Titel:
Folgen einer Berufungsbeschränkung; ernsthaftes Bemühen um Wiedergutmachung – kommunikativer Prozess
Normenketten:
StPO § 318 S. 1, § 327
StGB § 46a, § 263 Abs. 1
Leitsätze:
1. Infolge einer wirksamen Rechtsmittelbeschränkung nach § 318 S. 1 StPO sind die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen zum Schuldspruch und die den Unrechts- und Schuldgehalt der Taten, insbesondere den Schuldumfang, erkennen lassen, in Rechtskraft erwachsen und der Prüfung des Berufungsgerichts entzogen (§ 327 StPO). Ergänzend dürfen nur nicht im Widerspruch dazu stehende Feststellungen durch die Berufungskammer getroffen werden. (Rn. 13 – 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Soweit § 46a Nr. 1 StGB es für den Täter-Opfer-Ausgleichs genügen lässt, dass der Täter die Wiedergutmachung seiner Tat ernsthaft erstrebt, ist grundsätzlich ein kommunikativer Prozess erforderlich. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufung, Rechtsmittelbeschränkung, Bindungswirkung, ergänzende Feststellungen, Täter-Opfer-Ausgleich, Wiedergutmachung, kommunikativer Prozess, tat- und täterbezogene Strafzumessungsgesichtspunkte, Verschlechterungsverbot
Vorinstanz:
AG Nördlingen, Urteil vom 03.03.2022 – 2 Ds 210 Js 105066/21
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 10.01.2023 – 207 StRR 378/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 40247
Tenor
1. Die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Nördlingen vom 03.03.2022 wird als unbegründet verworfen.
2. Der Angeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich seiner notwendigen Auslagen.
Entscheidungsgründe
I. Einleitende Feststellungen
1
Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Nördlingen vom 03.03.2022 wegen Betrugs in zwei Fällen zu einer unbedingten Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt (Einzelstrafen 4 Monate und 7 Monate). Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte form- und fristgerecht durch Verteidigerschriftsatz vom 04.03.2022 ein zunächst unbenanntes Rechtsmittel eingelegt. Im Termin zur Berufungshauptverhandlung beschränkte er, mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft, seine Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch.
2
Ziel der Berufung war eine Strafaussetzung zur Bewährung zu erreichen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
II. Persönliche Verhältnisse
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Vorbestraft ist der Angeklagte, wie er weiß und anerkennt, wie folgt:
3. 23.02.2012 AG Nördlingen …
Rechtskräftig seit 02.03.2012
Tatbezeichnung: Diebstahl in TE mit Sachbeschädigung in 3 tatmehrheitlichen Fällen
Datum der (letzten) Tat: 16.01.2011
Angewandte Vorschriften: StGB § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 242 Abs. 1, § 303,
§ 303 c, § 25 Abs. 2, § 52, § 53, JGG § 21
4. 11.11.2013 AG Ellwangen …
Rechtskräftig seit 19.11.2013
Tatbezeichnung: Diebstahl in 6 Fällen, Betrug in 4 Fällen
Datum der (letzten) Tat: 20.12.2011
Angewandte Vorschriften: StGB § 242 Abs. 1, § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 263 Abs. 3, § 25 Abs. 2, § 53, JGG § 17, § 61, § 105 Abs. 1 Nr. 1, § 31 Abs. 2
Jahr(e) 6 Monat(e) Jugendstrafe.
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 23.02.2012 … AG Nördlingen.
Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt bis 18.11.2015.
Strafaussetzung widerrufen.
Rest der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt bis 29.07.2021.
Bewährungshelfer bestellt.
Bewährungszeit verlängert bis 29.07.2022.
