Titel:
Vereinsverbot und dessen Vollzug, Vereinsrechtliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung, Durchsuchung zum Zwecke, Vermögensbeschlagnahme und -sicherstellung, Auffinden weiterer Beweismittel nach Vereinsverbot
Normenketten:
GG Art. 13 Abs. 2
GG Art. 103 Abs. 1
VereinsG §§ 3 ff.
VereinsG § 10
Schlagworte:
Vereinsverbot und dessen Vollzug, Vereinsrechtliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung, Durchsuchung zum Zwecke, Vermögensbeschlagnahme und -sicherstellung, Auffinden weiterer Beweismittel nach Vereinsverbot
Fundstelle:
BeckRS 2022, 38977
Tenor
I. Aufgrund der vereinsrechtlichen Verfügung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat vom 2. August 2022 wird die Durchsuchung der Wohnungen einschließlich etwaiger Nebenräume, Nebengelasse, der dazugehörenden jeweiligen Briefkästen, soweit hierüber eine (Mit-)Verfügungsgewalt besteht, Kraftfahrzeuge und sonstiger Fahrzeuge oder Krafträder des … und am … durch Bedienstete der Regierung von Oberbayern und Polizeibeamte am Mittwoch, den … September 2022, ab 6.00 Uhr
1. zum Zweck der Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens des Vereins „U. T.“ einschließlich seiner Teilorganisationen „U. T. Wo.“, „U. T. De.“, „U. T. He.“, „U. T. No.“, „U. T. Si.“, „U. T. Ki.“, „U. T. El.“, „U. T. Re.“, „U. T. So.“, „U. T. Rh.“, „U. T. We.“, „U. T. Au.“, „U. T. In.“, „U. T. Nü.“ sowie „U. T. Mü.“
2. und zum Zweck der Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter, soweit sie vom Berechtigten durch die Überlassung an den vorstehend genannten Verein oder seine Teilorganisationen deren verfassungswidrige Bestrebungen gefördert hat oder zweit die Sachen zur Förderungen dieser Bestrebungen bestimmt sind,
3. sowie zum Zweck der Beschlagnahme von Gegenständen und Dokumenten zur weiteren Aufklärung der Strukturen des Vereins „U. T.“ sowie der Aufklärung etwaiger neu gegründeter Chapter angeordnet. Gesucht werden darf insbesondere nach den in Ziffer III. benannten Gegenständen. Verschlossene Türen und Behältnisse dürfen geöffnet werden.
II. Die Nachschau in und unter der Kleidung des ... zum Zweck des Auffindens versteckter Gegenstände (insbesondere Mobiltelefone, kleine Speichermedien, Adressbücher) durch Bedienstete der Regierung von Oberbayern und Polizeibeamte wird angeordnet.
III. Für den Fall, dass sie nicht freiwillig herausgegeben werden und nicht bereits durch die Vollzugsbehörde eine Beschlagnahme bzw. Sicherstellung als Vereinsvermögen in Folge der Durchsuchung i.S.v. Nr. I. 1. oder als Sachen Dritter in Folge der Durchsuchung i.S.v. Nr. I. 2. erfolgt, wird die Beschlagnahme der nachfolgend benannten Gegenstände und Unterlagen, die bei den unter I. und II. angeordneten Maßnahmen vorgefunden werden und die in einem erkennbaren Zusammenhang mit dem Zweck der Durchsuchung nach I. 3. stehen - somit als Beweismittel in dem vereinsrechtlichen Verbotsverfahren von Bedeutung für die weitere Aufklärung der Vereinsstruktur des verbotenen Vereins und seiner benannten sowie möglichen neu gegründeten Teilorganisationen sein können - durch Bedienstete der Regierung von Oberbayern und Polizeibeamte angeordnet.
Beschlagnahmt werden können
- Computer (insbesondere Desktop PCs, Notebooks, Server, Tablet-Computer) und mobile elektronische Kommunikationsendgeräte (insbesondere Mobiltelefone, Smartphones, Tablets) sowie jeweils die darauf gespeicherten Daten;
- Elektronische Speichermedien (insbesondere in Servern, Computern und Spielekonsolen verbaute Festplatten und Magnetbänder, externe Festplatten, USB-Sticks, Speicherkarten, SIM-Karten), optische Speichermedien (insbesondere CDs, DVDs und Blu-Ray Discs) und Disketten, Videokassetten und Tonbänder sowie jeweils die darauf gespeicherten Daten;
- Daten auf räumlich getrennten, elektronischen Speichermedien, insbesondere in Clouds (wie z.B. Google Drive, Microsoft OneDrive, Dropbox, Apple iCloud, Amazon Drive, etc.), auf sozialen Netzwerken (wie z.B. Facebook, Instagram, TikTok, etc.) und (Instant-)Messaging-Diensten (wie z.B. WhatsApp, Signal, Telegram, etc.) soweit auf sie von dem während der Durchsuchung herausgegebenen oder beschlagnahmten und jeweils sichergestellten Computer, mobilem elektronischen Kommunikationsendgerät oder elektronischem Speichermedium aus zugegriffen werden kann;
- Mitgliederlisten, -ausweise, -anträge sowie Bezugs-, Verteiler- und Telefonlisten und Kontaktübersichten des Vereins und seiner Teilorganisationen sowie des Antragsgegners;
- Organisationspläne, Rundschreiben, Informationsmaterial, Fotos, Kassenunterlagen, Kontounterlagen, Kontoauszüge, Spendenquittungen, Spendenlisten, Verträge, Schriftwechsel des Vereins und seiner Teilorganisationen sowie des Antragsgegners;
- Vereinskleidung, (insbesondere Kutten), Vereinsinsignien (insbesondere Patches und Pins), Waren und Merchandise des Vereins und seiner Teilorganisationen.
Ausgenommen von der Beschlagnahme sind Gegenstände und Unterlagen, die nachweislich in der Verfügungsgewalt Anderer als dem Antragsgegner stehen. Ebenso ausgenommen sind Gegenstände und Unterlagen, die keinen möglichen Zusammenhang zum Verein „U. T.“ und seinen Teilorganisationen erkennen lassen.
IV. Vor Durchführung der Durchsuchung und Beschlagnahmemaßnahmen sind auszuhändigen: dem Antragsgegner die Verbotsverfügung vom 2. August 2022, die zwei Sicherstellungsverfügungen auf Grundlage der Entwürfe vom (jeweils) 26. August 2022 und dieser Beschluss. Für den Fall der Abwesenheit genügt ein Einlegen in den Briefkasten bzw. Zurücklassen in der jeweiligen Wohnung.
V. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt im Rahmen des Vereinsrechts richterliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen gegen den Antragsgegner.
2
Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) hat mit vereinsrechtlicher Verfügung vom 2. August 2022 den Verein „U. T.“ einschließlich seiner Teilorganisationen „U. T. Wo.“, „U. T. De.“, „U. T. He.“, „U. T. No.“, „U. T. Si.“, „U. T. Ki.“, „U. T. El.“, „U. T. Re.“, „U. T. So.“, „U. T. Rh.“, „U. T. We.“, „U. T. Au.“, „U. T. In.“, „U. T. Nü.“ sowie „U. T. Mü.“ nach Art. 9 Abs. 2 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Vereinsgesetz (VereinsG) verboten und aufgelöst. Deren Zwecke und Tätigkeiten liefen den Strafgesetzen zuwider und richteten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Mit dem Verbot wird die Beschlagnahme und Einziehung von Vereinsvermögen verbunden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird gemäß § 117 Abs. 3 VwGO auf die Verfügung vom 2. August 2022 Bezug genommen.
