Titel:
Ausnahme vom Grundsatz der natürlichen Betrachtungsweise bei unterschiedlichen Verkehrsfunktionen mit unterschiedlich hohen Gemeindeanteilen
Normenketten:
BayKAG Art. 2 Abs. 1, Art. 5
BayGO Art. 38 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Bei der Erhebung von Vorauszahlungen ist prognostisch nach der Erkenntnislage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung auszugehen, wie sich die Straße nach vollständiger Umsetzung des gemeindlichen Bauprogramms insbesondere im Verhältnis zu den sich anschließenden Straßen darstellen wird. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Ausnahme von der natürlichen Betrachtungsweise ist geboten, wenn mehrere Verkehrsanlagen unterschiedlichen Verkehrsfunktionen dienen, die zu unterschiedlichen Gemeindeanteilen führen. In einer solchen Fallgestaltung handelt es sich ausbaubeitragsrechtlich um zwei selbständige Einrichtungen, auch wenn sie nach ihrem Erscheinungsbild als eine einzelne Anlage erscheinen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Erhebung von Vorausleistungen bzw. Vorauszahlungen muss die, die Verkehrsfunktion widerspiegelnde straßenrechtliche Widmung bei Erlass des Bescheids jedoch noch nicht vorliegen.Erst im Hinblick auf eine endgültige Beitragsabrechnung ist der beabsichtigten Änderung der Verkehrsfunktionen, soweit straßenrechtlich geboten, Rechnung zu tragen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
4. Anders als im Erschließungsbeitragsrecht erschöpft sich der Sondervorteil im Ausbaubeitragsrecht in der qualifizierten Inanspruchnahmemöglichkeit als solcher. Diese kommt grundsätzlich jeder sinnvollen und zulässigen, nicht nur der baulichen oder gewerblichen Nutzung zu. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
5. Den nicht gefangenen Hinterliegergrundstücken wächst ein die Beitragserhebung rechtfertigender Sondervorteil nur zu, wenn im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, von ihnen aus werde über die Anliegergrundstücke die ausgebaute Anlage in nennenswertem Umfang in Anspruch genommen. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Straßenausbaubeitrag (Vorauszahlung), Ausnahme vom Grundsatz der natürlichen Betrachtungsweise bei unterschiedlichen Verkehrsfunktionen mit unterschiedlich hohen Gemeindeanteilen, hier: verkehrsberuhigter Bereich / Fußgängerzone, Einbeziehung eines nicht gefangenen Hinterliegergrundstücks mit rechtlich gesicherter Inanspruchnahmemöglichkeit des Zugangs über das Anliegergrundstück in die Aufwandsverteilung, natürliche Betrachtungsweise, Anliegergrundstück, unterschiedliche Verkehrsfunktionen, verkehrsberuhigter Bereich, Fußgängerzone, Gemeindeanteil, Straßenausbaubeitrag, Vorauszahlung, Hinterliegergrundstück, Aufwandsverteilung, Sondervorteil, Inanspruchnahmemöglichkeit, beitragsfähige Ausbaumaßnahme, Beitragssatz, Verkehrseinrichtung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 39519
Tenor
I. Der Vorauszahlungsbescheid des Beklagten vom 4. November 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts L. am L. vom 13. März 2019 wird insoweit aufgehoben, als darin eine Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag von mehr als 1.343,47 Euro festgesetzt worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin 3/4, der Beklagte 1/4.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einer Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag für die Erneuerung bzw. Verbesserung der öffentlichen Einrichtung „M.straße EA 4“.
2
Die M.straße, die bereits seit dem frühen 20. Jahrhundert Erschließungsfunktion besitzt, führt von der S. straße 2. im Westen quer durch den historischen Ortskern des beklagten Marktes und endet im Osten an einer nahe des Ammersees gelegenen Bahnunterführung. Am 1. Juni 1964 wurde die M.straße als O1. straße gewidmet. Im März 2014 begann der Beklagte damit, die M.straße zu sanieren und komplett neu zu gestalten. Zu diesem Zweck unterteilte der Beklagte die Verkehrsanlage in vier Teilstrecken, auf denen er diverse, sich teilweise erheblich unterscheidende Straßenbaumaßnahmen durchführte. Das ganz im Westen auf FlNr. 235 der Gemarkung D. … … (gleiche Gemarkung gilt auch für alle folgenden FlNrn.) gelegene Teilstück wurde mit der „Fischerei“ verbunden und zu einer Haupterschließungsanlage ausgebaut (sog. „Erschließungsanlage 1“ = „EA 1“). Das mittlere Teilstück auf der FlNr. 235/18 wurde zu einem verkehrsberuhigten Bereich ausgebaut (sog. „EA 2“). Hiervon abzweigend verläuft ein weiteres Teilstück der M.straße Richtung Norden (sog. „EA 3“), welches, genau wie das ganz im Osten gelegene, streitgegenständliche Teilstück auf den FlNrn. 235/25 und 235/27 (sog. „EA 4“), zu einer Fußgängerzone ausgebaut wurde. Südlich der EA 4 fließt der …bach.
3
Die Klägerin ist Miteigentümerin (Anteil 91/1000) des Grundstücks mit der FlNr. 280, das an dem als EA 4 bezeichneten, östlichen Teilstück der M.straße anliegt.
