Die Begründung eines weiteren im Außenbereich liegenden Stallstandortes neben einer bereits bestehenden Hofstelle im Außenbereich widerspreche dem Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs. Der Zulässigkeit des „Aussiedlungsstandorts“ stehe auch die auf der gegenüberliegenden Seite der B. … Straße gelegene Baumschule entgegen. Der Antragsteller müsse keine Einschränkung seiner Betriebe durch die Bauleitplanung befürchten. Mit Erschießungsmaßnahmen sei noch nicht begonnen worden, eine Ausnutzung der Baurechte sei derzeit (noch) nicht möglich.
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Die Antragsgegnerin hat neben dem streitgegenständlichen Bebauungsplan die Bebauungspläne „Am W. …weg“ und „Am S. … Weg“ beschlossen, die Gegenstand der beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Normenkontrollverfahren 1 N 22.1309 und 1 N 22.1934 bzw. Normenkontrolleilverfahren 1 NE 22.1605 und 1 NE 22.1938 sind.
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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Antragsgegnerin vorgelegten Normaufstellungsakten sowie auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren 1 N 22.1308 verwiesen.
II.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO bleibt ohne Erfolg.
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1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist der Antragsteller antragsbefugt. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Antragsteller muss hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Recht verletzt wird. Der Eigentümer eines außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücks ist antragsbefugt, wenn er eine mögliche Verletzung des Abwägungsgebots geltend machen kann. Das in § 1 Abs. 7 BauGB normierte bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot hat drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privaten Belange, die für die Abwägung erheblich sind (vgl. BVerwG, B.v. 13.11.2020 - 4 BN 23.12 - juris Rn. 4; B.v. 17.7.2019 - 3 BN 2.18 - NVwZ-RR 2019, 1027; B.v. 22.8.2000 - 4 BN 38.00 - NVwZ 2000, 1413). Zu den abwägungserheblichen Belangen zählt auch das Interesse eines Landwirts, mögliche Einschränkungen seines landwirtschaftlichen Betriebs durch eine heranrückende Wohnbebauung zu verhindern (vgl. BVerwG, B.v. 2.12.2013 - 4 BN 44.13 - ZfBR 2014, 377; BayVGH, B.v. 4.5.2018 - 15 NE 18.382 - juris Rn. 23), wobei auch ein hinreichend konkretisiertes Interesse an einer Betriebsentwicklung in die Abwägung einzustellen ist (vgl. BVerwG, B.v. 10.11.1998 - 4 BN 44.98 - NVwZ-RR 1999, 423; BayVGH, U.v. 10.5.2016 - 9 N 14.2674 - BayVBl 2017, 413). Aufgrund der Nähe seiner Betriebsstellen zur künftigen Wohnbebauung, der mit den gestellten Vorbescheids- bzw. Bauanträgen konkretisierten und in Richtung des Plangebiets orientierten Erweiterungsabsichten sowie des eingeholten Gutachtens des Büros M. … vom 25. Januar 2021 ist der Antragsteller unabhängig von den Meinungsverschiedenheiten über dessen Aussagekraft in abwägungsrelevanten Belangen betroffen. Er hat hinreichend substantiiert dargelegt, dass seine Belange von der Antragsgegnerin möglicherweise falsch behandelt worden sind.
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2. Der Antrag ist unbegründet.
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Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. § 47 Abs. 6 VwGO stellt an die Aussetzung einer Norm erheblich strengere Anforderungen als § 123 VwGO sie sonst an den Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt (vgl. BVerwG, B.v. 18.5.1998 - 4 VR 2.98 - NVwZ 1998, 1065). Prüfungsmaßstab bei einem Bebauungsplan sind die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages in der Hauptsache. Erweist sich, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug des Bebauungsplans bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 - 4 VR 5.14 - BauR 2015, 968). Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (BVerwG, B.v. 30.4.2019 - 4 VR 3.19 - juris Rn. 4).
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Gemessen an diesen Maßstäben begegnet der Erlass des Bebauungsplans nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Es fehlt nicht an der städtebaulichen Erforderlichkeit für die Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets im Sinn von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB (2.1). Die Planung leidet auch nicht an beachtlichen Abwägungsmängeln (2.2).