3
Das BMI hat insoweit das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration (StMI) um den entsprechenden Vollzug des Vereinsverbots am 14. September 2022 um 6 Uhr ersucht. Zu diesem Zeitpunkt sollen in mehreren Bundesländern zeitgleich Durchsuchungen zum Verbotsvollzug erfolgen. Das StMI leitete das Vollzugsersuchen mit Schreiben vom 16. August 2022 an die Regierung von Oberbayern mit dem Auftrag weiter, die Verbotsverfügungen zuzustellen und entsprechend dem Ersuchen Durchsuchungen vorzunehmen.
4
Mit Schriftsatz vom 26. August 2022, dem Gericht am gleichen Tage zugegangen, beantragt die Regierung von Oberbayern beim Verwaltungsgericht München entsprechende Durchsuchungsanordnungen sowie ergänzend Beschlagnahmeanordnungen gegen den Antragsgegner. Hierzu legt sie unter andrem zwei Entwürfe einer Sicherstellungsverfügung vom 26. August 2022 - jeweils gesondert für jede Melde-/Wohnadresse - sowie ein Dossier des Bayerischen Landeskriminalamtes über den Antragsgegner zu.
5
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
6
Die vorliegende Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung ergeht aufgrund des Antrags der Regierung von Oberbayern vom 26. August 2022, die gemäß § 5 Abs. 1 VereinsG i.V.m. § 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 ZustV als zuständige Vollzugsbehörde mit der Maßnahme betraut wurde. Gemäß Art. 13 Abs. 2 GG i.V.m. § 10 Abs. 2 Satz 5 VereinsG steht die Durchsuchung zum Zwecke des Vollzugs einer vereinsrechtlichen Verbotsverfügung und Vermögenbeschlagnahme unter Richtervorbehalt. Dies gilt zudem für die Durchsuchung und Beschlagnahme von Gegenständen zum Zwecke der weiteren Beweissicherung im vereinsrechtlichen Verbotsverfahren gemäß § 4 Abs. 2 VereinsG. Die Entscheidung obliegt gemäß §§ 4 Abs. 2 Satz 2, § 10 Abs. 2 Satz 6 VereinsG dem Einzelrichter, der sich vorliegend aus der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichts München für das Geschäftsjahr 2022 i.V.m. der Geschäftsverteilung der für Vereinsrecht zuständigen 30. Kammer ergibt. Die örtliche Zuständigkeit besteht bei dem Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk die Durchsuchung vorgenommen werden soll, §§ 4 Abs. 2 Satz 1, § 10 Abs. 2 Satz 5 VereinsG.
7
Der Antrag ist zulässig und begründet. Der Antragsteller hat die erforderlichen Voraussetzungen hierfür glaubhaft dargelegt.
8
Die beantragte vereinsrechtliche Maßnahme der Durchsuchung (unter 2.) ergibt sich dabei zum einen zum Zwecke der Durchsetzung der Vermögensbeschlagnahme gemäß § 10 Abs. 2 VereinsG im Vollzug der vereinsrechtlichen Verbotsverfügung des BMI vom 2. August 2022 sowie der Beschlagnahme von Sachen Dritter gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1, § 12 Abs. 2 VereinsG. Zudem soll die Durchsuchung zum Zwecke des Auffindens weiterer Beweismittel zur Verwendung im weiteren Vereinsverbotsverfahren gemäß § 4 Abs. 2 VereinsG erfolgen. Insoweit wird auch die Anordnung der Beschlagnahme beantragt, die anders als die Vermögensbeschlagnahme im Vollzug eines Vereinsverbots auch der richterlichen Anordnung bedarf (unter 3.).
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1. Den beantragten vereinsrechtlichen Maßnahmen liegt ein vereinsrechtliches Verbot gemäß § 3 VereinsG durch das BMI vom 2. August 2022 zugrunde. Danach wird der Verein „U. T.“ mit seinen Teilorganisationen „U. T. Wo.“, „U. T. De.“, „U. T. He.“, „U. T. No.“, „U. T. Si.“, „U. T. Ki.“, „U. T. El.“, „U. T. Re.“, „U. T. So.“, „U. T. Rh.“, „U. T. We.“, „U. T. Au.“, „U. T. In.“, „U. T. Nü.“ sowie „U. T. Mü.“ verboten. Die Beschlagnahme des Vermögens und dessen Einziehung erfolgt in Nr. 5 der Verfügung vom 2. August 2022. Ebenso werden Sachen Dritter beschlagnahmt und eingezogen, soweit der Berechtigte durch Überlassung der Sachen an den Verein „U. T.“ oder seine genannten Teilorganisationen deren strafrechtliche Zwecke und Tätigkeiten vorsätzlich gefördert hat oder soweit die Sachen zur Förderung dieser Zwecke und Tätigkeiten bestimmt sind (Nr. 7). Die sofortige Vollziehung der Verfügung wird in Nr. 8 gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet und unter Buchst. F. der Verfügung begründet.
10
Die Verbots- und Beschlagnahmeverfügung vom 2. August 2022 stellt mit ihrer Zustellung am 14. September 2022 eine sofort vollziehbare, hinreichende Rechtsgrundlage für die Vollzugsmaßnahmen nach § 10 VereinsG sowie - im Zusammenhang mit ihrer Begründung - hinreichende Anhaltspunkte für die weitere Beweisermittlung nach § 4 VereinsG dar.
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Zwar ist die Frage der Rechtmäßigkeit des Vereinsverbots und der Vermögensbeschlagnahme nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Vor dem Hintergrund des Art. 13 Abs. 1 GG hat das Verwaltungsgericht dennoch die Verbots- und Beschlagnahmeverfügung in summarischer Form auf ihre Schlüssigkeit und Plausibilität hin zu überprüfen und im Falle offenkundiger Mängel den Antrag auf Anordnung der Durchsuchung abzulehnen (BayVGH, B.v. 8.1.2015 - 4 C 14.1708 - beck-online Rn. 24 ff. m.w.N.- im Nachgang zu VG Bayreuth, B.v. 17.7.2014 - B 1 X 14.440 - beck-online).
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Nach der somit gebotenen summarischen Prüfung der Verbotsverfügung vom 2. August 2022 hinsichtlich ihrer Schlüssigkeit und Plausibilität vermag das Gericht keine Bedenken zu erkennen. Schlüssig und plausibel wird unter ausführlicher Darstellung der jeweiligen Erkenntnisse dargelegt, dass und inwieweit der Verein „U. T.“ einschließlich seiner Teilorganisationen gegen die Strafgesetze gerichtete Zwecke und Tätigkeiten verfolge und sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte.