4
Nach Abschluss der tatsächlichen Baumaßnahmen im Oktober 2015 setzte der Beklagte mit Bescheid vom 4. November 2015 für das Grundstück der Klägerin eine Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag in Höhe von insgesamt 19.552,31 Euro für die Straßenbaumaßnahmen „M.straße EA 4“ fest. Zugleich wurde die Klägerin zur Zahlung ihres Miteigentumsanteils in Höhe von 1.779,26 Euro aufgefordert.
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Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies das Landratsamt L. am L. mit Widerspruchsbescheid vom 13. März 2019 als unbegründet zurück. In den Gründen des Bescheids hieß es auf die entsprechenden Rügen des Klägerbevollmächtigten hin unter anderem, dass es sich bei der Sanierung und Umgestaltung der M.straße um eine Erneuerung und gleichzeitig um eine Verbesserung im Sinne des Straßenausbaubeitragsrechts handle. Gegenstand einer beitragsfähigen Maßnahme sei die einzelne Erschließungsanlage und bei der M.straße handle es sich beitragsrechtlich um vier Erschließungsanlagen. Die EA 4 sei als Fußgängerbereich im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 5 der Ausbaubeitragssatzung des Beklagten (ABS) einzustufen, sodass bereits die sich von der EA 2 unterscheidende Verkehrsfunktion eine Abgrenzung erforderlich mache. Den Grundstücken FlNrn. 351, 353, 353/1 und 353/2 mangele es durch die trennende Wirkung des Mühlbachs an einem besonderen Vorteil. Gleiches gelte für das Grundstück mit der FlNr. 352, das als sog. „nicht gefangenes Hinterliegergrundstück“ vom Beklagten zu Recht nicht berücksichtigt worden sei, da es über keinen rechtlich gesicherten Zugang zur M.straße verfüge.
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Am 18. April 2019 hat die Klägerin gegen den Bescheid fristgerecht Klage zum Verwaltungsgericht München erhoben. Zur Begründung ihrer Klage trägt sie im Wesentlichen vor, dass die vorgenommene Abgrenzung der einzelnen Erschließungsanlagen nicht nachvollziehbar sei. Die Abgrenzung der einzelnen Erschließungsanlage bestimme sich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten einem unbefangenen Beobachter vermitteln. Eine Ausnahme hiervon sei zwar im Straßenausbaubeitragsrecht dann möglich, wenn der Straße eine unterschiedliche Verkehrsfunktion mit unterschiedlich hohen Gemeindeanteilen zukomme. Die EA 4 schließe jedoch noch einen Teilbereich des verbreiterten und platzähnlichen Bereichs der M.straße mit ein, sodass der Beginn des Fußgängerbereichs nicht nachvollziehbar sei. Hinzu komme, dass das Verkehrsschild „Fußgängerzone“ erst nach Abschluss der tatsächlichen Baumaßnahmen aufgestellt worden sei, woraus hervorginge, dass die unterschiedlichen Verkehrsfunktionen ursprünglich nicht vorgesehen gewesen seien. Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, dass auch die südlich des …bachs am A.Weg gelegenen und mit der M.straße durch eine Fußgängerbrücke verbundenen Grundstücke einen straßenausbaubeitragsrechtlichen Vorteil hätten. Die Grundstücke FlNrn. 351 und 352 seien ebenfalls heranzuziehen, da die im Eigentum des Beklagten stehende Brücke und Zuwegung über das Grundstück FlNr. 395/8 den jeweiligen Eigentümern der beiden Grundstücke einen Erschließungsvorteil vermittelten. Schließlich wurde noch die fehlerhafte (Nicht-)Berücksichtigung diverser Vollgeschosse und Eckermäßigungen im Rahmen der Aufwandsverteilung gerügt.
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Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 4. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts L. vom L. vom 13. März 2019 aufzuheben.
8
Der Beklagte beantragt,
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und tritt dem Vorbringen der Klagepartei entgegen.
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Am 4. August 2021 und am 11. November 2022 fanden mündliche Verhandlungen statt, in denen die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten ausführlich erörtert wurde.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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A. Die zulässige Anfechtungsklage hat in der Sache teilweise Erfolg.
13
Der Straßenausbaubeitragsbescheid des Beklagten vom 4. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts L. vom L. vom 13. März 2019 ist rechtwidrig, soweit darin - den Miteigentumsanteil der Klägerin betreffend - eine höhere Vorausleistung als 1.343,47 € festgesetzt worden ist, und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig.
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1. Der streitgegenständliche Vorauszahlungsbescheid beruht auf Art. 5 Abs. 5 KAG. Danach dürfen Vorauszahlungen auf einen Beitrag verlangt werden, wenn mit der Ausführung der Maßnahmen begonnen worden ist, für die der Beitrag erhoben werden soll.
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Aus dem Wesen der Vorauszahlung als einer Zahlung vor Entstehung einer Beitragspflicht und aus der darin begründeten Abhängigkeit von einer künftigen Beitragsschuld nach Grund und Höhe fordert ihre Festsetzung jedoch das Vorhandensein einer gültigen Beitragsregelung in Gestalt einer Abgabensatzung nach Art. 2 Abs. 1 KAG, weil nur so die rechtlichen Voraussetzungen für die spätere Begründung einer Beitragspflicht geschaffen werden können (BayVGH, st. Rspr.; vgl. z.B. U.v. 1.6.2011 - 6 BV 10.2467 - BayVBl 2012, 206 m.w.N.). Eine solche Regelung hat der Beklagte mit seiner Satzung über die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen, Parkplätzen, Grünanlagen und Kinderspielplätzen des Beklagten vom 22. März 2011 (Ausbaubeitragssatzung - ABS) erlassen.