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2.1 Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Was in diesem Sinn erforderlich ist, bestimmt sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde. Der Gesetzgeber ermächtigt die Gemeinden, diejenige Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Entwicklungs- und Ordnungsvorstellungen entspricht. Nicht erforderlich sind danach Pläne, die nicht dem wahren Willen der Gemeinde entsprechen, bei denen also zwischen Planungswillen und Planungsinhalt eine Diskrepanz besteht, sowie Pläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist ferner verletzt, wenn ein Bebauungsplan aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen auf Dauer oder auf unabsehbare Zeit der Vollzugsfähigkeit entbehrt. In dieser Auslegung wird der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke gesetzt, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt (vgl. BVerwG, B.v. 25.7.2017 - 4 BN 2.17 - juris Rn. 3; U.v. 10.9.2015 - 4 CN 8.14 - BVerwGE 153, 16; U.v. 27.3.2013 - 4 C 13.11 - BVerwGE 146, 137). Dabei gilt das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit für jede einzelne Festsetzung des Bebauungsplans (vgl. BVerwG, U.v. 18.3.2004 - 4 CN 4.03 - BVerwGE 120, 239; U.v. 31.8.2000 - 4 CN 6.99 - DVBl 2001, 377).
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Nach diesen Maßstäben liegt ein Verstoß gegen das Gebot der städtebaulichen Erforderlichkeit der Bauleitplanung nicht vor. Bei der durch hinreichende städtebauliche Gründe getragenen Planung der Antragsgegnerin handelt es nicht um eine Gefälligkeitsplanung. Städtebauliches Ziel des Bebauungsplans ist die Schaffung von Wohnraum auch im Rahmen eines Baulandmodells nach sozialen Kriterien, einer Versorgungsinfrastruktur sowie die Fortentwicklung eines vorhandenen Ortsteils (§ 1 Abs. 6 Nr. 2 und 4 BauGB). Es ist nicht erkennbar, dass mit der Planung anderweitige Ziele verfolgt worden wären.
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Auch die Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets entbehrt nicht der städtebaulichen Rechtfertigung. Es handelt sich nicht um einen Fall des unzulässigen Etikettenschwindels. Dieser liegt vor, wenn eine dem Baugebietstyp entsprechende Nutzungsstruktur tatsächlich gar nicht angestrebt wird, sondern vorgeschoben ist, um das (eigentliche) Planungsziel zu verdecken (vgl. BVerwG, U.v. 28.2.2002 - 4 CN 5.01 - BauR 2002, 1348; OVG NW, U.v. 9.6.2022 - 7 D 49/17.NE - BauR 2022, 1303).
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Bei der Entscheidung für einen Baugebietstyp muss sich die Gemeinde daran orientieren, welche bauliche Nutzungen in dem Gebiet zulässig sein sollen und nach Maßgabe der übrigen Festsetzungen auch zugelassen werden können. Unzulässig ist es, einen bestimmten Gebietstyp nur deshalb zu wählen, um andere Immissionsschutzmaßstäbe anwenden oder sonstige vorteilhafte Möglichkeiten des gewählten Baugebietstyps ausnutzen zu können. Ob dies der Fall ist oder nicht, richtet sich nach dem wahren Willen der Gemeinde, so wie er aus dem Planungsvorgang und dem Planungsergebnis zutage tritt. Die Antragsgegnerin hat das neue Baugebiet vorrangig zur Erfüllung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung ausgewiesen (§ 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB). Das Planungsziel, das auch in der Begründung des Bebauungsplans deutlich zum Ausdruck kommt, sowie die Beschränkung auf wohngebietstypische Einzel- und Doppelhäuser, stehen der Ausweisung eines allgemeinen Wohngebiets, das nach § 4 Abs. 1 BauNVO vorwiegend dem Wohnen dient, nicht entgegen. Es ist vorliegend nicht erkennbar, dass die Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets nur vorgeschoben ist, um im Bereich der zulässigen Geruchsimmissionswerte zu bleiben. Denn die Antragsgegnerin hat mit der Festsetzung des allgemeinen Wohngebiets differenziert und Anlagen zugelassen, die in einem reinen Wohngebiet gemäß § 3 Abs. 2 BauNVO nicht allgemein zulässig wären. Daneben hat sie ausnahmsweise Anlagen für Verwaltungen zugelassen und damit Nutzungen, die in einem reinen Wohngebiet nicht zulässig sind. Durch die Zuordnung wohnaffiner Nutzungen unterscheidet sich das allgemeine Wohngebiet von einem reinen Wohngebiet nach § 3 BauNVO, das ausschließlich dem Wohnen dient. Es ist auch nicht ausgeschlossen, in dem Plangebiet die festgesetzten Nutzungen zu verwirklichen, insbesondere auch durch gemischte Nutzung der Gebäude.
