Titel:
Verurteilung wegen schweren Raubes und Diebstahls
Normenkette:
StGB § 21, § 64, § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2, § 242 Abs. 1, § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1
Leitsätze:
1. Bei einer abgebrochenen, scharfkantigen Vodkaflasche, die an den Hals des Geschädigten gedrückt wird, handelt es sich um ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB, da sie nach ihrer Art und ihrer Verwendung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen. (Rn. 138) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die fehlende Therapiemotivation stellt ein gewichtiges Indiz für das Fehlen von Erfolgsaussichten i. S. des § 64 S. 2 StGB dar. (Rn. 165) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
schwerer Raub, gefährliche Körperverletzung, Diebstahl, Sachbeschädigung, erheblich verminderte Schuldfähigkeit, Polytoxikomanie, Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, fehlende Erfolgsaussichten, Therapiemotivation, dissoziale Persönlichkeitszüge
Rechtsmittelinstanzen:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 17.11.2022 – 1 StR 332/22
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 13.12.2022 – 1 StR 332/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 39057
Tenor
1. Der Angeklagte …,geboren am …, ist schuldig des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit Diebstahl in Tateinheit mit Sachbeschädigung.
2. Er wird deswegen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 07.07.2021, Az. 19 Ds 207 Js 144271/20, unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt.
3. Gegen den Angeklagten wird die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 143,00 Euro angeordnet.
4. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.
Entscheidungsgründe
I. Zu den wesentlichen Sachverhaltsfeststellungen:
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1. Der Angeklagte näherte sich am 24.05.2021 gegen 22:00 Uhr in einer Parkanlage … in Au. dem dort auf der Parkbank sitzenden und Musik hörenden Geschädigten S. von hinten, hielt diesem unvermittelt mit einer Hand eine abgebrochene und dadurch scharfkantige 0,1 Liter – Vodkaflasche an den Hals und forderte vom Geschädigten die Herausgabe von Geld. Während der Geschädigte vergeblich versuchte, die abgebrochene Vodkaflasche von seinem Hals wegzudrücken und sich dabei neben einem Kratzer am Hals Schnittverletzungen am linken Unterarm und am linken Handrücken zuzog, zog der Angeklagte mit der anderen Hand aus der linken Innentasche der geöffneten Jacke des Geschädigten dessen Geldbörse, die Bargeld in Höhe von 23 €, Ausweisdokumente sowie die Bankkarte des Geschädigten enthielt, heraus und nahm zudem das auf der Parkbank liegende Mobiltelefon des Geschädigten S. im Wert von etwa 200 € an sich. Der Angeklagte flüchtete, um diese Gegenstände wie geplant dauerhaft ohne Berechtigung für sich zu behalten.
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2. Am selben Tag oder am Abend zuvor schlug der Angeklagte die Heckscheibe des … in Augsburg versperrt abgestellten Pkw … des Geschädigten M. ein, kletterte in das Fahrzeug und entwendete aus dem Innenraum ca. 100 FFP2-Masken im Wert von mindestens 100 € sowie 20 € Bargeld, um diese Gegenstände wie geplant dauerhaft ohne Berechtigung für sich zu behalten. Hierdurch entstand an dem Pkw ein Fremdsachschaden in Höhe von 7.917,22 Euro.
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Zum Zeitpunkt der beiden Taten war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund des Vorliegens einer Polytoxikomanie (ICD-10: F 19.2) und einer Intoxikation (ICD-10: F 19.0) – hinsichtlich des Diebstahls aus dem Pkw jedenfalls nicht ausschließbar – erheblich vermindert im Sinne des § 21 StGB.
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1. Hinsichtlich der Tat am … Bahnhof führte der Angeklagte aus, dass er zuerst von dem Geschädigten S. mit einer abgebrochenen Glasflasche angegriffen worden sei und sich lediglich gewehrt habe, nachdem der Geschädigte S. ihm seine Handtasche habe entwenden wollen. Im Eifer des Gefechts habe er – der Angeklagte – dann versehentlich die Geldbörse des Geschädigten aus dessen Jackeninnentasche gezogen und das Mobiltelefon des Geschädigten auf der Parkbank mitgenommen und sei geflüchtet.
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Das Gericht ist nach Durchführung der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass sich der Sachverhalt so zugetragen hat wie festgestellt. Das Gericht stützt sich hierbei insbesondere auf die glaubhafte Aussage des Geschädigten S. und die hierzu stimmige Spurenlage am Tatort.
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Insbesondere konnte die DNA des Angeklagten am Flaschenhals einer abgebrochenen Glasflasche und die DNA des Geschädigten auf einer hierzu passenden Glasscherbe vor der Parkbank, auf der der Geschädigte während des Vorfalls saß, festgestellt werden, was mit den Angaben des Geschädigten vollständig in Einklang zu bringen ist. Zudem konnten die Bankkarte und das Mobiltelefon des Geschädigten bei der Festnahme des Angeklagten in einem stehenden Zug im … Bahnhof, in welchen der Angeklagte geflüchtet war, in dessen Kleidung aufgefunden werden.
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Die Einlassung des Angeklagten, er sei von dem Geschädigten angegriffen worden, konnte hingegen durch zahlreiche Indizien, wie etwa fehlende stimmige Verletzungen des Angeklagten, das Verhalten des Angeklagten nach der Tat in Form der Flucht und dem Verschweigen des angeblichen Überfalls auf ihn gegenüber mehreren Polizeibeamten sowie das Zurücklassen seiner eigenen Handtasche – um deren Rückerlangung es dem Angeklagten nach seiner Schilderung gerade gegangen sein soll – widerlegt werden.
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2. Der Angeklagte räumte den Sachverhalt hinsichtlich des Diebstahls aus dem Pkw … vollumfänglich ein. Das diesbezügliche Geständnis des Angeklagten konnte insbesondere durch zahlreiche Blutspuren des Angeklagten im Fahrzeuginneren verifiziert werden.
III. Zum Schuld – und Rechtsfolgenausspruch und zur Frage der Unterbringung nach § 64 StGB
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Das Gericht hat den erheblich vorbestraften Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit Diebstahl in Tateinheit mit Sachbeschädigung unter Anwendung der Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 StGB und unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 07.07.2021, Az. 19 Ds 207 Js 144271/20, unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt.
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Eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB des eine Unterbringung vehement verweigernden Angeklagten schied nach umfassender Gesamtabwägung der Persönlichkeit und des Vorlebens des Angeklagten, der Art und des Stadiums seiner Sucht sowie der bereits eingetretenen physischen Veränderungen und Schädigungen bei dem Angeklagten im Ergebnis wegen mangelnder Erfolgsaussichten aus, zumal in der Vergangenheit bereits zwei angeordnete Unterbringungen nach § 64 StGB für erledigt erklärt werden mussten.
IV. Verfahrensbeschränkung
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Hinsichtlich des Tatvorwurfs des Privatwohnungseinbruchsdiebstahls in zwei tateinheitlichen Fällen rechtlich zusammentreffend mit Diebstahl am 04.02.2021 in ein Mehrfamilienwohnhaus … wurde das Verfahren gemäß 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
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Im Hinblick auf die am 24.05.2021 gegen 21 Uhr in der Nähe des … Bahnhofes … in Augsburg begangenen Sachbeschädigungen durch Einschlagen mit einer Glasflasche auf mehrere geparkte Fahrzeuge, unter anderem auf das Fahrzeug des Zeugen V., wurde das Verfahren bereits vor Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt.
B) Persönliche Verhältnisse
I. Persönliche Lebensumstände
II. Suchtmittelkonsum und Erkrankungen
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Der Angeklagte rauchte ab einem Alter von 13 Jahren durchgehend Tabakzigaretten, zuletzt täglich circa eine Schachtel.
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Im selben Alter begann er auch mit dem zunächst sporadischen Konsum von Cannabis, welcher sich ab einem Alter von 14 Jahren zu einem regelmäßigen Konsum entwickelte. Als der Angeklagte im Alter von 17 Jahren nach … kam, setzte er den Konsum von Betäubungsmitteln für etwa ein halbes Jahr lang aus, um seinen Führerschein zu erlangen. Zuletzt konsumierte er circa einen marihuanahaltigen „Joint“ pro Woche.
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Alkohol trank der Angeklagte erstmals mit etwa 14 Jahren, wobei er insbesondere an den Wochenenden größere Mengen Vodka konsumierte. Ab der Zeit in … konsumierte der Angeklagte weniger Spirituosen und mehr Bier. Seit vielen Jahren trank er etwa vier bis acht 0,5 Liter Flaschen Bier täglich, was zu Zeiten der Berufstätigkeit häufig zu Auseinandersetzungen mit seinen Vorgesetzten führte.
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Im Alter von etwa 20 Jahren begann der Angeklagte mit dem Konsum von Heroin, welches er zunächst nasal und bald darauf intravenös zu sich nahm. Hierbei pendelte sich ein täglicher Konsum von durchschnittlich einem halben Gramm Heroin ein. Auch neben immer wieder durchgeführten Substitutionen seit dem Jahr 2000 konsumierte der Angeklagte bis zur Festnahme täglich intravenös Heroin. In Untersuchungshaft wird der Angeklagte derzeit mit 8 mg Subutex substituiert.
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Amphetamin probierte der Angeklagte erstmals im Alter von 19 Jahren und konsumierte es fortan unregelmäßig. Im Jahr 2021 spielte der Konsum von Amphetamin für den Angeklagten keine Rolle.
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Kokain konsumierte er erstmals mit 19/20 Jahren und seither bis zu seiner Inhaftierung im Mai 2021 sporadisch. Auch Benzodiazepine nahm er immer wieder je nach Verfügbarkeit zu sich.
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Im Alter von 20 Jahren konsumierte der Angeklagte für kurze Zeit LSD. Ketamin oder halluzinogene Pilze konsumierte er nie.
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Durch den sporadischen Konsum von Kräutermischungen hatte der Angeklagte wiederholt Intoxikationen. In zwei Fällen führte der Alkohol- und Betäubungsmittelkonsum des Angeklagten auch zu cerebralen Krampfanfällen.
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Der Angeklagte hatte bei Einlieferung in die JVA keinerlei Entzugserscheinungen, da er durchgehend substituiert wurde. Er hat in seinem Leben bereits mehrfach ambulante und stationäre Drogentherapien absolviert. Insbesondere absolvierte er in den Jahren 1996 und 1999 ambulante Suchtmitteltherapien. Eine zuletzt im Jahr 2020 begonnene ambulante Suchtmitteltherapie brach der Angeklagte vorzeitig ab. Daneben brach er eine Therapie nach § 64 StGB im Jahr 2003 ab, da diese ihm zu lange dauerte und er mehrere Rückfälle mit dem Konsum von Betäubungsmitteln hatte. Auch im Jahr 2013 brach er eine angeordnete Unterbringung nach § 64 StGB nach circa 5 Monaten ab, da er die dort besprochenen Themen nicht mehr bearbeiten wollte, vermehrt verbal aggressives und grenzüberschreitendes Verhalten und eine Verweigerungshaltung gegenüber sämtlichen therapeutischen Aktivitäten und den Regeln im Stationsalltag an den Tag legte.
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Der Angeklagte war zudem über Jahre hinweg in unzähligen, jedenfalls aber 20 Fällen, in den Bezirkskliniken in … und … zum Zwecke der Entgiftung stationär untergebracht.
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Eine erneute Unterbringung in einer Entziehungsanstalt lehnt der Angeklagte vehement ab und wünscht vielmehr weiterhin ausschließlich eine ambulante Substitution.
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Der Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 07.04.2022 enthält für den Angeklagten 14 Eintragungen:
14. AG Augsburg vom 07.07.2021
D2102 19 Ds 207 Js 144271/20
Rechtskräftig seit 07.07.2021
Tatbezeichnung: Diebstahl in drei selbständigen Fällen in Tatmehrheit mit vorsätzlichen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
Datum der (letzten) Tat: 27.01.2021
Angewandte Vorschriften: StGB § 242 Abs. 1, § 53, BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1
10 Monat(e) Freiheitsstrafe
Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher (gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach § 25 JArbSchG)
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Gegenstand dieser Verurteilung war folgender Sachverhalt:
Anklage vom 05.02.2021 (Az. 207 Js 144271/20)
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a. Am 22.12.2020 gegen 12:25 Uhr entwendete der Angeklagte in den Geschäftsräumen der Firma … Au. zwei Parfums … im Wert von insgesamt 150,50 EUR, um die Ware ohne Bezahlung für sich zu behalten.
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b. Am 20.11.2020 gegen 18:35 Uhr entwendete der Angeklagte aus dem Aufsteller vor den Geschäftsräumen der Firma … Au., 4 Mund-Nasen-Schutz-Masken im Wert von 20,00 EUR, um die Ware ohne Bezahlung für sich zu behalten. Der Angeklagte steckte die Masken in seine Jackentasche und verließ die Aufsteller in Richtung K.platz, Au..
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Die Staatsanwaltschaft hält wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.
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c. Am 20.11.2020 gegen 18:30 Uhr entwendete der Angeklagte aus den Aufstellern vor den Geschäftsräumen der Firma … Au. ein Multifunktionstuch/Schal im Wert von 1,99 EUR, um die Ware ohne Bezahlung für sich zu behalten.
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Strafantrag wurde form- und fristgerecht gestellt.