Diesem Urteil lagen als Sachverhalt Einbrüche in Kioske, Jugendhütten und ähnliche Örtlichkeiten zu Grunde, sowie, was die Betrugsfälle anbelangt, jeweils Betanken eines Kraftfahrzeugs, entsprechend der vorgefassten Absicht, ohne zu Bezahlen (Tatzeitraum bei allen Taten 2010 – bis gegen Ende 2011)
5. 26.10.2015 AG Nördlingen …
Rechtskräftig seit 11.02.2016
Tatbezeichnung: Diebstahl
Datum der (letzten) Tat: 11.05.2014
Angewandte Vorschriften: StGB § 242 Abs. 1
150 Tagessätze zu je 50,00 EUR Geldstrafe.
6. 04.05.2016 AG Neresheim …
Rechtskräftig seit 16.12.2016
Tatbezeichnung: Gemeinschaftl. gewerbsmäßiger Betrug in drei Fällen
Datum der (letzten) Tat: 18.07.2015
Angewandte Vorschriften: StGB § 263 Abs. 1, § 263 Abs. 3 Nr. 1, § 53, § 25 Abs. 2, § 55
1 Jahr(e) Freiheitsstrafe.
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 26.10.2015 …AG Nördlingen.
Strafrest zur Bewährung ausgesetzt bis 29.07.2021.
4
Bewährungshelfer bestellt.
5
Bewährungszeit verlängert bis 29.07.2022.
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Diesem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
7
1. Am 18.07.2015 verkaufte der Angeklagten von seiner … aus in bewusstem und gewolltem Zusammenleben mit D.S. über die Internetplatform E. ein Iphone 6 zum Preis von 524,99 € einschließlich Versandkosten an M. und täuschte dabei vor, in der Lage zu sein, den angebotenen Gegenstand zu liefern. Im Vertrauen hierauf überwies der Geschädigte am 24.07.2015 den Kaufpreis auf das vom Angeklagten angegebene Konto der D.S. mit der IBAN … bei der … Entsprechend seiner vorgefassten Absicht lieferte der Angeklagte die Ware auch nach Gelderhalt nicht aus, weshalb dem Geschädigten ein entsprechender Schaden entstanden ist.
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2. Am 24.07.2015 verkaufte der Angeklagte von seiner Wohnung aus in bewusstem und gewollten Zusammenwirken mit D.S. über die Internetplatform E. ein Ipad Air 2 zum Preis von 456,99 € einschließlich Versandkosten an B. und täuschte dabei vor, willens und in der Lage zu sein, den angebotenen Gegenstand zu liefern. Im Vertrauen hierauf überwies der Geschädigte am 01.08.2015 den Kaufpreis auf das selbe Konto der D.S. Entsprechend seiner vorgefassten Absicht lieferte der Angeklagte die Ware auch nach Gelderhalt nicht aus, weshalb dem Geschädigten ein entsprechender Schaden entstanden ist.
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3. Am 24.07.2015 verkaufte der Angeklagte von seiner Wohnung aus wieder in bewusstem und gewollten Zusammenwirken mit D.S. über die Internetplatform E. ein Smartphone Galaxy S6 zum Preis von 404,99 € einschließlich Versandkosten an K. und täuschte dabei vor, willens und in der Lage zu sein, den angebotenen Gegenstand zu liefern. Im Vertrauen hierauf überwies der Geschädigte den Kaufpreis auf dasselbe Konto der D.S. Entsprechend seiner vorgefassten Absicht lieferte der Angeklagte die Ware auch nach Gelderhalt nicht aus, weshalb dem Geschädigten ein entsprechender Schaden entstand. Der Angeklagte wollte sich durch diese Taten eine fortlaufende Einnahmequelle zur zumindest teilweisen Finanzierung seines Lebensunterhalts verschaffen.
7. 26.05.2020 AG Nördlingen …
Rechtskräftig seit 19.06.2020
Tatbezeichnung: Körperverletzung
Datum der (letzten) Tat: 04.02.2020
Angewandte Vorschriften: StGB § 223 Abs. 1, § 230 Abs. 1
40 Tagessätze zu je 40,00 EUR Geldstrafe.
10
Die Geldstrafe aus diesem Urteil ist vollständig bezahlt.