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2.2 Der Bebauungsplan ist voraussichtlich nicht abwägungsfehlerhaft.
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Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten (§ 2 Abs. 3 BauGB). Denn die Berücksichtigung aller bedeutsamen Belange in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB setzt deren ordnungsgemäße Ermittlung und zutreffende Bewertung voraus (vgl. BVerwG, B.v. 12.6.2018 - 4 B 71.17 - ZfBR 2018, 601). Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet oder in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (vgl. BVerwG, U.v. 5.5.2015 - 4 CN 4.14 - NVwZ 2015, 1537; B.v. 15.5.2013 - 4 BN 1.13 - ZfBR 2013, 573; U.v. 12.12.1969 - IV C 105.66 - BVerwGE 34, 301).
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Daran gemessen liegt der von dem Antragsteller gerügte Ermittlungs- und Bewertungsfehler, insbesondere die Unrichtigkeit der Annahmen in den von der Antragsgegnerin eingeholten Geruchsgutachten, nach der gebotenen summarischen Prüfung nicht vor.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Interesse des Antragstellers an der landwirtschaftlichen Nutzung der beiden Grundstücke einschließlich des konkretisierten Interesses an einer Betriebsentwicklung (auch auf dem Grundstück FlNr. 545) sowie des Interesses, vor den Nachteilen eines Heranrückens einer schutzbedürftigen, geruchsempfindlichen Wohnbebauung verschont zu bleiben, zu berücksichtigen. Diese Interessen müssen ein gewisses Gewicht haben und zudem schutzwürdig sein (vgl. BVerwG, B.v. 2.12.2013 - 4 BN 44.13 - ZfBR 2014, 377; B.v. 5.9.2000 - 4 B 56.00 - NVwZ-RR 2001, 82; B.v. 10.11.1998 - 4 BN 44.98 - NVwZ-RR 1999, 423).
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Die Einschätzung, dass eine Jahresgeruchsstundenhäufigkeit von 15% entsprechend einem Dorfgebiet aufgrund der Situationsgebundenheit der landwirtschaftlichen Betriebe in der Nähe zu bereits bestehender Wohnbebauung und der Lage des Plangebiets im Übergangsbereich zum Außenbereich zumutbar sei, ist als solche nicht zu beanstanden und wird auch vom Antragsteller nicht in Frage gestellt. Ausweislich der Niederschrift über die Gemeinderatssitzung der Antragsgegnerin vom 20. Dezember 2021 wurde dabei berücksichtigt, dass die gewachsenen Strukturen des Ortsteils E. … in diesem Bereich einen dörflichen Charakter haben, der sich sowohl aus aktiven als auch aus ehemaligen Hofstellen sowie aus den an den Ortsteil angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Flächen ergibt. Bei den Werten der GIRL, die zur Bewertung von Geruchsbelästigungen in der Bauleitplanung herangezogen werden können (vgl. BVerwG, B.v. 7.5.2007 - 4 B 5.07- BauR 2007, 1454), handelt es sich um Orientierungswerte, die im Rahmen der Abwägung in begründeten Einzelfällen - etwa im Übergangsbereich zum Außenbereich oder bei einer Planung in der Nähe emittierender Betriebe - überschritten werden können (vgl. BVerwG, B.v. 28.9.1993 - 4 B 151.93 - NVwZ-RR 1994, 139). In der Rechtsprechung ist geklärt, dass derjenige, der in die Nähe eines landwirtschaftlichen Betriebs zieht, selbstverständlich die Vorbelastung in seine Entscheidung für den neuen Wohnort einzustellen hat. Seine Schutzwürdigkeit ist entsprechend verringert, sodass ihm ein Anspruch auf die sonst einzuhaltenden Immissionsrichtwerte nicht einschränkungslos zukommt (vgl. BVerwG, U.v. 27.6.2017 - 4 C 3.16 - BVerwGE 159, 187). Mit dem Ansatz der zumutbaren Jahresgeruchsstundenhäufigkeit von 15% für das Plangebiet wird das situationsbedingte Schutzniveau des festgesetzten Baugebiets zutreffend beschrieben und vertretbar bewertet (vgl. OVG NW, B.v. 8.2.2017 - 10 B 1176/16.NE - juris Rn. 25). Die Begutachtung der MTS ist auch nicht aus dem Grund zu beanstanden, dass sie die während des Normaufstellungsverfahrens in Kraft getretenen Neuregelungen der TA Luft vom 18. August 2021 nicht berücksichtigt hat, die in Bezug auf den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen nunmehr nach Nr. 1 Abs. 6 Satz 1 und Nr. 4 Grundsätze zur Ermittlung und Maßstäbe zur Beurteilung festlegen (vgl. die Übergangsvorschrift in Nr. 8).