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Die Staatsanwaltschaft hält wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.
hinzuverbundene Anklage vom 08.02.2021 (Az. 303 Js 104345/21)
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Am 27.01.2021 gegen 12:45 Uhr führte der Angeklagte am … Bahnhof in … Au. 0,9 Gramm Marihuana und 0,68 Gramm Heroin wissentlich und willentlich mit sich. Dabei plante der Angeklagte, durch einen späteren Verkauf Gewinn zu erzielen.
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Das Betäubungsmittel hatte mindestens einen Wirkstoffgehalt von 8% THC bzw. 10% HHC. Wie der Angeklagte wusste, besaß er nicht die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis.
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Hinsichtlich der Strafzumessung hat das Amtsgericht Augsburg folgendes ausgeführt:
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Eröffnet waren in den 3 Fällen der Diebstähle der Strafrahmen § 242 Abs. 1 StGB, im Fall des Handeltreibens der Betäubungsmittel der Strafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG (jeweils Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe).
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Zugunsten des Angeklagten sprach seine geständige Einlassung. In zwei Fällen des Diebstahls war der Schaden gering. Der Angeklagte hat sich mit der formlosen Einziehung aller Gegenstände einverstanden erklärt. Bei dem Drogendelikt waren auch weiche Drogen, die weniger gefährlich sind, dabei. Auch die Mengen sind im unteren Bereich anzusiedeln. Strafschärfend muss bei dem einen Diebstahldelikt gewertet werden, dass hier der Beutewert relativ hoch war. Bei dem Drogendelikt waren auch harte Drogen dabei. Es handelt sich zudem um die Tatbestandsvariante des Handeltreibens, sodass auch Fremdgefahren entstanden sind. Darüber hinaus hat der Angeklagte erhebliche Vorstrafen und bereits Hafterfahrung.
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Hintergrund seines Tuns ist seine Drogensucht.
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Bei der Abwägung aller positiver und negativer Strafzumessungsgesichtspunkte ergab sich, dass die Verhängung von Freiheitsstrafen, dies auch kurzzeitiger Art, unerlässlich ist. So erschien es tat- und schuldangemessen, für die beiden Fälle des Diebstahls mit geringem Schaden jeweils 4 Monate Freiheitsstrafe auszuwerfen, für den Diebstahl mit höherem Schaden und für das Handeltreiben jeweils 6 Monate Freiheitsstrafe. Bei der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe sind alle positiven und negativen Strafzumessungsgesichtspunkte erneut gegeneinander abgewogen worden. So erschien es sachgerecht, den Angeklagten insgesamt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten zu verurteilen. Die Vollstreckung der Strafe kann nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Der Angeklagte hat ein erhebliches Drogenproblem. Dies ist unbehandelt. Solange dies sich nicht ändert, drohen weitere Straftaten von ihm auszugehen, sodass es der Verbüßung der verhängten Haftstrafe bedarf.
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Die Gesamtfreiheitsstrafe aus der Verurteilung vom 07.07.2021 wurde noch nicht vollständig vollstreckt.
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Der Angeklagte wurde am 24.05.2021 vorläufig festgenommen und befand sich vom 25.05.2021 bis 28.07.2021 in Untersuchungshaft in der JVA Au.Ga. aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Augsburg vom 25.05.2021, Gz. 61 Gs 3222/21, der dem Angeklagten am selben Tag eröffnet und in Vollzug gesetzt wurde. Die Untersuchungshaft ist seit 29.07.2021 unterbrochen zur Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten aus dem Urteil des AG Augsburg vom 07.07.2021, Az. 19 Ds 207 Js 144271/20.
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Der Haftbefehl des Amtsgerichts Augsburg wurde ersetzt durch den Haftbefehl des Landgerichts Augsburg vom 24.01.2022, welcher dem Angeklagten am 07.02.2022 eröffnet, in Vollzug gesetzt und Überhaft angeordnet wurde.
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Am 24.05.2021 gegen 22:00 Uhr hielt der Angeklagte in der Parkanlage des … dem dort auf der Parkbank sitzenden Geschädigten M. eine abgebrochene Glasflasche von hinten an den Hals und forderte Geld von diesem. Daraufhin versuchte der Geschädigte, die abgebrochene Glasflasche mit seinen Händen wegzudrücken, wodurch eine kurze Rangelei entstand, in deren Rahmen der Geschädigte – wie vom Angeklagten vorhergesehen und zumindest billigend in Kauf genommen – durch die abgebrochene Glasflasche einen Kratzer am Hals und eine Schnittverletzung am linken Unterarm und am linken Handrücken erlitt. Während der Angeklagte die abgebrochene Glasflasche weiterhin mit einer Hand an den Hals des Geschädigten hielt, griff er mit der anderen Hand von hinten in die linke Innentasche der offen getragenen Jacke des Geschädigten und zog dessen Geldbörse, die Bargeld in Höhe von 23 €, Ausweisdokumente sowie die Bankkarte des Geschädigten … enthielt, heraus. Zudem nahm er das auf der Parkbank liegende Mobiltelefon … des Geschädigten im Wert von etwa 200 € an sich und rannte weg, um diese Gegenstände wie geplant dauerhaft ohne Berechtigung für sich zu behalten.
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Zum Zeitpunkt der Tat war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund des Vorliegens einer Polytoxikomanie (ICD-10: F 19.2) und einer Intoxikation (ICD-10: F 19.0) erheblich vermindert.
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Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt zwischen dem 23.05.2021, 18:00 Uhr und dem 24.05.2021 vor 22:00 Uhr schlug der Angeklagte die Heckscheibe des vom Geschädigten M. vor dem Anwesen … Au. versperrt abgestellten Pkw … ein und entwendete aus dem Innenraum ca. 100 FFP2-Masken im Wert von mindestens 100 € sowie 20 € Bargeld, um diese Gegenstände wie geplant dauerhaft ohne Berechtigung für sich zu behalten.
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Hierdurch entstand an dem Pkw – wie vom Angeklagten zumindest vorhergesehen und billigend in Kauf genommen – ein Fremdsachschaden in Höhe von 7.917,22 Euro.
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Die Staatsanwaltschaft hält wegen des besonderen öffentlichen Interesses ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.
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Zum Zeitpunkt der Tat war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund des Vorliegens einer Polytoxikomanie (ICD-10: F 19.2) und einer Intoxikation (ICD-10: F 19.0) nicht ausschließbar erheblich vermindert.
D) Einlassung und Beweiswürdigung
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Dem Urteil liegt keine Verständigung im Sinne des § 257c StPO zugrunde.
I. Zu den persönlichen Verhältnissen
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Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf den insoweit als glaubhaft erachteten Ausführungen des Angeklagten in der Hauptverhandlung sowie den von dem Sachverständigen … geschilderten Ausführungen des Angeklagten diesem gegenüber im Rahmen der Exploration, dem Auszug aus dem Bundeszentralregister bezüglich des Angeklagten vom 07.04.2022, dem verlesenen Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 07.07.2021, Az. 19 Ds 207 Js 144271/20 sowie der verlesenen Stellungnahme … vom 15.10.2013 hinsichtlich des zuletzt erfolgten Abbruchs der Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB.
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Aufgrund der durchgeführten Hauptverhandlung ist die Kammer davon überzeugt, dass sich der unter C) festgestellte Sachverhalt tatsächlich so zugetragen hat. Die Kammer hat die volle Überzeugung hierüber im Wesentlichen wie folgt gewonnen:
1. Einlassung des Angeklagten
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Hinsichtlich des unter C) I. festgestellten Sachverhalts räumte der Angeklagte ein, den Geldbeutel und das Mobiltelefon des Geschädigten S. entwendet zu haben. Er bestritt jedoch, währenddessen dem Geschädigten eine abgebrochene Glasflasche an den Hals gehalten und Geld gefordert zu haben.
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Konkret führte der Angeklagte aus, dass er am Tattag, einem Pfingstfeiertag, abends auf einer Parkbank am … Bahnhof gesessen sei. Der Geschädigte S. sei auf einer benachbarten Parkbank gesessen und habe dort laut Musik gehört. Es sei dunkel gewesen, und während er – der Angeklagte – fast schon eingeschlafen sei, sei der Geschädigte mit einer abgebrochenen weißen Vodkaflasche auf ihn zugekommen und habe seine neben ihm stehende schwarze Umhängetasche, in welcher sich seine Brieftasche, seine Geldkarte und sein Ausweis befunden hätten, wegnehmen wollen. Daraufhin habe ein Gerangel um seine Umhängetasche stattgefunden, wobei sie beide vor der Parkbank, auf welcher er zuvor gesessen sei, gestanden seien und sich gegenseitig geschubst hätten. Er – der Angeklagte – könne froh sein, dass er früher Mal geboxt habe und sich deshalb gegen den Übergriff des Geschädigten S. habe wehren können. Der Geschädigte habe ihn mit der weißen Vodkaflasche aber „übel zusammengehauen“, ihm insbesondere mit voller Kraft auf den Kopf geschlagen, sodass er noch monatelang in der JVA am Kopf geblutet habe. Als er – der Angeklagte – sich gegen den Angriff gewehrt habe, habe der Geschädigte sich selbst Verletzungen am Handgelenk zugezogen. Im Eifer des Gefechts habe er – der Angeklagte – dann versehentlich statt nach seiner eigenen Umhängetasche nach der Geldbörse des Geschädigten in dessen Jackeninnentasche gegriffen, habe zudem das Mobiltelefon des Geschädigten von der anderen Parkbank mitgenommen und sei anschließend … weggelaufen, um mit dem Zug nach Hause zu fahren. Der Geschädigte habe ihn dann noch mit der abgebrochenen weißen Vodkaflasche verfolgt. Aus dieser Vodkaflasche habe der Geschädigte zuvor auf der Parkbank noch getrunken. Das wisse er, da die beiden sich vor dem Überfall des Geschädigten noch zugeprostet hätten.
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Warum er die Gegenstände des Geschädigten mitgenommen habe, könne er sich nicht erklären. Wahrscheinlich habe er in dem Moment einfach klauen wollen. Er klaue generell gerne. Später räumte der Angeklagte ein, dass es ihm bei dem Gerangel vielleicht doch darauf angekommen sei, die Bankkarte und das Mobiltelefon des Geschädigten mitzunehmen. Er sei jedoch zuerst von dem Geschädigten angegriffen worden und habe diesen nicht mit einer abgebrochenen Glasflasche bedroht und Geld gefordert.
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Er sei an diesem Tag „total dicht“ und zu einem Raub schon allein aufgrund seines Zustandes unfähig gewesen. Neben ein paar Flaschen Bier habe er an diesem Tag Methadon vom Substitutionsprogramm konsumiert und Benzodiazepine zum Schlafen genommen. Er könne nicht mehr genau sagen, wie viel er davon konsumiert habe. Jedenfalls habe er aber keinen Vodka getrunken, weshalb es auch nicht sein könne, dass er den Geschädigten S. mit einer abgebrochenen Vodkaflasche bedroht habe. Ab 22:00 Uhr sei aufgrund der Corona-Pandemie Ausgangssperre gewesen. Kurz vor zehn Uhr habe er deshalb eigentlich nach Hause fahren wollen, doch dann sei das passiert.
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Er habe, nachdem er von den Polizeibeamten im Zug aufgefunden worden sei, diesen erzählt, dass er selbst angegriffen worden sei. Zudem habe er ihnen auch von seiner blutenden Wunde am Kopf berichtet.
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In einem an das Landgericht adressierten und in der Hauptverhandlung verlesenen Brief vom 29.04.2022 führte der Angeklagte aus, dass er von dem Geschädigten S. angegriffen worden sei und er sich durch einen spitzen Gegenstand eine Schnittverletzung am linken Hinterkopf zugezogen habe. Wegen eines erfolgten Schlages auf den Kopf mit der Vodkaflasche durch den Geschädigten S. habe er in der JVA noch wochenlang geblutet.
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Den unter C) II. dargestellten Sachverhalt räumte der Angeklagte zunächst über eine Verteidigererklärung, welche er sich ausdrücklich zu eigen machte, in objektiver und subjektiver Hinsicht vollumfänglich ein. Im weiteren Verlauf der Beweisaufnahme führte der Angeklagte selbst aus, dass er nicht mehr hundertprozentig sagen könne, wie er die Heckscheibe des Pkw eingeschlagen habe. Er glaube jedoch, dass er sie mit seiner bloßen Hand eingeschlagen habe. Er sei sich relativ sicher, dass das an dem selben Abend gewesen sei, an welchem auch „das am … Bahnhof“ passiert sei. Er habe an diesem Abend Streit mit seinen Eltern gehabt und sei daraufhin „ein bisschen ausgerastet“.
