Titel:
Wiedereinsetzung in die Frist des § 18 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) gemäß § 110 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO)
Normenketten:
GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 1, § 16 Abs. 5, § 18 Abs. 3 S. 1, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 4
AO § 109 Abs. 1,§ 110 Abs. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 bis 3, § 139 Abs. 3 S. 3
Leitsatz:
Die Anzeigepflicht der Beteiligten gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 GrEStG besteht auch dann, wenn der Erwerbsvorgang im Einzelfall nach § 18 GrEStG - z.B. durch einen Notar - anzuzeigen ist, und zwar unabhängig davon, ob Letzteres geschehen ist (vgl. BFH vom 30. Oktober 1996 II R 69/94, BStBl II 1997, 85, BeckRS 1996, 23000131). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 AO bei Versäumung der Anzeigefrist des § 18 Abs. 3 Satz 1 GrEStG, Erstattung, Erbfall, eidesstattliche Versicherung, Aufhebung, Antrag auf Wiedereinsetzung, Vereinigung, Verschulden, Versicherung, Verwaltungsakt, Wiedereinsetzung, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Teilerbauseinandersetzung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 38989
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Die Beteiligten streiten, ob der Klägerin, einer Notarin, Wiedereinsetzung in die Frist des § 18 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) gemäß § 110 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) zu gewähren ist.
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Am 27. Oktober 2020 beurkundete die Klägerin die Teilerbauseinandersetzung einer aus Bruder (B) und Schwester (S) bestehenden Erbengemeinschaft. Zum Nachlass gehörten 50% der Anteile an der grundbesitzenden GmbH1, sowie 50% der Anteile an der grundbesitzenden GmbH2. Die Teilerbauseinandersetzung erfolgte dergestalt, dass B, der vor dem Erbfall zu 50% an GmbH1 beteiligt war, die restlichen 50% Anteile an GmbH1 zum Alleineigentum erwarb. S, die vor dem Erbfall zu 50% an GmbH2 beteiligt war, erwarb die restlichen 50% der Anteile an GmbH2 zum Alleineigentum. Durch die Vereinigung von jeweils 100% der Anteile an der GmbH1 in der Hand des B bzw. an der GmbH2 in der Hand der S wurden die Voraussetzungen des grunderwerbsteuerrechtlichen Erwerbstatbestands des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt.
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Weder B noch S zeigten dem beklagten Finanzamt (FA) die notariell beurkundeten Anteilserwerbe an. Die dem FA vom Notariat der Klägerin übersandte Urkunde der Teilerbauseinandersetzung vom 27. Oktober 2020 ging am 23. November 2020 beim FA ein. Die der Urkunde beiliegende Anzeige des Notariats der Klägerin trägt das Datum des 12. November 2020. Ausweislich eines Vermerks in der Beiakte des Notariats zur Urkunde vom 27. Oktober 2020 wurde diese Anzeige am 16. November 2020 an das FA versandt.
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Nachdem B und S vom FA darauf hingewiesen worden waren, dass durch die Vereinigung von 100% der Anteile an GmbH1 in der Hand des B, bzw. an GmbH 2 in der Hand der S mit Vertrag vom 27. Oktober 2020 jeweils die Voraussetzungen des Erwerbstatbestandes des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt sind, machten B und S den Erwerbsvorgang rückgängig. Am 18. Dezember 2020 beurkundete die Klägerin den Aufhebungs- und Rückerwerbsvertrag, mit dem B und S die Urkunde vom 27. Oktober 2020 vollumfänglich aufhoben.
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Trotz dessen Rückgängigmachung, setzte das FA für die Erwerbsvorgänge jeweils vom 27. Oktober 2020 Grunderwerbsteuer gegen B und S fest. Die Anträge von B und S auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer gem. § 16 Abs. 2 GrEStG lehnte das FA unter Hinweis auf § 16 Abs. 5 GrEStG ab. Weder die Anteilserwerber B und S noch die Klägerin hätten den Erwerbsvorgang innerhalb der Fristen der §§ 18 Abs. 3, 19 Abs. 3 GrEStG angezeigt.
