Titel:
Auszahlung von Bonuszinsen bei einem Bausparvertrag
Normenkette:
§ 13, § 242, § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1, § 305 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:
Durch den fehlenden Abruf eines Bauspardarlehens bringt ein Bausparer klar und deutlich zum Ausdruck, dass er dieses nicht in Anspruch nehmen will. Er gibt dieses Recht auf. Dabei handelt es sich auch nicht lediglich um ein Schweigen des Sparers ohne Erklärungsgehalt, sondern um eine konkludente Erklärung. Es liegt gerade in der Natur eines Bausparvertrags, dass der Bausparer das Darlehen oder die Bonuszinsen erhält. (Rn. 15 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bausparvertrag, Bausparer, Bauspardarlehen, Bonuszinsen, Verzicht, Verzichtserklärung, Schweigen
Fundstelle:
BeckRS 2022, 38998
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.944,32 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.07.2020 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.074,16 € zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden.
Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 10.944,32 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um die Auszahlung sogenannter Bonuszinsen aus einem Bausparvertrag.
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Die Beklagte ist eine Bausparkasse. Der Kläger schloss mit der Beklagten am 27.12.2001 einen Bausparvertrag mit der Nummer 489384787 mit einer Bausparsumme in Höhe von 50.000,00 €. Als Vertragsbeginn wurde der 30.12.2001 festgelegt. Im Vertrag wurde angegeben, dass die Allgemeinen Vertragsbedingungen für Bausparverträge (ABB) gelten sollen. Diese sahen unter anderem folgende Regelungen vor:
„S. 3 Verzinsung des Bausparguthabens
(2) Verzichtet der Bausparer nach der Zuteilung auf das gesamte Bauspardarlehen, erhöht sich die Gesamtverzinsung des Bausparguthabens rückwirkend ab Vertragsbeginn auf 4,25% jährlich, wenn mindestens 7 Jahre seit Vertragsbeginn vergangen sind.
Wegen weiterer Einzelheiten zu dem Vertrag und zu den ABB wird auf die Anlagen Kl und BI verwiesen.
Die Zuteilungsreife trat erstmalig am 01.10.2009 ein. Mit Schreiben vom 02.12.2019 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger, dass sie den Vertrag zum 09.06.2020 beendet. Zugleich bat sie den Kläger bis zu diesem Zeitpunkt um Mitteilung, ob er das Bauspardarlehen nutzen möchte oder hierauf verzichtet. Zu diesem Zweck übersandte die Beklagte dem Kläger mit dem Schreiben ein entsprechendes Formular (Anlage B2). Die Anlage B2 lautet wie folgt:
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Der Kläger füllte das Formular aus, kreuzte das Feld „Ich verzichte auf das Bauspardarlehen.“ an und unterschrieb dieses am 15.06.2020 (Anlage B3).
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Die Beklagte zahlte an den Kläger das angesparte Guthaben zuzüglich Verzinsung in Höhe von 2% von insgesamt 39.769,78 € an den Kläger aus.
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Der Kläger trägt vor, er habe den Bausparvertrag von Anfang an unter dem Aspekt der lukrativen Kapitalanlage abgeschlossen. Ihm sei es stets nur auf den Erhalt der Bonusverzinsung angekommen. An der Verwendung des Guthabens als Grundlage für ein Bauspardarlehen sei der Kläger zu keinem Zeitpunkt interessiert gewesen. Dies habe er dem Zeugen R. mehrfach mitgeteilt. Auch bei durch den Zeugen R. durchgeführte Beratungen sei immer angesprochen worden, dass der Kläger den Erhalt der Bonusverzinsung anstrebe.
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Der Kläger ist der Auffassung, er habe einen Verzicht auf die Inanspruchnahme des Bauspardarlehens erklärt. Dieser Verzicht sei auch ausweislich der ABB an keine bestimmte Form gebunden.