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Der unter C) I. festgestellte Sachverhalt steht fest aufgrund des Teilgeständnisses des Angeklagten, welches sich – soweit diesem gefolgt werden kann – mit der durchgeführten Beweisaufnahme deckt. Im Übrigen ist das Gericht nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere den glaubhaften Angaben des Geschädigten S. und der Spurenlage am Tatort, nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände davon überzeugt, dass der Angeklagte entgegen seiner eigenen Einlassung nicht von dem Geschädigten S. angegriffen wurde. Vielmehr ergab die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts, dass der Angeklagte sich dem auf einer Parkbank sitzenden Geschädigten von hinten näherte, ihm eine abgebrochene Vodkaflasche an den Hals hielt, Geld forderte und während eines sich um die abgebrochene Vodkaflasche entwickelnden Gerangels die Brieftasche des Geschädigten S. aus dessen linker Jackeninnentasche sowie das auf der Parkbank liegende Mobiltelefon des Geschädigten S. wie von ihm geplant entwendete, um diese Gegenstände dauerhaft ohne Berechtigung für sich zu behalten.
aa. Erkenntnisse der Beweisaufnahme
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(1) Der Geschädigte M. führte in der Hauptverhandlung während lautstarkem Protest, ausfallenden Äußerungen und diverser Drohungen durch den Angeklagten aus, dass er am Abend des 24.05.2021 allein auf einer Parkbank am … Bahnhof gesessen sei und auf seinem neben ihm auf der Parkbank liegenden Mobiltelefon Musik gehört habe. Plötzlich sei jemand von hinten an ihn herangetreten, habe ein gebrochenes Glas vorne an seinen Hals gehalten und habe in deutscher Sprache nach Geld verlangt. Er glaube, dass der Täter konkret 20 Euro gefordert habe. Daraufhin habe er – der Geschädigte – gesagt, dass er ihm Geld geben werde, wenn er loslassen würde. Er habe eine schwarze Jacke offen getragen, in welcher sich in der linken Innentasche sein schwarzer Geldbeutel mit 23 Euro, seinem Personalausweis, …, seiner Bankkarte …, seinem Flüchtlingsausweis und einer Fitnesskarte … befunden hätten. Während das gebrochene Glas noch an seinem Hals gewesen sei, habe der Täter zielstrebig in die Jackeninnentasche gegriffen und den Geldbeutel herausgezogen. Er – der Geschädigte – habe sich dagegen mit seinen Händen wehren wollen und habe sich dabei eine Schnittverletzung am linken Arm zugezogen. Im selben Moment habe der Täter auch noch sein auf der Parkbank liegendes Mobiltelefon mitgenommen und sei davongerannt. Er sei dem Täter noch nachgerannt, habe ihn aber im Bahnhofsgebäude verloren, woraufhin er einen Taxifahrer gebeten habe, die Polizei zu rufen. Er könne nicht sagen, ob der Täter alkoholisiert gewesen sei. Jedenfalls sei der Täter aber, als er ihm hinterhergelaufen sei, gerade gelaufen und er habe den Täter nicht einholen können.
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Die Schnittverletzung sei nicht so schlimm gewesen. Es sei ein kleiner Schnitt gewesen, welcher geblutet habe und nach circa einem Monat ganz verheilt sei. Heute sehe man nur noch eine kleine Narbe. Am Hals habe er sich keine Verletzung zugezogen, dort seien nur kleine Kratzer gewesen. Er habe keine Schmerzen gehabt.
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Der Geschädigte führte in der Hauptverhandlung weiter aus, dass er nicht wisse, in welcher Hand der Täter das gebrochene Glas gehalten habe. Er habe auch nicht mitbekommen, wie der Täter sich von hinten genähert habe. Für ihn sei der Überfall plötzlich gekommen. Der Täter habe sich bei dem Vorfall seiner Kenntnis nach nicht verletzt. Es habe über seine Abwehrbewegung mit der Hand, als der Täter die Geldbörse aus der Jacke gezogen habe, hinaus kein Gerangel mit dem Täter gegeben. Er – der Geschädigte S. – sei während des Vorfalls durchgehend auf der Bank gesessen und der Täter sei hinter ihm gestanden.
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Nach der Festnahme des Täters habe er sein Mobiltelefon und seine Bankkarte – nicht jedoch seine Geldbörse mit dem Bargeld und den übrigen Dokumenten – wieder zurückbekommen.
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Das Mobiltelefon habe er vor circa 2 Jahren für 230 Euro gekauft.
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Der Täter habe eine schwarze Jacke getragen. An die Farbe der Hose könne er sich nicht mehr erinnern. Das Gesicht des Täters habe er nicht richtig und nur kurz von der Seite gesehen. Es sei bereits dunkel gewesen. Auf Vorhalt, dass er bei der polizeilichen Vernehmung angegeben habe, dass der Täter eine schwarze Mund-Nasen-Bedeckung getragen habe, gab der Geschädigte S. an, dass er sich an das Gesicht des Täters oder eine schwarze Mund-Nasen-Bedeckung nicht mehr erinnern könne.
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Er selbst habe an dem Tag des Vorfalls etwa 4 Flaschen Bier getrunken, habe sich aber zum Tatzeitpunkt nicht betrunken gefühlt. Er trinke nicht täglich, aber schon immer mal wieder Alkohol. Betäubungsmittel habe er an diesem Tag nicht konsumiert.
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Er habe hinsichtlich des Vorfalls keinen Strafantrag gestellt. Er habe kein Interesse daran, dass der Täter bestraft wird.
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Die Angaben des Geschädigten zu den von ihm erlittenen Verletzungen konnten anhand von mit dem Zeugen in Augenschein genommenen Lichtbildern von den Verletzungen sowie der Inaugenscheinnahme der Narbe des Geschädigten an dessen linken Unterarm nachvollzogen werden. Die Verletzungen wurden zudem durch das verlesene Einsatzprotokoll des Rettungsdienstes Bayern vom 24.05.2021 bestätigt, welches hinsichtlich des Geschädigten Schnittverletzungen am linken Unterarm von 1,5 cm und am linken Handrücken von 2 cm sowie einen kleinen Kratzer am Hals links ohne Blutung ausweist.
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(2) Der Zeuge B. berichtete ruhig, sachlich und aus eigener präsenter Erinnerung heraus, dass am Abend des 24.05.2021 aus dem Nachteingang des … Bahnhofs eine dunkelhäutige Person, welche eine Schnittverletzung an der Hand gehabt und stark geblutet habe, zu seinem Taxi gerannt sei, an die Taxischeibe geklopft, ihm in gebrochenem Deutsch von einem erlittenen Überfall erzählt und ihn gebeten habe, die Polizei zu rufen. Die Person habe Angst gehabt und auf ihn keinen alkoholisierten Eindruck gemacht. Als er den Geschädigten eben aus dem Sitzungssaal habe kommen sehen, habe er diesen wiedererkannt.
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(3) Der Zeuge POM D. führte schlüssig und nachvollziehbar aus, dass er am Abend des 24.05.2021 am … Bahnhof den Geschädigten angetroffen habe, welcher teils auf Englisch und teils auf Deutsch berichtet habe, dass er auf einer Parkbank von einer unbekannten Person angegriffen worden sei, welche ihm von hinten einen scharfen spitzen Gegenstand an den Hals gehalten und ihn aufgefordert habe, Geld herauszugeben. Durch eine darauf folgende Abwehrbewegung des Geschädigten mit seiner Hand habe dieser sich eine Schnittverletzung am linken Unterarm sowie Kratzer am Hals zugezogen. Währenddessen habe der Täter in die Jackentasche des Geschädigten gegriffen und dessen Geldbeutel entwendet. Zudem habe er auch das auf der Parkbank liegende Handy des Geschädigten, auf welchem dieser Musik gehört habe, mitgenommen. Der Geschädigte habe weiter angegeben, dass er den Täter bis in den … Bahnhof hinein verfolgt, dann aber verloren habe. Ein bei dem Geschädigten nach dessen freimütiger Schilderung, dass er Alkohol getrunken habe, durchgeführter Atemalkoholtest habe eine Atemalkoholkonzentration von 0,54 mg/l ergeben. Alkoholbedingte Ausfallerscheinungen seien bei dem Geschädigten nicht ersichtlich gewesen. Eine Täterbeschreibung sei nicht möglich gewesen, da es dunkel gewesen und nach den Schilderungen des Geschädigten sehr schnell gegangen sei.
70
Der Zeuge POM D. schilderte weiter, dass nach der Befragung des Geschädigten die Tatörtlichkeit untersucht worden sei. Hierbei sei auf der Parkbank neben der zweiten Parkbank, auf welcher der Geschädigte nach dessen Angaben gesessen sei, eine schwarze Umhängetasche gefunden worden, in welcher sich unter anderem der Personalausweis des Angeklagten befunden habe. Zudem sei in der Nähe dieser Parkbänke eine abgebrochene Vodkaflasche gefunden worden, an deren Flaschenhals sich Blutanhaftungen befunden hätten. Hinter den Parkbänken befinde sich ein hoher Zaun, wobei zwischen Parkbank und Zaun jeweils ein Spalt von etwa einem halben Meter sei, in welchem eine P. Platz habe. Vor der Parkbank, auf welcher der Geschädigte angegeben habe, gesessen zu sein, sei eine Scherbe aus Weißglas gefunden worden. Entlang des von dem Geschädigten geschilderten zurückgelegten Weges von der Parkbank hin zum … Bahnhof und von dort aus wieder zurück zum Taxistand sei eine Blutspur am Boden sichtbar gewesen. Nach intensivem Absuchen des Bahnhofsbereiches sei der Angeklagte letztlich durch Kollegen in einem im Bahnhof stehenden Zug festgestellt worden. Ein bei dem Angeklagten um 22:44 Uhr durchgeführter Atemalkoholtest habe 0,79 mg/l ergeben. Bei Durchführung des Atemalkoholtestes habe der Angeklagte etwas benommen gewirkt, sei jedoch zeitlich und örtlich orientiert gewesen.
71
Anhand von mit dem Zeugen POM D. in Augenschein genommenen Lichtbildern konnte die Tatortsituation sowie die Auffindesituation der sichergestellten Gegenstände und die Blutspurenlage am Tatort und im Bereich des Bahnhofsgebäudes durch das Gericht nachvollzogen werden.
72
(4) Die Zeugin PKin J. schilderte anschaulich aus eigener präsenter Erinnerung heraus, dass sie am Abend des 24.05.2021 unterstützend zum … Bahnhof gerufen worden sei. Dort habe sie zusammen mit zahlreichen Kollegen bei den Gleisen und im Gebäude des … Bahnhofs zunächst vergeblich nach dem Täter eines im Raum stehenden Raubdeliktes gesucht. Nach einer Besprechung mit dem Einsatzleiter im Bahnhofsgebäude hätten sie sich nochmal nach oben zu den Gleisen begeben, um dort die Mülleimer nach Gegenständen zu durchsuchen. Dort sei ihnen in einem auf den Gleisen stehenden Zug, welcher zuvor noch leer gewesen sei, ein Mann aufgefallen. Auffällig sei dabei gewesen, dass es den Eindruck erweckt habe, als wolle er sein Gesicht verstecken. Insbesondere sei er nach vorne gebeugt gesessen, habe seine Kapuze und sein Cappy weit ins Gesicht gezogen und einen Mund-Nasen-Schutz getragen. Der Mann sei dunkel gekleidet gewesen, habe getrocknetes Blut an den Händen gehabt, angetrunken gewirkt und nach Alkohol gerochen. Anweisungen habe er folgen können, beispielsweise habe er auf die Frage, wer er sei, mit … geantwortet und nach einer diesbezüglichen Aufforderung seine Hand geöffnet, in welcher sich ein Feuerzeug befunden habe. Die Sprache sei etwas lauter gewesen und die Aussprache sei undeutlich gewesen, wobei er nicht gelallt habe. Angesprochen auf das Blut an seinen Händen habe er geäußert, dass er nicht wisse, woher das komme. Eine Verletzung sei bei ihm nicht sichtbar und das Blut auch nicht frisch gewesen. Er habe keine sachdienlichen Hinweise geliefert und lediglich gesagt, dass er nach Hause wolle. Er habe nichts davon erwähnt, dass er selbst überfallen worden oder ihm etwas abgenommen worden sei. Zum Zwecke der Durchsuchung der Person habe sie dann einen männlichen Kollegen gerufen.
73
(5) Der Zeuge POM L. führte sachlich und nachvollziehbar aus, dass er bei der Durchsuchung der Person des Angeklagten in der Bauchtasche seines Pullovers das Smartphone und die EC-Karte des Geschädigten aufgefunden habe. Der Angeklagte sei alkoholisiert gewesen, habe leicht geschwankt, habe aber selbst laufen können und auf alle Anweisungen oder Situationen reagiert. Während man Fotos von ihm gefertigt habe, habe er beispielsweise die Zunge herausgestreckt und den Mittelfinger gezeigt. Der Angeklagte habe sich nicht zu dem Tatgeschehen geäußert. Insbesondere habe er nichts davon gesagt, dass ihm selbst etwas entwendet oder er selbst angegriffen worden sei.
74
(6) Der Zeuge PHK B. gab ruhig und sachlich aus eigener präsenter Erinnerung heraus an, dass er am 24.05.2021 gegen 22:15 Uhr als Einsatzleitung am … Bahnhof angekommen sei und dort eine Tatortbereichsfahndung nach dem Täter eingeleitet habe. Anschließend habe er den Geschädigten befragt und sich von diesem den Tatort – einen ehemaligen Kinderspielplatz südlich des Bahnhofsgeländes – zeigen lassen. Der Geschädigte habe in gebrochenem Deutsch erzählt, dass er auf einer Parkbank Musik gehört habe, als ein unbekannter Täter ihm von hinten eine abgebrochene Glasflasche an den Hals gehalten und Geld gefordert habe. Daraufhin sei es zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen, während dieser der Täter aus der Jackeninnentasche des Geschädigten dessen Geldbeutel sowie dessen auf der Parkbank liegendes Mobiltelefon entwendet habe. Der Geschädigte sei daraufhin dem flüchtenden Täter bis zum Bahnhofsgelände nachgelaufen. Der Geschädigte habe eine kleine blutende Schnittverletzung am linken Unterarm sowie Kratzer am Hals gehabt und sei von dem Rettungsdienst versorgt worden. Bei dem Geschädigten sei ein Atemalkohol von 0,54 mg/l gemessen worden.