13
Der Verbotsverfügung vom 2. August 2022 liegt dabei im Wesentlichen folgende Begründungstruktur zugrunde, die hinreichend ausführlich, in sich schlüssig und plausibel ist und insbesondere keine - bei summarischer Prüfung erkennbare - Widersprüche in der Argumentations- und Beweisstruktur aufweist:
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Bei der 2004 vom ehemaligen bosnischen Boxer A. „B.“ C. in Vi. in Baden-Württemberg gegründeten rockerähnlichen Gruppierung „U. T.“ handele es sich - auch ohne Eintragung ins Vereinsregister - um einen nicht eingetragenen Verein i.S.d. Art. 9 Abs. 1 GG und § 2 Abs. 1 VereinsG, dessen Aufbau und Struktur einem Motorradclub gleiche. Während seiner Hochphasen in den Jahren 2014 und 2015 sei der Verein im gesamten Bundesgebiet expandiert. Hierbei sei es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit anderen Rocker- bzw. rockerähnlichen Gruppierungen über territoriale Gebietsansprüche sowie teilweise zu gezielten „Aufmärschen“ mit einer Vielzahl von Personen und zur Begehung schwerer Straftaten gekommen, bei denen zum Teil Waffen eingesetzt worden seien. In den Folgejahren nach der Expansionsphase sei es zunächst zu einem Rückgang der Mitglieder- und Charterzahlen in Deutschlang gekommen, bis in den Jahren 2018 und 2019 vereinzelt neue Charter eröffnet und neue Mitglieder gewonnen werden konnten. Derzeit umfasse der Verein in Deutschland 13 Chapter in Bayern, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen mit mindestens 100 Mitgliedern; vier Chapter firmieren als Motorcycle Club (MC). Der Verein „U. T.“ sei hierarchisch unter der strikten und zentralen Führung des „Weltpräsidenten“, A. „B.“ C., und dessen Stellvertreter Ne. C. aufgebaut. Der „Weltpräsident“ treffe alle wesentlichen Entscheidungen beispielsweise die Gründung eines neuen Chapters, die Besetzung von (Führungs-)Positionen, die Durchführung von Aktivitäten mit potentiell hoher Außenwirkung für den Verein. Weitere Führungsfunktionäre seien der Vorstand des Deutschland-Chapters um dessen Präsidenten Ci. O. sowie die Vorstände der einzelnen regionalen Chapter. Bei Letzteren handele es sich jeweils um den Präsidenten, Vizepräsidenten, „Se. at Ar.“, „Secretary“ und „Captain“ des Chapters. Präsidententreffen fänden deutschlandweit statt. Des Weiteren seien in der Gruppierung „Member“ (Mitglieder), „Fullmember“ (Vollmitglieder) und „Prospects“ (Anwärter auf eine Mitgliedschaft) vertreten. Die Verteilung der Funktionen entspreche zwar der Struktur einer „Outlaw Motorcycle Gang“ (OMCG), doch werde diese nicht immer konsequent eingehalten; Funktionen könnten auch ohne besondere Voraussetzungen vergeben werden. Der Verein verfüge des Weiteren über eine „Elite Abteilung“, deren Angehörige nach den Vereinsregeln kampfsportaffin und körperlich jederzeit für mögliche Auseinandersetzungen mit Kontrahenten vorbereitet sein müssten. Die „Einsätze“ der „Elite Abteilung“ würden von einer übergeordneten Ebene angeordnet, was auf eine hierarchische Ordnung und übergeordnete Befehlsgewalt hinweise. Nach den Regeln des Vereins müsse mindestens einmal monatlich ein Treffen der Mitglieder, für die eine Anwesenheitspflicht gelte, abgehalten werden. Der Präsident eines Chapters entscheide auch über den jeweils zu zahlenden monatlichen Mitgliedsbeitrag, der ausschließlich für Vereinszwecke verwendet werden dürfe. Nach außen werde der freiwillige Zusammenschluss als eine einem Verein gleichzustellende Gruppierung durch gemeinsame Veranstaltungen, die Anfertigung von Gruppenfotos sowie durch gemeinsame Aufmärsche dokumentiert sowie insbesondere durch das Tragen von gemeinsamen Clubinsignien („Patches“), die unter anderem auf (Leder-)Kutten, T-Shirts, Jacken, Kapuzenpullovern sowie Accessoirs abgebildet seien.
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Die Chapter seien als gebietliche Teilorganisationen in dem Verein „U. T.“ derart eingegliedert, dass sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen würden. Die Chapter würden vom Verein „U. T.“ gelenkt; Mitglieder der Chapter seien zugleich auch Mitglieder des Vereins „U. T.“. Bei überregionalen Treffen seien wiederholt gemeinsame Bilder von Mitgliedern unterschiedlicher Chapter festgestellt worden. Neue Chapter müssten sich beim „Weltpräsidenten“ in Bosnien und Herzegowina vorstellen.
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Nach außen erscheine der Verein als Zusammenschluss von Bodybuildern, Kampfsportlern und Türstehern. Der tatsächliche Zweck liege aber in der gewalttätigen Gebiets- und Machtentfaltung sowie in der Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden rockerähnlichen Gruppierungen innerhalb des jeweiligen Einflussbereiches. Hierdurch könnten weitere Märkte unter anderem im Bereich des Sicherheitsdienstes bzw. dem Türsteherbereich oder der Zuhälterei übernommen und weitere Verdienstmöglichkeiten generiert werden. Von dem Verein gehe eine schwerwiegende Gefährdung für individuelle Rechtsgüter und die Allgemeinheit aus, wie sich aus den nachfolgend dargestellten Straftaten und Aktionen erkennen lasse:
17
Der Verein „U. T.“ behaupte seine territorialen Macht- und Geltungsansprüche gegenüber Dritten und anderen MCs mit verschiedenen Machtdemonstrationen, die für sich allein bereits ein Bedürfnis eines Vereinsverbotes begründen würden, um die Gefahr einer weiteren rechtsgüterverletzenden Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Vereinigungen zu verhindern. Die Machtdemonstrationen erfolgten durch Auftreten in Gruppenstärke von Mitglieder überregionaler Herkunft, häufig unter Mitwirkung gefährlicher Gegenstände, was mitunter zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führe. Das Auffinden zahlreicher Waffen bei Mitgliedern des Vereins „U. T.“ belege, dass grundsätzlich mit einer Bewaffnung der Vereinsmitglieder zu rechnen sei und deren Gebrauch jederzeit möglich sei. So hätten sich am 23. März 2015 ca. 100 Mitglieder des Vereins „U. T.“ in Reaktion auf die Verbrennung einer ihrer Kutten am 18. März 2015 durch Mitglieder einer rivalisierenden Gruppierung getroffen. Aufgrund polizeilicher Maßnahmen sei die Gruppe im weiteren Verlauf von Stuttgart nach Ludwigsburg verdrängt worden, wo die Gruppe letztlich auf ca. 140 Personen angewachsen sei. Zeitgleich sei eine größere Gruppe der rivalisierenden Gruppierung „Red Legion“ in Ludwigsburg aufgetaucht und habe versucht, die festgesetzten Anhänger des Vereins „U. T.“ anzugreifen. In der Folge seien 180 Platzverweise erteilt und mehrere Strafanzeigen wegen Beleidigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, gefährlicher Körperverletzung und Verstößen gegen das Waffenrecht aufgenommen worden. Am 9. Dezember 2015 hätten Mitglieder des Vereins „U. T.“ zu einer überregionalen Zusammenkunft in Balingen (Baden-Württemberg) aufgerufen, wobei als Hintergrund des Aufrufes eine Machtdemonstration gegenüber der rivalisierenden Gruppierung „Osmanen Germania BC“ vermutet werde. Im Zuge von Einsatzmaßnahmen seien 40 Vereinsmitglieder kontrolliert worden. Dabei seien mehrere gefährliche Gegenstände wie Springmesser, Klappmesser und Pfeffersprays sichergestellt worden.