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.944,32 € nebst Zinsen hieraus i. H. v. 5%-Punkten über dem Basiszins seit dem 01.07.2020 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i. H. v. 1.074, 16 € zu bezahlen.
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Die Beklagte meint, Voraussetzung des Erhalts der Bonusverzinsung sei der aktive und ausdrückliche Verzicht auf die Inanspruchnahme des Bauspardarlehens durch den Kläger. Dieser habe den Verzicht jedoch nicht rechtzeitig bis zum 09.06.2020 erklärt.
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Das Gericht hat am 27.10.2021 und am 22.06.2022 mündlich verhandelt. In Hinblick auf den weiteren Sach- und Streitstand wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die gewechselten Schriftsätze jeweils nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung vollumfänglich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf die vereinbarten Bonuszinsen in tenorierter Höhe aus S. 3 (2) ABB.
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1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Bonuszinsen in Höhe von 10.944,32 € aus S. 3 (2) ABB. Die Parteien haben am 27.12.2001 einen Bausparvertrag (Nr. 489384787) geschlossen, in den unstreitig die Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB) wirksam miteinbezogen wurden. Der Bausparvertrag wurde nach Eintritt der Zuteilungsreife mit Schreiben vom 02.12.2019 von der Beklagten gekündigt.
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Gemäß S. 3 (2) ABB erhöht sich die Gesamtverzinsung des Bausparguthabens rückwirkend ab Vertragsbeginn auf 4,25% jährlich, wenn der Bausparer nach der Zuteilung auf das gesamte Bauspardarlehen verzichtet und seit Vertragsbeginn mehr als sieben Jahre vergangen sind.
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1 . Seit Vertragsbeginn ist eine Dauer von mehr als sieben Jahren vergangen. Die Parteien haben den Bausparvertrag am 27.12.2001 abgeschlossen. Diesen hat die Beklagte mit Schreiben vom 02.12.2019 zum 09.06.2020 gekündigt, sodass insgesamt mehr als sieben Jahre vergangen sind.
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2. Der Kläger hat nach der Zuteilung konkludent auf die Inanspruchnahme des gesamten Bauspardarlehens verzichtet. Da S. 3 (2) ABB keine Vorgaben enthält, wie der Verzicht zu erklären ist, ist die Vertragsklausel entsprechend auszulegen. Die Regelung in S. 3 1
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(2) ABB beinhaltet Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des S. 305 1 1 BGB. Für deren Auslegung sind daher nicht die Regelungen der SS 133, 157 BGB heranzuziehen, sondern es gilt der Grundsatz der objektiven Auslegung, wobei maßgeblich auf den Wortlaut der Regelung abzustellen ist (BGH, Urteil vom 20.01.2016 - VIII ZR 152/15, NZM 2016, 307 Rn. 170.
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1.2.1. Die Regelung des S. 3 (2) ABB fordert ihrem Wortlaut nach einen irgendwie gearteten Verzicht. Dabei ist der Begriff des Verzichts nicht rechtstechnisch zu verstehen, da anderenfalls eine rechtsgeschäftliche Abrede über das Nichtbestehen des Anspruchs auf Gewährung des Bauspardarlehens erforderlich wäre (Herresthal, ZIP 2017, 852, 859). Der Verzicht stellt vielmehr auf die unterlassene GeltendmaChung des Anspruchs auf Gewährung des Bauspardarlehens nach Zuteilungsreife durch den Bausparer ab. Eine Verzichtserklärung erfordert damit eine Erklärung des Bausparers aus der hervorgeht, dass er das zuteilungsreife Bauspardarlehen endgültig nicht abruft, mithin das Recht der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens aufgibt (Herresthal, ZIP 2017, 852, 859; OLG Nürnberg, Urteil vom 11.02.2020 - 14 U 2174/19).