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2. Gegenstand einer beitragsfähigen Ausbaumaßnahme ist grundsätzlich die einzelne O1. straße als die maßgebliche öffentliche Einrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG. Wie weit eine solche O1. straße reicht (und wo eine andere Verkehrsanlage beginnt), bestimmt sich nicht nach dem Straßennamen, sondern grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter im Hinblick auf Straßenführung, Straßenbreite und -länge sowie Straßenausstattung vermitteln. Zu fragen ist dabei, inwieweit sich die zu beurteilende Einrichtung als augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes darstellt. Zugrunde zu legen ist dabei der Zustand im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten, also nach Durchführung der Ausbaumaßnahme. Bei der - hier in Streit stehenden - Erhebung von Vorauszahlungen, die begrifflich immer vor dem Entstehen der endgültigen sachlichen Beitragspflichten erfolgt, ist demnach prognostisch nach der Erkenntnislage im Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung zu bewerten, wie die O1. straße sich nach vollständiger Umsetzung des gemeindlichen Bauprogramms insbesondere im Verhältnis zu den sich anschließenden Straßen darstellen wird (vgl. im Einzelnen: BayVGH, U.v. 1.6.2011 - 6 BV 10.2467 - BayVBl 2012, 206/208 m.w.N; B.v. 13.8.2014 - 6 ZB 12.1119 - juris Rn. 8 m.w.N.; B.v. 10.7.2019 - 6 CS 19.987 - juris Rn.9).
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Von dem Grundsatz der natürlichen Betrachtungsweise können spezifisch ausbaubeitragsrechtliche Umstände allerdings eine Ausnahme verlangen (vgl. Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 11. Aufl. 2022, § 31 Rn. 12). Eine Ausnahme ist insbesondere dann geboten, wenn mehrere Verkehrsanlagen unterschiedlichen Verkehrsfunktionen dienen, die zu unterschiedlichen Gemeindeanteilen führen. In einer solchen Fallgestaltung handelt es sich ausbaubeitragsrechtlich um zwei selbständige Einrichtungen, auch wenn sie nach ihrem Erscheinungsbild als eine einzelne Anlage erscheinen (st. Rspr., vgl. BayVGH, B.v. 31.7.2009 - 6 ZB 07.2228 - juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 8.4.2010 - 6 ZB 09.2308 - juris Rn. 5; Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, X. Ermittlungsraum, Rn. 2151 m.w.N.). Aufgrund des Wesens der Vorauszahlung ist auch in Bezug auf diese ausbaubeitragsspezifische Ausnahme entscheidend darauf abzustellen, wie sich die beabsichtigte gemeindliche Konzeption hinsichtlich der unterschiedlichen Verkehrsfunktionen der einzelnen Verkehrsanlagen nach deren vollständiger Verwirklichung darstellen wird.
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Gemessen an diesen Maßstäben hat der Beklagte zu Recht das westliche Ende (im Osten endet die Anlage unstreitig vor der Bahnunterführung) der der Beitragserhebung zugrundeliegenden Anlage („M.straße EA 4“) an der Grenze zwischen den Grundstücken FlNr. 237/27 einerseits und FlNr. 235/18 andererseits angenommen.
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a) Während hinsichtlich der „M.straße EA 4“ vom Beklagten zum Zeitpunkt des Erlasses des Vorausleistungsbescheids beabsichtigt war, diese in Zukunft als Fußgängerzone im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 5 ABS auszugestalten, sollte die auf der FlNr. 235/18 gelegene „M.straße EA 2“ ausweislich der den Baumaßnahmen zugrundeliegenden Plänen einen verkehrsberuhigten Bereich nach § 7 Abs. 2 Nr. 4 ABS darstellen. Führen die unterschiedlichen Verkehrsfunktionen beider Straßen somit so wie hier zu unterschiedlichen Gemeindeanteilen, handelt es sich ausbaubeitragsrechtlich zwingend um zwei selbständige Einrichtungen.
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b) Soweit die Klagepartei vorträgt, dass diese Verkehrskonzeption nicht „von Anfang an“ beabsichtigt gewesen sei, sondern erst nach Abschluss der tatsächlichen Baumaßnahmen beschlossen worden sei, was sich insbesondere dadurch zeige, dass das Verkehrsschild Fußgängerzone erst „lange nach Abschluss der tatsächlichen Baumaßnahmen“ aufgestellt worden sei, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung.
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aa) Zum einen spricht schon vieles dafür, dass die Annahme der Klagepartei, dass die Verkehrskonzeption nicht „von Anfang an“ beabsichtigt gewesen sei, nicht den Tatsachen entspricht (vgl. etwa das Schreiben des Landratsamtes L. am L. vom 8. Januar 2013 an den beklagten Markt, in dem das Landratsamt die vier zu bildenden „Erschließungsanlagen“ mitsamt der jeweils zugrunde zulegenden Verkehrsfunktion ausdrücklich bezeichnet).