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Insgesamt ist aus den Urteilen Ziff. 6 und Ziff. 4 noch ein Strafrest von einem Jahr offen. Seitens der Staatsanwaltschaft Ellwangen ist bereits Antrag auf Widerruf der Strafaussetzung gestellt.
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Der Angeklagte ist bei der Kontakthaltung mit der Bewährungshelferin sehr unzuverlässig. Termine hat er vielfach nicht eingehalten. Daran hat sich auch nach schriftlicher Ermahnung durch das Gericht und nach einer erfolgten gerichtlichen Anhörung im Rahmen der Bewährungsüberwachung nichts geändert. Zu einem zweiten anberaumten gerichtlichen Anhörungstermin erschien der Angeklagte nicht. Seitens der Bewährungshelferin wurde bereits ein Widerruf der Strafaussetzung angeregt, da eine Zusammenarbeit unter diesen Umständen keinen Sinn mache.
III. Sachverhalt und rechtliche Würdigung
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Infolge der wirksamen Rechtsmittelbeschränkung nach § 318 S. 1 StPO sind die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen zum Schuldspruch, auf die Bezug genommen wird und die den Unrechts- und Schuldgehalt der Taten, insbesondere den Schuldumfang, erkennen lassen, in Rechtskraft erwachsen und der Prüfung des Berufungsgerichts entzogen (§ 327 StPO).
14
Ergänzend und nicht im Widerspruch zu den bindenden Feststellungen hat die Berufungskammer folgende Feststellungen getroffen:
15
Der Angeklagte hat bislang die in diesem Verfahren gegenständlichen offenen Rechnungen der Geschädigten noch nicht beglichen, weil er andere Zahlungsverpflichtungen priorisiert hat. Er ist nunmehr allerdings zur Schadenswiedergutmachung bereit. Eine am Morgen der Berufungshauptverhandlung versuchte Zahlung mittels Überweisung scheiterte, da das Konto des Angeklagten nicht die erforderliche Deckung aufwies und dem Angeklagten kein Überziehungskredit eingeräumt ist.
16
Die Überzeugung des Gerichts zu den persönlichen Verhältnissen beruht auf den insoweit glaubhaften Angaben des Angeklagten. Die Überzeugung zu den Vorstrafen beruht auf dem Auszug aus dem Bundeszentralregister, dessen Inhalt der Angeklagte als richtig anerkannt hat, sowie auf den auszugsweise verlesenen vorhergehenden Verurteilungen.
17
Dass noch ein Jahr Strafrest offen ist, wurde vom Angeklagten glaubhaft selbst angegeben und wurde durch auszugsweise Verlesung des Beschlusses der auswärtigen Strafvollstreckungskammer bei dem Amtsgericht Landsberg am Lech vom 23.07.2018 über die Aussetzung der Strafreste bestätigt. Die vollständige Bezahlung der Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Nördlingen vom 26.05.2020 (siehe oben, Ziff. 7), wurde vom Angeklagten ebenfalls selbst glaubhaft angegeben und konnte auch anhand der entsprechenden Verfahrensakte anhand der Niederschrift zur Abwendung einer Ersatzfreiheitsstrafe bestätigt werden.
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Die Überzeugung des Gerichts vom Bewährungsverlauf und der unbefriedigten Kontakthaltung zur Bewährungshelferin beruht auf verlesenen, zahlreichen Berichten der Bewährungshelferin aus dem Zeitraum 21.09.2019 bis 08.07.2022 und dem verlesenen Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft Ellwangen vom 09.06.2021.
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Die Überzeugung der Kammer hinsichtlich der ergänzenden Feststellungen zur Frage der Schadenswiedergutmachung beruht auf den insoweit glaubhaften Angaben des Angeklagten. Er gab an, er habe eine Kundenzahlung von 8.000 € erwartet. Da diese aber (noch) nicht eingegangen sei, habe sein Konto keine genügende Deckung für die beabsichtigte Zahlung am Morgen der Berufungshauptverhandlung aufgewiesen und die von ihm versuchte Überweisung sei nicht ausgeführt worden. Er habe aber vor, die Rechnungen jetzt zeitnah zu begleichen. Er habe die Rechnungen nicht bereits früher beglichen, weil auch noch andere Rechnungen offen gewesen seien und er diese beglichen habe.