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2.2. Der Kläger hat durch die unterlassene Inanspruchnahme des Bauspardarlehens bis zum 09.06.2020 konkludent erklärt, dieses endgültig nicht abrufen zu wollen. Er hat mithin seinen Anspruch auf Abruf des Bauspardarlehens endgültig aufgegeben. Diese Erklärung musste auch die Beklagte so auffassen. Grundsätzlich geht der nicht vorgebildete Durchschnittskunde davon aus, aktiv auf die Bank zugehen zu müssen, wenn er ein Darlehen in Anspruch nehmen möchte. Das Erfordernis eines aktiven Tuns, um ein Darlehen zu erhalten, ergibt sich schon aus dem Wortlaut und dem Wortsinn der Inanspruchnahme, da diese gerade ein ausdrückliches Handeln des potentiellen Darlehensnehmers verlangt. Anders verhält es sich demgegenüber bei einem Verzicht, da unter diesem im Gegensatz zur Inanspruchnahme nicht ein aktives Handeln, sondern lediglich die unterlassene Geltendmachung eines Anspruchs zu verstehen ist. Wortlaut und -sinn sprechen daher für die Möglichkeit, einen Verzicht auch konkludent durch die ausbleibende Inanspruchnahme eines Anspruchs zu erklären. Von dieser Möglichkeit hat der Kläger vorliegend Gebrauch gemacht und den Verzicht konkludent dadurch erklärt, dass er den Anspruch auf Auszahlung des Bauspardarlehens gerade nicht bis zum 09.06.2020 in Anspruch genommen hat. Dadurch bringt der Kläger unzweideutig zum Ausdruck, dass er das zuteilungsreife Bauspardarlehen endgültig nicht abruft, mithin dieses Recht aufgibt. Auch die Beklagte musste diese Erklärung als Verzicht verstehen.
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Sie kann redlicherweise nicht davon ausgehen, dass der Bausparer weder das Darlehen noch die Bonusverzinsung erhalten möchte. Es liegt gerade in der Natur eines Bausparvertrags, dass der Bausparer das Darlehen oder die Bonuszinsen erhält.
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2.3. Es handelt sich vorliegend auch nicht lediglich um ein Schweigen des Klägers ohne Erklärungsgehalt, sondern um eine konkludente Erklärung. Kennzeichnend für ein Schweigen ist, dass ein rechtsgeschäftlicher Wille nicht oder nicht klar zum Ausdruck kommt. Anders verhält es sich vorliegend. Durch den fehlenden Abruf des Bauspardarlehens bis zum 09.06.2020 bringt der Kläger klar und deutlich zum Ausdruck, dass er dieses nicht in Anspruch nehmen will. Er gibt dieses Recht endgültig auf. Ein objektiver Dritter kann dieses Verhalten nur so verstehen, dass der rechtsgeschäftliche Wille des Klägers auf den Verzicht des Bauspardarlehens gerichtet ist. Dies bringt der Kläger mit seiner konkludenten Willenserklärung zum Ausdruck.
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1.3. Im Übrigen liegt aber auch eine ausdrückliche Verzichtserklärung des Klägers vor. Die Abgabe der Erklärung nach Ablauf des 09.06.2020 ist unschädlich.
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3.1 . Der Kläger hat das von der Beklagten übersandte Formular dergestalt ausgefüllt, dass er das Feld „Ich verzichte auf das Bauspardarlehen.“ angekreuzt und am 15.06.2020 unterschrieben hat. Damit hat der Kläger ausdrücklich auf die Inanspruchnahme des Bauspardarlehens verzichtet.