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Der Zeuge PHK B. führte weiter aus, dass von der zweiten Parkbank, welche der Geschädigte als Tatort angegeben habe, bis zum Bahnhofsgebäude und von dort aus hin zum Taxistand Bluttropfen am Boden zu sehen gewesen seien. Am Taxistand sei zudem eine größere Blutlache sichtbar gewesen. Im Tatortbereich habe sich darüber hinaus eine blutige abgebrochene durchsichtige Glasflasche befunden. Auf einer benachbarten Parkbank sei eine Herrenhandtasche mit dem Personalausweis des Angeklagten aufgefunden worden, welcher am selben Abend unweit von dem Tatort entfernt bereits zuvor randalierend in Erscheinung getreten sei.
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Nach der Festnahme des Angeklagten im Regionalzug sei bei diesem ein Atemalkohol von 0,79 mg/l festgestellt worden. Eine später versuchte Blutentnahme sei wegen des schlechten Zustandes der Venen des Angeklagten nicht möglich gewesen. Der Angeklagte habe nichts darüber geäußert, dass er selbst angegriffen oder ihm etwas entwendet worden sei.
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(7) Der Zeuge KOK C. berichtete in der Hauptverhandlung anschaulich und nachvollziehbar von der durch ihn und den Kollegen KK R. durchgeführten Spurensicherung am Tatort, insbesondere den zahlreichen Blutspuren auf der Parkbank, auf dem Boden neben der Parkbank und auf den Pflastersteinen in Richtung Bahnhofsgebäude. Zudem schilderte er die Sicherstellungen einer zerbrochenen Vodkaflasche in einer Wiese einige Meter vom Tatort entfernt in Richtung Bahnhofsgebäude, einer Glasscherbe vor der Parkbank, auf der der Geschädigte nach seinen eigenen Angaben gesessen sei und einer Herrenhandtasche auf der benachbarten Parkbank. Die von dem Zeugen KOK C. geschilderten Spurensicherungen sowie die Lage der sichergestellten Gegenstände konnten durch die Kammer anhand von mit dem Zeugen in Augenschein genommenen Lichtbildern nachvollzogen werden.
78
(8) Der Zeuge KK R. führte in der Hauptverhandlung sachlich und aus eigener präsenter Erinnerung heraus aus, dass er zusammen mit dem Zeugen KOK C. die Spurensicherung am Tatort durchgeführt habe. Neben den übereinstimmend mit den Angaben des Zeugen KOK C. getätigten Angaben führte der Zeuge KK R. aus, dass es in dem Park ziemlich dunkel gewesen sei, da die Beleuchtung zu dieser Zeit nur teilweise in Betrieb gewesen sei. Insbesondere sei die Lampe, welche eigentlich den Tatortbereich ausleuchten würde, zur Tatzeit defekt gewesen. Die Parkbank, auf welcher der Geschädigte nach seinen Angaben gesessen sei, sei vom Parkeingang gesehen die zweite Bank auf der rechten Seite gewesen. Hinter der Parkbank schließe sich nach circa einem halben Meter ein hoher Zaun an.
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(9) Die Zeugin KHKin M. berichtete in der Hauptverhandlung glaubhaft von der durch sie durchgeführten Spurensicherung an der Kleidung des Angeklagten und des Geschädigten, insbesondere von einem Blutfleck auf der Hose des Angeklagten und einem Abrieb an der linksseitigen Jackeninnentasche des Geschädigten. Daneben gab die Zeugin KHKin M. glaubhaft an, dass sie auch den Kapuzenpullover, die Kapuzenjacke und die Cappy des Angeklagten auf Blutspuren hin untersucht habe. Im Kopfbereich sei dabei lediglich an der Außenseite des Cappys eine Blutspur gewesen. An der Innenseite des Kopfbereiches des Kapuzenpullovers, der Kapuzenjacke und der Cappy des Angeklagten habe sie trotz intensiver Untersuchung der gesamten Asservate jeweils keine Blutspuren feststellen können.
80
(10) Der Zeuge KHK B. schilderte sachlich und anschaulich, dass er erstmals im Arrest auf den Angeklagten getroffen sei. Der Angeklagte habe in seine Richtung gespuckt, habe jedoch weder ihn noch seine Kollegin getroffen. Daneben habe er ihnen den Mittelfinger gezeigt, als sie den Raum betreten hätten. Der Angeklagte habe dies gezielt ausgeführt und sei auch sonst zeitlich und räumlich orientiert gewesen. Verletzungen habe er bei dem Angeklagten nicht feststellen können. Wenn jemand im Arrest bluten würde, werde zum Zwecke der Haftfähigkeitsprüfung stets ein Arzt hinzugezogen, und eine blutende Wunde werde auch in den Akten vermerkt. Dies sei bei dem Angeklagten jeweils nicht erfolgt. Durch Inaugenscheinnahme der im Arrest angefertigten Fotobilder von dem Angeklagten, auf welchen er den Mittelfinger in die Kamera zeigt, konnte das Gericht sich in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Zeugen KHK B. davon überzeugen, dass dort keine Wunde am Kopf oder am Körper des Angeklagten und auch kein Blut zu sehen ist.
81
(11) Auch der Zeuge POM V., welcher glaubhaft angab, dass er sich während des Versuchs der Blutentnahme bei dem Angeklagten im Arrest befunden habe, führte aus, dass er am Kopf des Angeklagten keine Verletzung gesehen habe, obwohl ihm eine solche im Falle deren Existenz eigentlich hätte auffallen müssen. Eine Kopfverletzung des Angeklagten wäre auf jeden Fall in der Akte vermerkt worden und hätte eine ärztliche Behandlung nach sich gezogen. Dies sei jedoch vorliegend nicht erfolgt. Er könne sich nicht erinnern, dass der Angeklagte etwas davon gesagt hätte, dass er selbst überfallen oder ausgeraubt worden sei.
82
(12) Der Zeuge KHK B. berichtete sachlich und schlüssig von einer Vernehmung des Geschädigten am Tatabend auf der Dienststelle ohne Dolmetscher. Hierbei habe der Geschädigte angegeben, dass er gegen 22:00 Uhr auf einer Parkbank Musik gehört habe, als ihm eine unbekannte Person von hinten eine abgeschlagene Flasche mit der Forderung „Gib mir Dein Geld“ an den Hals gehalten habe. Der Geschädigte habe daraufhin geäußert, dass er ihm Geld geben werde, wenn die Person die Flasche wegnehmen würde. Er habe zudem Abwehrbewegungen mit seiner Hand gemacht, um die Flasche wegzudrücken und habe sich dabei an der Hand verletzt. Der Täter habe daraufhin selbst in die Jackeninnentasche des Geschädigten gegriffen, dort den Geldbeutel des Geschädigten entrissen und zudem das neben dem Geschädigten auf der Parkbank liegende Mobiltelefon mitgenommen. Der Zeuge KHK B. berichtete weiter, dass der Geschädigte bei seiner Vernehmung klar und geordnet gewesen sei, insbesondere nicht gelallt und keine Ausfallerscheinungen gehabt habe. Er habe das Geschehen auch mit Händen und Füßen frei und lebendig anschaulich beschrieben, beispielsweise habe er mit den Händen an seinem Hals gezeigt, wo der Täter die abgebrochene Glasflasche hingehalten habe und wie er – der Geschädigte – versucht habe, diese wegzudrücken. Der Geschädigte habe ihm auch seine Schnittverletzungen an der linken Hand und am Unterarm gezeigt.
83
(13) Der Zeuge KHK N. berichtete glaubhaft, dass er als Hauptsachbearbeiter den Geschädigten nochmals unter Hinzuziehung eines Dolmetschers vernommen habe. Dort habe der Geschädigte seine Angaben von der Tatnacht bestätigt. Insbesondere habe er angegeben, dass ihm auf einer Parkbank am … Bahnhof von hinten eine Flasche an den Hals gehalten und 20 Euro gefordert worden sei, bevor der Täter in die Jackeninnentasche des Geschädigten gegriffen und dessen Geldbeutel herausgezogen habe. Durch ein Wehren des Geschädigten habe dieser sich eine Schnittverletzung am Unterarm zugezogen. Der Täter habe neben dem Geldbeutel auch noch das Mobiltelefon des Geschädigten mitgenommen und sei nach der Tat von dem Geschädigten noch bis zum Bahnhofsgebäude verfolgt worden. Der Geschädigte habe zudem angegeben, dass er ein paar Bier getrunken habe. Milieubedingt sei der Geschädigte bisher noch nicht in Erscheinung getreten, und Handyauswertungen bei dem Angeklagten und dem Geschädigten hätten keinen vorherigen Kontakt zwischen den beiden ergeben. Der Geschädigte S. wohne etwa 80 Meter von dem Tatort entfernt.
84
In einer auf der benachbarten Parkbank aufgefundenen Männerhandtasche seien die Geldbörse mit Personalausweis und einer EC-Karte des Angeklagten sowie diverse Dokumente aus einem Diebstahl aus einem aufgebrochenen Motorradkoffer des dort Geschädigten H. aufgefunden worden.
85
Weiter berichtete der Zeuge KHK N., dass an den untersuchten Gegenständen diverse DNA-Spuren des Geschädigten und des Angeklagten gefunden worden seien. Insbesondere sei an der Jackeninnentasche des Geschädigten sowie am Flaschenhals der abgebrochenen Glasflasche die DNA bzw. das Blut des Angeklagten und auf einer abgebrochenen Glasscherbe sowie auf der Hose des Angeklagten die DNA bzw. das Blut des Geschädigten festgestellt worden.
86
Die abgebrochene Glasscherbe sei vor der Parkbank gelegen und habe hinsichtlich der Glasfarbe und Glasstärke visuell zu der scharfkantigen abgebrochenen Glasflasche, welche ein paar Meter entfernt in einer Wiese gefunden worden sei, gepasst. Die Verfahrensbeteiligten konnten sich durch ein Zusammenstecken der asservierten etwa 4,5 x 3,5 cm großen Glasscherbe und der etwa 10 x 6 cm großen abgebrochenen Glasflasche in der Hauptverhandlung davon überzeugen, dass diese zusammenpassen. Zudem konnte das Gericht sich von der Scharfkantigkeit der abgebrochenen Glasflasche überzeugen.
87
Der Zeuge KHK N. berichtete weiter, dass der Angeklagte eine Stunde vor dem Vorfall, gegen 21:00 Uhr, in der Nähe des … Bahnhofs in der S2. straße bereits mit einer Glasflasche diverse Pkw beschädigt habe. Nach einer polizeilichen Personenkontrolle sei er jedoch vor Ort wieder entlassen worden.
88
(14) Der Zeuge V., …, schilderte im Rahmen der Hauptverhandlung ruhig und sachlich aus eigener präsenter Erinnerung heraus, dass ihn am 24.05.2021 gegen 21:00 Uhr eine Nachbarin angerufen und darauf hingewiesen habe, dass ein Mann mit einer Glasflasche seinen Pkw beschädigen würde. Er sei daraufhin dem Mann nachgelaufen und habe diesen aufgefordert, stehen zu bleiben. Der Mann habe nach Alkohol gerochen, sei schwankend gelaufen und habe ihn mit der Bierflasche schlagen wollen, wobei er habe ausweichen können. Er habe dann die Polizei gerufen und den Mann weiter verfolgt, während er der Polizei laufend den Standort mitgeteilt habe. An einem Privatgrundstück habe die Polizei den Mann dann gestellt, nachdem dieser mittels eines Absatzes über eine etwa 2 Meter hohe Mauer geklettert sei.
89
(15) Der Sachverständige … erläuterte in der Hauptverhandlung die von ihm durchgeführte kriminaltechnische Vergleichsarbeit und die von ihm erstellten schriftlichen Treffergutachten mit biostatistischer Beurteilung vom 06.07.2021. Er führte aus, dass ihm insbesondere folgende Abklebungen bzw. Blutspuren von der Kriminalpolizeiinspektion zur Auswertung übersandt worden seien:
90
Abklebung linksseitige Jackeninnentasche des Geschädigten als Spur 0.1.1 Blutantragung linkes Bein der Jeans des Angeklagten als Spur 0.2.5.1 Blutantragung oben mittig an der Cappy des Angeklagten als Spur 0.2.6.1 Blutantragungen auf und neben der Parkbank sowie auf dem Boden vor dem Nebeneingang vom Bahnhof als Spuren 0.3.1, 0.3.2, 0.3.3 und 0.3.4 Blutantragung am Flaschenhals der zerbrochenen Glasflasche als Spur 0.3.5.2 Abrieb der Glasscherbe vor der Parkbank als Spur 0.3.6.1 Zudem seien ihm die DNA-Muster des Geschädigten S.1996.Musie und des Angeklagten G.1977.Gerhard übersandt worden.
91
Von den oben genannten an ihn übersandten Spuren sei mittels eines Silica-Gelbasierenden Verfahrens die DNA extrahiert worden. In diesen DNA-Extrakten seien anschließend 16 Markersysteme und die Amelogenin-Region zur Geschlechterbestimmung vermehrt worden. Diese vermehrten DNA-Fragmente seien sodann in einer Kapillarelektrophorese der Größe nach geordnet und durch Fluoreszenznachweis sichtbar gemacht worden. Die Allel-Zuordnungen seien unter Verwendung eines internen Längenstandards und einer Allel-Leiter mit der zugehörigen Gerätesoftware ABI Prism Genotyper erfolgt. Für die Genotypisierungen seien die Untersuchungs-Kits PowerPlexESX/ESI 17 Fast (Promega) verwendet worden.