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Die Strafe war jeweils dem Strafrahmen des § 263 Abs. 1 StGB zu entnehmen, der Freiheitsstrafe zwischen einem Monat und fünf Jahren oder Geldstrafe zwischen fünf und 360 Tagessätzen vorsieht.
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Eine Strafrahmenverschiebung kam nicht in Betracht. Insbesondere erfüllt die lediglich beabsichtigte aber noch nicht einmal begonnene Schadenswiedergutmachung nicht die Voraussetzungen des § 46 a Nr. 1 oder Nr. 2 StGB. Hinsichtlich der Nr. 1 fehlt es auch an den vorausgesetzten Ausgleichsbemühungen im Sinne eines kommunikativen Prozesses.
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Die Kammer hat im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne jeweils alle tat- und täterbezogenen Strafzumessungsgesichtspunkte umfassend abgewogen, wobei insbesondere die nachfolgenden Erwägungen zum Tragen kamen:
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Zu Gunsten des Angeklagten wurde jeweils insbesondere berücksichtigt, dass der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung seine Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat, was wie ein Geständnis zu werten ist und von Unrechtseinsicht zeugt, sowie dass er nunmehr zumindest zur Schadenswiedergutmachung bereit ist und hierzu einen – wenn auch erfolglosen – Versuch unternommen hat. Ebenfalls strafmildernd wurde berücksichtigt der mittlerweile jeweils erhebliche Zeitablauf seit Begehung der Taten von fast drei Jahren bzw. mehr als zweieinhalb Jahren. Hinsichtlich der zeitlich ersten Tat war dem Angeklagten ferner ein Härteausgleich zu gewähren, da wegen vollständiger Zahlung eine Gesamtstrafenbildung mit der Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Nördlingen vom 26.05.2020 nicht mehr möglich war. Das Gericht hat ferner auch bedacht und in seine Abwägung eingestellt, dass dem Angeklagten aufgrund der neuen Verurteilung, insbesondere im Fall der Verhängung von unbedingten Freiheitsstrafen, der Widerruf der gewährten Aussetzung der Reststrafen zu Bewährung droht und er in diesem Fall eine zusätzliche Haftzeit von einem Jahr zu verbüßen haben wird.
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Strafverschärfend fielen insbesondere folgende Gesichtspunkte ins Gewicht:
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Der Schaden war bei beiden Taten nicht völlig unerheblich. Der Angeklagte ist ferner bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten und stand zu den Tatzeitpunkten unter zweifach offener Reststrafenbewährung. Diese Verurteilungen waren auch einschlägiger Art, wobei die Kammer relativierend berücksichtigt hat, dass die Taten und die Verurteilungen, die diesen Reststrafenbewährungen zu Grunde liegen, schon sehr lange Zeit zurück liegen und es sich im einen Fall noch um eine Verurteilung zu einer Jugendstrafe handelt. Der Angeklagte wurde am 11.11.2013 u. a. wegen Betrugs in mehreren Fällen zu einer Jugendstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt, zunächst unter Strafaussetzung zur Bewährung. Hiervon hat er sich aber, jedenfalls längerfristig, nicht beeindrucken lassen, sondern trat im Jahr 2014 mit einem Diebstahl und 2015 mehrfach wieder mit Betrugstaten in Erscheinung, wegen derer er am 04.05.2015 durch das Amtsgericht Neresheim zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Auch der bis Juli 2018 erlebte Strafvollzug sowie der Umstand, dass er unter zweifach offener Reststrafenbewährung stand, hat ihn nicht von der Begehung der vorliegenden beiden Taten abgehalten. Die zeitlich erste beging er weniger als eineinhalb Jahre nach seiner Entlassung aus Strafhaft. Die zeitlich zweite der hier gegenständlichen Taten beging er zudem wenige Monate nach einer Verurteilung zu einer Geldstrafe wegen einer ebenfalls bereits innerhalb der Reststrafenbewährungszeit begangenen Körperverletzung.