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bb) Zum anderen kommt es hinsichtlich der Frage, zu welchem Zeitpunkt das Verkehrskonzept (spätestens) bestanden haben muss, nicht, wie die Klagepartei meint, auf den Zeitpunkt des Abschlusses der tatsächlichen Baumaßnahmen an. Es ist - wie oben dargelegt - vielmehr auf den Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung abzustellen. Dass das gewählte Verkehrskonzept hinsichtlich der einzelnen Erschließungsanlagen jedenfalls zum Zeitpunkt des Erlasses des Vorauszahlungsbescheids am 4. November 2015 bereits feststand, dürfte sich bereits unmittelbar aus dem Bescheid selbst ergeben, da der Beitragsberechnung für das klägerische Grundstück ein Gemeindeanteil von 40% zugrunde gelegt worden ist. Dieser Anteil entspricht der Regelung in § 7 Abs. 2 Nr. 5 ABS für Fußgängerbereiche (ein Gemeindeanteil von 40% findet sich in der Satzung ansonsten nur für - vorliegend offensichtlich nicht einschlägig - selbstständige Radwege). Hinzu kommt, dass der Beklagte im gerichtlichen Verfahren - ohne dass diese Behauptung von der Klagepartei substantiiert in Frage gestellt worden wäre - mitteilte, dass das in Rede stehende Verkehrsschild, das die entsprechende Planungsabsicht der Beklagten auch nach außen und für jedermann erkennbar manifestiert hat, bereits Ende Oktober 2015 aufgestellt worden sei. Selbst wenn das Verkehrsschild somit tatsächlich erst nach Abschluss der Baumaßnahmen im Sommer/Herbst 2015 aufgestellt worden wäre, stand das gemeindliche Verkehrskonzept jedenfalls noch vor Erlass der Vorauszahlungsbescheide im November 2015 fest.
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c) Unschädlich ist in diesem Zusammenhang weiterhin, dass die geplante (und in tatsächlicher Hinsicht schon damals bereits baulich verwirklichte) Verkehrsanlage bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Vorauszahlungsbescheids noch nicht straßenrechtlich als Fußgängerzone gewidmet war und dies nach Auskunft der Beklagtenvertreter auch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht nachgeholt worden ist. Tatsächlich existiert bisher nur eine Eintragungsverfügung aus den 60er Jahren, die die (historische) M.straße als O2. straße widmet. Bei der Erhebung von Vorausleistungen bzw. Vorauszahlungen muss die (die Verkehrsfunktion widerspiegelnde) straßenrechtliche Widmung bei Erlass des Bescheids jedoch noch nicht vorliegen (vgl. Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, 1. Formelle Voraussetzung, Rn. 1410 m.w.N. zur auf das Ausbaubeitragsrecht übertragbaren Fallgestaltung im Erschließungsbeitragsrecht). Erst im Hinblick auf eine endgültige Beitragsabrechnung obläge es dem Beklagten, der beabsichtigten Änderung der Verkehrsfunktionen, soweit straßenrechtlich geboten (vgl. Art. 7 Abs. 1 BayStrWG) Rechnung zu tragen (Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 11. Aufl. 2022, § 31 Rn. 15).
24
d) Auch die klägerische Rüge, dass der im Rahmen der Beitragsberechnung für die EA 4 ermittelte Beitragssatz in etwa doppelt so hoch gewesen sei, wie derjenige für die EA 2 und deshalb eine „willkürliche Abschnittsbildung“ vorliege, vermag weder in der Begründung noch im Ergebnis durchzudringen.
25
aa) Die Ermittlung des jeweiligen Beitragssatzes hängt nicht nur von dem jeweils in Ansatz gebrachten (umlagefähigen) Aufwand, sondern insbesondere vom Umfang der erschlossenen Grundstücksflächen ab. Die Höhe des Beitragssatzes orientiert sich mithin an den konkreten, örtlichen Gegebenheiten, die sich naturgemäß von Anlage zu Anlage erheblich unterscheiden können. Vorliegend dürfte der höherer Beitragssatz für die EA 4 mithin vor allem dem („zufälligen“) Umstand geschuldet sein, dass die M.straße in diesem Teilstück zu nicht unerheblichen Teilen nur einseitige Anbaufunktion genießt. Im vorliegenden Fall kommt sogar noch hinzu, dass die konkrete Beitragssatzermittlung im Falle der EA 2 voraussichtlich fehlerhaft durchgeführt wurde, da dort der sog. „U.platz“ zu Gunsten der Anlieger der EA 2 nicht zum Aufwand hinzugezählt worden ist, obwohl dies aus Sicht der Kammer erforderlich gewesen wäre. Da der für die EA 4 ermittelte Beitragssatz seinerseits wiederum zu hoch angesetzt worden ist (vgl. hierzu nachfolgend 4.), dürfte die Differenz zwischen den genannten Beitragssätzen tatsächlich deutlich geringer als von der Klagepartei angenommen sein.
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bb) Unabhängig davon müssen die unterschiedlichen Beitragssätze als Ausfluss der (zwingenden) ausbaubeitragsspezifischen Ausnahme vom Grundsatz der natürlichen Betrachtungsweise im Falle von unterschiedlichen Verkehrsbedeutungen, die zu unterschiedlichen Gemeindeanteilen führen, jedoch ohnehin als „systembedingt“ hingenommen werden. Denn sie sind letztlich das Ergebnis der dem gemeindlichen Gestaltungsspielraum unterfallenden Verkehrsplanung und damit - hieran anknüpfend - den unterschiedlichen Funktionen der einzelnen Verkehrsanlagen (allgemein zur unterschiedlichen Verkehrsbedeutung von und vorteilsgerechten Bestimmung eines Gemeindeanteils bei Fußgängerzonen: BayVGH, U.v. 6.2.2020 - 6 B 19.1260 - juris Rn. 30 ff.).
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cc) Soweit der Klägerbevollmächtigte in seinen Schriftsätzen ausführlich auf die Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Abschnittsbildung eingeht, erübrigt sich eine (darüberhinausgehende) Auseinandersetzung damit allein schon deshalb, weil vorliegend vom Beklagten gerade keine Abschnitte gebildet worden sind, sondern die (historische) M.straße - wie ausgeführt - aus Rechtsgründen in mehrere selbstständige öffentliche Einrichtungen zerfällt.