92
Die hierdurch erlangten Ergebnisse habe er wie folgt bewertet:
93
Die Spur 0.1.1 (linksseitige Jackeninnentasche des Geschädigten) habe ein DNA-Misch-Teil-Profil im Bereich der Nachweisgrenze ergeben, dessen Ergebnisse teilweise im stochastischen Bereich liegen würden. Sowohl der Geschädigte als auch der Angeklagte würden als Mitverursacher in Betracht kommen, wobei von beiden Personen jeweils drei Merkmalsausprägungen fehlen würden. Unvollständige Befunde seien im vorliegenden Bereich der Nachweisgrenze durchaus zu erwarten, würden jedoch dazu führen, dass keine zweifelsfreie Aussage getroffen werden könne. Unter der Voraussetzung, dass keine nahen Verwandten des Geschädigten und des Angeklagten als Spurverursacher in Betracht kommen würden, sei eine Beteiligung der beiden Personen an der Entstehung der Spuren als sehr wahrscheinlich anzusehen.
94
In der Spur 0.2.5.1 (Blutantragung linkes Bein der Jeans des Angeklagten) sei sowohl die DNA des Angeklagten als auch die DNA des Geschädigten in allen 16 untersuchten Merkmalsystemen vollständig enthalten. Diesbezüglich sei auch ein Treffergutachten mit biostatistischer Beurteilung durch ihn erstellt worden. Dieses habe ergeben, dass es 83 Trillionen Mal wahrscheinlicher sei, dass der Geschädigte Mitverursacher der Mischspur sei, als dass er die Spur nicht mitverursacht habe. Somit betrage die Ausschluss-Chance, mit der eine beliebige Person als Mitverursacher der betreffenden Mischspur ausgeschlossen werden könne P(E)=99,99…68%. Aus gutachterlicher Sicht bestehe daher kein Zweifel, dass der Geschädigte Mitverursacher der Spur 0.2.5.1 sei. Für die Berechnung sei die von der Spurenkommission Deutschland empfohlene gepoolte Populationsstatistik zugrunde gelegt worden.
95
Bei der Spur 0.2.6.1 (Blutantragung oben mittig an der Cappy des Angeklagten) sei ein DNA-Reinprofil erlangt worden, welches mit dem DNA-Profil des Angeklagten in allen 16 untersuchten Merkmalsystemen übereinstimmen würde. Hinweise auf einen weiteren Spurenleger hätten sich dabei nicht ergeben.
96
Hinsichtlich der Spuren 0.3.1, 0.3.2, 0.3.3 und 0.3.4 (Blutantragungen auf und neben der Parkbank sowie auf dem Boden vor dem Nebeneingang vom Bahnhof) sei jeweils ein Reinprofil erlangt worden, welches mit dem DNA-Profil des Geschädigten in allen 16 untersuchten Merkmalsystemen übereinstimmen würde. Diesbezüglich sei ein Treffergutachten mit biostatistischer Beurteilung durch ihn erstellt worden. Die Gesamthäufigkeit des DNA-Identifizierungsmusters in der europäischen Bevölkerung betrage 1 : 3,31 Quadrilliarden. Unter der Voraussetzung, dass alle mit dem Geschädigten verwandten Personen als Spurenverursacher auszuschließen seien, ergebe sich eine Wahrscheinlichkeit von mindestens 99,999999999999999% für eine Identität des Spurenmaterials mit der DNA des Geschädigten, wobei 15 Stellen nach dem Komma das Maximum des von ihm verwendeten Berechnungssystems darstellen würden. Diese enorm hohe Wahrscheinlichkeit rühre daher, dass der Geschädigte mehrere extrem seltene Allele aufweisen würde. Aus wissenschaftlicher Sicht bestehe kein Zweifel an der Identität des Geschädigten mit dem Spurenleger. Für die Berechnung sei die von der Spurenkommission Deutschland empfohlene gepoolte Populationsstatistik zugrunde gelegt worden.
97
Bei der Untersuchung der Spur 0.3.5.2 (Blutantragung am Flaschenhals der zerbrochenen Glasflasche) habe sich ein Reinprofil ergeben, welches mit dem DNA-Profil des Angeklagten in allen 16 untersuchten Markmalsystemen übereinstimmen würde. Ein Treffergutachten mit biostatistischer Beurteilung habe ergeben, dass die Gesamthäufigkeit des DNA-Identifizierungsmusters in der europäischen Bevölkerung 1 : 44,1 Trilliarden betrage. Unter der Voraussetzung, dass alle mit dem Angeklagten verwandten Personen als Spurenverursacher auszuschließen seien, ergebe sich eine Wahrscheinlichkeit von mindestens 99,999999999999999% für eine Identität des Spurenmaterials mit der DNA des Angeklagten. Daher bestehe kein Zweifel an der Identität des Spurenmaterials mit der DNA des Angeklagten. Für die Berechnung sei die von der Spurenkommission Deutschland empfohlene gepoolte Populationsstatistik zugrunde gelegt worden.
98
Die Spur 0.3.6.1 (Abrieb Glasscherbe vor der Parkbank) habe ein Mischprofil von zwei Spurenlegern ergeben, als deren Hauptverursacher der Geschädigte in Betracht komme. Der Geschädigte sei insbesondere in allen 16 untersuchten Merkmalsystemen enthalten und die Mehrzahl der Merkmalsysteme würden von dem Geschädigten kommen. Die Hypothese, dass der Geschädigte M. der untersuchten Spur sei, lasse sich 1 Trillion Mal besser erklären als die Hypothese, dass die Spur durch zwei unbekannte Personen verursacht worden sei. Die Einschlusswahrscheinlichkeit hinsichtlich des Geschädigten betrage mithin 99,9…01%. Für die Berechnung sei die von der Spurenkommission Deutschland empfohlene gepoolte Populationsstatistik zugrunde gelegt worden. Der Angeklagte sei hinsichtlich dieser Spur als Spurenleger auszuschließen.
99
Die Ausführungen des Sachverständigen überzeugten durch eine ausführliche, sachliche und nachvollziehbare Begründung der gewonnen Erkenntnisse. Zweifel an deren Wahrheitsgehalt bestehen für die Kammer nicht.
100
Die Kammer kam nach umfassender Gesamtwürdigung der Beweisergebnisse zu dem Ergebnis, dass die Angaben des Geschädigten und der übrigen Zeugen vollumfänglich glaubhaft sind, während der Einlassung des Angeklagten nur in dem Umfang gefolgt werden kann, in welchem sie sich mit dem unter C) I. festgestellten Sachverhalt deckt. Abweichend von der Einlassung des Angeklagten ist die Kammer davon überzeugt, dass dieser nicht von dem Geschädigten angegriffen wurde, sondern er vielmehr dem Geschädigten eine abgebrochene Vodkaflasche an den Hals hielt, Geld forderte und während eines sich um die abgebrochene Vodkaflasche entwickelnden Gerangels die Brieftasche des Geschädigten S. aus dessen linker Jackentasche sowie das auf der Parkbank liegende Mobiltelefon des Geschädigten S. – wie von ihm geplant – entwendete, um diese Gegenstände dauerhaft ohne Berechtigung für sich zu behalten.
101
Das Gericht gelangte zu der Überzeugung, dass die Angaben des Geschädigten vollumfänglich glaubhaft sind. Er schilderte die Geschehnisse insbesondere sachlich, detailliert, präzise und konstant aus eigener präsenter Erinnerung heraus und beantwortete Fragen spontan und geduldig. Auch die durch den Angeklagten erfolgten lautstarken und ausfallenden Zwischenrufe und Drohungen während seiner Zeugenaussage nahm er ruhig und geduldig hin, ohne darauf einzugehen.
102
Die Angaben des Geschädigten decken sich vollständig mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere mit den ebenfalls vollumfänglich für glaubhaft erachteten Angaben der übrigen Zeugen, den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen … sowie den in Augenschein genommenen Lichtbildern und verlesenen Urkunden.
103
Der Geschädigte zeigte während des Ermittlungsverfahrens und auch in der Hauptverhandlung keinerlei Belastungseifer. Er führte vielmehr aus, persönlich kein Interesse an einer Bestrafung des Angeklagten zu haben und stellte keinen Strafantrag. Er differenzierte klar zwischen Dingen, welche er noch sicher erinnern konnte und solchen Dingen, welche er nicht mehr präsent hatte. Insbesondere gab er auch nach Vorhalt seiner Angabe bei der polizeilichen Vernehmung, dass der Täter eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen habe, in der Hauptverhandlung an, dass er sich heute nicht mehr erinnern könne, ob oder was der Täter im Gesicht getragen habe. Daneben fanden sich in der Aussage des Geschädigten keinerlei Übertreibungen, obwohl diese für ihn einfach möglich und schwer widerlegbar gewesen wären. Beispielsweise führte er aus, dass er trotz seiner Wunden keine Schmerzen gehabt habe, die Wunden nicht schlimm gewesen und diese durch seine eigene Abwehrbewegung und nicht durch einen aktiven Schnitt des Angeklagten entstanden seien.
104
Die Angaben des Geschädigten waren auch über die unterschiedlichen Befragungssituationen durchweg konstant. Der Geschädigte schilderte stets denselben Tatablauf. Hierbei spielte es im Ergebnis für die Kammer keine Rolle, dass die Polizeibeamten, welche den Geschädigten noch ohne Dolmetscher am Tatort vernommen haben, ausführten, dass der Geschädigte von einem pauschalen Fordern des Angeklagten nach Geld berichtet habe, während er in der polizeilichen Vernehmung durch den Zeugen KHK N. sowie in der Vernehmung im Rahmen der Hauptverhandlung angab, dass der Angeklagte konkret nach 20 Euro gefragt habe. Solche Detailabweichungen sind im Verlauf einer Zeugenaussage zu erwarten und machen die Angaben des Geschädigten nicht unlogisch. Im Gegensatz hierzu werden Lügengeschichten homogen erdacht, gelernt und im Verlauf der Aussage wiedergegeben. Dabei wurde insbesondere auch beachtet, dass der Geschädigte am Tatort noch ohne Dolmetscher vernommen wurde und die Vernehmung sich aufgrund der Sprachbarriere schwierig gestaltete, während ihm zur polizeilichen Vernehmung durch den Zeugen KHK N. sowie zur Vernehmung in der Hauptverhandlung ein Dolmetscher zur Verfügung gestellt wurde.
105
Für die Glaubhaftigkeit der Angaben des Geschädigten sprach auch dessen anschauliche und interaktive Schilderung des Geschehens, welche er mit schlüssiger Mimik und Gestik unterstrich. Insbesondere zeigte der Geschädigte während der Schilderung des Tatgeschehens mit seinen Händen die Stelle, an welcher die Glasflasche an seinem Hals gehalten wurde und die Handbewegung, mit welcher er versuchte, die Glasflasche von seinem Hals wegzudrücken, während der Angeklagte seine Geldbörse und sein Mobiltelefon entwendete.
106
Die Kammer ist neben den glaubhaften Schilderungen des Geschädigten aufgrund zahlreicher Indizien davon überzeugt, dass der Angeklagte entgegen seiner Einlassung nicht von dem Geschädigten angegriffen worden ist.
107
Hierfür spricht insbesondere das Geschehen nach der Auseinandersetzung, indem der Angeklagte in Richtung des Bahnhofsgebäudes flüchtete, dort von dem Geschädigten und auch während einer circa halbstündigen Suchaktion der Polizeibeamten zunächst nicht aufgefunden werden konnte und später in dem Regionalzug durch gebücktes Sitzen und eine weit ins Gesicht gezogene Cappy und Kapuze in auffälliger Weise versuchte, sein Gesicht zu verstecken. Der Geschädigte hingegen verfolgte den Angeklagten noch bis zum Bahnhofsgebäude und lief anschließend zielstrebig zum Taxi des Zeugen B., welchen er bat, die Polizei zu rufen, weil er überfallen worden sei. Im Falle eines Überfalls des Geschädigten auf den Angeklagten, um dessen Handtasche zu erlangen, erschließt sich nicht, weshalb der Geschädigte nach der Verfolgung des Angeklagten die Polizei rufen sollte, zumal die Handtasche des Angeklagten – das angebliche Zielobjekt des Geschädigten – sich noch auf der benachbarten Parkbank befand. Auch ergab die Beweisaufnahme, dass der Angeklagte entgegen seiner eigenen Einlassung gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten nichts davon erwähnte, dass er selbst überfallen worden sei. Vielmehr bestätigten alle vernommenen Polizeibeamten, die mit dem Angeklagten bei der Festnahme oder später im Arrest Kontakt hatten, dass dieser keine Angaben zum Tatgeschehen gemacht und insbesondere nichts davon erwähnt habe, selbst überfallen worden zu sein. Im Falle eines Überfalles des Geschädigten auf den Angeklagten wäre zu erwarten gewesen, dass der Angeklagte spätestens nach seiner eigenen Festnahme gegenüber den Polizeibeamten davon berichtet hätte. Der Angeklagte gab gegenüber den Polizeibeamten jedoch lediglich an, dass er sich auf dem Weg nach Hause befinde.