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Mit Schreiben vom 10. Februar 2021 stellte die Klägerin einen Antrag auf Wiedereinsetzung gem. § 110 Abs. 1 AO, hilfsweise auf rückwirkende Verlängerung der Anzeigefrist gem. § 109 Abs. 1 AO. Sie habe mit Schrecken festgestellt, dass im Zusammenhang mit der Urkunde vom 27. Oktober 2020 die Anzeige der Anteilsübertragung an das FA erst am 12. November 2020 und damit außerhalb der zweiwöchigen Anzeigefrist des § 18 ausgefertigt worden sei. Ein Vermerk in der Beiakte belege die Absendung der Anzeige an das FA am 16. November 2020. Sie habe die verspätete Anzeige nicht zu vertreten. Das Verschulden der in diesem Beurkundungsfall zuständigen und sonst zuverlässigen Sachbearbeiterin könne angesichts der nicht zu beanstandenden und funktionierenden Büroorganisation nicht als Verschulden der Klägerin angesehen werden. Ihre Mitarbeiter seien angewiesen, alle Anzeigen an das FA spätestens binnen drei Tagen nach der Beurkundung anzufertigen und sodann spätestens in der Folgewoche der Beurkundung zu versenden. Auch unvollständige Anzeigen seien innerhalb der Frist zu versenden. Diese Organisation werde von ihr überwacht und regelmäßig neu im Rahmen von Mitarbeitergesprächen betont. Als Nachweis fügte die Klägerin eine eigene eidesstattliche Versicherung, sowie eine eidesstattliche Versicherung der die Anzeige der Erwerbsvorgänge im Streitfall erstattenden Notarfachangestellten bei, auf die verwiesen wird.
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Mit Schreiben vom 24. Februar 2021 lehnte das FA die Anträge der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 Abs. 1 AO und rückwirkende Verlängerung der Anzeigefrist gem. § 109 Abs. 2 AO ab. Den Einspruch gegen die Ablehnung der Anträge wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 11. Oktober 2021 als unbegründet zurück.
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Zur Begründung der fristgerecht eingereichten Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen Folgendes vor: Der persönliche Anwendungsbereich des § 110 AO sei für die Klägerin eröffnet, da sie als Dritte und damit als „jemand“ i.S.d. § 110 Abs. 1 AO Beteiligte eines steuerlichen Verwaltungsverfahrens sei. Auch der sachliche Anwendungsbereich sei eröffnet, da § 110 AO in allen steuerlichen Verwaltungsverfahren Anwendung finde. Die Anzeigepflicht des § 18 Abs. 3 GrEStG sei zweifelsfrei Teil eines steuerlichen Verwaltungsverfahrens und begründe eine gesetzliche Frist, die wiedereinsetzungsfähig sei. Auch habe die Klägerin die Frist des § 18 Abs. 3 GrEStG unverschuldet versäumt. Sie habe die Erstattung der Anzeige zulässigerweise auf Büropersonal übertragen. Das Versehen sei einer erfahrenen und äußerst zuverlässigen Bürokraft unterlaufen. Läge wie im Streitfall ein einmaliges Fehlverhalten einer sonst zuverlässigen Bürokraft vor, treffe den Berufsträger kein Verschulden an einer etwaigen Fristversäumnis. Schließlich habe die Klägerin auch binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses - sie habe erst am 5. Februar 2021 von der Fristversäumnis Kenntnis erlangt - die Wiedereinsetzung beantragt, die Tatsachen zur Begründung des Antrags glaubhaft gemacht und die versäumte Rechtshandlung nachgeholt.
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Die Klägerin beantragt entsprechend dem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 8. November 2021:
I. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 AO hinsichtlich der Anzeige gem. § 18 Abs. 3 GrEStG der Anteilsübertragungen vom 27.10.2020 im Zusammenhang mit der Urkunde (URNR. …) gem. § 18 GrEStG ist zu gewähren, hilfsweise die Anzeigefrist gem. § 109 Abs. 1 Satz 2 AO hinsichtlich der Anzeige gem. § 18 Abs. 3 GrEStG der Anteilsübertragungen vom 27.10.2020 im Zusammenhang mit der Urkunde (URNR. …) wird (nachträglich) verlängert.
II. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
III. Das Urteil wird hinsichtlich der Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar erklärt.
IV. Im Unterliegensfalle wird die Revision zugelassen.
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Das FA ist der Ansicht, es habe die Anträge der Klägerin gem. §§ 110, 109 AO zu Recht abgelehnt. Die Klägerin sei nicht durch einen Verwaltungsakt betroffen. Bürgerlichrechtliche Haftungsansprüche würden keine Beschwer im Steuerfestsetzungsverfahren rechtfertigen. Auch sei die Frist des § 18 Abs. 3 GrEStG nicht wiedereinsetzungsfähig.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird gem. § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Grunderwerbsteuer- bzw. Rechtsbehelfsakte des FA, die Gerichtsakte, sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2022 Bezug genommen.
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1. Die Klage ist sowohl im Haupt-, als auch im Hilfsantrag unbegründet. Zu Recht hat das FA die Anträge der Klägerin auf Wiedereinsetzung in die Frist des § 18 Abs. 3 Satz 1 GrEStG gem. § 110 Abs. 1 AO sowie auf rückwirkende Verlängerung der Anzeigefrist gem. § 109 Abs. 1 Satz 2 AO abgelehnt.