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Auch die Ermittlung und Bewertung der tatsächlichen Grundlagen für die Geruchsprognose sind nicht zu beanstanden. Nach der Immissionsprognose der MTS - zuletzt mit Gutachten vom 29. Oktober 2021 - liegen die Immissionswerte im Planungsbereich für den IST-Zustand auf den Hofstellen des Antragstellers bei maximal 6,1%. Dabei wurde für das Grundstück FlNr. 540 eine Tierhaltung zur zeitweisen Nutzung für Schweinemast bzw. Mastlämmer von 360 Mastschweinen, 320 Mutterschafen, 224 Mastlämmern und Jungschafen und maximal 146 Ferkel berücksichtigt sowie für die Pferdehaltung auf dem Grundstück FlNr. 553 insgesamt 6 Pferde. Insoweit ist nur auf die genehmigte Nutzung abzustellen. Für verschiedene Erweiterungsmöglichkeiten liegen die Immissionswerte bei maximal 6,3%. Der Untersuchung liegt u.a. nach der umfangreichsten Erweiterungsmöglichkeit (Erweiterung C) eine Erhöhung des Tierbestands - Erhöhung der Anzahl der Mastschweine auf 456 Stück und zusätzlich eine Erhöhung des Tierbestands von bis zu einem Drittel der vom Antragsteller geplanten Errichtung eines Zuchtschweinestalls auf dem Grundstück FlNr. 545 (2 Eber, 33 Sauen, 231 Ferkel und 10 Jungsauen) - zugrunde. Für die Pferdehaltung auf dem Grundstück FlNr. 553 wurde die Zahl der Pferde auf 8 erhöht.
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Für die Erhöhung des Tierbestands ist die beabsichtigte Errichtung eines Zuchtschweinestalls auf dem Grundstück FlNr. 545 nicht zu berücksichtigen, da es bereits an der erforderlichen Privilegierung und damit an den Voraussetzungen für die Erteilung einer Baugenehmigung fehlen dürfte. Die Privilegierung eines Vorhabens gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB setzt voraus, dass das Vorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb dient. Bei der Auslegung des Merkmals „Dienen“ ist der Grundgedanke des § 35 BauGB, dass der Außenbereich grundsätzlich nicht bebaut werden soll, zu beachten; durch ihn wird die Privilegierung eingeschränkt. Es reicht deshalb nicht aus, dass ein Vorhaben nach den Vorstellungen des Landwirts für seinen Betrieb lediglich förderlich ist. Andererseits kann nicht verlangt werden, dass das Vorhaben für den Betrieb schlechthin unentbehrlich ist. Die bloße Förderlichkeit einerseits und die Unentbehrlichkeit andererseits bilden den äußeren Rahmen für das Merkmal des Dienens. Innerhalb dieses Rahmens muss darauf abgestellt werden, ob ein vernünftiger Landwirt - auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs - das Bauvorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde. Mit dem Tatbestandsmerkmal des „Dienen“ in § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB soll sichergestellt werden, dass das Bauvorhaben zu dem privilegierten Betrieb tatsächlich in einer funktionalen Beziehung steht (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.1991 - 4 C 11.89 - NVwZ-RR 1992, 401). Es umfasst auch eine gewisse räumliche Zuordnung von landwirtschaftlichen Vorhaben zu den Betriebsflächen. Das Gesetz lässt Bauvorhaben, die einem landwirtschaftlichen Betrieb dienen, nicht deshalb bevorzugt im Außenbereich zu, weil es die Landwirte als Personengruppe begünstigen will, sondern weil Landwirtschaft Bodenertragsnutzung auf - typischerweise weiten - Außenbereichsflächen ist und weil die möglichst nahe räumliche Zuordnung der Hofstelle zu den Betriebsflächen der landwirtschaftlichen Betriebsweise in besonderer Weise dienlich und für den Betriebserfolg im Allgemeinen von Bedeutung ist. Unmittelbare Nähe der landwirtschaftlichen Betriebsstellen zu den Betriebsflächen allgemein und für jeden Fall vorauszusetzen, würde den Erfordernissen landwirtschaftlicher Betriebe mit verstreuten Betriebsflächen nicht gerecht. Allerdings ist hier besonders genau zu prüfen, ob ein vernünftiger Landwirt das Vorhaben an dem gewählten Standort verwirklichen würde (vgl. BVerwG, B.v. 16.5.1991 - 4 C 2.89 - NVwZ-RR 1992, 400; U.v. 22.11.1985 - 4 C 71.82 - NVwZ 1986, 644).