108
Daneben ergab die Beweisaufnahme, dass der Angeklagte entgegen seiner Einlassung keine blutende Wunde am Kopf hatte. Vielmehr bestätigten alle mit dem Angeklagten befassten vernommenen Zeugen, dass sie keine Wunde am Kopf des Angeklagten festgestellt haben und dieser auch nichts von einer Wunde erzählt habe. Zudem führte die Zeugin KHKin M. glaubhaft aus, dass sie an Kapuzenpullover, Kapuzenjacke und der Cappy des Angeklagten trotz intensiver Suche im Kopfbereich lediglich an der Außenseite des Cappys eine Blutspur finden konnte. Auf der Innenseite des Kopfbereiches des Kapuzenpullovers, der Kapuzenjacke und der Cappy des Angeklagten – welche der Angeklagte bei der Festnahme nach den glaubhaften Angaben der Zeugin KKin J. jeweils auf dem Kopf trug – konnte sie hingegen jeweils keine Blutspuren feststellen. Auch auf dem von dem Angeklagten im Arrest angefertigten Foto, auf welchem dieser den Mittelfinger zeigt, ist kein Blut und keine Wunde am Kopf des Angeklagten zu sehen.
109
Die Verletzungen des Geschädigten in Form von zwei kleinen blutenden Schnittwunden am linken Unterarm und am linken Handrücken sowie einem Kratzer am Hals sprechen gegen die Einlassung des Angeklagten, er sei von dem Geschädigten mit einer abgebrochenen Glasflasche angegriffen worden. Diese passen vielmehr dazu, dass der Angeklagte dem Geschädigten eine abgebrochene Glasflasche an den Hals gehalten und der Geschädigte sich bei dem Versuch, die Glasflasche wegzudrücken, an der Hand geschnitten hat.
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Gegen einen Angriff auf den Angeklagten, während dieser auf der Parkbank saß, spricht auch das Spurenbild der aufgefundenen Blutspuren. Auf und neben der Parkbank, auf welcher der Geschädigte saß, befanden sich zahlreiche Bluttropfen, welche allesamt dem Geschädigten zuzuordnen sind, während sich auf oder vor der Parkbank, auf welcher der Angeklagte gesessen und letztlich auch die Handtasche des Angeklagten zurückgeblieben war, keine Blutspuren befanden. Hätte das von dem Angeklagten geschilderte Gerangel tatsächlich stehend vor der Bank, auf welchem der Angeklagte saß, stattgefunden, wären dort Blutspuren zu erwarten, und die Blutspuren auf und vor der Parkbank, auf welcher der Geschädigte saß, ließen sich nicht schlüssig erklären. Daneben erscheint es auch lebensfremd, dass der Angeklagte, nachdem er von dem Geschädigten im Halbschlaf mit einer abgebrochenen Glasflasche bedroht worden sei und der Geschädigte ihm seine Handtasche habe wegnehmen wollen, aus Versehen oder auch absichtlich spontan nach dem Geldbeutel des Geschädigten in dessen Jackeninnentasche statt nach seiner eigenen Handtasche greift. Noch abwegiger erscheint die Schilderung des Angeklagten in Anbetracht dessen, dass der Angeklagte auch das Mobiltelefon des Geschädigten mitnahm, welches auf der Parkbank des Geschädigten neben diesem lag, um damit Musik zu hören. Nach der Schilderung des Angeklagten hätte dieser, nachdem er auf der ersten Bank sitzend angegriffen wurde und in der Folge vor der ersten Bank stehend spontan oder versehentlich die Geldbörse des Geschädigten aus dessen Jackeninnentasche zog, zunächst noch zur benachbarten Parkbank gehen müssen, um dort das Mobiltelefon des Geschädigten einzusammeln, um dann anschließend wieder umzudrehen und in die entgegengesetzte Richtung zum Bahnhofsgebäude zu flüchten, ohne jedoch die auf der ersten Parkbank zurückgelassene eigene Handtasche mitzunehmen.
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Auch die Auffindesituation der Glasscherbe und der abgebrochenen Glasflasche sprechen gegen einen Überfall des Geschädigten mit der Glasflasche auf den Angeklagten. Nachdem die Glasscherbe vor der Bank gefunden wurde, auf welcher der Geschädigte saß, liegt nahe, dass die Auseinandersetzung auf dieser Parkbank stattgefunden hat. Daneben spricht auch die Auffindesituation der abgebrochenen Glasflasche in der Wiese einige Meter entfernt von den Parkbänken in Richtung Bahnhofsgebäude dafür, dass der Angeklagte diese auf der Flucht in Richtung Bahnhofsgebäude fallen ließ. Hätte hingegen der Geschädigte den Angeklagten mit der abgebrochenen Glasflasche in der Hand zunächst bedroht und dann – wie vom Angeklagten geschildert – auf der Flucht verfolgt, um die ihm entwendeten Gegenstände wiederzuerlangen, liegt ein Fallenlassen der abgebrochenen Glasflasche als potentielles Drohmittel für die Herausgabe der Gegenstände des Geschädigten während der Verfolgung nicht nahe.
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Weiter spricht auch die Spurenlage an der abgebrochenen Glasflasche und der Glasscherbe gegen einen Überfall des Geschädigten auf den Angeklagten. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme befand sich das Blut des Angeklagten am Flaschenhals, während sich die DNA des Geschädigten an der hierzu passenden Glasscherbe befand. Es liegt daher nahe, dass der Angeklagte die abgebrochene Glasflasche am Flaschenhals hielt und an den Hals des Geschädigten drückte, wodurch während des Gerangels eine Scherbe der abgebrochenen Glasflasche mit der DNA des Geschädigten vor der Parkbank, auf welcher der Geschädigte saß, auf den Boden fiel. Es ist hingegen unrealistisch, dass der Geschädigte die abgebrochene Glasflasche am unteren, abgebrochenen und scharfkantigen Teil der Glasflasche hielt und in diesem Wege dem Angeklagten damit kräftig auf den Kopf schlug. In diesem Fall wären Verletzungen des Geschädigten in dessen Handinnenflächen zu erwarten gewesen. Auch erscheint es lebensnaher, eine unten abgebrochene Glasflasche am Flaschenhals zu packen, als sich dem Risiko der Verletzung am scharfkantigen Teil der Flasche auszusetzen. Die Blutspur des Angeklagten am Flaschenhals könnte sich zum einen dadurch erklären lassen, dass der Angeklagte möglicherweise kurze Zeit vorher mit seiner Hand die Heckscheibe des unter C. II. festgestellten Pkw eingeschlagen hat, wo er bereits mehrere Bluttropfen im Fahrzeuginneren hinterließ. Zum anderen erscheint es auch möglich, dass der Angeklagte sich durch ein festes Zupacken des Flaschenhalses im Rahmen des Gerangels um die Glasflasche an dem scharfen Metalldeckel der Vodkaflasche geschnitten haben könnte.
113
Auffallend – wenn auch nicht ausschlaggebend – war für die Kammer zudem, dass der Angeklagte im Gegensatz zum Geschädigten in der Vergangenheit bereits mehrfach wegen Gewaltdelikten strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und während der Zeugenvernehmung des Geschädigten in der Hauptverhandlung eine verbale Aggression ausschließlich von der Seite des Angeklagten gegenüber dem Geschädigten ausging, während der Geschädigte ruhig, sachlich und zurückhaltend auftrat.
114
Die Überzeugung davon, dass der Angeklagte dem Geschädigten die abgebrochene Vodkaflasche an den Hals gehalten hat, erlangte die Kammer neben der glaubhaften Schilderung des Geschädigten insbesondere aus der oben geschilderten stimmigen Spurenlage an der abgebrochenen Glasflasche und der Glasscherbe sowie den Verletzungen des Geschädigten. Diese fügen sich schlüssig in den vom Geschädigten berichteten Geschehensablauf in Form des Haltens der abgebrochenen Glasflasche an den Hals des Geschädigten ein, was den linksseitigen Kratzer am Hals des Geschädigten erklärt. Auch die kleinen Schnittverletzungen am linken Handrücken und am linken Unterarm sind schlüssiger durch Abwehrbewegungen und den Versuch eines Wegdrückens der Glasflasche vom Hals des Geschädigten zu erklären als mit einem Halten der abgebrochenen Glasflasche an den scharfen Kanten.
115
Die Überzeugung der Kammer davon, dass der Angeklagte dem Geschädigten die abgebrochene Vodkaflasche an den Hals gehalten hat, wird nicht dadurch entkräftet, dass der Angeklagte – wie er während zahlreicher Zeugenvernehmungen wiederholt betonte – keinen Vodka trinken würde. Denn für das Verwenden einer abgebrochenen Vodkaflasche zur Tatbegehung ist es nicht nötig, dass der Angeklagte diese vorher auch selbst geleert hat. Vielmehr kann die Vodkaflasche genauso gut auch im Bereich des Bahnhofs – einem bekannten Szenetreff der Drogen- und Alkoholikerszene – von dem Angeklagten aufgefunden und zur Tatbegehung verwendet worden sein, zumal das Blut und die DNA des Angeklagten lediglich am Flaschenhals, nicht aber am Schraubverschluss der Flasche festgestellt werden konnte.
116
Die Kammer ist weiter insbesondere aufgrund der glaubhaften Schilderung des Geschädigten davon überzeugt, dass der Angeklagte, während er die abgebrochene Glasflasche an den Hals des Geschädigten hielt, Geld von dem Geschädigten gefordert hat. Dies wird indiziell durch den objektiven Umstand gestützt, dass der Angeklagte letztlich von dem Geschädigten auch gezielt dessen Geldbörse und dessen Mobiltelefon als werthaltigen Gegenstand entwendete. Die Schilderung einer konkreten Forderung des Angeklagten nach 20 Euro erscheint entgegen den Ausführungen der Verteidigung nicht deshalb lebensfremd, weil der Geschädigte zufälligerweise tatsächlich etwas mehr als 20 Euro in seinem Geldbeutel hatte. Nach der Schilderung des Angeklagten, dass er sich bereits eine Weile auf der Parkbank neben der Parkbank, auf welchem der Geschädigte gesessen sei, aufgehalten habe, ist es auch möglich, dass der Angeklagte mitbekam, dass der Geschädigte zuvor einen 20-Euro-Schein in seinen Geldbeutel steckte. Der Bedarf des Angeklagten, an Geld zu gelangen, lässt sich schlüssig dadurch nachvollziehen, dass der arbeitslose Angeklagte seinen kostspieligen Betäubungsmittelkonsum finanzieren musste und nach seinen eigenen Angaben am Tattag Streit mit seinen Eltern – welche eigentlich die Geldquelle für den Angeklagten darstellten – hatte.
117
Das Entwenden der Geldbörse und des Mobiltelefons des Geschädigten durch den Angeklagten wurde von dem Angeklagten letztlich eingeräumt und durch die glaubhaften Angaben des Geschädigten und das Auffinden des Mobiltelefons und der Bankkarte des Geschädigten in der Bauchtasche des Pullovers des Angeklagten bei dessen Festnahme im Regionalzug bestätigt. Hier fügt sich auch stimmig die Tatsache ein, dass in der linken Jackeninnentasche des Geschädigten eine DNA-Spur gefunden wurde, als deren Verursacher der Angeklagte zwar nicht sicher feststellbar war, aber mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in Betracht kommt. Die Absicht des Angeklagten, die entwendeten Gegenstände des Geschädigten dauerhaft für sich zu behalten, wird durch die objektiven Umstände, dass der Angeklagte nach dem Entwenden vor dem Geschädigten flüchtete, sich versteckte und diese Gegenstände teilweise in der Bauchtasche seines Pullovers verstaute, gestützt. Ein Rückführungswille wurde vom Angeklagten nicht vorgetragen und liegt vorliegend auch nicht nahe, zumal der Angeklagte sich bei seiner Festnahme etwa eine dreiviertel Stunde nach der Tat in einem stehenden Regionalzug befand, welcher ihn – wäre er nicht zuvor entdeckt und festgenommen worden – nach Hause oder jedenfalls weg von dem Tatort befördert hätte.
118
Der unter C) II. festgestellte Sachverhalt steht fest aufgrund des Geständnisses des Angeklagten, welches sich mit der durchgeführten Beweisaufnahme deckt. Das Geständnis konnte insbesondere verifiziert werden durch die Angaben der Zeugen POM K. und M. hinsichtlich der Auffindesituation des beschädigten Pkw, die Ausführungen des Sachverständigen … hinsichtlich der untersuchten Blutspuren im Fahrzeuginneren sowie die mit dem Zeugen POM K. in Augenschein genommenen Lichtbilder vom Tatort, welche insbesondere den Pkw des Geschädigten M. mit eingeschlagener Heckscheibe und die im Innenraum des aufgebrochenen Fahrzeugs festgestellten zahlreichen Blutspuren zeigen.
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Der Sachverständige … führte nachvollziehbar aus, dass die durch ihn untersuchten Blutspuren aus dem Fahrzeuginneren allesamt das selbe Reinprofil ergeben hätten, welches er in einem Meldebogen aufgeführt habe. Dieses DNA-Reinprofil der untersuchten Blutspuren würde jeweils in allen 16 Merkmalsystemen mit dem DNA-Profil des Angeklagten, welches später durch das Kommissariat … ermittelt worden sei, übereinstimmen.
120
Der Wert der entwendeten Gegenstände wurde anhand der glaubhaften Angaben des Geschädigten M. auf insgesamt 120 Euro geschätzt. Die Bezifferung des entstandenen Sachschadens beruht auf der von der Versicherung des Geschädigten M. ausbezahlten Schadenssumme in Höhe von 7.917,22 Euro, welche durch einen in der Hauptverhandlung verlesenen Kontoauszug des Geschädigten M. nachvollzogen werden konnte.