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Die strafgesetzwidrige Prägung des Vereins „U. T.“ und seiner Teilorganisationen sowie deren Gefährlichkeit werde durch die Tatsache belegt, dass Straftaten auch durch die Entscheidungsträger des Vereins „U. T.“ geduldet, gebilligt, gefördert oder angewiesen würden. Führungsmitglieder seien an einigen Tatbegehungen selbst beteiligt gewesen; einige Straftaten seien bewusst unter Ausnutzung der Vereinsstrukturen und -ressourcen begangen worden. In der strafrechtsrelevanten Tätigkeit des Vereins „U. T.“ könne zwischen verschiedene Deliktsgruppen unterschieden werden: einen großen Raum nehmen Gewalttaten (Körperverletzungsdelikte, versuchter Totschlag) unter anderem gegen verfeindete Gruppen und sonstige Konkurrenten im Milieu ein, mitunter im engen Zusammenhang mit unerlaubten Waffenbesitz. Ferner seien die Tatbestände des Menschenhandels, der Zwangsprostitution, der Erpressung und Bedrohung sowie der Handel mit Betäubungsmitteln bekannt geworden.
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Bei einer Kontrolle von 72 Personen durch eine Zollstreife am 9. April 2012 in Rottweil seien schussfähige Handfeuerwaffen, zahlreiche Messer sowie Schlaggegenstände sichergestellt worden; in der Folge sei es zu Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das WaffenG gekommen.
20
Auf Weisung ihres Präsidenten Os. Gün. suchten der Vizepräsident Gö. Tü., der Sergeant at Arms As. Ug. Mo. sowie das Mitglied Ge. im November 2014 in einen Dachdecker auf und verlangten von diesem die Zahlung eines Schutzgeldes i.H.v. zunächst 10.000 EUR. Nach einem gemeinschaftlichen, körperlichen Angriff auf seinen Mitarbeiter am 23. November 2014 sei der Dachdecker zunächst für zwei Monate in die Türkei geflohen. Bei seiner Rückkehr aber sei er unmittelbar erneut mit Schutzgeldforderungen i.H.v. 15.000 EUR konfrontiert worden. Im Zuge der hierauf folgenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, die auch eine weitere Schutzgelderpressung eines Dachdeckers durch Vereinsmitglieder i.H.v. 20.000 EUR zum Gegenstand gehabt habe, seien während Durchsuchungsmaßnahmen bei Gü. und Gö. jeweils eine Schusswaffe Norinca 9mm und Ceska 7,65 mm nebst Munition gefunden worden.
21
In der Nacht zum 9. Mai 2015 sei es im Rahmen einer Ansammlung von ca. 30 Mitgliedern des Vereins „U. T.“ vor dem von dem „Bl. Ro. Ma. MC“ betriebenen Bordellbetrieb Lo.-Club in Ul. nach anfänglich provokanten Verhalten zur Abgabe von mehreren Schüssen in Brust- und Kopfhöhe auf Mitglieder des „Bl. Ro. Ma.e MC“ durch einen Angehörigen des „U. T. Fr.“, welcher im Auftrage des Präsidenten der „U. T. Ul.“ Ci. Or. gehandelt habe, gekommen. Am 15. März 2016 fuhr der Präsident der „U. T. Ul./He.“ Ci. Or. in den Bereich eines Realschulparkplatzes in Gi. und gab unvermittelt vier Schüsse aus einer Gas-/Schreckschusswaffe in Richtung des Weltpräsidenten der „Bl. Ja.“ und zweier Personen aus deren Umfeld ab.
22
Der Vizepräsident der „U. T. Mü.“ Zi. habe am 22. Januar 2017 über Ci. Or., den Präsidenten der „U. T. Ul./He.“, qualitativ hochwertige 500 EUR Falsifikate besorgt, die durch das Mitglied Ad. und den Prospect Ur. verausgabt worden seien; weitere Falsifikate seien an den Vizepräsidenten der „U. T. In.“ gegangen, die dieser genutzt habe, um Betäubungsmittel in nicht geringer Menge zu erwerben und anschließend gewinnbringend zu verkaufen.
23
Am 26. Februar 2017 seien die Betreiber zweier Diskotheken, dem Br.-Club in He. und dem Di.-Pa. ... in La., unter anderem durch Einsatz einer Motorkettensäge innerhalb der Lokalitäten, unter Führung des Präsidenten Ci. Or. von acht Mitgliedern der „U. T. Ul./He.“ bedroht worden, um so Gebietsansprüche und damit letztlich auch die „Übernahme“ der Diskothek „Br.-Club“ gewaltsam durchzusetzen.
24
Im Tatzeitraum ab Oktober 2017 sei eine damals 17-jährige Frau von drei Mitgliedern der - inzwischen aufgelösten - „U. T. Bo.“, darunter auch dem Präsidenten und den Vizepräsidenten, zur Ausübung der Prostitution gezwungen und hierzu in einem Hotel untergebracht worden. Der damalige Vizepräsident des Chapters Al. Sa. sei vom LG Wuppertal wegen schwerer Zwangsprostitution in Tateinheit mit Zuhälterei in zwei Fällen, wegen versuchter schwerer Zwangsprostitution in zwei Fällen sowie versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und acht Monaten verurteilt worden. Der damalige Präsident des Chapters Ja. Ro. De. sei wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberische Erpressung und vorsätzlicher Körperverletzung sowie schwerer Zwangsprostitution zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt worden.
25
Auf Geheiß des Europapräsidenten und Präsidenten der „No.“ Pe. Schm. (alias „Boxer Pe.“) fuhren am 25. Oktober 2017 der Vizepräsident Fr. Schl. und die Vereinsmitglieder Ad. Ja. Gr., Me. Go., La. Zd. und Mi. Ra. nach Schw., um eine interne Sanktionierungsmaßnahme an vermeintlich zukünftigen Mitgliedern des dort geplanten Chapters durchzuführen. Die Geschädigten seien mit einem Golfschläger angegriffen worden; der Hauptgeschädigte habe eine großflächige und lebensgefährliche Verletzung am Hinterkopf erlitten. Außerdem seien Kleidungsstücke mit Insignien des Vereins sowie die dazu erforderlichen Materialien und Geräte mitgenommen bzw. zerstört worden. Ferner seien von der Tat Fotos zur Vorlage an den Weltenpräsidenten A. „B.“ C. erstellt worden.
26
Der damalige Präsident der „U. T. He.“ sei am 7. September 2018 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt worden, da er - sowie weiterer Führungsmitglieder - am Rauschgifthandel des Vereins „U. T.“ beteiligt gewesen sei.
27
Am 7. April 2019 mischte sich der spätere Geschädigte in eine verbale Auseinandersetzung zwischen dem Türsteher der Diskothek „Ka.“ in Au., dem damaligen Präsidenten des Au. Cha. Si. Va., und einer dunkelhäutigen Person ein. In Folge darauf sei es zu einer körperlichen Auseinandersetzung, bei der zehn bis 15 Mitgliedern der „U. T. No.“ und „U. T. Au.“ auf den Geschädigten und dessen beide Freunde massiv eingeschlagen und eingetreten hätten, gekommen. Das Mitglied der „U. T. Au.“ Ro. Dz. habe dem Geschädigten mit einem Messer zweimal in die rechte Flanke des Oberkörpers gestochen und dadurch lebensgefährlich verletzt.
28
Am 15. Oktober 2019 seien drei Tatverdächtige, darunter der Präsident und ein Mitglied der „U. T. On.“, in Ro. festgenommen worden, weil sie sich als Polizeibeamte ausgegeben hätten, um eine Betrugstat zu begehen.