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Unter Abwägung all dieser Gesichtspunkte, insbesondere aber aufgrund der erneuten und auch einschlägigen Delinquenz in offener Bewährung und der relativ hohen Rückfallgeschwindigkeit nach der letzten Haftentlassung, kam die Verhängung von Geldstrafen nicht mehr in Betracht. Soweit eine Freiheitsstrafe von unter sechs Monaten zu verhängen war, sind die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB erfüllt. Die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Angeklagten ist unerlässlich, wobei sich das Gericht des Ausnahmecharakters der kurzen Freiheitsstrafe bewusst war und diesen Umstand in seine Abwägung einbezogen hat und auch noch einmal ausdrücklich insbesondere die Rechtsmittelbeschränkung und den Zeitablauf seit den Taten in die Waagschale geworfen hat. Schließlich aber hat sich der Angeklagten von keiner der gegen ihn bisher verhängten Ahndungen, auch nicht vom verbüßten Strafvollzug und dem Umstand, dass er unter Reststrafenbewährung stand, von der Begehung neuerlicher vorsätzlicher Straftaten abhalten lassen. Schließlich ist die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe auch zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich. Aus Sicht der rechtstreuen Allgemeinheit wäre es völlig unverständlich, gegen einen Angeklagten erneut eine Geldstrafe zu verhängen, der bereits mehrfach wegen einschlägigen Delikten verurteilt wurde, den Strafvollzug bereits kennengelernt hat und bei Tatbegehung unter Reststrafenbewährung steht.
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Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechender strafzumessungsrelevanter Gesichtspunkte, insbesondere der oben genannten, hielt die Berufungskammer folgende Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen:
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Für die zeitlich erste Tag unter Berücksichtigung des Härteausgleichs eine solche von vier Monaten, für die zeitlich zweite Tat eine solche von sieben Monaten.
29
An der Verhängung höherer Einzelstrafen war das Gericht durch das Verschlechterungsverbot des § 331 Abs. 1 StPO gehindert.
30
Da aufgrund der vollständigen Erledigung der Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Nördlingen vom 26.05.2020 die Zäsurwirkung dieser Verurteilung weggefallen ist, war aus den beiden oben genannten Einzelstrafen gem. §§ 53 Abs. 1, 54 StGB eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden. Eine solche von neun Monaten erschien dem Gericht tat- und schuldangemessen, wobei alle oben im einzelnen aufgeführten Strafzumessungsgesichtspunkte erneut umfassend gewürdigt wurden und nicht die Summe der Einzelstrafen, sondern die Gesamtwürdigung der Person des bereits mehrfach vorbestraften Angeklagten im Vordergrund stand. Außerdem wurde berücksichtigt, dass zwischen den Taten zwar kein enger zeitlicher, aber ein situativer Zusammenhang bestand. Diese Gesamtfreiheitsstrafe wird dem Gesamtgewicht der Taten und dem Ausmaß der Verfehlungen des Angeklagten gerecht.
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Die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe konnte nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, da die Voraussetzungen für eine günstige Prognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB nicht vorliegen. Dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird, kann nicht erwartet werden. Diese prognostische Zukunftsbeurteilung ist auf der Grundlage einer umfassenden Gesamtbewertung von Tat und Täterpersönlichkeit vorgenommen worden, insbesondere unter Berücksichtigung aller oben im Einzelnen bereits geschilderten Umstände, die zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten ins Gewicht fallen und auf die verwiesen wird. Zwar ist aus dem Umstand allein, dass der Angeklagte in offener Bewährung erneut straffällig wurde, ebenso wenig eine positive Sozialprognose zu versagen wie daraus, dass er bereits mehrfach einschlägig vorbestraft ist, ohne dass diese Verurteilungen geeignet waren, ihn von weiteren Straftaten abzuhalten. Die Gesamtschau aller Umstände lässt indes die Wahrscheinlichkeit künftig straffreien Lebens des Angeklagten keinesfalls größer erscheinen als die Befürchtung weiterer gleichgearteter Straftaten. Es fehlt mithin bei Abwägung aller Umstände die auf greifbaren Tatsachen beruhende Grundlage für die Erwartung, der Angeklagte werde bei einer Strafaussetzung zur Bewährung künftig keine Straftaten mehr begehen.