121
Die durch den erfahrenen und dem Gericht als äußerst sorgfältig und bewährt bekannten Gutachter …, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, sachverständig beratene Kammer gelangte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sowie umfassender Würdigung der Persönlichkeit des Angeklagten, seiner Einlassung sowie der von ihm begangenen Taten zu dem Ergebnis, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Taten aufgrund des Vorliegens einer Polytoxikomanie (ICD-10: F 19.2) und einer Intoxikation (ICD-10: F 19.0) jeweils – hinsichtlich des Diebstahls aus dem Kfz zumindest nicht ausschließbar – im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert war.
I. Ausführungen des Sachverständigen
122
Der Sachverständige … stützte sein Gutachten auf die Kenntnis der Aktenunterlagen, eine Exploration des Angeklagten am 16.09.2021 in der JVA K., mit Einverständnis des Angeklagten eingeholte medizinische Unterlagen und die Gesundheitsakte der Justizvollzugsanstalt sowie die eigenen Eindrücke und Wahrnehmungen aus der Hauptverhandlung. Der Sachverständige legte die Angaben des Angeklagten zu seinem Suchtmittelkonsum dabei nicht ungeprüft zugrunde, sondern ging insbesondere auch auf die Erkenntnisse aus dem Haargutachten des Bayerischen Landeskriminalamtes vom 04.02.2022 ein, welches die Aufnahme von Heroin, Methadon, Oxycodon, Tramadol, Citalopram, Levetiracetam, Pregabalin und Diazepam bzw. Nordazepam und Oxazepam ausweist sowie Hinweise auf die geringe Aufnahme von Amphetamin oder eines entsprechenden Medikaments, Cocain, Cannabis und Mirtazapin enthält.
123
Bei dem Angeklagten liege nach dem Ergebnis der Haarprobenuntersuchung, seinen eigenen Angaben und den zahlreichen eingeholten ärztlichen Unterlagen von früheren Therapien und Unterbringungen des Angeklagten zum Zwecke des Suchtmittelentzuges eine langjährige Abhängigkeit von Opiaten, Alkohol und Sedativa vor, welche eine Polytoxikomanie (ICD-10: F 19.2) begründen würde. Zudem habe hinsichtlich des unter C.I. festgestellten Tatgeschehens eine akute Intoxikation (ICD-10: F 19.0) vorgelegen. Hinsichtlich des unter C.II. festgestellten Tatgeschehens sei eine akute Intoxikation (ICD-10: F 19.0) aufgrund des naheliegenden engen zeitlichen Zusammenhangs zu dem Geschehen am … Bahnhof sowie den äußeren Umständen der Tat in Form des Entwendens von FFP2-Masken und 20 Euro durch das Einschlagen einer Autoscheibe nach ebenfalls nicht ausschließbar.
124
Die Polytoxikomanie und die Intoxikation seien jeweils dem Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB zuzuordnen.
125
Daneben liege bei dem Angeklagten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD 10: F 60.2) vor. Diese zeige sich an dem störenden Verhalten des Angeklagten während der Hauptverhandlung, insbesondere während der Zeugenaussage des Geschädigten S. Zudem gehe aus seinen Vorverurteilungen hervor, dass der Angeklagte trotz Sanktionen immer wieder Straftaten begehe. Er habe auch eine Neigung, andere zu beschuldigen, um die Schuld von sich zu weisen und schrecke auch nicht davor zurück, sich selbst durch sein eigenes Verhalten Schaden zuzufügen. Als Beispiel führte der Sachverständige die Tatsache an, dass der Angeklagte sich nach geständiger Einlassung hinsichtlich des unter C. II. festgestellten Sachverhalts trotz diesbezüglicher ausdrücklicher Nachfrage des Gerichts nicht bei dem Geschädigten habe entschuldigen wollen. Es liege im Ergebnis jedoch keine schwere Dissozialität bei dem Angeklagten vor. Ein Eingangsmerkmal der §§ 20, 21 StGB sei daher diesbezüglich nicht erfüllt.
126
Die krankhaften seelischen Störungen in Form der Polytoxikomanie und der Intoxikation hätten aus medizinischer Sicht die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zu den jeweiligen Tatzeitpunkten beeinträchtigt, da die Taten im akuten Rausch verübt und durch diesen bedingt gewesen seien. Bei dem Angeklagten seien hinsichtlich des unter C. I. festgestellten Sachverhalts Rauschauffälligkeiten zu Tage getreten, welche ausgeprägt genug gewesen seien, um die medizinischen Voraussetzungen des § 21 StGB anzunehmen. Die Atemalkoholkonzentration bei dem Angeklagten habe 0,79 mg/l betragen, wobei ausweislich der Haarprobe der zusätzliche Mischkonsum von zahlreichen Betäubungsmitteln naheliege und der Angeklagte zudem substituiert worden sei. Der Zeuge PHM V. habe berichtet, dass der Angeklagte bei der versuchten Blutentnahme benommen gewirkt habe, jedoch zeitlich und örtlich orientiert gewesen sei. Auch die Zeugin PKin J. habe beschrieben, dass der Angeklagte angetrunken gewirkt, mit lauter Stimme und undeutlich gesprochen und nach Alkohol gerochen habe. Auch die Tatsache, dass der Angeklagte seine eigene Tasche auf der Nebenbank habe stehen lassen, stelle eine rauschbedingte Auffälligkeit dar. Der Zeuge V. habe hinsichtlich der etwa eine Stunde vor dem Tatgeschehen am … Bahnhof erfolgten Sachbeschädigung mehrerer Fahrzeuge den Angeklagten als nach Alkohol riechend und schwankend beschrieben.
127
Hinsichtlich der unter C. II. festgestellten Tat seien in Anbetracht der massiven Abhängigkeiten des Angeklagten und der Würdigung der vorgeworfenen Tat in Form des Entwendens von FFP2-Masken und 20 Euro sowie der Berücksichtigung des möglichen zeitlichen Zusammenhangs mit der unter C. I. festgestellten Tat die medizinischen Voraussetzungen des § 21 StGB nicht ausschließbar.
II. Eigene Würdigung der Kammer
128
Die Kammer machte die begründeten, nachvollziehbaren und differenzierten Ausführungen des Sachverständigen zur Grundlage ihrer selbst vorgenommenen Würdigung und schloss sich nach eigener Wertung der maßgeblichen Faktoren der Einschätzung des Sachverständigen an. Die Ausführungen des Sachverständigen konnten aufgrund der Ergebnisse der Beweisaufnahme, insbesondere den Ausführungen des Angeklagten und dem Ergebnis des Haargutachtens, vollumfänglich nachvollzogen werden. Soweit der Sachverständige A. als Zeuge tätigte, waren diese sachlich, äußerst differenziert, ohne jeglichen Belastungseifer vorgetragen und glaubhaft.
129
Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Taten aufgrund des Vorliegens einer Polytoxikomanie (ICD-10: F 19.2) und einer Intoxikation (ICD-10: F 19.0) – hinsichtlich der unter C. II. festgestellten Tat jedenfalls nicht ausschließbar – im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert war. Hinsichtlich der Abhängigkeiten von Opiaten, Alkohol und Sedativa waren bei dem Angeklagten die Suchtkriterien nach ICD-10 über mindestens ein Jahr gleichzeitig vorhanden. Die Lebensführung des Angeklagten war durch den Suchtmittelkonsum erheblich beeinträchtigt. Der Tagesablauf des Angeklagten richtete sich maßgeblich danach, Betäubungsmittel zu besorgen oder Wertgegenstände bzw. Bargeld zum Zwecke des Eintausches oder Kaufens von Betäubungsmitteln zu entwenden, um seinen starken Suchtdruck zu befriedigen. Er verlor die Kontrolle über den Umgang mit der Sucht, konsumierte wahllos Betäubungsmittel je nach Verfügbarkeit und wurde seit Jahren aufgrund sonst auftretender körperlicher Entzugserscheinungen substituiert. Er setzte zudem seinen Substanzkonsum trotz schädlicher Folgen wie beispielsweise dem Verlust von Arbeitsplätzen oder der Erkrankung an Hepatitis C aufgrund von „Needle-Sharing“ fort und steigerte sowohl die Dosis als auch die Bandbreite der durch ihn konsumierten Betäubungsmittel aufgrund auftretender Toleranzen.
130
Die Polytoxikomanie und die Intoxikation sind jeweils dem Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB zuzuordnen.
131
Bei dem Angeklagten lag nach Überzeugung der Kammer zu beiden Tatzeitpunkten keine Störung vor, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass er nicht in der Lage gewesen wäre, das Unrecht seiner Taten einzusehen oder danach zu handeln, § 20 StGB. Insbesondere war er hinsichtlich des Geschehens am … Bahnhof in der Lage, den Geldbeutel des Geschädigten durch einen gezielten Griff in die Jackeninnentasche und das Mobiltelefon des Geschädigten zu entwenden, während er mit der anderen Hand eine abgebrochene Glasflasche an den Hals des sich vergeblich wehrenden Geschädigten S. hielt. Die sich an das Geschehen anschließende Flucht und das Verstecken vor der Polizei spricht dafür, dass dem Angeklagten das Unrecht seiner Tat bewusst war. Der Geschädigte führte glaubhaft aus, dass der Angeklagte bei der Flucht keine Schlangenlinien gelaufen und so schnell gerannt ist, dass der Geschädigte ihn nicht einholen konnte. Zudem konnte der Angeklagte sich in der Hauptverhandlung daran erinnern, dass der Tattag zwar ein Montag, dieser aber ein Pfingstfeiertag gewesen sei. Auch hinsichtlich des unter C. II. festgestellten Tatgeschehens lagen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 20 StGB ausgeschlossen war. Insbesondere war der Angeklagte hier im Stande, nach dem Einschlagen der Heckscheibe in den Kofferraum des Pkw hinein- und über zwei Sitzbankreihen nach vorne in den Fahrerbereich zu klettern, um das dort befindliche Bargeld zu entwenden.
132
Das Vorliegen der Polytoxikomanie (ICD-10: F 19.2) und der Intoxikation (ICD-10: F 19.0) führten zu den Tatzeitpunkten jedoch jeweils zu einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB.
133
Diese kommt hinsichtlich einer Suchtmittelabhängigkeit nur ausnahmsweise in Betracht, wenn ein langjähriger Suchtmittelkonsum zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt hat, wenn der Angeklagte zur Tatzeit unter starken Entzugserscheinungen litt, wenn er aus Angst vor Entzugserscheinungen handelte, die er schon als äußerst unangenehm erlebt hatte und als nahe bevorstehend einschätzte, oder ferner, wenn er die Tat im Zustand eines akuten Rausches verübt hat.
134
Der Angeklagte beging die Taten vorliegend – hinsichtlich der unter C. II. festgestellten Tat jedenfalls nicht ausschließbar – in einem akuten Rausch. Der Angeklagte führte in der Hauptverhandlung glaubhaft aus, dass er am Tattag „total dicht“ gewesen sei. Ein akuter Rauschzustand des Angeklagten zum Tatzeitpunkt des unter C.I. festgestellten Geschehens konnte insbesondere durch den Atemalkoholtest, die Tatsache, dass der Angeklagte im Tatzeitraum substituiert wurde und ausweislich der Haarprobe erheblichen Beikonsum betrieb, der Schilderung der Ausfallerscheinungen des Angeklagten durch die Zeugen PHM V., PKin J. und V. sowie der Tatsache, dass der Angeklagte seine eigene Umhängetasche auf der Flucht vergessen hatte, bestätigt werden. Dieser akute Rauschzustand lag aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs mit der unter C. II. festgestellten Tat nicht ausschließbar auch hier bereits vor.
135
Anhaltspunkte für das Vorliegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung bei dem Angeklagten zu den Tatzeitpunkten waren nicht erkennbar.
136
Aufgrund des festgestellten Sachverhalts hat sich der Angeklagte des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Tat unter C. I.) in Tatmehrheit mit Diebstahl in Tateinheit mit Sachbeschädigung (Tat unter C.II.) gemäß §§ 250 Abs. 2 Nr. 1, 249 Abs. 1, 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 242 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 223 Abs. 1, 303 Abs. 1, 303c, 21, 52, 53 StGB schuldig gemacht.
137
Eine Finalität zwischen der durch den Angeklagten ausgeübten Nötigung und der Wegnahme des Geldbeutels und des Mobiltelefons des Geschädigten ist gegeben. Der Geschädigte wurde dadurch, dass der Angeklagte ihm die abgebrochene Vodkaflasche an den Hals hielt, in seiner Verteidigungsfähigkeit geschwächt. Dies nutzte der Angeklagte wie geplant, um die Geldbörse und das Mobiltelefon des Geschädigten zu entwenden. Der Absicht des Angeklagten, durch die Nötigungshandlung an Geld oder Wertgegenstände des Geschädigten zu kommen, wurde durch die von dem Angeklagten geäußerte Forderung nach Geld Ausdruck verliehen.
138
Die von dem Angeklagten bei der Tat verwendete abgebrochene Vodkaflasche ist ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB, da sie nach ihrer Art und ihrer Verwendung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen. Insbesondere war die abgebrochene Glasflasche scharfkantig und wurde von dem Angeklagten gegen den Hals des Geschädigten gedrückt, welcher eine sensible Körperregion mit wichtigen und an der Oberfläche liegenden Blutgefäßen darstellt. Gerade aufgrund des dynamischen Geschehens und der fehlenden Planbarkeit der Reaktion des Geschädigten war die abgebrochene Glasflasche am Hals des Geschädigten daher konkret geeignet, erhebliche Schnittwunden am Hals des Geschädigten zu verursachen.