29
Der Präsident der „U. T. Si.“ Al. Ku. griff in Lübeck eine Person am 12. Mai 2020 mit einem Messer an; zugleich schlug Herr O. Er., mittlerweile Führungsmitglied der „U. T. Si.“, (vermutlich mit einem Teleskopschlagstock) mehrfach auf den Kopf des Opfers ein, welches dadurch mehrere Platz- und Schnittwunden am Kopf erlitten habe. Ein Strafverfahren vor dem LG Lübeck werde für Herbst 2022 erwartet.
30
Am 14. August 2020 sei es im Außenbereich einer Lokalität in Lübeck zu einer Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern der „U. T. Si.“, die sich bewusst im „Revier“ der „He. An.“ aufgehalten hätten, und Mitgliedern der „He. An.“ gekommen. Die Personen seien aufeinander mit - vorsorglich mitgeführten - diversen Schlag- und Stichwaffen (Machete, Äxte, Messer, Axtstiele, etc.) aufeinander losgegangen. Die zuständige Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren ein, weil den einzelnen Tatverdächtigen keine individuellen Tatbeiträge zugeordnet werden konnten und die Auffangtatbestände §§ 125, 231 StGB nicht erfüllt gewesen seien.
31
Ein örtlicher Gastronom habe am Abend des 13. November 2020 durch ein Mitglied der „U. T. Si.“ eine gefährliche Körperverletzung erlitten, zugleich seien der Geschädigte und sein Bruder aufgefordert worden ein monatliches Schutzgeld i.H.v. 1.500 EUR zu bezahlen. Bei dem Angriff seien ungefähr zwölf Vereinsmitglieder, darunter auch der Präsident der „U. T. Si.“, anwesend gewesen. Bei einer am Folgetag durchgeführten Durchsuchung zweier bekannter Aufenthaltsorte des Tatverdächtigen seien Betäubungsmittel, diverse Hieb- und Stichwaffen sowie ein Kleinkaliberrevolver samt Munition aufgefunden worden. Im Strafverfahren sei der Tatverdächtige zwar freigesprochen worden, die Hinzuziehung weiterer Vereinsmitglieder deute aber auf die gezielte Ausnutzung von Vereinsstrukturen für polizeilich und vereinsrechtlich relevante Handlungen hin.
32
Am 24. Juli 2021 sollen nach derzeit noch laufenden Ermittlungen der Vizepräsident sowie der Sergeant at Arms der „U. T. Em.“, der Vizepräsident der befreundeten örtlichen rockerähnlichen Gruppierung „Bo. Br.“ sowie eine vierte unbekannte Person eine Gruppe von vier Personen provoziert und auf diese vehement eingeschlagen, mit Reizgas besprüht und durch Vorhalt eines Messers bedroht haben. Die Geschädigten beschrieben, dass ihre Angreifer schwarze Lederkutten mit weißen Emblemen trugen, was den Kutten der „U. T.“ entsprechen würde.
33
Ein 35-jähriger „Hangaorund“ des Vereins „U. T.“ soll in einer Wohnung, welche als Treffpunkt des Vereins „U. T.“ genutzt werde, am 25. und 30. August 2021, während zwei weitere Vereinsmitglieder in der Wohnung angewesen seien, eine 17-jährige bzw. 21-jährige Frau schwer sexuell genötigt sowie am 9. September 2021 ein 13-jähriges Mädchen sexuell missbrauch haben. Die Ermittlungen dauern an; der Beschuldigte sei zwischenzeitlich aufgrund eines Haftbefehls am 10. September 2021 in Untersuchungshaft genommen, mittlerweile aber entlassen worden. Zusätzlich werde ein Verfahren wegen des Verdachts der Abgabe von Betäubungsmitteln (Marihuana) an Minderjährige geführt. Die Anwesenheit weiterer Vereinsmitglieder sowie der Tatort würden auf eine Billigung und Förderung der Durchführung von Straftaten hindeuten.
34
Am 2. April 2022 habe der Captain der „U. T. Ki.“ Frank Khaled Gronau in Begleitung einer weiteren männlichen Person den Geschädigten Sa. mit der Faust ins Gesicht geschlagen, wodurch dieser eine blutende Platzwunde am rechten Auge, Kopfschmerzen und Schwindel erlitten habe. Dem Faustschlag sei eine Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten wegen noch offener Geldforderungen des Geschädigten aus einem Auftragsverhältnis (Aufbau eines Webshops für den Vertrieb von Merchandise-Artikeln) gegenüber dem Verein „U. T.“ vorausgegangen.
35
Ferner sei aus den Strafverfahren gegen den ehemaligen Präsidenten und Vizepräsidenten des mittlerweile aufgelösten Chapters „Bo.“ die Anerkennung von Straftaten durch den Verein „U. T.“ mittels Aushändigung von Patches, z.B. den „Redlight“-Patch für Tätigkeiten im Rotlichtmilieu, bekannt geworden. Außerdem würden Vereinsmitglieder nach den eigenen Vereinsregeln Unterstützung im Falle einer Inhaftierung erhalten. Eine Distanzierung von straffälligen Mitglieder erfolge hingegen nicht.
36
Das Verbot des Vereins „U. T.“ und der genannten Teilorganisationen sei auch verhältnismäßig und stehe insbesondere mit Art. 9 Abs. 1 und 2 GG und der EMRK im Einklang. Die Anwendung strafrechtlicher Vorschriften gegen einzelne Mitglieder sei zur Verhinderung weiterer strafgesetzwidriger Tätigkeiten des Vereins nicht ausreichend. Es sei aufgrund der Entstehungsgeschichte des Vereins sowie der Anzahl und Qualität der von den Vereinsmitgliedern begangenen Straftaten nicht davon auszugehen, dass sich die Vereinsmitglieder durch eine strafrechtliche Verfolgung von der Begehung künftiger Straftaten abhalten ließen; vielmehr könnten zukünftige, dem Verein zuzurechnende Straftaten nur im Wege eines Vereinsverbotes durchgreifend unterbunden werden. Im Rahmen der Abwägung würden die öffentlichen Interessen an einem Vereinsverbot die Interessen des Vereins und seiner Mitglieder überwiegen. Hierbei sei insbesondere zu beachten, dass der Großteil der begangenen Straftaten gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit gerichtete sei und mit erheblicher Gewalteinwirkung oder mit Androhung derselben einhergehe. Des Weiteren sei festzustellen, dass die Straftaten zum Teil bewusst und unter deutlich sichtbarem Tragen der „Kutten“ in der Öffentlichkeit als Handlungen des Vereins „U. T.“ wahrgenommen werden sollten und damit auch der Einschüchterung Dritter diene.
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2. Die Nachschau beim Antragsgegner sowie die Durchsuchung von dessen Wohnungen einschließlich etwaiger Nebenräume, Nebengelasse, der dazugehörenden jeweiligen Briefkästen, soweit hierüber eine (Mit-)Verfügungsgewalt besteht, Kraftfahrzeuge und sonstiger Fahrzeuge oder Krafträder in der …straße … in ... bzw. dem …weg … in ... war in dem in Ziffer I. tenorierten Umfang und Rahmen anzuordnen.
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2.1 Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 VereinsG für die in Ziffer I. 1. und I. 2. tenorierte Durchsuchung sind erfüllt.