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e) Nach alledem kann auch dahingestellt bleiben, ob - wofür durchaus gewisse Anhaltspunkte ersichtlich wären (z.B. deutliche Verengung der M.straße; Aufstellung eines Absperrpfostens sowie des Verkehrsschilds Fußgängerzone; abgesenkte Pflasterung/Graniteinzeiler am Boden) - die abgerechnete Verkehrsanlage sogar bei natürlicher Betrachtungsweise als eigenständige öffentliche Einrichtung zu qualifizieren wäre.
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3. Die ordnungsgemäße Ermittlung des beitragsfähigen Aufwands wurde von der Klägerseite weder substantiiert in Frage gestellt noch bestünden insoweit - erst recht gemessen am Prüfungsmaßstab einer Vorauszahlungserhebung - rechtliche Zweifel seitens des Gerichts.
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4. Die Verteilung des Aufwands auf die heranzuziehenden Grundstücke erfolgte hingegen teilweise fehlerhaft: Zum einen hätte das Grundstück FlNr. 352 in die Aufwandsverteilung einbezogen werden müssen (nachfolgend a)). Zum anderen hätte den Grundstücken FlNrn. 281 und 282 keine sog. Eckermäßigung gewährt werden dürfen (nachfolgend b)). Im Übrigen begegnet die Aufwandsverteilung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken (nachfolgend c)).
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a) Das Grundstück mit der FlNr. 352 ist nach Überzeugung der Kammer in die Aufwandsverteilung einzubeziehen.
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Nach Art. 5 Abs. 1 KAG können die Gemeinden zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet, erheben.
33
Die abgerechneten baulichen Maßnahmen stellen (unstreitig) straßenausbaubeitragsfähige Maßnahmen dar, da es sich bei der Sanierung bzw. Umgestaltung des östlichen Teilstücks der M.straße („EA 4“) zur Fußgängerzone um eine Erneuerung bzw. Verbesserung im straßenausbeitragsrechtlichen Sinne handelt (vgl. hierzu im Einzelnen die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid des Landratsamts Landsberg vom 13. März 2019).
34
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist Ausgangspunkt des die Beitragspflicht im Straßenausbaubeitragsrecht begründenden Sondervorteils die Möglichkeit der Inanspruchnahme unter Berücksichtigung der besonderen qualifizierten Beziehung des jeweiligen (beitragspflichtigen) Grundstücks zur Straße (vgl. BayVGH, U.v. 10.7.2002 - 6 N 97.2148 - juris 26 ff.). Demnach ist - so der BayVGH - für den Sondervorteil zum einen die spezifische Nähe des Grundstücks zur ausgebauten Straße notwendig, zum anderen das Vorliegen einer Grundstücksnutzung, auf die sich die durch den Ausbau verbesserte Gebrauchsmöglichkeit der durch die spezifische Grundstücksnähe bestimmten Anlieger positiv auswirken kann. Anders als im Erschließungsbeitragsrecht, in welchem der beitragsrelevante Sondervorteil dann zu bejahen ist, wenn die Straße dem Grundstück die regelmäßige Erschließung verschafft, die für die bauliche oder gewerbliche Nutzung nötig ist, erschöpft sich der Sondervorteil im Ausbaubeitragsrecht in der qualifizierten Inanspruchnahmemöglichkeit als solcher. Diese kommt grundsätzlich jeder sinnvollen und zulässigen, nicht nur der baulichen oder gewerblichen Nutzung zu (BayVGH, U.v. 10.7.2002 - 6 N 97.2148 - juris 26 ff.; U.v. 16.6.2004 - 6 B 00.1563 - juris Rn. 30 ff.; Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, III. Beitragspflichtige Grundstücke, Rn. 2163 m.w.N.).
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Gemessen an diesen Maßstäben genießt das Grundstück FlNr. 352 einen beitragsrechtlich relevanten Sondervorteil, da es als Hinterliegergrundstück mit rechtlich gesicherter Inanspruchnahmemöglichkeit sowohl eine spezifische Nähe zur ausgebauten M.straße aufweist (nachfolgend aa)) als auch eine sinnvolle und zulässige Grundstücksnutzung möglich ist (nachfolgend bb)).
36
aa) Einem Grundstück wird im Straßenausbaubeitragsrecht eine vorteilsrelevante, zur Beitragserhebung rechtfertigende Inanspruchnahmemöglichkeit grundsätzlich nur durch die nächste von ihm aus erreichbare selbstständige Verkehrseinrichtung vermittelt; das kann auch ein öffentlicher oder privater Weg sein (BayVGH, U.v. 14.4.2011 - 6 BV 08.3182 - juris Rn. 20). Bei Hinterliegergrundstücken ist zu differenzieren zwischen den sog. gefangenen Hinterliegergrundstücken, die ausschließlich über das jeweils vorgelagerte Anliegergrundstück eine Verbindung zum gemeindlichen Verkehrsnetz haben, und den anderen sog. nicht gefangenen Hinterliegergrundstücken, deren rückwärtige oder seitliche Teilflächen ihrerseits an eine Gemeindestraße angrenzen (BayVGH, B.v. 29.4.2009 - 6 ZB 07.2050 - juris Rn. 6; Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 11. Aufl. 2022, § 17 Rn. 102).