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Gemessen an diesen Maßstäben dient der geplante Zuchtschweinestall an dem beantragten Standort nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb, da es an der räumlichen Nähe zu der Hofstelle fehlt. Der geplante Standort liegt rd. 460 m von der Hofstelle entfernt. Die Hofstelle mit dem Betriebsleiterwohnhaus wird nicht aufgegeben. Gerade bei einem Streubesitz von Flächen ist besonders sorgfältig zu prüfen, ob der notwendige funktionale Bezug zu der Landwirtschaft gewahrt ist. Dieser Bezug liegt vor, wenn ein Standort gewählt wird, der möglichst nahe bei der Hofstelle bzw. im Einzelfall auch bei einem Schwerpunkt der landwirtschaftlichen Flächen liegt (vgl. BayVGH, U.v. 29.1.2019 - 1 BV 16.232 - BayVBl 2019, 562; OVG RhPf, U.v. 27.7.2011 - 8 A 10394/11 - NVwZ-RR 2012, 15; VGH BW, U.v. 4.3.1996 - 5 S 1526/95 - BRS 58 Nr. 87). Hier erschließt sich der Ausbau der Schweinehaltung in einiger Entfernung zur Hofstelle bereits aus arbeits- und betriebswirtschaftlichen Gründen nicht (vgl. die Stellungnahme des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 17. Januar 2022). Insoweit ist eine sinnvollere und effizientere Bewirtschaftung durch einen An- und Ausbau des bestehenden Schaf-/Schweinehaltungsbetrieb auf dem Grundstück FlNr. 540 zu erreichen bzw. auf verfügbaren Alternativgrundstücken, insbesondere auf dem westlich an die Hofstelle auf dem Grundstück FlNr. 540 angrenzenden Grundstück FlNr. 539, das (noch) im Eigentum der Antragsgegnerin steht. Die Antragsgegnerin hat dies ausweislich der Niederschriften über die Gemeinderatssitzungen vom 7. März 2022, 14. Februar 2022 und 20. Dezember 2021 zu Recht in die Abwägungsentscheidung miteinbezogen, zumal auch nach den Vorgaben der Landes- und Regionalplanung der Fokus auf die Erweiterung der bestehenden Betriebe liegen soll. Dass bislang eine Übertragung des Grundstücks von der Antragsgegnerin auf den Antragsteller noch nicht erfolgt ist, steht dem nicht entgegen, zumal die Antragsgegnerin ausweislich der Sitzungen des Gemeinderats vom 14. Februar 2022 und 7. März 2022 weiterhin an der möglichen Übertragung des Grundstücks auf den Antragsteller festhält und eine einvernehmliche Lösung anstrebt. Die Bewertung, dass der weiter entfernt liegende Standort auch einen Ansatz für eine Splittersiedlung im Außenbereich sein könnte, ist nicht zu beanstanden. Im Übrigen hat das Landratsamt mit Bescheid vom 15. November 2022 den Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids für den Neubau eines Zuchtschweinestalls auf dem Grundstück FlNr. 545 abgelehnt.
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Die Erweiterung der Pferdehaltung ist für das Baugebiet „B. …“ nach den vorliegenden Gutachten nicht relevant.