39
Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 VereinsG können aufgrund der sich aus der Verbotsverfügung in Nrn. 5 und 7 ergebenden Beschlagnahme des Vereinsvermögens Sachen im Gewahrsam des Vereins sowie im Gewahrsam Dritter sichergestellt werden. Die Sicherstellung von Sachen des Vereinsvermögens im Gewahrsam Dritter kann dabei erst auf der Grundlage eines Sicherstellungsbescheids i.S.v. § 4 VereinsGDV erfolgen. Der Sicherstellungsbescheid ist Grundlage dafür, dass der Adressat die behördliche Ingewahrsamnahme von konkret bezeichneten Gegenständen, die sich in seinem Gewahrsam befinden, zu dulden hat (VGH Mannheim, B.v. 27.10.2011 - 1 S 1864/11 - juris Rn. 13). Gemäß § 4 Satz 2 VereinsGDV ist in der schriftlichen Begründung des Sicherstellungsbescheids u.a. darzulegen, dass die sichergestellte Sache zum Vereinsvermögen gehört.
40
Die für die Anordnung einer Durchsuchung i.S.v. § 10 Abs. 2 VereinsG (je Wohnung) erforderliche Sicherstellungsverfügungen bezüglich der Sachen, die sich nicht im Gewahrsam des Vereins - insoweit genügt die in Nr. 5 der Verfügung des BMI vom 2. August 2022 enthaltene Beschlagnahmeanordnung -, sondern im Gewahrsam Dritter befinden, liegen zwei Entwürfe vom 26. August 2022 der hierfür zuständigen Regierung von Oberbayern als zuständigen Landesvollzugsbehörde vor und stellen eine hinreichende Grundlage für eine Durchsuchungsanordnung der jeweiligen Wohnungen dar. Um zu gewährleisten, dass im Zeitpunkt der Durchsuchung wirksame und vollziehbare Sicherstellungsbescheide vorliegen, darf die Durchsuchung erst nach zumindest gleichzeitiger Zustellung der Sicherstellungsbescheide an den Betroffenen erfolgen (vgl. OVG Bautzen, B.v. 12.11.2013 - 3 E 70/13 - juris Rn. 15; Roth in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Auflage 2019, § 10 VereinsG Rn. 30).
41
2.1.1 Nach den Entwürfen vom 26. August 2022 wird das im Besitz des Antragsgegners befindliche Vermögen des Vereins „U. T.“ einschließlich seiner Teilorganisationen sichergestellt (Nr. 1). Anfechtungsklage und Widerspruch hiergegen hätten gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 6 Abs. 2 VereinsG keine aufschiebende Wirkung.
42
Dass zum Zeitpunkt der richterlichen Anordnung der Durchsuchung die Sicherstellungsverfügungen erst im Entwurfsstadium vorliegen und die konkret sicherzustellenden Gegenstände dann unmittelbar bei Vornahme der Maßnahme mit Begründung entsprechend der Vorgabe des § 4 VereinsGDV zu vermerken sind, ist nicht zu beanstanden, (vgl. VGH Mannheim, B.v. 27.10.2011 - 1 S 1864/11 - juris Rn. 14; VG Aachen, B.v. 3.12.2004 - 6 L 1108/04 - beck-online Rn. 5). Ein anderes Verfahren erscheint wenig praktikabel (vgl. VG Aachen, a.a.O.).
43
Insofern wird auch die derzeit bestehende nur vage Bestimmtheit der sicherzustellenden Gegenstände bei Durchführung der Maßnahme durch Aufnahme in das jeweilige Sicherstellungsverzeichnis unmittelbar vor der tatsächlichen Sicherstellung aufgelöst. Daher ist es unschädlich, dass sich den Entwürfen der Sicherstellungsbescheide vom 26. August 2022 ohne Konkretisierung von zumindest der näheren Art der Sicherstellungsobjekte lediglich entnehmen lässt, dass es um das im Besitz des Antragsgegners befindliche Vermögen des Vereins „U. T.“ und seiner Teilorganisationen geht. Eine Übertragung der Rechtsprechung zum Bestimmtheitsgebot der richterlichen Beschlagnahmeanordnungen (siehe unter 3.) ist daher nicht geboten.
44
Die vorliegenden Entwürfe der Sicherstellungsbescheide tragen auch hinreichende Anhaltspunkte für den Verdacht vor, dass sich beim Antragsgegner, einem Mitglied des Vereins „U. T.“, Gegenstände aus dem Vermögen des Vereins oder einer der verbotenen Teilorganisationen, im Besitz befinden.
45
In der Rechtsprechung wurde herausgearbeitet, dass eine Sicherstellung und eine zum Zweck der Sicherstellung erfolgende Durchsuchung der Wohnung eines „einfachen“ Vereinsmitglieds nicht quasi auf Verdacht zulässig ist (VGH Mannheim, B.v. 27.10.2011 - 1 S 1864/11 - juris Rn. 10; OVG Schleswig, B.v. 3.3.1994 - 4 M 142/93 - juris Rn. 7). Vielmehr müssen darüber hinaus ausreichende Anhaltspunkte nicht nur dafür vorliegen, dass der Betreffende Verbindungen zu dem Verein hat, sondern vielmehr dafür, dass sich Gegenstände aus dem Vermögen des Vereins gerade bei ihm befinden (VGH Mannheim, a.a.O.; OVG Schleswig a.a.O.). Diese Anhaltspunkte hat die Vollzugsbehörde bei der Beantragung des Durchsuchungsbefehls im Einzelnen darzulegen; die Darlegung hat sich speziell auf die Vermutung zu beziehen, dass sich Sachen des Vereinsvermögens im Gewahrsam des Betreffenden befinden (VGH Mannheim, a.a.O.; OVG Schleswig, a.a.O.). Diese besonderen und gegenüber der Sicherstellung von Sachen im Gewahrsam des Vereins gesteigerten Anforderungen rechtfertigen sich daraus, dass hinsichtlich Dritter die Annahme, sie könnten Gegenstände des Vereinsvermögens in Gewahrsam haben, nicht ohne weiteres auf der Hand liegt, sondern insoweit vielmehr konkrete Anhaltspunkte vorliegen müssen, um den erheblichen Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung, der durch eine Beschlagnahme und die dazu erforderliche Durchsuchung eintritt, zu rechtfertigen. In dieser Beziehung ähnelt aber die Position eines „einfachen“, nicht mit besonderen Aufgaben betrauten Vereinsmitgliedes eher der eines außerhalb des Vereins stehenden Dritten als der eines Organs des Vereins (OVG Schleswig, a.a.O.).
46
Hinreichend lässt sich der Antragsschrift, dem vorliegenden Dossier sowie den vorgelegten Unterlagen - insbesondere der Verbotsverfügung vom 2. August 2022 - bezüglich des Antragsgegners entnehmen, dass dieser bei einem Anfang Mai 2022 geführten Kontaktgespräch mit Polizeibehörden angab, die Stellung des Präsidenten der „U. T. MC“ innezuhaben; ihm somit eine herausgehobene Führungsrolle innerhalb der Vereinsstrukturen zukommt. Des Weiteren lässt sich dem Personendossiert des Bayerischen Landeskriminalamtes ein auf Instagram veröffentlichtes Bild des Antragsgegners entnehmen, auf welchem dieser ein Oberteil mit Patches des Vereins „U. T.“ trägt. Demnach liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass sich Gegenstände aus dem Vereinsvermögen im Besitz des Antragsgegners, einer Führungsfigur des Vereins „U. T.“ im Chapter aus Mü. befinden.
47
2.1.2 Die Durchsuchungsmaßnahme i.S.v. § 10 Abs. 2 VereinsG zum Zwecke des Auffindens von Vereinsvermögen und deren Beschlagnahme und Sicherstellung ist zudem verhältnismäßig.