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Das streitbefangene Grundstück FlNr. 352, das mit der abgerechneten Verkehrsanlage über die im Eigentum des Beklagten stehenden Grundstücke FlNrn. 226/27 (Mühlbach) und 395/8 verbunden ist, grenzt mit seiner Westseite an die O1. straße Fischerei und mit seiner Ostseite an den A.Weg an und zählt somit zu den nicht gefangenen Hinterliegergrundstücken.
38
Den nicht gefangenen Hinterliegergrundstücken wächst ein die Beitragserhebung rechtfertigender Sondervorteil nur zu, wenn im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, von ihnen aus werde über die Anliegergrundstücke die ausgebaute Anlage in nennenswertem Umfang in Anspruch genommen (BayVGH, U.v. 15.4.2010 - 6 B 08.1846 - juris Rn. 23 ff.; Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, III. Beitragspflichtige Grundstücke, Rn. 2163). Ein nicht gefangenes Hinterliegergrundstück hat bei der Verteilung des Aufwands demnach grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben, wenn es auf Grund planungsrechtlicher, sonstiger rechtlicher und tatsächlicher Umstände eindeutig erkennbar auf die Straße ausgerichtet ist, an der es anliegt, d. h. wenn es an irgendwelchen Anhaltspunkten fehlt, die den Schluss erlauben können, die abzurechnende Straße werde über das Anliegergrundstück vom Hinterliegergrundstück aus ungeachtet dessen direkter Anbindung an seine eigene A.straße in nennenswerten Umfang in Anspruch genommen werden. Als solcher Anhaltspunkt kann insbesondere eine tatsächlich angelegte Zufahrt oder eine funktionsfähige Zugangsmöglichkeit zu der abgerechneten Einrichtung in Betracht kommen (BayVGH, B.v. 29.4.2009 - 6 ZB 07.2050 - juris Rn. 6; U.v. 15.4.2010 - 6 B 08.1846 - juris Rn. 23 ff.; Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, III. Beitragspflichtige Grundstücke, Rn. 2163). Das bloße Vorhandensein einer Zufahrt über das Anliegergrundstück reicht bei einem nicht gefangenen Hinterliegergrundstück für die Annahme einer vorteilsrelevanten Inanspruchnahmemöglichkeit jedoch nicht aus. Vielmehr ist nach ständiger Rechtsprechung eine rechtlich verlässliche Benutzbarkeit der Zufahrt bzw. hinreichend gesicherten Inanspruchnahmemöglichkeit des Zugangs über das Anliegergrundstück erforderlich. Dabei genügt im Unterschied zum Erschließungsbeitragsrecht eine schuldrechtliche Sicherung; ein Notwegerecht reicht dabei ebenso wie eine verlässliche schuldrechtliche Gestattung aus (BayVGH, B.v. 14.3.2011 - 6 B 09.1830 - juris Rn. 19 m.w.N.; B.v. 25.4.2012 - 6 ZB 11.2029 - juris Rn. 4 a.E.; Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, III. Beitragspflichtige Grundstücke, Rn. 2163).
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Vorliegend hat der Beklagte bei Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles nach Überzeugung des Gerichts durch sein schlüssiges Verhalten hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass (alleine) die Mitglieder der Familie R. schuldrechtlich zur Inanspruchnahme der Zugangsmöglichkeit über die gemeindlichen Anliegergrundstücke berechtigt sein sollen.
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Das Grundstück FlNr. 395/8 sowie die über den …bach verlaufende Brücke auf der FlNr. 226/27 werden nach unbestrittenem Vortrag der Klagepartei seit alters her von der Familie R. genutzt, um von deren Grundstück FlNr. 283, auf dem sich das Elternhaus sowie die familiengeführte Räucherei befinden, auf die ebenfalls im Eigentum der Familie R. befindlichen Grundstücke FlNr. 395/2, auf dem sich eine - wohl als Schnitzstube genutzte - Hütte befindet, sowie FlNr. 352, auf dem eine Boots- bzw. Autowerkstatt betrieben wird, zu gelangen. Zwar dürfte für die Annahme eines beitragsrelevanten Sondervorteils im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG nicht schon die Tatsache als solche genügen, dass der Beklagte die Benutzung der gemeindlichen Grundstücke durch die Mitglieder der Familie R. seit Jahren stillschweigend hinnimmt (vgl. BayVGH, B.v. 18.4.2012 - 6 ZB 11.2863 - juris Rn. 6). Allerdings deuten im konkreten Fall mehrere Indizien darauf hin, dass nach Anlass und Zweck der Gebrauchsüberlassung nicht bloß eine Gefälligkeitsüberlassung ohne Rechtsbindungswillen angenommen werden kann (BayVGH, U.v. 25.10.2012 - 6 B 10.132 - juris Rn. 36): Dies fängt schon damit an, dass das Betreten der gemeindlichen Grundstücke offenkundig lediglich der Familie R., nicht hingegen der Allgemeinheit möglich sein soll. Von der M.straße werden die gemeindlichen Grundstücke sowie der über den Mühlbach führende Steg durch ein abschließbares Holztor getrennt. Diese Gestaltung der Zuwegung soll offenkundig verhindern, dass die gemeindlichen Grundstücke von der Öffentlichkeit betreten werden. Den Mitgliedern der Familie R. ist es hingegen faktisch möglich, das gemeindliche Grundstück zu betreten. Für die Annahme eines schuldrechtlichen Erklärungswillens des Beklagten spricht zudem die Tatsache, dass die gemeindlichen Grundstücke, die allem Anschein nach von der Familie R. unterhalten werden (zwar teilten die Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 4. August 2021 insoweit mit, dass sie nicht sicher sagen könnten, wer tatsächlich für die Unterhaltung des gemeindlichen Grundstücks FlNr. 395/8 aufkomme; bei Betrachtung der in das Verfahren eingeführten Fotos können jedoch keine Zweifel daran bestehen, dass das Grundstück von der Familie R. nach eigenem Belieben gestaltet und genutzt wird (vgl. insbesondere die auf dem Grundstück aufgestellten, markanten Schnitzfiguren, welche u.a. auch den Fischereibetrieb der Familie R. zieren)), vom Beklagten bewusst in die neugestaltete M.straße baulich eingebunden worden sind, was sich in erster Linie dadurch zeigt, dass die entlang des Mühlbachs verlaufende und im Zuge der Ausbaumaßnahmen errichtete Absturzsicherung an der Stelle des Holztors unterbrochen und anschließend fortgeführt wird.