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a) Gem. § 18 Abs. 2 Satz 2 GrEStG haben Notare dem zuständigen FA schriftlich Anzeige zu erstatten über Vorgänge, die die Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft betreffen, wenn zum Vermögen der Gesellschaft ein im Geltungsbereich dieses Gesetzes liegendes Grundstück gehört. Gem. § 18 Abs. 3 GrEStG sind die Anzeigen innerhalb von zwei Wochen nach der Beurkundung zu erstatten, und zwar auch dann, wenn die Wirksamkeit des Rechtsvorgangs vom Eintritt einer Bedingung, vom Ablauf einer Frist oder von einer Genehmigung abhängig ist. Sie sind auch dann zu erstatten, wenn der Rechtsvorgang von der Besteuerung ausgenommen ist.
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Für den Steuerschuldner kodifiziert § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG für die Fälle des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG eine Anzeigepflicht gegenüber der für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörde. Die Anzeigepflichten sind gem. § 19 Abs. 3 GrEStG innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnisnahme vom anzeigepflichtigen Vorgang zu erfüllen. In den Fällen des § 19 Abs. 1 Satz 1 GrEStG besteht die Anzeigepflicht der Beteiligten auch dann, wenn der Erwerbsvorgang im Einzelfall nach § 18 GrEStG - z.B. durch einen Notar - anzuzeigen ist, und zwar unabhängig davon, ob Letzteres geschehen ist (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFHvom 30. Oktober 1996 II R 69/94, BStBl II 1997, 85). Ein Steuerpflichtiger, der dieser Pflicht nicht nachkommt, kann sich nicht dadurch entlasten, dass der Notar die Erfüllung seiner Anzeigepflicht zugesagt und man übereinstimmend eine nochmalige Anzeige durch den Steuerpflichtigen selbst für entbehrlich gehalten hat (BFH-Urteil vom 4. März 1999 II R 79/97, BFH/NV 1999, 1301). Soweit eine Anzeigepflicht sowohl nach § 18 GrEStG als auch nach § 19 GrEStG besteht, ist den Zwecken des § 16 Abs. 5 GrEStG schon dann genügt, wenn nur einer der Anzeigeverpflichteten seiner Anzeigepflicht ordnungsgemäß nachkommt (BFH-Urteil vom 18. April 2012 II R 51/11, BStBl II 2013, 830; BFH-Urteil vom 3. März 2015 II R 30/13, BStBl II 2015, 777).
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Wird ein Erwerbsvorgang i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG zwar innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer rückgängig gemacht, war er aber nicht ordnungsgemäß angezeigt (§§ 18, 19 GrEStG) worden, schließt § 16 Abs. 5 GrEStG den Anspruch auf Aufhebung der Steuerfestsetzung aus.
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b) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm gem. § 110 Abs. 1 AO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Gem. § 110 Abs. 2 AO ist der Antrag innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen.
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Unter dem Rechtsbegriff „Jemand“ i.S. des § 110 Abs. 1 AO sind die - tatsächlichen oder potentiellen - Beteiligten eines steuerlichen Verwaltungsverfahrens zu verstehen; u.U. können auch Dritte wiedereinsetzungsberechtigt sein (Hübschmann/Hepp/Spittaler -HHS-, AO/FGO, § 110 AO, Rz. 12). Gem. § 78 AO sind Beteiligte am steuerlichen Verwaltungsverfahren zum einen Antragsteller und Antragsgegner (§ 78 Nr. 1 AO), zum anderen diejenigen, an die die Finanzbehörde den Verwaltungsakt richten will oder gerichtet hat (§ 78 Nr. 2 AO), sowie diejenigen, mit denen die Finanzbehörde einen öffentlich-rechtlichen Vertrag schließen will oder geschlossen hat (§ 78 Nr. 3 AO). § 78 AO setzt den Begriff des Verwaltungsverfahrens voraus. Das Verwaltungsverfahren ist die nach Außen wirkende Tätigkeit der Finanzbehörde, die auf Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet ist. Es ist also das Verfahren zum Erlass von Verwaltungsakten (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 78 AO Rz. 5). § 78 AO schließt durch die enumerative Fassung zugleich eine Beteiligtenstellung aus, falls jemand die Voraussetzungen des § 78 AO nicht erfüllt, selbst wenn er durch das Verfahren „betroffen“ sein sollte, weil er z.B. als Sachverständiger (§ 96 AO), in einem fremden Verwaltungsverfahren mitwirken muss („Dritter“) oder als Bevollmächtigter (§ 80 AO), gesetzlicher Vertreter (§ 34 AO), von Amts wegen bestellter Vertreter (§ 81 AO) oder Beistand (§ 80 Abs. 4 AO) eines Beteiligten auftritt oder in sonstiger Weise am Ausgang des Verfahrens interessiert ist. Auch entsteht die Beteiligtenstellung jeweils für ein bestimmtes Verwaltungsverfahren. Beteiligter wird nur derjenige, auf den sich ein konkretes