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3.2. Unschädlich ist, dass der Kläger diese Erklärung nach der einseitig von der Beklagten gesetzten Frist bis zum 09.06.2020 abgegeben hat. Die Fristsetzung ist unwirksam. Die Beklagte hat den Kläger mit dem Kündigungsschreiben vom 02.12.2019 darum gebeten, bis 09.06.2020 mitzuteilen, ob er das Bauspardarlehen nutzen oder darauf verzichten möchte. Für die einseitige Fristsetzung durch die Beklagte besteht keine Rechtsgrundlage. Eine solche ergibt sich weder aus dem Vertrag noch aus den ABB. Schon aus diesem Grund war die Beklagte nicht berechtigt, dem Kläger einseitig eine Frist zur Abgabe der Verzichtserklärung aufzuerlegen. Zwar mag es aus Sicht der Beklagten ein Interesse geben, für die Abgabe der Verzichtserklärung einen gewissen zeitlichen Rahmen abzustecken. Dafür ist aber eine Grundlage im Vertrag oder den ABB erforderlich. Aus S. 3 (2) ABB folgt lediglich, dass der Kläger auf das zuteilungsreife Bauspardarlehen verzichten muss. Weitere Vorgaben werden nicht gemacht, insbesondere wird dem Kläger hier keine zeitliche Grenze gesetzt. Vor diesem Hintergrund ist es der Beklagten nicht möglich, dem Kläger einseitig eine entsprechende Frist aufzuerlegen. Dies widerspricht den Grundsätzen der Vertragsfreiheit. Den Parteien bliebe es aufgrund der Privatautonomie grundsätzlich unbenommen, eine entsprechende Frist für die Abgabe der Verzichtserklärung in den Vertrag mit aufzunehmen. Fehlt es jedoch an einer solchen im Vertrag, kann diese nicht nachträglich einseitig ohne Zustimmung der Vertragspartei gesetzt werden. Der Vertrag gilt so, wie er geschlossen wurde und ist auch so einzuhalten. Die einseitige Fristsetzung durch die Beklagte wäre eine Anderung des Vertrags, die ohne ausdrückliche Zustimmung des Klägers nicht möglich ist. Vor diesem Hintergrund gibt es keine Rechtsgrundlage für das Setzen einer Frist für die Abgabe der Verzichtserklärung durch die Beklagte. Die Fristsetzung zum 09.06.2020 ist damit unwirksam und in der Folge unbeachtlich.
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3.3. Im Rahmen der Unwirksamkeit der Fristsetzung durch die Beklagte ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Kläger um einen Verbraucher im Sinne des S. 13 BGB handelt und dieser selbst bei unterstellter Rechtsgrundlage für eine Fristsetzung über die Folgen seiner Entscheidung und auch über die Auswirkungen einer Fristversäumnis belehrt werden müsste. Nach dem Vortrag der Beklagten muss der Kläger für den Erhalt der Bonusverzinsung aktiv und ausdrücklich innerhalb der einseitig von ihr gesetzten Frist auf das Bauspardarlehen verzichten. Andernfalls würde der Bausparer nach Ansicht der Beklagten den Anspruch auf die Auszahlung der Bonusverzinsung verlieren. Wie vorstehend ausgeführt, fehlt es hierbei jedoch schon an einer Rechtsgrundlage, auch der Verzicht muss mangels Vorgaben in S. 3 (2) ABB nicht in einer bestimmten Art und Weise abgegeben werden, es reicht eine irgendwie geartete Erklärung. Auch vor dem Hintergrund des Verbraucherschutzes kann der Sichtweise der Beklagten nicht gefolgt werden. Unabhängig von der Unwirksamkeit der Fristsetzung und der abgegebenen Verzichtserklärung durch den Kläger (siehe vorstehende Ausführungen) müsste die Beklagte den Kläger als Verbraucher auch besonders belehren. Der Verbraucher muss darauf hingewiesen werden, welche Wahlmöglichkeiten er nach Eintritt der Zuteilungsreife hat und welche Folgen sich aus der Abgabe oder Nichtabgabe einzelner Erklärungen ergeben. Würde man die Sichtweise der Beklagten als maßgeblich