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Sorgfältig bedacht wurde dabei insbesondere, dass der Angeklagte sozial integriert ist und einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Trotzdem erscheint selbst bei Ausschöpfung aller zulässigen und nicht in Strafvollzug bestehenden Sanktionen die Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens bei dem Angeklagten deutlich geringer als diejenige neuer Straftaten. Es darf nämlich nicht übersehen werden, dass die bisherigen Ahndungen und auch der bereits erlebte Strafvollzug bei ihm nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt haben. Im Gegenteil wurde der Angeklagte trotz mehrfacher Ahndungen einschlägiger Straftaten erneut einschlägig straffällig. Der in der Familie und Arbeit grundsätzlich zu sehende stabilisierende Faktor war auch bei der Begehung der Taten jeweils bereits vorhanden. Der Angeklagte ist seit neun Jahren mit seiner derzeitigen Lebensgefährtin liiert und seit sieben Jahren Vater. Er übt seit vielen Jahren seine derzeitige selbständige Tätigkeit aus. Weder die Verantwortung für seine Familie und die soziale Integration, noch seine Erwerbstätigkeit haben ihn von der Begehung der neuerlichen Taten abgehalten. Die zeitlich zweite Tat steht sogar im Zusammenhang mit seiner selbständigen Erwerbstätigkeit. Es handelte sich um eine Bestellung für einen Kundenauftrag. Der Umstand, dass er weiterhin selbständig tätig und gleichzeitig verschuldet ist bzw. kein finanzielles Polster hat, birgt vielmehr sogar ein nicht unerhebliches Risiko für die Begehung weiterer Betrugstaten zur Aufrechterhaltung der betrieblichen Tätigkeit, insbesondere im Falle ausbleibender oder verspäteter Kundenzahlungen.
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Schwer wiegt im Rahmen der Gesamtabwägung, dass der Angeklagte in offener einschlägiger Reststrafenbewährung nicht nur eine erneute einschlägige Tat begangen hat, sondern zwei, die letzte zudem nachdem er bereits einen „Warnschuss“ durch eine Geldstrafe wegen einer nicht einschlägigen Tat erhalten hat. Hinzu kommt, dass sich der Angeklagte im Rahmen der ihm gewährten Reststrafenbewährung als unzuverlässig erwiesen. Dies zeigt nach Überzeugung der Kammer ebenfalls, dass der Angeklagte Freiheitsstrafen unter Strafaussetzung zur Bewährung nicht hinreichend ernst nimmt und erschwert eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Bewährungshilfe zur Verminderung des Rückfallrisikos. Eine erneut zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe hätte bei dem Angeklagten nicht die erforderliche Warnfunktion, sondern würde von ihm nur als eine im wesentlichen folgenlose Sanktion sowie als Nachgiebigkeit der Justiz ihm gegenüber missverstanden werden und er würde regelrecht zur Begehung weiterer Straftaten ermuntert werden.
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Die Kammer hat bei ihrer Gesamtbewertung schließlich auch erneut bedacht, dass dem Angeklagten möglicherweise der Widerruf der gewährten Reststrafenaussetzung zur Bewährung droht und damit ein zusätzlicher Strafvollzug, der die Dauer der vorliegenden Gesamtstrafe übersteigt und dass der Angeklagte bei Verhängung einer Vollzugsstrafe auch seine derzeitige berufliche Tätigkeit – zumindest für einen gewissen Zeitraum – wieder aufgeben muss. Gleichwohl war auch vor diesem Hintergrund keine andere Entscheidung geboten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.