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Durch eine solche stillschweigende langjährige Überlassung eines Grundstücks(-teils) als Zugangsmöglichkeit ist durch schlüssiges Verhalten ein Leihvertrag (§ 598 BGB) zustande gekommen.
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Dieses Verhalten des Beklagten kann auch nicht, wie der Beklagte meint, als Verpflichtungserklärung i.S.v. Art. 38 Abs. 2 Satz 1 BayGO betrachtet werden, die der Schriftform bedürfte. Die mit dieser Norm intendierte Warnfunktion, den ersten Bürgermeister davon abzuhalten, vorschnell Verpflichtungen einzugehen, die nicht im Einklang mit den Interessen der Gemeinde stehen (vgl. Wernsmann/Neudenberger in BeckOK Kommunalrecht Bayern, Stand: 1.11.2022, Art. 38 Rn. 25 ff.), greift bei einem derart langjährigen Verhalten wie vorliegend nicht durch. Wie sich aus Art. 38 Abs. 2 Satz 1 („verpflichtet werden soll“) ergibt, sind nicht allein die tatsächlichen Wirkungen der Erklärung, sondern auch der mit ihr verfolgte Zweck entscheidend. Von einer Verpflichtungserklärung ist daher nur dann auszugehen, wenn sie objektiv eine Leistungspflicht der Gemeinde begründet und dies nach dem Willen der Gemeinde gerade auch soll. Die daneben bestehende Klarstellungs-/Beweisfunktion der Norm (vgl. Wernsmann/Neudenberger, a.a.O.) könnte zwar grundsätzlich auch bei einem Verhalten wie demjenigen des Beklagten eingreifen. Indes war das beschriebene langjährige schlüssige Verhalten des Beklagten im Schwerpunkt gerade nicht - wie es erforderlich wäre (vgl. Wernsmann/Neudenberger in BeckOK a.a.O. Rn. 26; Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerischer Gemeindeordnung, Stand: Februar 2022, Art. 38 Rn. 10) - wesentlich von dem festgelegten Ziel geprägt, die Gemeinde zu verpflichten, sondern wird die Verpflichtung lediglich als tatsächliche Wirkung bzw. bloße Nebenfolge des Verhaltens ausgelöst.
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bb) Das Grundstück FlNr. 352 kann in einer beitragsrechtlich sinnvollen Weise, nämlich gewerblich, genutzt werden.
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Dass die M.straße in ihrem östlichen Teilstück als Fußgängerzone ausgestaltet ist und ein Heranfahren an das gewerblich genutzte Grundstück mit Kraftfahrzeugen deshalb nicht bzw. nur eingeschränkt möglich ist, steht der Heranziehung nicht entgegen. Denn im Straßenausbaubeitragsrecht genügt zur Begründung eines relevanten Sondervorteils bereits die qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit der Verkehrseinrichtung als solche, ohne dass es auf besondere Erreichbarkeitsanforderungen, die eine bestimmte bauliche oder gewerbliche Nutzung des Grundstücks ermöglichen, ankäme (BayVGH, U.v. 14.4.2011 - 6 BV 08.3182 - juris Rn. 22; B.v. 19.3.2020 - 6 ZB 19.2057 - juris Rn. 9 ff.). Genauso ist es beitragsrechtlich ohne Belang, ob der betroffene Grundstückseigentümer den Straßenausbau subjektiv als vorteilhaft empfindet (BayVGH, B.v. 19.3.2020 - 6 ZB 19.2057 - Rn. 11).
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cc) Das Grundstück ist daher mit einem Nutzungsfaktor in Höhe von 1,0, ohne Gewerbezuschlag und mit sog. Eckermäßigung in die Berechnung einzubeziehen.
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Im Gegensatz zu der Frage, ob das Grundstück überhaupt einen beitragsrechtlich relevanten Vorteil genießt, kommt es hinsichtlich des Frage, ob ein Gewerbezuschlag anzusetzen ist, entscheidend darauf an, ob und wie intensiv die streitgegenständliche Einrichtung mutmaßlich in Anspruch genommen wird (BayVGH, U.v. 30.10.2007 - 6 BV 04.2189). Da auf dem Grundstück FlNr. 352 im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung eine Boots- bzw. Autowerkstatt betrieben wurde und der Zugang von dem Grundstück zur M.straße lediglich über einen Fußgängersteg gegeben ist, wäre ein Gewerbezuschlag im konkreten Fall nicht sachgerecht.
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Aufgrund der mehrfachen Erschließung des Grundstücks, war eine sog. Eckermäßigung zu gewähren (vgl. § 8 Abs. 13 ABS).