zugrunde legen, würde der Verbraucher ohne aktive und ausdrückliche Erklärung innerhalb der Frist sowohl seinen Anspruch auf Abruf des Bauspardarlehens als auch denjenigen auf Erhalt der Bonusverzinsung verlieren. Dies wäre für den Verbraucher eine harte Folge, da dieser einen Bausparvertrag regelmäßig vor dem Hintergrund des Erhalts eines günstigen Bauspardarlehens oder der Bonusverzinsung abschließt. Überdies handelt es sich bei der Bonusverzinsung im vorliegenden Fall um eine besonders hohe Summe von 10.944,32 € im Vergleich zur gesamten Bausparsumme von 50.000,00 €. Daran lässt sich insbesondere die wirtschaftliche Tragweite für den Kunden erkennen. Über einen möglichen Verlust der Bonusverzinsung müsste der Verbraucher daher besonders aufgeklärt werden. Es wäre erforderlich, den Verbraucher über die Wahlmöglichkeiten und die Folgen der jeweiligen Entscheidung aufzuklären. Sollte die Beklagte die jeweilige Erklärung innerhalb einer Frist verlangen können, ist es unerlässlich, den Verbraucher über mögliche Folgen einer Fristversäumnis zu belehren. Der Verbraucher als rechtlich nicht vorgebildeter Durchschnittskunde muss klar und eindeutig erkennen können, welche Folgen seine Handlungen bzw. sein Nichthandeln hätte. Insbesondere in Hinblick auf einen Verlust des Anspruchs der Bonusverzinsung wegen Fristablaufs ist ein Verbraucher besonders hinzuweisen. Ihm muss die Tragweite eines solchen Fristablaufs bewusst sein. Dies ist ausschließlich durch eine entsprechende Belehrung möglich. Der rechtlich nicht vorgebildete Durchschnittskunde muss nicht damit rechnen, Bonuszinsen schon aufgrund einer verspäteten Verzichtserklärung zu verlieren. Grundsätzlich sind die Anforderungen an eine solche Belehrung aus Gründen des Verbraucherschutzes hoch anzusetzen. Der Verbraucher muss klar und eindeutig erkennen, welche Möglichkeiten er hat und welche Folgen seine Entscheidungen mit sich bringen.
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4. Selbst wenn man eine einseitige Fristsetzung für die Abgabe der Verzichtserklärung durch die Beklagte als wirksam ansehen sollte, wäre ein Berufen auf die Fristversäumnis durch die Beklagte mangels Belehrung des Klägers rechtsmissbräuchlich im Sinne des S. 242 BGB.
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4. l . Der Kläger als Verbraucher wäre ausdrücklich auf einen Verlust der Bonusverzinsung durch eine verspätete Verzichtserklärung zu belehren. Die Beklagte hat in ihrem Kündigungsschreiben vom 02.12.2019 lediglich um Information bis zum 09.06.2020 gebeten, ob der Kläger das Bauspardarlehen nutzen oder hierauf verzichten möchte. Ein Berufen auf eine verspätete Verzichtserklärung ist rechtsmissbräuchlich gemäß S. 242 BGB, da der Kläger nicht über etwaige Folgen belehrt und aufgeklärt wurde. Für den Verbraucher ist allein anhand des Kündigungsschreibens nicht erkennbar, dass der Erhalt der Bonusverzinsung von der fristgerechten ausdrücklichen Verzichtserklärung abhängen soll. Auf dieses Stehen und Fallen des Erhalts der Bonusverzinsung mit einer rechtzeitigen Verzichtserklärung muss der Verbraucher gesondert hingewiesen werden. Er darf nicht darüber im Dunkeln gelassen werden, dass mit der rechtzeitigen Verzichtserklärung der Erhalt der Bonusverzinsung auf dem Spiel steht. Der Verbraucher muss die Möglichkeit haben, seine Entscheidung, wie er nach Eintritt der Zuteilungsreife fortfahren möchte, tatsächlich zu treffen und die von ihm gewünschten Folgen herbeizuführen. Dabei dürfen ihm aus Gründen des Verbraucherschutzes keine allzu hohen Hürden gestellt werden.