Verwaltungsverfahren bezieht. Das jeweilige Verwaltungsverfahren muss in seiner (des Beteiligten) Sache durchgeführt werden, weil er entweder Antragsteller oder Antragsgegner oder potentieller oder tatsächlicher Adressat des verfahrensabschließenden Verwaltungsaktes ist. Das bedeutet insb., dass für jedermann, an den die Finanzbehörde einen Verwaltungsakt richten will, eine Beteiligtenstellung neu entsteht, soweit der Betroffene nicht bereits Beteiligter ist und lediglich in seinem bereits laufenden Verwaltungsverfahren durch Verwaltungsakt zur Mitwirkung aufgefordert werden soll. Deshalb wird z.B. jemand, den die Finanzbehörden zur Auskunftserteilung in einer fremden Steuersache in Anspruch nehmen, zwar nicht Beteiligter dieses (fremden) Verwaltungsverfahrens, aber Beteiligter eines Auskunftsverfahrens (HHS, § 78 AO, Rz. 57, 58). Dieses Verfahren bezieht sich nur auf die Auskunftsperson und der verfahrensabschließende Verwaltungsakt ist lediglich an die Auskunftsperson i.S.d. § 78 Nr. 2 AO gerichtet. § 78 AO ist mithin wie folgt zu lesen: Beteiligte sind erstens der jeweilige Antragsteller und Antragsgegner eines Verfahrens, zweitens derjenige, an den die Finanzbehörde im Einzelfall den verfahrensabschließenden Verwaltungsakt richten will oder gerichtet hat (HHS, § 78 AO, Rz. 57).
19
Obwohl getrennt über die Wiedereinsetzung befunden werden kann, ist die Entscheidung über die Wiedereinsetzung doch unselbständiger Bestandteil der Entscheidung zur Hauptsache. Die Entscheidung über die Wiedereinsetzung ergeht in einem verwaltungsrechtlichen Zwischenverfahren (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 26. Oktober 1989 IV R 82/88, BStBl II 1990, 277; Seibel in: Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, § 110 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Rz. 29).
20
c) Gem. § 109 Abs. 1 Satz 2 AO können Fristen zur Einreichung von Steuererklärungen und Fristen, die von einer Finanzbehörde gesetzt sind, unter bestimmten Voraussetzungen rückwirkend verlängert werden.
21
d) Bei Übertragung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall hat das FA den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in die Frist des § 18 Abs. 3 GrEStG gem. § 110 Abs. 1 AO zu Recht abgelehnt.
22
Die Klägerin ist nicht Beteiligte eines Hauptsacheverfahrens, in dessen Rahmen über eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte entschieden werden können und damit nicht „jemand“ i.S.d. § 110 Abs. 1 AO. Zwar war die Klägerin im Streitfall gem. § 18 Abs. 3 GrEStG verpflichtet, dem FA den Erwerbsvorgang vom 27. Oktober 2020 innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Beurkundung anzuzeigen. Die Anzeigeerstattung der Klägerin erfolgte jedoch nicht im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens. Grund hierfür ist, dass der Anzeigeerstattung durch die Klägerin keine nach Außen wirkende Tätigkeit des FA in Form eines Verwaltungsaktes zugrunde lag. Vielmehr ergab sich die Pflicht der Klägerin zur Auskunftserteilung allein aus dem Gesetz. Die Klägerin ist auch nicht Beteiligte am Verwaltungsverfahren „Festsetzung der Grunderwerbsteuer“. Beteiligte dieses Verwaltungsverfahrens sind allein B und S, in deren Sache das Verfahren durchgeführt worden ist. Dass die Klägerin vom Ausgang des Verwaltungsverfahrens (Festsetzung der Grunderwerbsteuer) gegen B und S wegen eventueller Haftungsansprüche betroffen sein könnte, führt nicht zu einer Beteiligtenstellung der Klägerin in diesem Verfahren, denn die Beteiligten am steuerlichen Verwaltungsverfahren sind in § 78 AO abschließend aufgezählt.
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e) Ebenfalls zu Recht hat das FA den Antrag der Klägerin abgelehnt, die Frist des § 18 Abs. 3 GrEStG gem. § 109 Abs. 1 Satz 2 AO zu verlängern. Weder ist die Frist des § 18 Abs. 3 GrEStG eine von einer Finanzbehörde gesetzte Frist, noch handelt es sich hierbei -anders als bei der Frist des § 19 Abs. 3 GrEStG - um eine Steuererklärungsfrist.
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2. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.
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3. Über den Antrag der Klägerin, die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO) entscheidet der Senat nach entsprechender Antragstellung durch eigenständigen Beschluss im Kostenverfahren.
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4. Die Revision zum BFH wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Die Streitsache hat weder grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, noch sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 2 bis 3 FGO erfüllt.