139
Der Strafrahmen für die unter C) I. festgestellte Tat ist dem gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB zu entnehmen und beträgt Freiheitsstrafe von 2 Jahren bis zu 11 Jahren 3 Monaten.
a. Kein minder schwerer Fall nach § 250 Abs. 3
140
Nach erfolgter umfassender Gesamtabwägung scheidet für die Kammer – sowohl ohne als auch mit Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes des § 21 StGB – die Annahme eines minder schweren Falles im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB aus, weil strafmildernde Gesichtspunkte die strafschärfenden Gesichtspunkte nicht überwiegen.
141
Unter Außerachtlassung des vertypten Milderungsgrundes des § 21 StGB ist nach Gesamtwürdigung aller tat- und täterbezogenen Umstände kein minder schwerer Fall gegeben. Folgende Erwägungen kamen bei der Abwägung insbesondere zum Tragen:
142
Zu Gunsten des Angeklagten wirkte sich sein Teilgeständnis aus. Günstige Berücksichtigung fanden zudem die Umstände, dass der von dem Angeklagten verwendete gefährliche Gegenstand in Form der abgebrochenen Glasflasche keine gekorene Waffe darstellt und der Geschädigte S. keine größeren Verletzungen oder erhebliche bleibende Schäden davongetragen hat. Zudem wurde zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass die Tatbeute nicht allzu hoch war und die erbeuteten Gegenstände teilweise sichergestellt und an den Geschädigten S. zurückgegeben werden konnten. Günstig wirkte sich insbesondere auch aus, dass der Angeklagte die Tat aufgrund seiner erheblichen Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat.
143
Zu Lasten des Angeklagten fiel jedoch ins Gewicht, dass dieser bereits vielfach und erheblich, teilweise auch einschlägig vorbestraft ist, bereits mehrere Haftstrafen verbüßt hat und die Rückfallgeschwindigkeit sehr hoch ist, nachdem die letzte Strafvollstreckung – nämlich aus dem Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 18.06.2020, Az. 3 Ds 207 Js 113126/20 – am 22.04.2021 und somit nur etwas mehr als einen Monat vor der Tat vom 24.05.2021 erledigt war. Zudem wirkte sich zu Lasten des Angeklagten aus, dass tateinheitlich eine gefährliche Körperverletzung verwirklicht wurde, auch wenn hierbei günstig berücksichtigt wurde, dass die Verletzungen des Geschädigten nicht erheblich waren.
144
In einem zweiten Schritt wurde festgestellt, dass auch unter zusätzlicher Berücksichtigung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB – insbesondere aufgrund der strafrechtlichen Vorbelastung des Angeklagten – kein minder schwerer Fall vorliegt, da trotzdem strafmildernde Gesichtspunkte die strafschärfenden Gesichtspunkte nicht überwiegen.
b. Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB
145
Der Strafrahmen wurde nach einer Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert. Hierbei war insbesondere ausschlaggebend, dass die Intoxikation des Angeklagten auf die langjährige Polytoxikomanie zurückzuführen ist und der Alkohol- und Betäubungsmittelkonsum des Angeklagten von diesem nur sehr eingeschränkt steuerbar ist.
2. Strafzumessung im engeren Sinne
146
Die Kammer hat im Rahmen der konkreten Strafzumessung erneut alle tat- und täterbezogenen, insbesondere die bei der Strafrahmenwahl genannten Gesichtspunkte, umfassend abgewogen.
147
Nach Gesamtabwägung dieser aufgeführten Umstände hält die Kammer eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren 10 Monaten für tat- und schuldangemessen.
148
Der Strafrahmen für die unter C) II. festgestellte Tat ist dem gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 243 Abs. 1 StGB zu entnehmen und beträgt Freiheitsstrafe von 1 Monat bis zu 7 Jahren 6 Monaten.
149
a. Kein Absehen von der Regelwirkung des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB Ein Absehen von der Regelwirkung des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB kommt vorliegend – sowohl ohne als auch mit Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes des § 21 StGB – nicht in Betracht, weil keine erheblichen Milderungsgründe vorliegen, die die Anwendung des erhöhten Strafrahmens nach einer umfassenden Gesamtwürdigung als unangemessen erscheinen lassen.
150
Folgende Erwägungen kamen bei der Abwägung unter Außerachtlassung des vertypten Milderungsgrundes des § 21 StGB insbesondere zum Tragen:
151
Zu Gunsten des Angeklagten wirkte sich sein vollumfängliches Geständnis sowie die Tatsache aus, dass die Tat aufgrund der erheblichen Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten begangen wurde. Zudem wurde günstig gewertet, dass der Beuteschaden nicht allzu hoch war und dass dem Geschädigten der Sachschaden durch die Versicherung erstattet wurde.
152
Zu seinen Lasten wirkte sich hingegen aus, dass er bereits vielfach und erheblich und zum Teil auch einschlägig vorbestraft ist, bereits mehrere Haftstrafen verbüßt hat und die Rückfallgeschwindigkeit sehr hoch ist, nachdem der Angeklagte erst gut einen Monat vor Tatbegehung zuletzt aus der Haft entlassen worden war. Zudem wirkte sich zu Lasten des Angeklagten aus, dass tateinheitlich eine Sachbeschädigung mit einem erheblichen Fremdsachschaden in Höhe von 7.917,22 Euro verwirklicht wurde.
153
In einem zweiten Schritt wurde festgestellt, dass auch unter zusätzlicher Berücksichtigung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB – insbesondere aufgrund der strafrechtlichen Vorbelastung des Angeklagten – kein Absehen von der Regelwirkung des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB in Betracht kommt.
b. Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB
154
Der Strafrahmen wurde nach einer Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert. Dabei war auch hier insbesondere die für den Angeklagten sehr eingeschränkte Steuerbarkeit seines Alkohol- und Betäubungsmittelkonsums wegen dessen langjähriger Poytoxikomanie ausschlaggebend.
2. Strafzumessung im engeren Sinne
155
Die Kammer hat im Rahmen der konkreten Strafzumessung erneut alle tat- und täterbezogenen, insbesondere die bei der Strafrahmenwahl genannten Gesichtspunkte, umfassend abgewogen.
156
Nach Gesamtabwägung dieser aufgeführten Umstände hält die Kammer hinsichtlich der unter C) II. festgestellten Tat eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr für tat- und schuldangemessen.
III. Gesamtstrafenbildung
157
Unter nochmaliger umfassender Abwägung sämtlicher für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte, insbesondere strafmildernder Berücksichtigung der teilweisen geständigen Einlassung und des engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs zwischen den Taten sowie strafschärfender Berücksichtigung des erheblichen strafrechtlichen Vorlebens des Angeklagten bildete die Kammer aus den genannten Einzelstrafen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 07.07.2021, Az. 19 Ds 207 Js 144271/20, unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe eine Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren.
H) Keine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt
158
Die auch insoweit durch den Sachverständigen Dr. med. S3. beratene Kammer ordnet bezüglich des Angeklagten keine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB an, da sie aufgrund der vollumfänglich nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen und eigener sorgfältiger Gesamtwürdigung und -abwägung der Beweisergebnisse, der Einlassung sowie der Persönlichkeit der Angeklagten und der von ihm begangenen Taten in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen zu dem Ergebnis kommt, dass bei dem Angeklagten keine Aussicht auf einen Therapieerfolg im Sinne des § 64 S. 2 StGB besteht.
I. Ausführungen des Sachverständigen
159
Der Sachverständige führte aus, dass die bei dem Angeklagten diagnostizierten langjährigen Abhängigkeiten von Opiaten, Alkohol und Sedativa eindeutig als Hang, berauschende Substanzen im Übermaß zu sich zu nehmen, im Sinne des § 64 StGB zu bewerten seien.
160
Auch sei der erforderliche symptomatische Zusammenhang zwischen dem Hang des Angeklagten und den festgestellten Taten gegeben, da in beiden Fällen naheliege, dass der Angeklagte die Gegenstände jeweils entwendete, um durch einen Verkauf der entwendeten Gegenstände oder mittels des entwendeten Geldes Betäubungsmittel oder Alkohol zu kaufen.
161
Zum jetzigen Zeitpunkt müsse in Anbetracht der erheblichen Abhängigkeiten, des strafrechtlichen Vorlebens und der von dem Angeklagten begangenen Taten bei unbehandelter Suchtmittelabhängigkeit davon ausgegangen werden, dass der Angeklagte ohne adäquate Therapie auch in Zukunft vergleichbare Straftaten wie die ihm hier zur Last gelegten Taten begehen würde.
162
Es würden jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Aufenthalt des Angeklagten im Maßregelvollzug gelingen und die Therapie den Angeklagten heilen oder zumindest für eine längere Zeit von einem Rückfall in den Hang bewahren könne. Der Angeklagte habe im Rahmen der Exploration und im Rahmen der Hauptverhandlung eine Unterbringung nach § 64 StGB vehement abgelehnt. Von einem späteren Wecken einer Therapiebereitschaft bei dem Angeklagten im Verlauf der Therapie sei vorliegend nicht auszugehen, da der Angeklagte den Inhalt und Ablauf einer Unterbringung nach § 64 StGB kenne, nachdem er bereits zwei frühere Unterbringungen wegen zahlreicher Regelübertretungen letztlich abgebrochen habe.
II. Würdigung durch die Kammer
163
Der mehrjährig verwurzelte und auch zu den Tatzeitpunkten bestehende Hang des Angeklagten, Opiate, Alkohol und Sedativa im Übermaß zu konsumieren, wurde von dem Angeklagten selbst glaubhaft dargestellt. Der Angeklagte hat nach seinen Angaben den Großteil seines Lebens diverse Suchtmittel in Mengen konsumiert, die das Maß des gesundheitlich Verträglichen erheblich überschreiten. Seine Angaben werden untermauert durch das Ergebnis des verlesenen Haargutachtens des Bayerischen Landeskriminalamtes vom 04.02.2022, welches die Aufnahme von Heroin, Methadon, Oxycodon, Tramadol, Citalopram, Levetiracetam, Pregabalin und Diazepam bzw. Nordazepam und Oxazepam auswies sowie Hinweise auf die geringe Aufnahme von Amphetamin oder eines entsprechenden Medikaments, Cocain, Cannabis und Mirtazapin enthielt. Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte die Taten unter anderem aufgrund des bestehenden Hangs beging, um Geldmittel für die Beschaffung weiterer Betäubungsmittel und Alkohol zu erlangen und dass von dem Angeklagten in unbehandeltem Zustand aufgrund des konstanten strafrechtlichen Vorlebens und der langjährigen verwurzelten kostspieligen Suchtmittelabhängigkeiten des arbeitslosen Angeklagten auch in Zukunft weitere vergleichbar gravierende Straftaten wie die abgeurteilten Taten zu erwarten sind.
164
Eine Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB kommt vorliegend jedoch nicht in Betracht, da nach umfassender Gesamtabwägung der Persönlichkeit und des Vorlebens des Angeklagten, der Art und des Stadiums seiner Sucht sowie den bereits eingetretenen physischen Veränderungen und Schädigungen nicht die konkrete Aussicht besteht, den Angeklagten zu heilen oder für eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf seinen Hang zurückgehen.
165
Gewichtiges Kriterium für die Abwägung war hierbei die von dem Angeklagten konstant geäußerte fehlende Therapiemotivation, deren Überwindung insbesondere aufgrund der bereits erfolgten Befassung des Angeklagten mit dem Ablauf und den Inhalten einer Unterbringung nach § 64 StGB nicht als wahrscheinlich erscheint. Negativ wirkte sich auf die Prognoseentscheidung zudem aus, dass der Angeklagte bereits zwei Unterbringungen nach § 64 StGB vorzeitig abgebrochen hat, wobei berücksichtigt wurde, dass diese bereits mehrere Jahre zurücklagen. Es ist nicht ersichtlich, dass die beiden abgebrochenen Therapien für den Angeklagten eine zusätzliche Motivation darstellen könnten. Daneben wirkte sich negativ aus, dass der Angeklagte dissoziale Persönlichkeitszüge aufweist und sein strafrechtliches Vorleben eine Neigung zur Delinquenz attestiert. Vielfache ambulante Therapien und vorübergehende Unterbringungen zur Entgiftung sowie die bereits seit einigen Jahren durchgeführte Substitution konnten den Angeklagten bisher nicht von dem weiteren Konsum diverser Betäubungsmittel abhalten. Auch spricht die sich in den letzten Jahrzehnten gefestigte Polyvalenz des Substanzmittelkonsums und die Art der Suchtmittelabhängigkeiten unter anderem von harten Betäubungsmitteln wie Heroin sowie die hierdurch bereits eingetretene Veränderung der Persönlichkeit des Angeklagten, dessen Leben nur noch um die Beschaffung und den Konsum von Betäubungsmitteln kreist, gegen einen Therapieerfolg.
I) Einziehung von Wertersatz
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Da der Angeklagte den unter C) getroffenen Feststellungen entsprechend einen Ertrag im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt hat, die unmittelbar erlangten Gegenstände jedoch nicht mehr vorhanden sind, ordnet das Gericht die Einziehung des Wertersatzes nach § 73c S. 1 StGB an.
167
Der Einziehungsbetrag in Höhe von 143,00 Euro ergibt sich aus den dem Geschädigten S. entwendeten 23,00 Euro (C. I.) sowie dem Wert der entwendeten 100 FFP2-Masken von 100,00 Euro und dem entwendeten Bargeldbetrag von 20,00 Euro aus dem Auto des Geschädigten M. (C. II.).
168
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464, 465 StPO.