48
Die Durchsuchung verfolgt einen legitimen Zweck, in dem sie darauf abzielt, die Beschlagnahme und Sicherstellung des Vereinsvermögens des mit Verfügung vom 2. August 2022 verbotenen Vereins „U. T.“ und seiner Teilorganisationen zu ermöglichen. Insoweit ist durchaus davon auszugehen, dass der Antragsgegner ohne richterliche Anordnung einer Durchsuchung nicht ohne weiteres zustimmen wird. Aufgrund der Anhaltspunkte, beim Antragsgegner Vereinsvermögensgegenstände zu finden, ist die Durchsuchung auch geeignet, der Beschlaganordnung sowie der jeweiligen Sicherstellungsverfügung tatsächlich Wirkung zu verschaffen. Ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich. Die Durchsuchung ist auch vor dem Hintergrund des sich aus Art. 13 Abs. 1 GG ergebenden besonderen Schutzes der Wohnungen des Antragsgegners und dessen Eigentumsgrundrecht nach Art. 14 GG und seinen Rechten aus Art. 2 Abs. 1 GG angemessen. Die Schwere der Eingriffe in die Grundrechtspositionen des Antragsgegners - insbesondere in Art. 13 Abs. 1 GG - steht in einem angemessenen Verhältnis zum Zweck des Vollzuges des Vereinsverbotes. Wie die Verbotsverfügung aufzeigt, verfolgt der Verein „U. T.“ mit seinen Teilorganisationen strafrechtliche relevante und der verfassungsmäßigen Ordnung zuwiderlaufende Ziele insbesondere der gewalttätigen Gebiets- und Machtentfaltung bzw. -erhaltung, der (Schutzgeld-)Erpressung sowie der Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden rockerähnlichen Gruppierungen innerhalb ihres jeweiligen Einflussbereiches. Bei dem Antragsteller handelt es sich um eine Führungsfigur des Vereins „U. T.“ im Chapter aus Mü.. Zu Gunsten des öffentlichen Interesses an der Durchführung der beantragten vereinsrechtlichen Vollzugsmaßnahmen ist der Umstand zu berücksichtigen, dass für den Verein „U. T.“ und dessen Teilorganisationen neben Vermögensdelikten wie Raub, (räuberische) Erpressung und Bedrohung insbesondere Straftaten gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit sowie die sexuelle Selbstbestimmung im Mittelpunkt stehen und die Straftaten dabei zum Großteil - teils unter Verstoßes gegen das WaffenG - mit erheblicher Gewaltanwendung oder der Androhung derselben begangen werden. In diesem Zusammenhang spielt auch der Umstand, dass Straftaten zum Teil auch unter dem deutlich sichtbaren Tragen der Vereinskutten begangen werden und somit in der Öffentlichkeit vom Verein „U. T.“ und dessen Teilorganisationen bewusst eine Verbindung zu den begangenen Taten offengelegt und darüber hinaus auch zum Zwecke der Einschüchterung Dritter genutzt wird. Dem Vereinsverbot und seinem Vollzug durch die Vermögensbeschlagnahme kommt daher eine höhere Bedeutung zu, weshalb die Beeinträchtigung der Grundrechte des Antragsgegners bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen zurückzutreten hat.
49
2.2 Die Durchsuchung zum Zwecke des Auffindens weiterer Beweismittel im vereinsrechtlichen Verbotsverfahren findet demgegenüber in § 4 Abs. 4 Satz 2 VereinsG ihre rechtliche Grundlage.
50
Nach § 4 Abs. 4 Satz 2 VereinsG kann die Durchsuchung der Räume des Vereins sowie der Räume, der Sachen und der Person eines Mitglieds oder Hintermannes des Vereins angeordnet werden, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dabei Gegenstände aufgefunden werden, die als Beweismittel im vereinsrechtlichen Verbotsverfahren nach § 3 VereinsG von Bedeutung sein können. Hinreichende Anhaltspunkte liegen vor, wenn über bloße Vermutungen und vage Anhaltspunkte hinaus ein sachlich zureichender und plausibler Verdacht für die Verwirklichung von vereinsrechtlichen Verbotsgründen besteht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 21.12.2012 - 1 L 82/12 - beck-online; OVG Bremen, B.v. 12.10.2011 - 1 S 11/11 - beck-online). Mit Blick auf die Bedeutung der betroffenen Grundrechte aus Art. 13 Abs. 1 GG und Art. 9 Abs. 1 GG muss die Durchsuchung in angemessenem Verhältnis zu der Schwere des vorgeworfenen Verhaltens und der Stärke des Tatverdachts stehen (vgl. BVerfG, B.v. 13.5.2014 - 2 BvR 9/10 - beck-online). Bei anderen Personen ist dagegen eine Durchsuchung nur zur Beschlagnahme bestimmter Beweismittel und nur dann zulässig, wenn Tatsachen darauf schließen lassen, dass sich die gesuchte Sache in ihrem Gewahrsam befindet (§ 4 Abs. 4 Satz 3 VereinsG).
51
2.2.1 Diesen Maßstäben wird die vorliegend angeordnete Durchsuchung gerecht.
52
In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist insbesondere geklärt, dass die an sich im Vorfeld eines Vereinsverbots anstehenden Ermittlungsmaßnahmen auch noch nach einem verfügten Vereinsverbot in Betracht kommen (BVerwG, B.v. 9.2.2001 - 6 B 3/01 - beck-online Nr. 3. a) bb)). Den vorliegenden Erkenntnissen nach handelt es sich beim Antragsgegner auch um ein Mitglied des Vereins „U. T.“ i.S.v. § 4 Abs. 4 Satz 2 VereinsG. Somit reicht das Vorliegen von Anhaltspunkten für das Auffinden von Beweismitteln für eine Anordnung der Durchsuchung, die - wie bereits unter Rn. 46 ausgeführt - hinsichtlich der Wohnungen des Antragsgegners vorliegen.
53
2.2.2 Die Durchsuchung beim Antragsgegner ist auch verhältnismäßig.
54
Auch im Anschluss an ein Vereinsverbot verfolgt das Auffinden und Sichern von weiteren Beweismitteln für ein etwaiges gerichtliches Verfahren einen legitimen Zweck (vgl. die Ausführungen des BVerwG, a.a.O.). Die Maßnahme ist auch geeignet, weil anzunehmen ist, dass sich Beweismaterial über die Tätigkeiten des Vereins, seiner Teilorganisationen und seiner Vereinsstruktur beim Antragsgegner angesammelt hat. Mildere Mittel als eine Durchsuchungsanordnung sind nicht ersichtlich, da nicht zu erwarten ist, dass der Antragsgegner ohne richterliche Anordnung den Vollzugsbehörden Zutritt zu seinen Wohnungen gestatten wird. Die Durchsuchungsmaßnahme ist zudem angemessen. Schließlich steht die Schwere der grundgesetzlichen Eingriffe in Art. 13 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG mit Blick auf das Gewicht der vorliegenden Erkenntnisse in einem angemessenen Verhältnis zu dem Zweck, das am 2. August 2022 verfügte Verbot nach § 3 VereinsG zu untermauern, die Vereinsstrukturen weiter aufzudecken und hierdurch die verfassungsmäßige Ordnung als elementarem Schutzgut zu schützen. Betreffend die Gewichtung der Interessen wird auf die Ausführungen unter Rn. 48 Bezug genommen. Ferner gilt es im Rahmen der Beweismittelsicherung zu berücksichtigen, dass eine weitere Aufklärung der Vereinsstrukturen, insbesondere die Gründung neuer Chapter, geeignet ist entsprechende behördliche Maßnahmen zu ergreifen, um zukünftige (Grundrechts-)Beeinträchtigungen Dritter nach Möglichkeit zu verhindern oder jedenfalls zu minimieren und so dem sich unmittelbar aus dem Grundgesetz ergebenden staatlichen Schutzverpflichtungen zum Schutze von Leib, Leben, Eigentum und Freiheit einer Person (vgl. Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2, Art. 14 Abs. 1 GG) nachzukommen.