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Soweit der Antragsteller einen Ermittlungs- bzw. Bewertungsfehler darin sieht, dass die vorhandene Bebauung nördlich der G. …straße und östlich der B. … Straße nach Umsetzung des Bebauungsplans nicht mehr den Abschluss der Wohnbebauung am Ortsrand darstellt mit der Folge, dass hierfür künftig Geruchsrichtwerte mindestens für ein allgemeines Wohngebiet ohne Bildung von Zwischenwerten angesetzt werden müsste, übersieht er, dass für die Beurteilung, ob schädliche Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen hervorgerufen werden, vor allem der Charakter der Umgebung heranzuziehen ist. Bei der Bestimmung der Zumutbarkeit von Belästigungen sind etwaige Vorbelastungen schutzmindernd zu berücksichtigen, die eine schutzbedürfte Nutzung an einem Standort vorfindet, der - wie hier - durch eine schon vorhandene emittierende Nutzung vorgeprägt ist (vgl. BVerwG, U.v. 27.6.2017 - 4 C 3.16 - BVerwGE 159, 187 m.w.N.). Im Übrigen werden die maßgeblichen Immissionsrichtwerte nach den vorliegenden Gutachten eingehalten, da die Bebauungsabsichten des Antragstellers für die Errichtung eines Zuchtschweinestalls auf dem Grundstück FlNr. 545 - wie vorstehend ausgeführt - nicht zu berücksichtigen sind.
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Soweit der Antragsteller moniert, dass die Antragsgegnerin mit ihrem Hinweis auf mögliche emissionsmindernde Maßnahmen im Hinblick auf eine verträgliche Form der Erweiterung die Nachteile einer heranrückenden Wohnbebauung erkenne, ohne sie fehlerfrei in die Abwägungsentscheidung aufzunehmen, übersieht er, dass seine (immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige) (Hof-)Anlage, soweit sie von einer Vorbelastung profitieren möchte, seinerseits so zu errichten und zu betreiben ist, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, und nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden (vgl. BVerwG, U.v. 27.6.2017 - 4 C 3.16 - BVerwGE 159, 187).
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3. Ob die öffentliche Bekanntmachung des Bebauungsplans am 17. Mai 2022 ordnungsgemäß erfolgt ist, wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein. Zweifel daran bestehen insoweit, als die Antragsgegnerin in den textlichen Festsetzungen A.10.1.1, 10.2.1 und 10.3 auf ein technisches Regelwerk (hier DIN 4109 „Schallschutz im Hochbau“) Bezug genommen und darauf hingewiesen hat (C.20), dass die DIN-Vorschrift in den Auslegestellen des Deutschen Patent- und Markenamts sowie der Hochschule M1. eingesehen werden kann.
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Es ist anerkannt, dass die Gemeinde sicherstellen muss, dass die Betroffenen auch von der DIN-Vorschrift verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis erlangen können. Das kann sie dadurch bewirken, dass sie die in Bezug genommenen DIN-Vorschrift bei der Verwaltungsstelle, bei der auch der Bebauungsplan eingesehen werden kann, zur Einsicht bereithält und hierauf in der Bebauungsplanurkunde hinweist (vgl. BVerwG, B.v. 18.8.2016 - 4 BN 24.16 - NVwZ 2017, 166; B.v. 29.7.2010 - 4 BN 21.10 - NVwZ 2010, 1567). Mit dem Hinweis auf die Auslegestellen des Deutschen Patent- und Markenamts sowie der Hochschule M1. könnte es an der Zumutbarkeit der Einsichtnahme fehlen. Im Hinblick auf die besonderen Anforderungen an die Bekanntmachung von Bauleitplänen wird diskutiert, ob das ausreichend ist und den sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus § 10 Abs. 3 BauGB ergebenden Anforderungen genügt (offen gelassen in BayVGH, B.v. 12.2.2021 - 1 ZB 20.1186 - juris Rn. 3; bejaht bei Abdruck im Gemeinsamen Ministerialblatt VGH BW, U.v. 15.11.2011 - 8 S 1044/09 - juris Rn. 29; verneinend OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 21.3.2013 - OVG 10 A 1.10 - juris Rn. 51; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand Februar 2022, § 10 Rn. 127d). Ein etwaiger Mangel könnte bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens in einem ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB einer Heilung zugeführt werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 8 GKG. Sie orientiert sich an Nummern 1.5 und 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).