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4.2. Unbeachtlich sind in diesem Zusammenhang etwaige Schreiben der Beklagten an den Kläger aus den Jahren 2015 bis 2018. Diese können selbst dann keine Belehrung ersetzen, wenn partiell über den Erhalt der Bonusverzinsung informiert wird. Von einem Verbraucher kann im Rahmen seiner Entscheidungsfindung nach Zuteilungsreife nicht erwartet werden, dass er sämtliche Schreiben der Beklagten aus vergangenen Jahren, welche teils mehrere Jahre zurückliegen, nach Informationen durchsucht. Die geforderte Belehrung muss vielmehr mit dem Kündigungsschreiben erfolgen und für einen rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden aus sich heraus klar und verständlich sein.
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Im Übrigen informieren die Schreiben der Beklagten an den Kläger aus den Jahren 2015 bis 2018 nur teilweise und ohne jeden Bezug zur Zuteilungsreife über die Bonusverzinsung. So beziehen sich die Informationen im Schreiben vom 24.09.2015 auf den Bonuszins im Falle der Vollbesparung des Bausparvertrags. Dabei handelt es sich um einen völlig anderen Sachverhalt als im streitgegenständlichen Verfahren.
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4.3. Schließlich ist auch das der Kündigung vom 02.12.2019 beigefügte Formular mit der Überschrift „Zahlungsauftrag“ irreführend. Der Kläger wird dadurch nicht zur Abgabe einer Wahlentscheidung (Auszahlung des Bauspardarlehens oder Verzicht hierauf) aufgefordert. Für einen Durchschnittskunden ist schon gar nicht auf einen Blick zu erkennen, dass mit diesem Formular der Verzicht auf das Bauspardarlehen erklärt werden kann. Dies ergibt sich bereits aus der Überschrift „Zahlungsauftrag“. Damit soll nach dem Verständnis eines Durchschnittskunden eine Zahlung angewiesen werden, ein Zusammenhang zur Abgabe einer Verzichtserklärung ist nicht ersichtlich. Die Möglichkeit, sich das Bauspardarlehen auszahlen zu lassen oder hierauf zu verzichten, wird dem Kunden vielmehr nur am Ende des Formulars untergeschoben. Soll der Kunde mithilfe eines Formulars seine Entscheidung über den Abruf oder den Verzicht des Bauspardarlehens erklären, so ist dieses mithilfe entsprechender Überschrift und äußerlicher Gestaltung so aufzubereiten, dass sich für den Verbraucher bereits auf den ersten Blick erkennen lässt, dass mit diesem Formular die entsprechende Erklärung abgegeben werden kann und soll.
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1.5. Der Anspruch auf Erhalt der Bonusverzinsung besteht in einem Umfang von 10.944,32 €.
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2. Der Anspruch auf Zinsen ergibt sich aus SS 286 1, Il Nr. 1, 288 1 BGB. Der Zinsbeginn erfolgt beim Darlehensvertrag mit Ablauf der Kündigungsfrist (vgl. S. 488 1 BGB). Der Bausparvertrag wurde zum 09.06.2020 gekündigt. Die Prozesszinsen wurden vom Kläger ab dem 01.07.2020 beantragt, sodass auf diesen Zeitpunkt abzustellen ist.
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3. Der Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltsgebühren folgt aus SS 280 1, Il, 286 1, Il Nr. 1 BGB. Die Beklagte befindet sich durch die Nichtleistung trotz entsprechender Fälligkeit zum Zeitpunkt der Ablauf der Kündigungsfrist im Verzug.
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Die Kostenentscheidung beruht auf S. 91 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus S. 709 S. 2 ZPO.
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Der festgesetzte Streitwert ergibt sich aus dem klägerischen Begehren, SS 1, 3 ZPO.