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b) Den Grundstücken FlNrn. 281 und 282 hätte hingegen keine Ermäßigung nach § 8 Abs. 13 ABS wegen Mehrfacherschließung gewährt werden dürfen, da diese nicht von einer weiteren („zweiten“) Einrichtung nach § 5 ABS erschlossen werden.
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Der Ausbaubeitragssatzung des Beklagten lässt sich insoweit entnehmen, dass eine Ermäßigung bei mehrfacher Erschließung nur dann gewährt wird, wenn es sich bei der zweiten Verkehrsanlage um eine endgültig fertiggestellte Erschließungsanlage handelt, da dort von einer „Einrichtung nach § 5 ABS“ (z.B. O2. straße) gesprochen wird und von einer solchen Einrichtung schon begrifflich sowie nach Sinn und Zweck der Ausbaubeitragssatzung nur dann gesprochen werden kann, wenn sie als solche im (erschließungs-)beitragsrechtlichen Sinn angelegt worden ist (BayVGH, U.v. 19.7.2005 - 6 B 01.1492 - juris Rn. 23; U.v. 29.7.2016 - 6 B 16.599 - juris Rn. 11 f.; Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, II. Verteilung des Aufwands, Rn. 2161). Da die beiden Grundstücke FlNrn. 280 und 281 an ihrer Nordseite - im Gegensatz zum klägerischen Grundstück, das an dessen Nordseite zugleich an der früher abgerechneten öffentlichen Einrichtung „B.straße III“ anliegt - lediglich an einer abknickenden Stichstraße anliegen, die nach Auskunft der Beklagtenvertreter erschließungsbeitragsrechtlich noch nicht endgültig fertiggestellt oder abgerechnet worden ist (es handelt sich insb. auch nicht um eine sog. „historische Straße“), kommt eine Eckermäßigung für die genannten Grundstücke vorliegend nicht in Betracht.
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c) Im Übrigen begegnet die Aufwandsverteilung keinen rechtlichen Bedenken.
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aa) Insbesondere hat die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge in Bayern keine Auswirkungen auf die gewährten Eckermäßigungen (im Übrigen), da das Gesetz zur Änderung des KAG vom 26. Juni 2018 im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung weder beschlossen noch in Kraft getreten war und die Abschaffung der Beiträge daher auch nicht absehbar gewesen ist.
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bb) Dem Grundstück FlNr. 283 wurde eine Eckermäßigung auch deshalb zu Recht gewährt, weil dieses nach Auffassung der Kammer an der „M.straße EA 2“, dem verkehrsberuhigten Bereich, und mithin - wie ausgeführt - einer ausbaubeitragsrechtlich eigenständigen Erschließungsanlage anliegt.
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cc) Dem Grundstück FlNr. 279 war hingegen richtigerweise keine Eckermäßigung zu gewähren, da dieses an seiner Ostseite an einem Teilstück der M.straße anliegt, das bisher noch nicht erstmalig endgültig hergestellt worden ist.
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dd) Ebenfalls rechtmäßig ist die der Beitragserhebung zugrunde gelegte Fläche des klägerischen Grundstücks einschließlich der Nutzungsfaktoren. Streitig war insoweit vor allem die Anzahl der Vollgeschosse. Den dem Gericht vorgelegten Bauplänen lässt sich jedoch ohne Weiteres entnehmen, dass das klägerische Grundstück mit drei Vollgeschossen bebaut ist und der Beklagte mithin für das klägerische Grundstück zu Recht einen Nutzungsfaktor in Höhe von 1,6 angesetzt hat.
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ee) Der Ansatz der Vollgeschosse hinsichtlich der Nachbargrundstücke FlNrn. 281, 282 und 283 ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Dies ergibt sich aus den vorgelegten Bauplänen sowie den darauf verzeichneten, handschriftlichen Berechnungen des Kämmerers des Beklagten. Gleiches gilt für die FlNr. 279, dessen Dachgeschoss nicht auf mindestens zwei Drittel seiner Grundfläche eine Höhe von mindestens 2,30 m aufweist (vgl. zur Berechnung im Einzelnen: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Werkstand: 147. EL August 2022, Art. 2 Rn. 622 ff.).
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ff) Die Grundstücke FlNrn. 351, 353, 353/1 und 353/2 waren nicht in die Aufwandverteilung einzubeziehen, da sie alle an der selbstständigen öffentlichen Einrichtung A.Weg anliegen, die sie von der hier streitgegenständlichen Erschließungsanlage abtrennt. Insbesondere scheidet auch eine Heranziehung von Grundstück FlNr. 351 nach Hinterliegergrundsätzen aus, da Anhaltpunkte für eine tatsächliche Inanspruchnahme der EA 4 über das gemeindliche Anliegergrundstück FlNr. 395/8 nicht gegeben sind.
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gg) All dies berücksichtigt errechnet sich vorliegend eine beitragsrechtlich relevante Gesamtfläche von 2.993,86 qm. Es ergibt sich hieraus ein Beitragssatz in Höhe von 37,10423333088388 €.
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5. Nach alldem ist die Klägerin zu einer Vorauszahlung auf den Ausbaubeitrag in Höhe von 1.343,47 Euro heranzuziehen. Soweit der angefochtene Vorauszahlungsbescheid des Beklagten eine höhere Beitragsforderung vorsieht, ist dieser rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
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Der Klage war daher im tenorierten Umfang stattzugeben.
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B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VWGO.
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C. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
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D. Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).