55
2.3 Auch das zwangsweise Öffnen der Räume sowie von Sachen, sofern kein Zutritt gewährt wird bzw. diese nicht geöffnet werden, ist gerechtfertigt, da bundesweit zeitgleich Durchsuchungen durchgeführt werden sollen, und das Vorgehen nur in einer konzertierten Aktion erfolgversprechend erscheint. Soweit der Antragsgegner zumindest eine (Mit-)Verfügungsgewalt besitzt, darf sich die Öffnung und Durchsuchung insoweit auch auf die zur jeweiligen Wohnung des Antragsgegners gehörende Briefkästen erstrecken (vgl. VG Bayreuth, B.v. 17.7.2014 - B 1 X 14.440 - beck-online, allerdings mit Verweis auf § 10 Abs. 2 Satz 4 VereinsG i.V.m. § 99 StPO, der mangels Gewahrsam der Postsendungen beim Postdienstleister nicht einschlägig sein dürfte).
56
3. Während die Beschlagnahme des Vereinsvermögens auf der Verfügung in Nr. 5 vom 2. August 2022 bzw. der jeweiligen Sicherstellungsverfügung auf Grundlage des jeweiligen Entwurfs vom 26. August 2022 beruht (s.o.), bedarf die Beschlagnahme von Gegenständen i.S.v. § 4 Abs. 4 VereinsG zum Zwecke der Beweissicherung der richterlichen Anordnung (vgl. Ziffer III. des Tenors).
57
Dabei steht der Beschlagnahme nach § 4 Abs. 2 Satz 1 VereinsG zum Zwecke der Beweissicherung nicht entgegen, wenn Gegenstände nicht dem Vereinsvermögen zugerechnet werden können (vgl. VGH Kassel, B.v. 16.2.1993 - 11 TJ 185, 186/93 - beck-online).
58
Die Beschlagnahmeanordnung ist auch verhältnismäßig, insbesondere angemessen. Sie wird gemäß § 4 Abs. 2 und 4 Satz 1 VereinsG, § 94 Abs. 2 StPO nur für den Fall angeordnet, dass die Gegenstände nicht freiwillig herausgegeben werden (vgl. BayVGH v. 11.12.2002 - 4 C 02.2478 - juris Rn. 22).
59
Dem Bestimmtheitsgebot wird durch die vorliegend tenorierte Benennung der zu beschlagnahmenden Gegenständen ihrer Art nach und einem zu fordernden Zusammenhang zum Verein „U. T.“ mit seinen aufgeführten Teilorganisationen hinreichend Rechnung getragen (VGH Kassel, B.v. 21.12.2018 - 8 E 545/18 - beck-online; vgl. auch BayVGH, B.v.11.12.2002 - 4 C 02.2478 - beck-online, der insoweit höhere Anforderungen als der VGH Kassel stellt). Zwar sind die zu beschlagnahmenden Gegenstände in der Anordnung so genau zu bezeichnen, dass keine Zweifel darüber entstehen können, ob sie von der Beschlagnahmeanordnung erfasst sind; andernfalls würde die Entscheidung, welche Gegenstände unter die richterliche Beschlagnahmeanordnung fallen, nicht dem Richter, sondern den Ermittlungsbehörden obliegen (vgl. VGH Kassel, a.a.O. Rn. 27 mit Hinweis auf eine insoweit kritische Rechtsprechung). Sie darf kein „Beschlagnahmeblankett“ darstellen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.9.2009 - OVG 1 L 100.08 - juris Rn. 3 m.w.N.). Die Anforderungen an die Bestimmtheit dürfen hingegen auch nicht überspannt werden (VGH Kassel, a.a.O. Rn. 30). Es ist deshalb für die Wahrung des Bestimmtheitsgebots erforderlich, aber auch ausreichend, Gegenstände, Unterlagen und Daten allgemein nach ihrer Art zu benennen und diese Beschreibung zu konkretisieren, indem auf ihren Bezug zu dem zu verbietenden Verein verwiesen wird. Eine solche Eingrenzung genügt, um in ausreichendem Maße Zweifel darüber, welches Beweismaterial beschlagnahmt werden darf, auszuräumen. Unschädlich sind die hierbei verbleibenden Unbestimmtheiten, weil diese aufgrund des Wesens einer vereinsrechtlichen Ermittlungsmaßnahme nie völlig vermieden werden können (VGH Kassel a.a.O.; BayVGH, B.v. 17.10.2013 - 4 C 13.1589 - juris Rn. 8). Hinzu kommt, dass der Schutzbereich des Art. 13 GG bei Beschlagnahmen von Gegenständen nicht berührt wird (BVerfG, B.v. 29.1.2002 - 2 BvR 1245/01 - beck-online).
60
4. Eine vorherige Anhörung im Verwaltungsverfahren nach § 28 VwVfG bzw. Art. 28 BayVwVfG in Bezug auf die Sicherstellungsverfügungen sowie im gerichtlichen Verfahren konnte entfallen.
61
Zwar gilt insbesondere das Gebot rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich auch für richterliche Anordnungen nach § 4 Abs. 2 VereinsG ebenso für den Erlass richterlicher Anordnungen nach den §§ 94 ff. StPO (vgl. dazu Remmert, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Stand 92. EL August 2020, Art. 103 Abs. 1 Rdnr. 58 m.w.N.). Die Sicherung gefährdeter Interessen kann jedoch in besonderen Verfahrenslagen einen sofortigen Zugriff notwendig machen, der die vorherige Anhörung ausschließt; in diesen Fällen ist eine Verweisung der Betroffenen auf nachträgliche Anhörung mit dem Grundgesetz vereinbar (BVerfG, B.v. 16.6.1981 - 1 BvR 1094/80 - beck-online unter Nr. 2.). Im vorliegenden Fall ist die unterbliebene vorherige Anhörung des Antragsgegners aufgrund der in der Antragsbegründung des Antragstellers zum Ausdruck gekommenen Erwägung gerechtfertigt, dass bei einer vorherigen Anhörung damit zu rechnen ist, dass Beweismittel beiseitegeschafft oder vernichtet werden (VGH Kassel, B.v. 16.2.1993 - 11 TJ 185, 186/93 - beck-online). Aus gleichen Erwägungen heraus konnte die vorherige Anhörung in den Verwaltungsverfahren entfallen (vgl. BVerwG, U.v. 18.10.1988 - 1 A 89/83 - juris Rn. 27 ff.).
62
5. Die besondere Verfahrenslage rechtfertigt und gebietet, dass die Zustellung der gerichtlichen Anordnung gemäß § 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 176, 177 ff. ZPO durch die Regierung von Oberbayern bzw. die Polizei in Amtshilfe erfolgt (vgl. auch § 114a StPO; VG Bayreuth, B.v. 17.7.2014, B 1 X 14.440 - beck-online).
63
6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, so dass es einer Streitwertfestsetzung nicht bedarf.